Ich weiss was ich tu!

‚Silence = Death‘?
oder:
Ich weiss was ich tu!

Die Eidgenössische Aids-Kommission für Aids-Fragen (EKAF, Bern/Schweiz) hat am 30. Januar 2008 ein Statement veröffentlicht, demzufolge Positive un­ter er­folgreicher The­rapie (Viruslast mind. 6 Monate nicht nachweisbar) ohne sexuell übertragbare Infek­tionen „sexuell nicht infektiös“ sind. Zuvor war die­ser Sachverhalt bereits seit Jah­ren auf wissenschaftlichen Konferenzen disku­tiert worden.

Die Deutsche Aids-Hilfe bemüht sich seitdem um eine eigene Stellungnahme, auch in Zusammenarbeit mit Robert-Koch-Institut und Bundeszentrale für ge­sundheitliche Aufklärung. Bisher ist es leider ergebnislos bei dem Bemühen ge­blieben.

Wir begrüßen das Statement der EKAF und die breite Information der Öffent­lichkeit, sowie die daraus resultierende breite Debatte.
Die Stellungnahme der EKAF bedeutet für Menschen mit HIV und Aids und ihre Part­ner, dass
– ein tabuisiertes Thema, die (eigene) HIV-Infektion, enttabuisiert und wieder Thema von Gesprächen wird.
– sich die Wahrnehmung von Positiven verändert, wieder mehr der Realität annähert.
Positive weniger als Gefahr erlebt, Toleranz und Teilhabe steigen werden.
auch das Selbstbild von Positiven sich verändert, normalisieren kann.
die juristische Bewertung sich verändern wird.
Zudem wird durch die Veröffentlichung der EKAF die Kluft zwischen Präventi­ons-Bot­schaften und Lebenspraxis geringer. Aidshilfe gewinnt so auch wieder eine größere Nähe an die Lebensrealität der Menschen und Glaubwürdigkeit ih­rer Kampagnen zu­rück.

Wir fordern:

Information
Die Stellungnahme der EKAF sowie die verfügbaren Daten sind vorurteilsfrei und offen für jeden verständlich zu kommunizieren. Wissen darf nicht instru­mentalisiert werden. Verschweigen ist Ausdruck von Mißtrauen. Information vorzuenthalten ist unethisch.
Jeder Positive (& jeder Partner von Positiven) hat ein Recht auf Infor­mation über die Chancen und Risiken, die das EKAF-Statement für seine Le­benssituation be­deuten.

Keine Informations-Willkür
Die derzeitige Situation, dass nur ausgewählte Patienten bei ausgewählten Ärz­ten die Chancen des EKAF-Statements erfahren und umsetzen können, ist zy­nische Doppel­moral und unerträgliche Zensur.
Wir fordern Information statt scheinbar wohlmeinender Klientelisierung. Nie­mand hat das Recht zu entscheiden, wer ‚mündig genug‘ für diese Informatio­nen ist, und wer nicht.

Sich den veränderten Realitäten stellen
Will Prävention nicht vollends unglaubwürdig werden, muss sie sich den ver­änderten Realitäten aktiv stellen – statt durch Schweigen oder fehlende In­formation die Ent­stehung neuer Mythen zu begünstigen. Weiteres Schweigen vergrößert nur den bereits angerichteten Schaden.

Mut zur eigenen Haltung
Aidshilfe hat (ihrem Leitbild zufolge) das Ziel, dass „jeder Einzelne informiert, selbst­bestimmt und verantwortungsvoll mit dem Risiko von HIV und Aids um­gehen kann“. Die durch die EKAF aufgeworfenen Fragen, Information und dar­aus resultie­renden Botschaften gehören zu den Kern-Aufgaben der DAH. Die DAH hat die hierfür er­forderlichen Kompetenzen und fachkundigen Mitarbeiter. Die DAH ist nicht Interessen­vertreter einer Gesundheits-Bürokratie, sondern ihrer Mit­gliedsorganisationen sowie der Menschen mit HIV und Aids und ihrer Partner.
Es ist höchste Zeit, dass die DAH jetzt wieder den Mut zu eigener Haltung zurück gewinnt!

Wissenslücken schließen
Diejenigen Punkte, zu denen Dissens zwischen den Beteiligten besteht, müs­sen eben­falls klar und öffentlich benannt werden. Es reicht nicht, mantrahaft das Fehlen von Daten und Evidenz zu wiederholen. Wo Datenlücken bestehen (wie scheinbar bei der Beurteilung des Übertragungsrisikos bei Analverkehr oder der Auswirkung verschiede­ner STDs) fordern wir Datenlücken zu schlie­ßen, entsprechende Studien sind zu konzipieren und durchzuführen. Hier ist auch das Kompetenznetz HIV gefordert.

Gleichheit im Maßstab
Risiken dürfen nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Der Grad an Evidenz, der für die Aussagen zur Kondomverwendung reichte, muss auch für Aussagen zur In­fektiosität bei erfolgreicher Therapie (ohne STDs) genügen. Der Beweis einer Abwe­senheit von Risiko ist nicht möglich!
Kaum jemand bezweifelt, dass eine erfolgreiche Therapie mit Viruslast unter der Nach­weisgrenze die Infektiosität mindestens so stark senkt wie die Benut­zung von Kondo­men. „Wirksame Therapie ohne STDs“ ist mindestens genauso effektiv wie Kondome. Dies muss auch laut gesagt werden! Diejenigen Punkte des State­ments, zu denen weitgehender Konsens auch zwischen Forschern und Prävention be­steht (z.B. Oral-, Vaginalverkehr) sind entsprechend offen zu kommunizieren statt sie weiterhin zu ver­schweigen.

Wissen darf nicht instrumentalisiert werden!

Erfolgreiche Therapie ohne STDs kann auch safer Sex sein!

AutorInnen:
Michèle Meyer, Präsidentin LHIVE
Michael Jaehme
Matthias Hinz
Ulrich Würdemann

Erstunterzeichnende Personen und Organisationen:

Engelbert Zankl, Achim Teipelke, Wolfgang Vorhagen, Peter Smit (Amsterdam), Claudius A. Meyer, Frank Wieting, Bernd Aretz, Hermann Jansen, Birgit Krenz, Olaf Lonczewski, Gaby Wirz, Guido Kissenbeck, Werner Heidmeier, Konstantin Leinhos, Rolf Ringeler, Sven Karl Mai, Michael Bohl, Wolfgang Fannasch, Norbert Dräger, Felix Gallé, Dr. Axel Hentschel, Prof. Dr. Martin Dannecker, Rainer Wille, Wolfgang Richter, Stefan Schwerin, Bernard George, Carsten Schatz, Claudia Fischer-Czech, … u.a.
(Erstunterzeichnung war nur möglich am Rand der DAH-“Ethikkonferenz“ und des 126. Positiventreffens.)

– „positiv e.V.“, Projekt bundesweite Positiventreffen, Mitglied der DAH;
– „LHIVE“ – Organisation der Menschen mit HIV/Aids in der Schweiz;
– das „126. Bundesweite Positiventreffen“ in der Akademie Waldschlösschen mit 60 TeilnehmerInnen

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Text 6. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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