HIV-Positiv im Gesundheitsbereich – aktueller HIV-Report

Menschen mit HIV berichten oft über Probleme in der Arbeitswelt aufgrund ihrer HIV-Infektion. Besonders gravierend können diese sein für HIV-Positive, die selbst im Gesundheitswesen arbeiten, ob als Krankenpflegekraft oder Arzt / Ärztin (HCW Health Care Worker).

Wie ist die Situation als Arzt HIV-positiv ? Wie als Krankenpfleger/in?
HIV-positiv im Gesundheitswesen – ein Tabu-Thema.

Der HIV-Report der Deutschen Aids-Hilfe beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe ausführlich mit diesem Thema sowie den „Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV)“, die kommentiert werden mit den Worten „Damit ist der Anfang vom Ende der Diskriminierung HIV-positiver Beschäftigter gemacht.

Die Themen:

  • Zur Situation von HIV-positiven Ärztinnen, Ärzten und Krankenpflegekräften
  • Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV)
  • Vergleich mit US-amerikanischen SHEA-Empfehlungen
  • Übertragungswahrscheinlichkeiten
  • Kritik der Deutschen AIDS-Hilfe
  • Zur Kündigung eines Chemisch-Technischen Assistenten

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Positiv im Gesundheitsbereich
HIV-Report 4 / 2012
Deutsche Aids-Hilfe (Hg.)
(pdf)

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siehe auch
Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV)
(pdf)
FAZ 15.08.2012: Neue Empfehlungen: HIV-positiv – und trotzdem Chirurg
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ein herzlicher Dank an Roland

Die XIX. Internationale Aids-Konferenz in Washington ist vorbei.

Tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind auf dem Rückweg, auch die Delegation der Deutschen Aids-Hilfe DAH. Unter ihnen Roland – der mit einem Scholarship der DAH als HIV-Positiver erstmals eine Welt-Aids-Konferenz besucht hat.

Und der für ondamaris täglich live berichtet hat, welche Veranstaltungen er besuchte, welche Themen ihm persönlich wichtig erschienen, welche Eindrücke er gewonnen hat. Zehn Tage lang hat Roland live berichtet, aus den Meetings und Prä-Konferenz-Symposien, die vor der Aids 2012 stattfanden, wie auch jeden Tag live von der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington.

Eine Übersicht über alle Beiträge in ‚Rolands Washington-Tagebuch‘ ist hier zu finden:

XIX. Internationale Aids Konferenz 2012 : täglich live dabei mit Roland

Alle (auch die weiteren) Artikel, die auf ondamaris zu Themen der XIX. Internationalen Aids-Konferenz Washington 2012 erschienen sind, liefert in einer Übersicht ein Klick auf das Stichwort ‚Aids2012‚ (alle Artikel auf ondamaris sind seit langem Stichworten zugeordnet).

Eine Welt-Aids-Konferenz zu besuchen mit ihren Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern, einem nahezu unüberschaubaren Vortrags- und Veranstaltungsangebot, ständig neuen spannenden Begegnungen mit Kollegen, Aktivisten und Forschern aus anderen Ländern und Kontexten – – – all dies ist sehr anstrengend und kräftezehrend. Wer einmal dabei war, kann ermessen, welche Anstrengungen das bedeutet, umso mehr für jemanden, der ‚das erste Mal‘ dabei ist.

Roland hat über den anstrengenden Konferenz-‚Alltag‘ hinaus zusätzlich jeden Tag (und meist zu nachtschlafener Zeit) noch Zeit und Energie gefunden, für ondamaris live von der Konferenz zu berichten, Texte zu schreiben, Fotos zu machen und bereit zu stellen, die ich dann am frühen Morgen hiesiger Zeit als ondamaris-Artikel umgesetzt und online gestellt habe.

Für diesen tollen Einsatz bin ich Roland sehr dankbar. Ohne ihn wäre eine derart umfassende Berichterstattung über die XIX. Internationale Aids-Konferenz in Washington 2012 nicht möglich gewesen.

Ein Dank an die DAH, die diese Berichterstattung durch ihr Scholarship erst ermöglicht hat. Vor allem aber:

Ein sehr herzliches Danke, Roland!

Die Washington D.C. Erklärung – Gemeinsam das Blatt wenden: Eine Erklärung, um die AIDS-Epidemie zu beenden (akt.)

Die Washington D.C. Erklärung

Gemeinsam das Blatt wenden: Eine Erklärung, um die AIDS-Epidemie zu beenden

Wir stehen an einem einzigartigen Zeitpunkt in der Geschichte der AIDS-Epidemie.

Drei Jahrzehnte von hartnäckiger Überzeugungsarbeit in der Gemeinschaft, von Forschung und Dienstleistung haben die Welt and den Rand eines Szenarios gebracht, das noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre: die Möglichkeit damit zu beginnen, die AIDS-Epidemie noch zu unserer Lebzeit zu beenden. Die Verluste waren unberechenbar; die Gewinne außergewöhnlich. Doch jetzt, durch neue wissenschaftliche Fortschritte und gesellschaftliche, politische und menschenrechtliche Gewinne haben wir entdeckt, dass es möglich ist, ein Paket an bewährten Strategien zusammenzustellen und zu liefern, die, wenn sie als Maßstab genommen warden, das Blatt bei AIDS wenden können.

Wir brauchen noch immer ein Heilmittel und einen Impfstoff. Aber wir müssen unsere Ressourcen und Anstrengungen erhöhen, indem wir die Mittel zu verwenden di wir heute haben, um Neuinfektionen drastisch einzudämmen und die Gesundheit von Millionen von Menschen mit HIV/AIDS zu verbessern. Millionen Menschenleben werden gerettet.

Das Blatt gegen HIV/AIDS zu wenden wird eine aufeinander abgestimmte Führung auf allen Ebenen der Regierung, des Gesundheitswesens, der Wissenschaft und der nichtstattlichen Organisationen benötigen. Wir müssen uns um multidisziplinäre Ansätze bemühen, die die Menschenrechte und die Würde aller von der Epidemie Betroffenen respektiert und aufrechterhalten.. Das Ziel, mit dem Ende der AIDS-Epidemie zu beginnen ist ehrgeizig, aber erreichbar. Es ist in unserer Reichweite.

Um das Blatt gemeinsam zu wenden, müssen wir:

  1. Steigerung gezielter neuer Investitionen. Wir können Leben retten, Infektionen verhindern und das globale Preisschild der Epidemie mit einer sofortigen, strategischen Steigerung in Investitionen verringern. Größere Fortschritte benötigen angemessene Finanzierungszusagen von globalen und lokalen Spendern, einschließlich der weltweiten nationalen Regierungen.
  2. Sicherstellung evidenzbasierter HIV-Prävention, Behandlung und Pflege im Einklang mit den Menschenrechten derjenigen, deren Risiken am höchsten und deren Bedürfnisse am dringendsten sind. Dazu gehören Homosexuelle, Transsexuelle, Drogenabhängige, gefährdete Frauen, Jugendliche, schwangere Frauen, die mit HIV leben und Prostituierte ebenso, wie andere betroffene Personen der Bevölkerung. Niemand kann ausgeschlossen werden, wenn wir unser Ziel erreichen wollen.
  3. Das Beenden von Stigmata, Diskriminierung, rechtlichen Sanktionen und Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen, die mit HIV leben und den Gefährdeten. Stigmata und Diskriminierung behindern alle unsere Bemühungen und verhindern die Bereitstellung wesentlicher Dienstleistungen.
  4. Deutlich mehr HIV-Tests, Beratung und Verbindungen zu Prävention, Betreuung und unterstützenden Diensten. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, ihren/seinen HIV-Status zu kennen und die Behandlung, Pflege und Unterstützung zu erhalten, die er/sie benötigen.
  5. Bereitstellung von Behandlung für alle schwangeren und stillenden Frauen die mit HIV leben und das Beenden perinataler Übertragung: Wir können Frauen unterstützen am Leben und gesund zu bleiben und pädiatrische HIV-Infektionen zu beenden.
  6. Erweiterter Zugang zu antiretroviraler Behandlung für alle Bedürftigen. Wir können AIDS nicht beenden, bis das Versprechen des universellen Zugangs realisiert wird.
  7. TB erkennen, diagnostizieren und behandeln. Umsetzung von TB Präventionsprogrammen durch integrierte HIV und TB Dienstleistungen. Nicht mehr mit HIV leben, aber an TB sterben.
  8. Beschleunigte Erforschung von neuen HIV-Präventions- und Behandlungsmethoden, einschließlich neuer Ansätze wie Pre-Expositions-Prophylaxe (PrEP) und Mikrobiziden und eine optimale Bereitstellung von dem wir wissen, dass es funktioniert, von Kondomen bis zur Behandlung als Prävention. Erweiterte Forschung nach einem Impfstoff und einer Heilung. Forschung ist wichtig, um uns aus der Epidemie zu führen.
  9. Mobilisierung und sinnvolle Einbeziehung der betroffenen Gemeinden muss das Herzstück der gemeinsamen Reaktionen sein. Die Führung der direkt Betroffenen ist ausschlaggebend für eine effektive HIV/AIDS-Reaktion.

Die vor uns liegenden Herausforderungen sind groß, doch die Kosten des Scheiterns werden größer sein. Wir rufen alle besorgten Bürger der globalen Gemeinschaft auf, im Geiste der Solidarität und der gemeinsamen Handlung und mit dem vollsten Engagement der Gemeinschaft von Personen die mit HIV leben die erneute Dringlichkeit zu versuchen den weltweiten Kampf gegen AIDS zu erweitern. Wir müssen beginnen mit dem zu handeln, was wir wissen. Wir müssen mit dem Ende von AIDS beginnen – Gemeinsam.

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(Dokumentation der Washinton Erklärung nach http://www.2endaids.org/lang/german.html, Stand 27.07.2012, 08:00 Uhr MESZ nach der nun auch auf 2endaids.org online stehenden pdf-Version, Stand 27.07.2012, 10:20 Uhr MESZ)

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Zeichnungs-Möglichkeit der Washignton Erklärung hier

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Deutsche AIDS-Hilfe: AIDS auch in Deutschland beenden!

Während der Welt-AIDS-Konferenz in Washington, die heute zu Ende geht, hat die Deutsche AIDS-Hilfe die „ Washingtoner Erklärung “ unterzeichnet. Sie steht unter dem Motto: „Turning the Tide Togehter – A Declaration to End the AIDS Epidemic“ („Gemeinsam das Blatt wenden – Eine Erklärung, um die Aids-Epidemie zu beenden“).

In der Deklaration werden neun dringend notwendige Maßnahmen benannt, darunter Zugang zu Prävention, Behandlung, Versorgung und Beratung, weitere Schritte gegen Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen mit HIV sowie verstärkte Anstrengungen in der Forschung (www.dcdeclaration.org, www.2endaids.org).

Der im internationalen Vergleich sehr erfolgreichen deutschen HIV-Prävention wurde in Washington großes Interesse entgegengebracht. Oft wurde die Frage gestellt, welche Maßnahmen auf andere Länder übertragbar seien. Dazu sagt Carsten Schatz, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:

„Die deutsche HIV-Prävention ist so erfolgreich, weil sie auf Beteiligung der am stärksten von HIV betroffenen Gruppen setzt und Diskriminierung entgegenwirkt. Wir wünschen uns, dass dieses Modell in noch mehr Ländern Fuß fasst. Zugleich müssen wir aber noch Lücken im eigenen Land schließen: Menschen in Haft sind von wirksamen Maßnahmen wie Spritzentauschprogrammen ausgeschlossen und haben oft keinen Zugang zu Substitutionstherapien. Drogenkonsumräume retten nachweislich Leben, dürfen aber noch immer in mehreren Bundesländern nicht betrieben werden. Vermeidbare HIV- und Hepatitis-Infektionen werden in Kauf genommen – das ist inakzeptabel.“

Schatz weiter: „In der Forschung muss Deutschland seine Anstrengungen erheblich verstärken. Die Konferenz hat bezüglich der Heilung der HIV-Infektion international ein Aufbruchssignal gesetzt. Wenn Deutschland bei der Finanzierung der Forschung so zurückhaltend bleibt wie bisher, laufen wir Gefahr, abgehängt zu werden. Und das trotz vielversprechender Ansätze: Die ,molekulare Schere’, die HIV aus infizierten Körperzellen entfernen kann, wurde vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut entwickelt.“

Die Konferenz in Washington hat keine großen Durchbrüche gebracht, wohl aber wichtige Zeichen gesetzt. Hochrangige Meinungsführer wie UNAIDS-Direktor Michel Sidibé haben betont, dass die präventive Wirkung der HIV-Medikamente – sei es nun in Form der Therapien HIV-Positiver oder als Präexpositionsprophylaxe – nicht gegen die Prävention ausgespielt werden darf. Information, Beratung und Interventionen gegen Diskriminierung sind und bleiben essenziell. In Washington wurde das Zusammenspiel verschiedener unverzichtbarer Maßnahmen analog zu den Kombinationstherapien als „kombinierte Prävention“ bezeichnet.

DAH-Vorstand Carsten Schatz abschließend: „AIDS ist heute eine meist vermeidbare Folge der HIV-Infektion. Obwohl wir auf eine Heilung noch länger werden warten müssen, können wir die Krankheit tatsächlich ,beenden’, wenn wir alle Menschen an den Erfolgen von Therapie und Prävention teilhaben lassen. Ob dies gelingt, ist eine Frage des politischen Willens – weltweit, aber auch in Deutschland.“

(Pressemitteilung DAH)

‚Dein Recht auf freie Entscheidung‘ – DAH mit Kampagne zu Entscheidungsfreiheit auf Internationaler AIDS-Konferenz

Entscheidungsfreiheit – Das Recht, in Bezug auf das eigene Leben freie Entscheidungen zu treffen steht im Mittelpunkt der Kampagne, mit der sich die Deutsche Aids-Hilfe DAH auf der heute beginnenden Internationalen Aids-Konferenz in Washington (Aids 2012) präsentiert.

Your Freedom Of Choice - Kampagne der DAH zur Internationalen Aids-Konferenz Washington 2012
Your Freedom Of Choice - die Kampagne der DAH zur Internationalen Aids-Konferenz Washington 2012 thematisiert Entscheidungsfreiheit, das Recht, in Bezug auf das eigene Leben freie Entscheidungen zu treffen

Im Folgenden als Dokumentation die Kampagnen-Beschreibung der DAH:

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Your FREEDOM OF CHOICE

Die Deutsche AIDS-Hilfe präsentiert sich bei der XIX. Internationalen AIDS-Koferenz in Washington unter dem Motto „Your FREEDOM OF CHOICE“.

Das Recht, in Bezug auf das eigene Leben freie Entscheidungen zu treffen, ist ein hoher Wert – in den USA und in vielen anderen Ländern. Leider wird dieser Wert in Bezug auf Sexualität, Drogen und den Umgang mit HIV oft außer Kraft gesetzt – mit fatalen Folgen!

Diskriminierung und Repression stehen im Widerspruch zu den Menschenrechten und sind Gift für die Prävention. Wer versucht, anderen Menschen Lebensentwürfe aufzuzwingen oder ihr Verhalten zu reglementieren, verspielt die Möglichkeit, sie zu erreichen. Stigmatisierung führt dazu, dass Menschen Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Ideologische Scheuklappen blockieren wirksame Hilfsmaßnahmen. Das ist oft lebensgefährlich!

FREEDOM OF CHOICE rettet Leben, verhindert HIV-Infektionen und fördert Gesundheit. Prävention ist erfolgreich, wenn sie selbst gewählte Lebensweisen respektiert und von den Gruppen (mit-) gestaltet wird, für die sie gedacht ist. Dann gilt es, passende Maßnahmen zum Schutz vor HIV und anderen Gesundheitsschäden anzubieten. Das gilt in allen Bereichen der HIV-Prävention:

  • Drogengebrauch: Der Krieg gegen Drogen hat zu tödlicher Gewalt und Millionen HIV-Infektionen geführt. Drogenkonsumenten werden ins Gefängnis gesteckt und infizieren sich nicht selten dort mit HIV oder Hepatitis. FREEDOM OF CHOICE heißt, sie mit geeigneten Mitteln zu unterstützen, Gefahren für Leib und Leben zu reduzieren – unabhängig davon, ob sie sich für Abstinenz, Substitution oder ein Leben mit Drogen entscheiden.
  • Sexarbeit: Repression setzt Sexarbeiterinnen unter Druck und treibt sie in die Illegalität. Dadurch wird ihr Arbeitsumfeld unsicher und sie sind für Prävention kaum noch zu erreichen. FREEDOM OF CHOICE heißt, Sexarbeiterinnen unbehelligt arbeiten zu lassen und sie vor Ort dabei zu unterstützen, sich und ihre Kunden zu schützen!
  • Gay life: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transmenschen werden diskriminiert, angegriffen, bestraft. Wer sich verstecken muss, ist für Informationen schwer erreichbar und kann kaum ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, das auch für den Schutz vor HIV unverzichtbar ist. FREEDOM OF CHOICE heißt, Menschen in ihrem Bedürfnis nach erfüllter Sexualität und Gesundheit zu stärken.
  • HIV+: Menschen mit HIV werden stigmatisiert, diskriminiert, kriminalisiert. Das macht es ihnen schwer, offen mit ihrer Infektion umzugehen. Angst vor Ablehnung verhindert oft, dass Schutz vor HIV thematisiert wird. FREEDOM OF CHOICE haben Menschen mit HIV nur, wenn sie nichts zu befürchten haben. Weil dann offen über HIV gesprochen wird, trägt das auch zur Vermeidung weiterer HIV-Infektionen bei.

FREEDOM OF CHOICE ist der Schlüssel! Wer glaubt, mit Moralvorschriften und Repression die Verbreitung von HIV zu verhindern, macht sich und der Gesellschaft etwas vor. Deswegen fordern wir: FREEDOM OF CHOICE! Now!

Zur Zulassung von Truvada für die Präexpositionsprophylaxe in den USA

Angesichts der Zulassung von Truvada als Präexpositionsprophylaxe (PrEP) – also als Mittel zum Schutz vor einer HIV-Infektion – warnt die Deutsche AIDS-Hilfe vor zu großen Hoffnungen. Für die breite Bevölkerung oder größere Gruppen kommt Truvada als Mittel der Prävention nicht in Betracht.

Das Medikament schützt bei Weitem nicht so zuverlässig vor HIV wie Kondome. Bei einer Studie mit 2500 schwulen Männern, die Truvada als PrEP einnahmen, zeigte sich ein Schutzeffekt von 44 Prozent.

Befürworter der PrEP argumentieren mit einer Studie mit knapp 4800 heterosexuellen Paaren aus Kenia und Uganda, wo die Schutzwirkung bei 75 Prozent lag. Zum Vergleich: Kondome haben eine Schutzwirkung von 95 Prozent.

Die mangelnde Schutzwirkung der PrEP ist dabei vor allem darauf zurückzuführen, dass das Medikament nicht regelmäßig eingenommen wurde. Die Schutzwirkung sinkt in diesem Fall drastisch. Die Studien haben gezeigt, dass es gesunden Menschen besonders schwerfällt, dauerhaft Medikamente einzunehmen, zumal diese auch Nebenwirkungen haben können.

In Europa würde man es vorziehen, den HIV-positiven Partner zu behandeln: Das hätte einen positiven Einfluss auf seine Gesundheit, zudem würde der Schutzeffekt für den negativen Partner dann über 96 Prozent betragen.

Zu bedenken ist: Bei der Präexpositionsprohphylaxe handelt es sich nicht um eine „Pille gegen Aids“, die man direkt vor dem Sex einnimmt. Notwendig ist eine dauerhafte Einnahme. Zudem ist die PrEP teuer: in Deutschland kostet eine Monatspackung Truvada über 800 Euro.

Hinzu kommt noch ein ethisches Argument: Weltweit gibt es rund 8 Millionen Menschen, die dringend eine HIV-Therapie benötigen, sie aber nicht bekommen. Die Weltgemeinschaft stellt immer noch nicht genügend Geld für universellen Zugang zur Verfügung. Es wäre nicht vertretbar, HIV-Medikamente nun in größerem Ausmaß an Gesunde zu verteilen.

Es ist aber möglich, dass die PrEP für bestimmte Gruppen mit einem besonders hohen HIV-Risiko eine zusätzliche Option zum Schutz vor HIV wird. Hier herrscht noch Forschungsbedarf.
Die interessanteren Möglichkeiten bezüglich einer PrEP – zum Beispiel in Form einer Verhütungscreme – werden erst noch untersucht. Die Zulassung von Truvada als PrEP in den USA kam aus unserer Sicht zu früh.

(Pressestatement DAH)

HIV-Tests müssen freiwillig bleiben!

In Sachsen-Anhalt sollen demnächst unter bestimmten Bedingungen HIV- und Hepatitis-Tests gegen den Willen der Betroffenen möglich sein.

So sieht es der Gesetzentwurf für ein geändertes „Gesetz über die Sicherheit und Ordnung“ vor, das am 13. Juli im Landtag des Landes in erster Lesung behandelt und an den Ausschuss für Inneres überwiesen wurde.

Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt diesen Gesetzentwurf als unverhältnismäßig ab. Dazu sagt Carsten Schatz, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:

„Ein solches Gesetz setzt Grundrechte außer Kraft. Es öffnet die Tür für unfreiwillige Tests und damit für einen willkürlichen Umgang mit möglicherweise HIV-positiven Menschen. Nicht ohne Grund dürfen in Deutschland medizinische Tests nur mit Einwilligung der Betroffenen und in Verbindung mit einer entsprechenden Beratung stattfinden. Dieser Anspruch ist ein hohes Gut und darf nicht leichtfertig aufgeweicht werden. Die Entscheidung für oder gegen einen Test sowie den richtigen Zeitpunkt liegt beim Individuum – und das muss auch so bleiben!“

Ein HIV-Test gegen den Willen eines Menschen ist rechtlich Körperverletzung, die Diagnose kann schwerwiegende psychische und soziale Folgen haben.

Sachsen-Anhalt plant nun, Tests zu erlauben, wenn – so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes – Personen „einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt waren. Vor allem Polizeivollzugskräfte und Rettungshelfer können betroffen sein, wenn sie sich z.B. an Spritzen verletzen oder eigene offene Wunden mit Körperflüssigkeiten eines Festzunehmenden oder Unfallopfers in Berührung kommen (…).“

Besonders folgenschwer: Wenn die Polizei von „Gefahr im Verzug“ ausgeht, könnten die genannten Tests sogar ohne richterliche Anordnung möglich sein.

Hintergrund ist die Möglichkeit der „Postexpositionsprophylaxe“ (PEP, „Nach-Risiko-Vorsorge“). Eine umgehende Behandlung mit HIV-Medikamenten kann in den meisten Fällen die Übertragung des Virus noch verhindern. Diese Behandlung ist aber auch ohne HIV-Test möglich; nur in den seltensten Fällen ist nicht klar, ob eine Infektion vorliegt oder wahrscheinlich ist. Zudem kann ein HIV-Test in solchen Situationen auch keine sichere Information liefern, weil er erst drei Monaten nach einem Infektionsrisiko zuverlässig anzeigt, ob jemand HIV-positiv oder -negativ ist.

DAH-Vorstand Carsten Schatz: „Geplant ist eine weitreichende gesetzliche Veränderung aufgrund von seltenen Einzelfällen. Dieses Gesetz ist eher großen Ängsten geschuldet als tatsächlichen Erfordernissen. Dafür ein Grundrecht auszuhöhlen, ist vollkommen unverhältnismäßig.“

Die Deutsche AIDS-Hilfe bietet sich in dieser Frage den Entscheidungsträgern in der Politik sowie den Verbänden der genannten Berufe als Gesprächspartner an. „Die Ängste von Menschen in medizinischen Berufen und im Polizeieinsatz nehmen wir sehr ernst“, sagt Carsten Schatz. „Wir helfen gerne dabei, diesen Ängsten mit hilfreichen Informationen zu begegnen.“

(Pressemitteilung der DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe: Bayern missachtet Rechte Gefangener

In einem offenen Brief hat die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) die bayerische Staatsministerin der Justiz, Dr. Beate Merk, aufgefordert, eine angemessene Versorgung heroinabhängiger bayerischer Häftlinge mit Substitutionsbehandlungen sicherzustellen.

Die Substitution mit Ersatzstoffen wie Methadon wird in bayerischen Haftanstalten den meisten Häftlingen vorenthalten. Damit verstößt Bayern gegen die entsprechenden Richtlinien der Bundesärztekammer sowie gegen das Bayerische Strafvollzugsgesetz, nach dem Gefangene eine genauso gute Gesundheitsversorgung erhalten müssen wie Menschen in Freiheit.

In ihrem offenen Brief appelliert die Deutsche AIDS-Hilfe daher an die Staatsministerin: „Achten Sie die Menschenrechte inhaftierter Drogengebraucher, sorgen Sie für den Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebens!“

Hintergrund des offenen Briefes sind zwei aktuelle Beschlüsse des Landgerichts Augsburg (siehe Pressemitteilung vom 17.4.2012). Zwei Häftlinge – einer davon HIV-positiv und mit dem Hepatitis-C-Erreger HCV infiziert – hatten geklagt, weil ihnen die JVA Kaisheim eine Substitutionsbehandlung verwehrte. Das Gericht lehnte die Anträge ab, ohne ein unabhängiges fachliches Gutachten einzuholen. Die Begründung des Beschlusses weist zahlreiche fachliche Fehler auf.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) hat sich daher mit einer Stellungnahme an Dr. Beate Merk gewendet. Mit Bezug auf eines der Urteile erklärt sie: „Die Urteilsbegründung entspricht nicht dem Stand des medizinischen Wissens und verletzt das Recht des Patienten auf eine angemessene Behandlung.“ Es bestehe „eine grundsätzliche Indikation zur fachgerechten Behandlung, und Behandlungsstandard ist die Substitutionsbehandlung.“

In einem weiteren offenen Brief bittet ein niedergelassener Arzt aus Ulm die Staatsministerin „um Aufklärung“. Einer seiner Patienten war erfolgreich substituiert und stand sogar wieder in einem Arbeitsverhältnis. Nach einem kurzen Rückfall kam er in Haft. „In der JVA wurde er, wie in Bayern wohl üblich, kalt entzogen“ und sei nun „ohne nennenswerte psychologische oder fachärztliche Betreuung“.

Zum erzwungenen Ausstieg aus der Substitutionsbehandlung in Haft merkt die DGS an: „Diese erhöht Gesundheits- und Lebensgefahren des Patienten erheblich.“

Die Deutsche AIDS-Hilfe bittet Staatsministerin Merk um eine Erklärung, warum die Rechte Gefangener auf angemessene Gesundheitsversorgung in Bayern missachtet werden. Unsere Mitgliedsorganisationen vor Ort und wir stehen gerne zu Gesprächen bereit und bieten Unterstützung zur Beseitigung der Missstände an.

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(Pressemitteilung DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert menschenverachtende Gerichtsbeschlüsse

Das Landgericht Augsburg hat die Klagen zweier heroinabhängiger Häftlinge auf eine Substitutionsbehandlung zurückgewiesen.

Die Justizvollzugsanstalt Kaisheim habe die Behandlung zu Recht abgelehnt, heißt es in den bisher unveröffentlichten Beschlüssen vom 28.3.2012. Die Substitution der Gefangenen – einer davon HIV-positiv und mit dem Hepatitis-C-Erreger HCV infiziert – sei medizinisch nicht angezeigt.

Dazu erklärt Sylvia Urban, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH):

„Die Substitution steht den Gefangenen nach den Richtlinien der Bundesärztekammer zu. Wie in bayerischen Haftanstalten üblich, wird ihnen aus ideologischen Gründen eine wirksame Behandlung vorenthalten. Das schädigt ihre Gesundheit und möglicherweise auch die Gesundheit anderer Häftlinge. Das Gericht hat es versäumt, eine unabhängige fachliche Expertise einzuholen. Die Beschlüsse sind voller fachlicher Fehler und Missverständnisse.“

Das Gericht argumentiert unter anderem, es bestehe keine Aussicht auf Heilung. Die Gefangenen seien schon sehr lange abhängig und hätten bereits erfolglose Therapieversuche hinter sich. Damit nennt das Gericht genau die Kriterien, nach denen eine Substitution gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer sinnvoll ist.

Die Behandlung mit einem Ersatzstoff wie Methadon nimmt schwer Abhängigen den Suchtdruck, sodass kein Bedürfnis mehr nach Heroinkonsum besteht. So werden gesundheitliche Belastungen reduziert. Die Gefahr einer Übertragung von HIV oder HCV durch gemeinsam genutzte Spritzen wird ausgeschaltet. Zugleich dient die Substitution dem Vollzugsziel der Resozialisierung nach der Haftentlassung.

In der Begründung des Gerichts offenbart sich demgegenüber ein erschreckendes Menschenbild: Dem einen Gefangenen attestiert der Richter, er suche „bewusst die Illegalität“. Im anderen Fall betont er, die JVA habe bei dem Häftling „völlig zu Recht“ eine „antisoziale Persönlichkeitsstruktur“ ausgemacht.

„Von einem Verständnis der Abhängigkeit als behandlungsbedürftiger Krankheit fehlt hier jede Spur“, sagt DAH-Haftexpertin Bärbel Knorr. „Die Sucht als Charakterschwäche darzustellen, kann man nur menschenverachtend nennen. Die Begründung der Gerichtsbeschlüsse entbehrt jeder fachlichen Grundlage.“

Der Stellungnahme einer auf Substitution spezialisierten Ärztin der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) maß das Gericht keine Bedeutung bei. Es bestehe auch „keinerlei Grund, zu dieser medizinischen Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen“ und an der Einschätzung der Anstaltsärzte zu zweifeln. Diese aber haben offenbar nicht die suchtmedizinische Ausbildung, die sie zu Substitution und entsprechenden Expertisen befähigen würde.

Alles deutet darauf hin, dass die Substitution aus prinzipiellen Gründen abgelehnt wird. Während Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin die Möglichkeiten zur Substitution in Haft ausbauen, ist diese hoch wirksame präventive Maßnahme in Bayern weiter verpönt und wird nur in Ausnahmefällen gewährt.

Sogar laufende Substitutionstherapien werden durch Inhaftierung beendet. Das zeigt ein weiterer aktueller Fall: Ein erfolgreich substituierter Mann kam nach einem kurzzeitigen Rückfall in Haft, wo man ihm die Weiterbehandlung verwehrte. Die Haftanstalt überließ den Mann seiner Sucht und damit erheblichen gesundheitlichen Risiken.

Laut Bayerischem Strafvollzugsgesetz müssen Gefangene eine genauso gute medizinische Behandlung erhalten wie Menschen in Freiheit. Gemäß Artikel 60 haben sie Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

„Diese Rechte werden in Bayern durch die Verweigerung von Substitution fortwährend missachtet“, sagt DAH-Vorstand Sylvia Urban. „Die Landesregierung steht in der Pflicht, das medizinische Personal in den Anstalten aus- und weiterzubilden, damit auch in Haft eine bedarfsgerechte Versorgung von Suchtkranken gewährleistet ist.“

(Pressemitteilung DAH)

Scholarship-Programm für Internationale Aids-Konferenz in Washington

Ab sofort können sich Interessierte aus der Positiven-Selbsthilfe und den Communities im HIV/Aidsbereich, die an der internationalen AIDS-Konferenz teilnehmen möchten, die Kosten aber nicht selber tragen können, bei der DAH um einen von fünf Plätzen im Scholarship-Programm der DAH bewerben.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Scholarship-Programm der DAH werden über ein Ausschreibungsverfahren ermittelt. Für die Bewerbung um einen Scholarship-Platz muss dargelegt werden, dass sich die bewerbende Person aktiv an der Konferenz beteiligt. Dies kann z.B. über folgende Aktivitäten deutlich gemacht werden (bitte die jeweiligen Anmeldefristen für Abstracts, Global Village-Stände und Programmaktivitäten beachten www.aids2012.org):

  • Beteiligung an einem NGO-Stand oder den Aktivitäten am DAH-Stand im Global Village,
  • Durchführung eines Angebots in den Programmaktivitäten des Global Village,
  • gegebenenfalls Beteiligung an inhaltlichen Angeboten am gemeinsamen deutschen Stand.

Ein Gremium aus DAH-Vorstand, -Geschäftsführung und -Referenten wird über die Teilnahme entscheiden. Die Zielgruppe sollen Menschen aus der Selbsthilfe und den Communities aus dem HIV/Aidsbereich (z.B. Netzwerke). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen ferner als Multiplikator(inn)en in ihre Netzwerke und Szenen (Communities) hinein wirken.

Die DAH weist darauf hin, dass die Konferenzsprache Englisch ist und zur Teilnahme ausreichende englische Sprachkenntnisse zwingend erforderlich sind.

Übernommen werden im Rahmen des Scholarships die Fahrt- und Unterkunftskosten sowie eine Pauschale für die Verpflegung und gegebenenfalls der Eintritt in die Hauptkonferenz (es gibt 3 Plätze für die Teilnahme ausschließlich am Global Village und 2 Plätze für die Teilnahme inklusive der Hauptkonferenz).

Für eine Bewerbung muss das ausgefüllte und unterschriebene Formular (im Anhang) bis spätestens 10.04.2012 bei der DAH, Wilhelmstraße 138, 10963 Berlin eingegangen sein.

Als Ansprechpartnerin für Rückfragen steht Heike Gronski, Tel. 030-69008750, E-Mail: heike.gronski@dah.aidshilfe.de gerne zur Verfügung.

Anhang: Formular für die Bewerbung zum Scholarship

(Meldung der Deutschen Aids-Hilfe)

Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Positionspapier der Deutschen Aids-Hilfe

Berlin, im März 2012

Zusammenfassung – Die Strafbarkeit der HIV-Übertragung begünstigt die Verbreitung von HIV

Nach wie vor werden in Deutschland Menschen mit HIV verurteilt, nachdem es beim Sex zu einer Übertragung des Virus gekommen ist. Sogar wenn nur die Möglichkeit dazu bestanden hat, ohne dass es tatsächlich zu einer Übertragung gekommen ist („HIV-Exposition“), kann das zu einer Verurteilung führen.
Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die strafrechtliche Sanktionierung der HIVÜbertragung beziehungsweise -Exposition bei selbstbestimmten sexuellen Handlungen ab. Diese bürdet Menschen mit HIV die alleinige Verantwortung auf und schadet zugleich der HIV-Prävention. HIV-Übertragungen werden so nicht verhindert, sondern begünstigt.

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung und -Exposition erfolgt über den Straftatbestand der Körperverletzung. Nach vorherrschender Rechtsprechung müssen HIV-Positive auf dem Gebrauch von Kondomen bestehen oder ihre Partnerinnen beziehungsweise Partner über die Infektion informieren. (Ausführliche Informationen: www.aidshilfe.de)

Diese Auslegung des geltenden Rechts ist keineswegs zwangsläufig, sondern gründet oft auf der Annahme, auf diese Weise zur Verhinderung von HIV-Infektionen beizutragen. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert die Justiz auf, ihre Anwendung der genannten Gesetze zu überdenken und fortan auf die daraus resultierende Kriminalisierung von Menschen mit HIV zu verzichten.

Solange die HIV-Übertragung und -Exposition noch kriminalisiert werden, müssen Gerichte zumindest berücksichtigen, dass eine gut funktionierende HIV-Therapie mindestens genauso wirksam vor der Übertragung des Virus schützt wie Kondome.

Keine einseitige Zuweisung von Verantwortung – Für den Schutz vor einer HIV-Übertragung sind alle Beteiligten verantwortlich.

Nicht die HIV-Infektion an sich führt zur Übertragung, sondern sexuelle Handlungen, die zwei Menschen gemeinsam vollziehen. Dabei sind beide voll für ihr Handeln und damit für den Schutz vor einer HIV-Übertragung verantwortlich.
Die Täter-Opfer-Logik des Strafrechts passt nicht zu sexuellen Begegnungen. Sie deutet eine Situation zu einer einseitigen Handlung von HIV-Positiven um, die Verantwortung der Partner wird ignoriert.

Kriminalisierung schadet der Prävention – Die Strafbarkeit vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl.

Wer die Verantwortung vor allem HIV-Positiven zuweist, unterhöhlt den Grundansatz der erfolgreichen Prävention in Deutschland: Jeder Mensch kann sich selbst schützen, sofern er über die nötigen Informationen und Mittel verfügt und ihn äußere Umstände nicht daran hindern.

Indem die Verantwortung beim HIV-Positiven verortet wird, kann die Illusion entstehen, der Staat habe HIV unter Kontrolle. Menschen könnten sich darauf verlassen, dass allein HIV-Positive für Schutz verantwortlich seien. Das ist schon allein deswegen fatal, weil bei vielen HIV-Übertragungen Menschen beteiligt sind, die gar nichts von ihrer Infektion wissen.

Da nur verurteilt werden kann, wer von seinem HIV-Status weiß, kann die Kriminalisierung Menschen vom HIV-Test abhalten. Das ist kontraproduktiv: HIV-Übertragungen werden unter anderem dann wirkungsvoll verhindert, wenn möglichst viele Menschen von ihrer Infektion wissen und sich rechtzeitig behandeln lassen. Mit einer gut wirksamen Therapie schützen sie auch ihre Partner vor einer HIV-Übertragung (siehe unten: „Die Bedeutung der Viruslast
einbeziehen“).

Manchmal wird argumentiert, die Strafandrohung motiviere HIV-Positive, ihre Partner zu schützen. Dafür gibt es keine Belege. Untersuchungen zeigen, dass Strafandrohungen das sexuelle Verhalten kaum beeinflussen.

Die Strafandrohung ist in keinem Fall hilfreich. Ganz im Gegenteil: Sie steigert die Angst, über HIV und Schutz zu reden und sich damit möglicherweise als HIV-positiv zu offenbaren. Je größer der Druck auf Menschen mit HIV, desto größer die Angst vor Ablehnung.

Sicherheit und Wahrhaftigkeit sind nicht einklagbar – Hilfreich ist ein Klima, in dem man offen über HIV und Sexualität sprechen kann.

Wenn es um Sexualität geht, ist es oft nicht leicht, offen zu reden. Ängste und Hemmungen spielen ebenso eine Rolle wie Sehnsüchte und Projektionen. Die eigene HIV-Infektion zu thematisieren ist besonders schwierig, da oft Angst vor Ablehnung und Schuldgefühle damit verbunden sind.

Bei sexuellen Begegnungen kann es aus diesen Gründen kein Recht auf Wahrheit geben. Einklagbare Wahrheit – dieses Denken suggeriert, das Strafrecht könne Sicherheit herbeiführen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es im Bereich der Sexualität aber nicht, auch nicht in auf Dauer angelegten Partnerschaften. Dies gilt es in alle Überlegungen zur Prävention einzubeziehen und nicht durch unrealistische Vorstellungen zu negieren.

Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert darum ein Ende der rechtlichen Sanktionierung auch für Fälle, in denen HIV-Positive ihre Infektion verschwiegen oder fälschlicherweise erklärt haben, HIVnegativ zu sein. Weil in aller Regel nicht böse Absicht, sondern Angst zugrunde liegt, sind strafrechtliche Drohungen auch hier schädlich. Hilfreich ist ein Klima, das es ermöglicht, offen über HIV und Sexualität zu sprechen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert zugleich für eine deutliche Unterscheidung zwischen moralischen und juristischen Fragen. Psychische Verletzungen und gesundheitliche Schäden, die durch das Verschweigen einer HIV-Infektion und eine eventuelle Übertragung des Virus entstehen, dürfen nicht bagatellisiert werden. Diese erfordern aber andere Formen der Bearbeitung als juristische Sanktionen.

Die Bedeutung der Viruslast einbeziehen – Auch HIV-Therapien sind ein geeigneter Schutz vor der Übertragung.

Immer noch erkennen zu wenige Gerichte an, dass auch HIV-Therapien ein wirksamer Schutz vor der Übertragung sein können, weil sie die Vermehrung von HIV im Körper reduzieren. Bei einer gut funktionierenden Therapie ist die Übertragung nahezu unmöglich, die Schutzwirkung mindestens so hoch wie die von Kondomen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert für die Abschaffung der Kriminalisierung von Menschen mit HIV. So lange die HIV-Exposition aber noch kriminalisiert wird, müssen Gerichte zumindest die Frage der Viruslast berücksichtigen. Lassen sich im Blut eines HIV-positiven Menschen dauerhaft keine HI-Viren mehr nachweisen, hat er damit faktisch für den Schutz des Partners gesorgt.

Fazit

Das Strafrecht wird zurzeit missbraucht, um moralische Vorstellungen durchzusetzen. In der Gesellschaft herrscht die Auffassung vor, HIV-Positive seien in besonderem Maße für den Schutz der HIV-Negativen verantwortlich. Zugrunde liegt offenbar das Bedürfnis, die Verantwortung von sich zu weisen und sie an andere Menschen zu übertragen. Oft steckt die Illusion dahinter: Wenn HIV-Positive für den Schutz sorgen müssen, können die HIV-Negativen
unbesorgt weiter ungeschützten Sex praktizieren.

Was wir brauchen, ist ein offenes Klima, in dem Sexualität, Rausch und HIV keine Tabus sind.
Wer sich gegen Diskriminierung einsetzt, unterstützt damit auch die HIV-Prävention. Gefragt sind hier Justiz, Politik, Medien und die gesamte Gesellschaft.

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english version: No Criminalization of People with HIV!

No Criminalization of People with HIV!

No Criminalization of People with HIV!

Position Paper Deutsche Aids-Hilfe

Berlin, March 2012

Summary – The criminalization of HIV transmission and HIV exposurepromotes the spread of HIV

In Germany people with HIV are still convicted after sexual transmissions of the virus. Even the mere possibility of transmission can result in a conviction, without any actual transmission having occurred („HIV exposure“).

Deutsche AIDS-Hilfe disapproves of any criminalization of HIV transmission or HIV exposure in cases of self-determined sexual activities. Such a penalization not only imposes the responsibility on people with HIV alone but also endangers HIV prevention. Thus HIV transmission is not being prevented but promoted.

HIV transmission and HIV exposure is considered as a form of personal injury and thus a criminal offense. According to prevailing jurisdiction the HIV-positive partners have to insist on the use of condoms or to inform their partners of their being infected. (for detailed information see: www.aidshilfe.de)

That interpretation by prevailing law is by no means imperative, often it is just based on the assumption that HIV infections could thus be prevented. Deutsche AIDS-Hilfe urges judiciary to reconsider the application of said laws and henceforth abstain from the resulting criminalization of people with HIV.

As long as HIV transmission and HIV exposure are still criminalized, the courts should at least take into account that an effective HIV therapy protects against HIV transmission as effectively as condoms do.

No One-sided Allocation of Responsibility – Both partners
are fully responsible for the protection against HIV transmission.

It is not the HIV infection itself which results in transmission but sexual activities being mutually performed by two people, both being fully responsible for their actions and therefore for protecting themselves against HIV
transmission.

The logic of offender vs. victim in criminal law does not apply for sexual encounters. It redetermines a mutual situation into an ex parte activity of HIV-positive people only, thus disregarding the responsibility of their partners.

Criminalization Endangers Prevention – Criminalization
leads to a false sense of security.

By allocating the responsibility to HIV positive people only the basic approach of the successful prevention in Germany is being undermined. Everybody can protect themselves, provided that they have the necessary information and means, and there are no inhibiting external circumstances.

Allocating all responsibility to HIV-positive people may provoke the illusion, the government could control HIV. People may rely on HIV-positive people being solely responsible for protection. This can be fatal just because many transmissions occur with people not even knowing about their infection.

Since only a person can be convicted who knows about his/her HIV status, criminalization may keep people from taking an HIV-test. This is counterproductive: HIV transmission can effectively be prevented, if as much people as possible know about being infected, and are treated in time.
A good, effective treatment also protects their partners against HIV transmission (see below: „Considering the Impact of Viral Load“).

Sometimes the argument is brought forward that the threat of punishment would motivate HIVpositive people to protect their partners. There is no evidence for that. Research suggests that the threat of punishment does hardly ever affect sexual behaviour.

The threat of punishment is never of any avail. On the contrary. It increases the fear of speaking about HIV and protection, and thus maybe revealing oneself as being HIV-positive. The harder the pressure on people with HIV the higher the fear of being rejected.

Safety and Truthfulness Are Not Actionable – A helpful environment is one that enables people to frankly talk about HIV and sexuality.

In sexual matters it is not always easy to speak frankly. There are fears and inhibitions as well as desires and projections. It is even more difficult to broach the issue of one’s own HIV infection, since it is often connected with the fear of being rejected and with feelings of guilt.

These are the reasons why there isn’t any right of truthfulness in sexual encounters. Actionable truthfulness – this kind of thinking suggests, safety could be procured by penal law. But there is no 100% safety in the realm of sexuality, not even in long-term relationships. This is to be kept in mind in all considerations on prevention and must not be ignored because of unrealistic concepts.

Deutsche AIDS-Hilfe therefore demands an end of all legal penalization even in cases, when HIV-positive people conceal their infection or untruly claim to be HIV-negative. Since generally they do not act with ill intent but because they are afraid, the threat of punishment is harmful also in those cases. A helpful environment is one that enables people to frankly talk about HIV and sexuality.

At the same time Deutsche AIDS-Hilfe argues for a clear distinction between moral and legal questions. Psychological harm and physical damage caused by concealment of an HIV infection and eventual transmission of the virus must not be trivialized, but should, however, be treated otherwise than by penalization.

Considering the Impact of Viral Load – An effective HIV therapy provides effective protection against HIV transmission

Still too few courts of justice recognize that an HIV therapy can be an effective protection against transmission, since it inhibits the reproduction of HIV in the body. An effective therapy makes the transmission nearly impossible; its protective effect is at least as good as that of condoms.

Deutsche AIDS-Hilfe argues for an end of criminalization of people with HIV. As long as HIV exposure is still criminalized, the courts should at least take into account the question of viral load. If it is permanently impossible to detect any HI-virus in the blood of an HIV-positive person, this person has virtually cared for the protection of his/her partner.

Conclusion

Presently the penal law is being misused in order to enforce moral concepts. In our society the notion is prevailing, that HIV-positive people are especially responsible for the protection of HIVnegative people. This notion is apparently caused by a need to disclaim responsibility and transfer it onto other people. The illusion being: If HIV-positive people have to care for protection, HIV-negative people are free to continue having unprotected sex.

An open climate, where sexuality, ecstasy and HIV are not taboos, is what we need. Fighting against discrimination means promoting HIV prevention. It’s a challenge for either justice, politics, the media and our society as a whole.

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german version: Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Deutsche AIDS-Hilfe: Strafbarkeit der HIV-Übertragung beenden!

Unter dem Titel „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“ hat die Deutsche AIDS-Hilfe heute ein Positionspapier veröffentlicht. Darin fordert der Dachverband der Aidshilfen in Deutschland die Abschaffung der Strafbarkeit selbstbestimmter sexueller Handlungen, bei denen HIV übertragen worden ist oder hätte übertragen werden können („HIV-Exposition“).

Solange die HIV-Übertragung und -Exposition noch kriminalisiert werden, müssen Gerichte zumindest berücksichtigen, dass eine gut funktionierende HIV-Therapie genauso wirksam vor der Übertragung des Virus schützt wie Kondome.

„Die strafrechtliche Sanktionierung der sexuellen HIV-Übertragung bürdet Menschen mit HIV einseitig die Verantwortung auf und schadet der HIV-Prävention“, sagt DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz. „Es ist Zeit, diese diskriminierende und kontraproduktive Rechtspraxis endlich zu beenden. Für den Schutz vor HIV sind immer alle Beteiligten verantwortlich, nicht nur HIV-Positive.“

DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb erklärte am Freitagmorgen bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Münchner AIDS- und Hepatitis-Tage:

„Wer das Strafrecht als Mittel der HIV-Prävention begreift, geht von falschen Annahmen aus. Die Strafbarkeit verhindert keine Infektionen, sondern begünstigt die Verbreitung von HIV. Sie suggeriert Menschen, dass allein die HIV-Positiven für den Schutz zuständig sind. Die erfolgreiche Prävention in Deutschland beruht aber auf dem Grundprinzip, dass jeder Mensch sich selbst schützen kann, wenn man ihm die Möglichkeit dazu eröffnet.“

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung schadet der Prävention auch deswegen, weil sie zur Stigmatisierung von Menschen mit HIV beiträgt. Das kann zur Folge haben, dass HIV-Positive sich nicht trauen, ihre Infektion sowie Schutz vor einer Übertragung zu thematisieren. Da nur bestraft wird, wer von seiner Infektion weiß, kann die Kriminalisierung außerdem Menschen vom HIV-Test abhalten. Das ist fatal, denn HIV-Infektionen werden unter anderem dann effektiv verhindert, wenn möglichst viele Menschen von ihrer Infektion wissen und sich behandeln lassen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hofft auf eine breite gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema. Justiz, Politik und Medien sind aufgerufen klarzustellen: Die Verantwortung für den Schutz vor HIV lässt sich nicht delegieren. Gefragt ist stattdessen ein offenes gesellschaftliches Klima, in dem Sexualität, Rausch und HIV keine Tabus sind. Wer sich gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV einsetzt, nützt auch der Prävention.

Bereits Ende Februar hat die Deutsche AIDS-Hilfe die „Osloer Erklärung“ unterzeichnet, in der Organisationen und Menschen aus zahlreichen Ländern ein Ende der Strafbarkeit fordern (http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/unterstuetzung-statt-strafrecht).

In der Schweiz wird ein entsprechendes Gesetz voraussichtlich bald modifiziert (http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/schweiz-hiv-uebertragung-soll-nicht-mehr-nach-epidemiengesetz-bestraft-werden)

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe)

Deutsche Aids-Hilfe unterzeichnet Oslo-Erklärung zu HIV-Kriminalisierung

Die Deutsche Aids-Hilfe hat die Oslo-Erklärung zu HIV-Kriminalisierung unterzeichnet.

Die Oslo Erklärung zu HIV-Kriminalisierung (Oslo declaration on HIV criminalisation) wurde am 13. Februar 2012 von 20 Einzelpersonen und Organisationen in Oslo unterzeichnet; inzwiswchen wird sie von annähernd 550 Personen und Organisationen unterstützt. Die Deklaration problematisiert die Kriminalisierung der HIV-Infektion, zeigt ihre Probleme und negativen Folgen auf und weist wege des Umgangs damit in Justiz und Politik.

Die Deutsche Aids-Hilfe DAH ist der Bundesverband der Aids-Hilfen in Deutschland. Ihr gehören derzeit ca. 120 Mitgliedsorganisationen an, ganz überwiegend regionale Aids-Hilfen.

Aus Deutschland unterstützen inzwischen 49 Personen und Organisationen die ‚Oslo Erklärung‘, unter ihnen neben der Deutschen Aids-Hilfe auch Prof.Dr. Martin Dannecker, der Rechtsanwalt Jacob Hösl und zahlreiche Verterter/innen aus dem Bereich der HIV-Positiven-Selbsthilfe.

Ein Mit-Zeichnen der Oslo Erklärung als Unterstützer ist hier möglich.

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siehe auch

Die Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV

Deutsche AIDS-Hilfe: Kündigung wegen HIV – Berliner Chemielaborant muss in der Berufung Recht bekommen!

Wegen seiner HIV-Infektion erhielt der damals 24-jährige Chemielaborant Sebastian F. (Name geändert) Anfang Januar 2011 von seinem Arbeitgeber während der Probezeit die Kündigung. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin verlor er. Jetzt ist der junge Mann mit seinem Anwalt in die Berufung gegangen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe unterstützt Sebastian F dabei. Dazu sagt Vorstandsmitglied Tino Henn: „Menschen mit HIV wegen ihrer Infektion zu entlassen ist ein schwerer Fall von Diskriminierung. Wir hoffen sehr, dass das Gericht in der zweiten Instanz klarstellt: HIV ist kein Kündigungsgrund! Da das Kündigungsschutzgesetz in der Probezeit nicht greift, brauchen wir hier die klare Aussage des Gerichts, dass Menschen mit HIV durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind. Ansonsten könnten sich skandalöse Urteile wie dieses wiederholen.“

Sebastian F. war von Dezember 2010 bis Januar 2011 bei einer pharmazeutischen Firma in Berlin beschäftigt. Bei einer betriebsärztliche Untersuchung wurde ein HIV-Test verlangt; Sebastian F. teilte daraufhin dem Betriebsarzt mit, dass er HIV-positiv sei. Kurz darauf erhielt er die fristlose Kündigung – mit Bezugnahme auf die HIV-Infektion. Ohne jede rationale Grundlage sah der Arbeitgeber durch die Infektion des Mitarbeiters die Gesundheit seiner Kunden gefährdet.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte dann zu entscheiden, ob Sebastian F. unter dem Schutz des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stand, das Kündigungen aufgrund bestimmter Diskriminierungsmerkmale auch während der Probezeit verbietet.

Zu diesen Merkmalen zählt zwar eine HIV-Infektion nicht ausdrücklich, wohl aber eine Behinderung. Nach Auffassung der Bundesregierung, der deutschen Versorgungsämter wie auch der Deutschen AIDS-Hilfe ist eine HIV-Infektion per se eine Behinderung, weil Betroffenen gesellschaftliche Nachteile entstehen: Menschen mit HIV müssen heute nach wie vor mit Ausgrenzung und Diskriminierung rechnen. Der beste Beweis dafür ist die Kündigung von Sebastian F. Diese Kündigung war daher unrechtmäßig.

Das Arbeitsgericht Berlin folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Das Landesarbeitsgericht muss darum nun für Klarheit sorgen und Sebastian F. eine angemessene Entschädigung zusprechen. Um ähnlichen Fällen vorzubeugen, fordert die Deutsche AIDS-Hilfe die Bundesregierung auf, chronische Erkrankungen im AGG ausdrücklich als potenziellen Diskriminierungsgrund zu benennen. Die Bundesregierung lehnt eine solche Ergänzung des AGG bisher ab, obwohl sie damit ohne Mühe Rechtssicherheit für Menschen mit HIV und andere chronisch Kranke schaffen könnte.

Wie notwendig gesetzlicher Schutz für Menschen mit HIV sein kann, zeigt die Argumentation des Berliner Arbeitsgerichts in seiner Urteilsbegründung vom 21.7.2011: Es äußerte Verständnis für die Befürchtungen des Arbeitgebers, durch die HIV-Infektion von Sebastian F. seien die Kunden des Unternehmens in Gefahr gewesen.

DAH-Vorstand Tino Henn: „Diese Einschätzung entbehrt jeder Grundlage und widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Weitergabe von HIV. Im Arbeitsalltag ist HIV nicht übertragbar, unter Laborbedingungen schon gar nicht. Eine Gefährdung von Kollegen oder sogar Kunden des Unternehmens hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Es ist nur absurd zu nennen, dass eine solche Argumentation vor Gericht bestand hatte. Das Landesarbeitsgericht muss diese Fehleinschätzung nun korrigieren! Eine gerichtliche Klarstellung wäre ein wichtiges Signal für ihn und alle anderen Menschen mit HIV.“

Mit einem Urteil des Landesarbeitsgerichts wird erst im kommenden Jahr gerechnet.

(Pressemitteilung der DAH)

Deutsche AIDS-Hilfe startet Internetportal für Frauen

Rechtzeitig zum Welt-Aids-Tag am 1.12. hat die Deutsche AIDS-Hilfe heute unter der Adresse www.frauenundhiv.info ein in Deutschland einzigartiges Internetportal zu frauenspezifischen Themen online gestellt.

Dazu sagt die Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe, Marianne Rademacher: „Spezielle Informationen für Frauen waren im HIV-Bereich bisher Mangelware. Frauen mussten sie sich mühsam im Internet zusammensuchen. Unsere neue Website sorgt dafür, dass Frauen endlich Antworten auf alle ihre Fragen rund um HIV finden.“

Die Themen reichen dabei vom Kinderwunsch HIV-positiver Frauen über Wechselwirkungen von HIV-Medikamenten mit hormonellen Verhütungsmitteln bis hin zu speziellen Informationen zum Schutz vor HIV bei Sexarbeiterinnen. Auch Wissenschaft ist ein Thema, denn in der Forschung werden frauenspezifische Aspekte oft nicht genügend berücksichtigt, etwa wenn es um die Wirksamkeit von Medikamenten oder Nebenwirkungen geht.

www.frauenundhiv.info richtet sich an alle Frauen, die Interesse am Thema haben – gleich ob HIV-positiv oder HIV-negativ. Die Seite informiert Nutzerinnen in verschiedenen Rubriken wie „Übertragung & Schutz“, „Sexualität“, „HIV im Alltag“, „Behandlung“, „Lebenswelten“ sowie „Kinderwunsch und Schwangerschaft“. Weblinks ebnen den Weg zu weiteren Informationen, zum Beispiel auf anderen Websites und in Internetforen. Vertiefende Broschüren stehen zum Download bereit, können aber auch kostenlos in gedruckter Form bestellt werden.

Die Funktion eines roten Fadens übernehmen dabei rote Schuhe. Rote Stöckel kennen viele Frauen bereits aus verschiedenen Medien der Deutschen AIDS-Hilfe. Im neuen Portal gibt es nun ganz verschiedene Varianten – vom hochhackigen Lackschuh über Slipper und Chucks bis zum Latschen. So soll die Vielfalt der Nutzerinnen und ihrer Lebenssituationen zum Ausdruck kommen.

Idee, Konzept und Umsetzung der Seite entstanden in enger Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen der Deutschen AIDS-Hilfe. Dort treffen sich regelmäßig Mitarbeiterinnen von Aidshilfen aus allen Bundesländern.

(Pressemeldung DAH)