Demonstrationen, das Recht, seine eigene Meinung, auch in der Gruppe, öffentlich zu äußern, gehört zu den Grundrechten und ist im Grundgesetz garantiert (Versammlungsfreiheit). Sie sind ein wichtiger Bestandteil einer freiheitlichen Gesellschaft – und drohen gerade, in die Klauen von Geschäftemachern zu geraten.
Findige Geschäftsleute haben eine neue Idee entdeckt und beginnen sie im Internet zu vermarkten: miete dir deine Demonstranten.
Auf einer Internetplatform, die auch Stretchlimousinen und Stripperinnen feilbietet, stehen in der Art eines Marktplatzes (unter der Kategorie Personal / Demonstrant) bereits mehrere Hundert Personen bereit, sich für Demonstrationen jeglicher Art gegen Geld als Teilnehmer mieten zu lassen. Mit Photo und persönlichen Daten versehen, kann der Demonstrations-Organisator sich hier seinen Massenprotest drapieren lassen – zu Preisen von derzeit 145,- Euro pro Einsatztag. Gemietete Demonstrationen – Demokratie als Operette und das Recht auf freie Meinungsäußerung als Farce.
Als einer der Vorreiter dieser unappetitlichen Vorgänge erweist sich ausgerechnet die Ärzteschaft in Deutschland.
Anlässlich ihrer Protestaktionen gegen die Pläne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform „mietete“ sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung Presseberichten zufolge Ende 2006 etwa 170 Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens und „beschäftigte“ sie als Demonstranten für die Interessen der deutschen Ärzteschaft. Das, was in Zeitung und TV als „demonstrierende Ärzte“ und Beleg für massenhafte demokratische Proteste dargestellt wurde, war nichts weiter als ein Spektakel, eine Inszenierung, ein gekaufter Protest.
Kommerzielle Anbieter käuflicher Demonstranten wie der o.g. Marktplatz jubeln natürlich über diesen Dammbruch. Während sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung damit herausredet, das ganze sei ja nicht als Demonstration angemeldet gewesen, das war ja nur die Abschlussveranstaltung einer PR-Kampagne. Ach so …
Proteste zu kommerzialisieren ist ein zutiefst antidemokratischer Schritt.
Der dazu führen könnte, dass Interessen zunehmend nur noch dann eine Chance haben öffentlich wahrgenommen zu werden, wenn entsprechend Kapital hinter ihnen steht. Der die Form der Demonstration als Weg der öffentlichen Meinungsäußerung insgesamt diskreditieren könnte. Der Demokratie wieder einen Schritt mehr dahin führen könnte, dass sie zu einem ‚Brot-und-Spiele-Zirkus‘ verkommt.
Die Kommerzialisierung von ‚Protesten‘ mag vielleicht für manche Funktionäre und Wirtschaftsvertreter eine reizvolle Vorstellung sein – mein Ziel bleibt eine Demokratie, in der möglichst viele Menschen an der Willensbildung und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind, z.B. im Sinne einer partizipatorischen Demokratie .
ist das nun schlimmer oder harmloser als der in anderen ländern – auch der eu – übliche stimmenkauf?
z. b. die wahlstimmen rumänischer sinti und rom, die clanweise verkauft werden an parteien, die anschließend mehrheitspolitik gegen ihr stimmenbeschafferInnen machen…
Hi Ulli,
gekaufte Demonstranten wäre auch eine Idee für die DAH. Erstens gibt es somit wieder „aktive“ Positive, die sichtbar für die Bevölkerung sind, und zweitens könnte die DAH damit ihre Forderungen (mehr Geld, Heroinprojekt usw.) gegenüber den Politikern besser realisieren?
Lg kalle
@ dietelge: na – ich wiege das eine nicht gegen das andere auf, beides ist mist. und rumänischer stimmenkauf ist kein argument, das nun hier auch (professionell, gewerblich) anzubieten…
lg ulli