nur drei Buchstaben? – was uns HIV-Positive verbindet

„Warum soll ich mich als HIV-Positiver engagieren – ich hab mit ‚denen‘ ja doch nur drei Buchstaben, nur dieses Virus HIV  gemeinsam.“ Dieser Satz ist so oder ähnlich oft zu hören, wenn es um Engagement und HIV-positive Selbsthilfe geht. Nur – stimmt er? Verbinden uns wirklich ’nur drei Buchstaben‘?

HIV und Aids sind heute, beinahe 30 Jahre nach dem Beginn der HIV-Epidemie, anders als ‚damals‘ in den 1980er und 1990er Jahren. Die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit, das gemeinsame Erfahren von Leid, Schmerz und Trauer ist so heute nicht mehr.

Viele HIV-Positive erleben ihre HIV-Infektion heute eine zwar potentiell schwere, aber behandelbare chronische Krankheit. Gut so – das wollten wir immer haben!

Aber – ist das alles? Können wir uns nun zurück lehnen und sagen ‚Alles in Ordnung‘?

Ja, scheinen viele zu denken.

Armin Traute, ehemaliger HIV-Referent und später Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe sowie Dipl.Psych. und bis Dezember 2010 langjähriger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen, macht sich Gedanken über HIV-positive Selbsthilfe. Traute spricht in einem Artikel Ende 2010 vom Zusammenhang zwischen Selbsthilfe und Grad der Erkrankung („Grenzen von Selbsthilfe“, in: „25 Jahre Herzblut – Berliner Aids-Hilfe e.V.“) und konstatiert

„Wer als HIV-Betroffener ‚gesund‘ ist (damit ist ein körperliches und psychisches Wohlbefinden und ein funktionierendes soziales Netz gemeint), findet heute kaum mehr seinen Weg in eine Selbsthilfegruppe.“

Traute formuliert auch einen möglichen Grund. Er postuliert:

„Selbsthilfe funktioniert nicht, wenn die Betroffenen – oder die Akteure der Selbsthilfe – zu krank oder bedürftig sind und wenn sie zu gesund sind.“

Trautes Aussage klingt zunächst einleuchtend. Wer nicht krank ist (ob subjektiv oder objektiv), warum sollte der sich in Selbsthilfe engagieren?
Ist Selbsthilfe HIV-Positiver also ein ‚Opfer des medizinischen Erfolgs‘?

Doch – so einleuchtend er scheinen mag, der Gedanke, Selbsthilfe (allein) vom medizinischen Zustand abhängig zu machen, mag für manche Erkrankungen gelten – nicht für HIV. Die HIV-Infektion ist (wie nicht zuletzt Susan Sontag mehrfach aufgezeigt hat) eben nicht nur ein medizinisches Syndrom, sondern auch sozial, politisch.

Und diese Erfahrung machen viele von uns auch alltäglich:

All diese Probleme mit Ärzten, Versicherungen, Arbeitgebern, all die Befürchtungen und Ängste vor Reaktionen unserer Umwelt, reale wie gefürchtete Stigmatisierung und Diskriminierungen, sie existieren – aufgrund von HIV, aufgrund unserer HIV-Infektion. Sie existieren oft auch unabhängig davon, wie unser Gesundheitszustand ist, und weitgehend unabhängig davon, wie behandelbar HIV ist.

HIV-infiziert zu sein bedeutet in der Realität eben wesentlich mehr als „nur“ die medizinische Tatsache der HIV-Infektion. Ob wir wollen oder nicht, und ob wir offen mit unserem Serostatus umgehen oder nicht, immer ist da ein ganzer Komplex an weiteren Themen mit im Gepäck, zwangsläufig, unvermeidbar.

Ja – uns verbinden drei Buchstaben: H, I und V.

Und uns verbinden all die Konsequenzen, die aus diesen drei Buchstaben potentiell resultieren, die wir befürchten, mit denen wir uns ob wir wollen oder nicht im Alltag auseinander setzen müssen.

HIV ist eben mehr als „nur diese drei Buchstaben“.

Und wenn wir mit diesen Konsequenzen besser, anders umgehen wollen, wenn wir unsere Situation verbessern wollen, dann hilft nur eins: zusammen arbeiten, gemeinsam handeln. Aus vielen einzelnen ‚ichs‘ ein schlagkräftiges und engagiertes ‚wir‘ machen.

Und das nennt man Selbsthilfe.

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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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