Schreiben Sie noch Briefe? Selten, stimmt’s? Das meiste erledigen wir heute per Email. Emails sind innerhalb weniger Jahre eine Selbstverständlichkeit geworden, haben sich in unserem Alltag eingenistet als wären sie immer schon dort gewesen. Und doch – Emails sind noch recht jung, die erste Email stammt aus dem Jahr 1971.
Wir befinden uns in den Urzeiten des Internet. Noch kurz vorher waren Computer einzelne, riesige und isoliert existierende Schränke. Einer ‚Kommunikation‘ zwischen diesen Dingern wurde nur untergeordnete Bedeutung beigemessen, Dialoge fanden noch über Lochkarten statt.
Bis die US-Luftwaffe begann, das so genannte ArpaNet entwickeln zu lassen – den Ur-Vater des Internet, schon damals mit einer Struktur paketvermittelter Netze.
Ab Ende der 1960er Jahre wurde das ArpaNet nach einigen Fehlschlägen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums realisiert – zunächst begonnen mit der Vernetzung von Rechnern in vier Forschungeinrichtungen. 1)
Aber irgendetwas fehlte, wie einige findige Forscher bald feststellten. Zwar konnten Computer bald Daten untereinander austauschen – aber sie selbst nicht. Nachrichten von einem zum anderen – das wäre etwas.
Der US-Forscher Ray Tomlinson machte sich an die Arbeit, ‚erfand‘ ein Format zum Austausch von Daten. Aber wie sollte er kenntlich machen, an wen die Nachricht gehen sollte? Wie sollte das, was bei Briefen die Post-Adresse war, im elektronischen Netz aussehen?
Eigentlich bräuchte man ja keine physikalische Adresse, sondern nur den Namen und die Organisation, beides sinnvoll verknüpft.
Bei der Suche, wie beides sinnvoll verknüpft werden könnte, stieß Tomlinson auf das bisher im elektronischen Datenverkehr nahezu ungebräuchliche @. Und baute daraus die erste Email-Adresse: tomlinson@bbn-tenexa.
Da fehlt doch was? Ja, stimmt. Die Endungen! Die aber kamen erst später hinzu, als die Zahl der beteiligten Institute so gross wurde, dass ein weiteres ‚Sortier-Kriterium‘ erforderlich wurde, diese durch die heute populären Endungen .com, .gov oder .de unterschieden wurden.
Die erste Email wurde von Tomlinson Ende 1971 (im November oder Dezember, da sind sich die Geschichtsschreiber des Internet nicht einig) geschrieben und über Telefonleitung verschickt.
Nur zur Erinnerung: der erste ‚PC‘, heute ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, wurde erst 1981 von IBM auf den Markt gebracht, und der Siegeszug des World Wide Web, heute nur noch als www bekannt, begann erst 1991.
Inzwischen hat die Email längst einen Siegeszug um die Welt hinter sich, täglich gehen Abermillionen Emails rund um den Erdball auf den Weg, ist die Email zur am weitesten verbreiteten Anwendung im Internet geworden..
Wie schnell man neue Technologien und Verfahren als selbstverständlich nimmt …
Und warum sind Emails heute (oft) weiterhin kostenfrei? Weil Ray Tomlinson und seine Kollegen niemals versuchten, ihre Erfindung zu kommerzialisieren – sonst würden Email heute wohl Porto kosten.
1) Nebenbei, der beliebte Internet-Mythos, das ArpaNet sei entwickelt worden als einem Atomkrieg widerstehendes Netzwerk hat sich als Illusion erwiesen …
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Ray Tomlinson, @ und die erste Email
Ray Tomlinson wurde am 2. Oktober 1941 in Amsterdam im US-Bundesstaat New York geboren. Von Ausbildung Akustiker, begann er in den 1960er Jahren am MIT Massachusetts Institute of Technology in der Akustik-Abteilung, wechselte aber bald zu einem kleinen bereits 1948 aus dem MIT heraus gegründeten Unternehmen namens ‚Bolt, Beranek and Newman‘ (BBN).
BBN gewann 1969 eine Ausschreibung über neuartige Rechner-Netze – hier und im Rahmen dieses Projekts ‚erfand‘ Tomlinson die erste Email.
Im Gegensatz zu manch anderen ‚Helden‘ des Internet wurde Tomlinson kein großer Star. Bis zu seinem Tod arbeitete er bei BBN, seit 2009 Tochtergeselleschaft des Elektronik- und Rüstungs-Konzerns Raytheon.
Ray Tomlinson starb am 5. März 2016 im Alter von 74 Jahren zuhause in Lincoln, Massachusetts an den Folgen eines Herzinfarkts.
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Text 07.03.2016 von ondamaris auf 2mecs und um biographische Daten ergänzt, zuletzt aktualisiert 18.03.2016