Polizist gebissen – HIV im Spiel? Nach einem Streit wegen eines Gassi gehenden Hundes hat ein Mann in Berlin-Schöneberg einen Polizisten in den Oberschenkel gebissen. Der 35-jährige Beamte erlitt laut Polizeibericht „eine leicht blutende Wunde sowie ein Hämatom und musste ambulant im Krankenhaus behandelt werden“.
Ein Berichte in einer der Berliner Presse Boulevard-Zeitungspricht sprechen teils unter der Schlagzeile „HIV-Infizierter beißt Polizisten“ davon, dass der 26-jährige schwule Mann „möglicherweise HIV-infiziert“ sei. Einige nennen den Namen des Mannes (Vorname und Initial des Nachnamens) mit Bild.
Der Mann selbst hingegen dementiert, dass er mit HIV infiziert sei.
In der Meldung des Polizeiberichts ist von einer HIV-Infektion nicht die Rede. Die Boulevardpresse beruft sich auf eine „interne Mitteilung der Polizei“.
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Im Verlauf einer juristischen Auseinandersetzung im Jahr 2005, bei der ein Biss und HIV eine Rolle spielten, sagte Professor Dieter Neumann-Haefelin (Uniklinik Freiburg) dem Magazin ‘Stern’ zufolge
“Uns ist kein Fall bekannt, bei dem es zu einer Infektion gekommen ist, nachdem der Speichel eines HIV-Infizierten auf eine offene Wunde getroffen ist. Nur in äußerst seltenen Fällen kommen HI-Viren im Speichel vor.”
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Aktualisierung
10.08.2012, 22:00: Gegen den 26-jährigen Mann wird ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte und Beleidigung.
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Die Boulevard-Presse macht aus der trockenen Polizeiberichts-Meldung „Aggressiver Hundehalter biss Polizisten ins Bein“ ohne Benennen und Hinterfragen der konkreten Anhaltspunkte für eine etwaige HIV-Infektion sowie ohne Betrachten der realen Infektions-Risiken im Fall einer HIV-Infektion die Schlagzeile „Beamter in Todesangst“.
Ist der Mann überhaupt mit HIV infiziert? Falls ja – nimmt er antiretrovirale Medikamente? Wie hoch ist seine Viruslast? Ist er überhaupt infektiös? Bestand überhaupt ein konkretes Risiko einer etwaigen Übertragung von HIV?
Viele Fragen sind offen – Fragen, auf die die Medienberichte nicht eingehen. Sich stattdessen teilweise im Schüren von Panik üben.
Zudem, wenn ein Mensch konkret Angst hat, sich möglicherweise mit HIV infiziert zu haben, dann gibt es eine konkrete Handlungs-Möglichkeit: PEP, die Post-Expositions-Prophylaxe. Die, sollte der Mann nicht mit HIV infiziert sein, oder sich herausstellen, dass seine Viruslast unter der Nachweisgrenze ist, wieder abgesetzt werden könnte.
Panik schüren nutzt niemandem (außer – der Auflage?). Fakten schon.
Gibt es erstmals einen offen HIV-positiven Politiker in einem Landesparlament? Konnte Carsten Schatz, der bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011 für die Linke kandidierte, sich über einen Platz der Landesliste durchsetzen? Auch 9 Tage nach der Wahl besteht noch keine Klarheit. Einer Pressemitteilung der Landeswahlleiterin vom 28.9.2011 Dem nun vorliegenden amtlichen Endergebnis zufolge nein. Endgültige Klarheit wird aber erst das amtliche Endergebnis am 6. Oktober bringen.
Hinweis: es ist weiterhin offiziell alles offen – drin oder nicht?Bis zur Verkündung des offiziellen amtlichen Endergebnisses besteht keine abschließende Klarheit – siehe Aktualisierung am Ende des Artikels
Abgeordneter? Offen HIV-positiv? Dies scheinen bisher in Deutschland kaum zu vereinbarende Gegensätze zu sein. Am 18. September 2011 hat sich dies in Berlin geändert: als erster offen HIV-positiver Politiker wurde Carsten Schatz in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt.
Drin oder nicht? Es war eine lange Zeit der Unsicherheit, mit vielen Aufs (drin) und Abs (nicht drin). Und – noch immer besteht keine endgültige Klarheit. Nach derzeitigem Stand (28.9.2011, 12:30 Uhr)) allerdings hat es Carsten Schatz nicht geschafft.
Am Montag nach der Wahl sah es zunächst aus, als zöge Schatz als Abgeordneter in das nächste Abgeordnetenhaus ein (zur aktuellen Situation fortlaufend Aktualisierungen am Ende des Artikels):
Schatz zieht nach einem spannenden Wahlabend über die Landesliste in das Berliner Abgeordnetenhaus ein. Zuvor hatte es lange so ausgesehen, als reiche sein Listenplatz nicht aus – erst weit nach Mitternacht wurde klar: er hat es geschafft – Carsten Schatz ist Abgeordneter.
Schatz war über die Landesliste hinaus auch Direkt-Kandidat für ‚Die Linke‘ im Wahlkreis 6 Berlin Treptow-Köpenick (09 06). Er erreichte 26,8% der Erststimmen, die Kandidatin der SPD setzte sich mit 31% als direkt gewählte Kandidatin im Wahlkreis durch. Bereits bei der Wahl 2006 hatte SPD-Kandidatin Harandt mit 35,3% deutlich vor dem damaligen Linke-Kandidaten Welters mit 28% gelegen. Mitbewerber/innen 2011 waren u.a. Renate Harandt (SPD, Marcus Worm (Grüne) und Maik Penn (CDU). Schatz erreichte 2011 beachtlich 398 mehr Erst-Stimmen als seine Partei Zweit-Stimmen. Er hatte sich während seiner Kandidatur insbesondere mit aktiv Fragen des Fluglärms und der Flugrouten des neuen Berliner Flughafens auseinander gesetzt.
Schatz dankte seinen Wähler/innen auf seiner Website mit den Worten
„26,8 % der Erststimmen – leider haben 917 Stimmen für das Direktmandat gefehlt. Ich bedanke mich bei allen Wählerinnen und Wählern für Ihr Vertrauen und ich gratuliere Renate Harant zum Sieg im Wahlkreis. Über die Landesliste ziehe ich für DIE LINKE in das Abgeordnetenhaus von Berlin ein und werde mich dort für ein soziales Berlin und unseren Wahlkreis 09-6 (Köpenick-Nord, Friedrichshagen, Rahnsdorf/Hessenwinkel) einsetzten.“
Carsten Schatz (Jahrgang 1970) ist seit Oktober 2008 Vorstands-Mitglied der Deutschen Aids-Hilfe und Mitglied bei Positiv e.V., dem Verein, der seit 1986 die Bundesweiten Positiven-Treffen im Waldschlößchen plant, in Zusammenarbeit mit der Akademie Waldschlößchen organisiert und durchführt. Schatz ist zudem bisher Geschäftsführer DIE LINKE Landesverband Berlin; zuvor war er Leiter des Wahlkreisbüros der Berliner Bundestagsabgeordneten Petra Pau (Die Linke).
Aktualisierungen
19.09.2011, 07:00 Uhr: Aktualisierte Fassung (akt.3) des Artikels – bis weit in die Nacht zum Montag (19.9.2011) sah es so aus, als habe Carsten Schatz es nicht geschafft. So lautetet über Nacht auch der Artikel. Seit 07:40 Uhr (19.09.11) ist die aktualisierte Fassung online. 20.09.2011, 20:00 Uhr: Drin oder nicht? Panne bei der Stimmauszählung, mit Folgen: Letzte Klarheit besteht immer noch / doch wieder nicht, ob Carsten Schatz im neuen Abgeordnetenhaus ist. Die SPD verliert aufgrund von Auszählungsfehlern in einem Stimmbezirk (107) ein Direktmandat zugunsten der Linken (Evrim Baba, bisher über Liste im Abgeordnetenhaus; siehe Artikel im ‚Tagesspiegel‘)- was auch Folgen für die Gesamt-Zahl der Abgeordnetensitze haben kann (die Linke sowie Grüne könnten je ein Ausgleichs- Überhang– Mandat verlieren; Gesamtzahl Abgeordnete dann 149 statt 152). Nachgezählt wird in mehreren Bezirken. Bis zum Feststellen des endgültigen Wahlergebnisses und der entsprechenden Sitzung des Landeswahlausschusses kann es also noch einige Tage dauern wird also noch zu warten sein.
Schatz selbst teilt auf seiner Internetseite inzwischen mit „Es wird noch einige Nachzählungen geben, wie die Mandatsverteilung konkret aussieht, werden wir am Ende wissen, wenn aus dem vorläufigen, ein amtliches Endergebnis geworden ist.“ 21. 09.2011, 15:45 Uhr: Die Landeswahlleiterin listet Schatz bisher weiterhin als (über die Landesliste) gewählten Abgeordneten. Letztlich Klarheit wird erst das amtliche Endergebnis bringen, am 6. Oktober 2011. Das neue Abgeordnetenhaus konstituiert sich am 27.10.2011. 22.09.2011, 20:00 Uhr: Einem Bericht des ‚Tagesspiegels‘ zufolge bleibt Schatz vorerst weiterhin Landesgeschäftsführer. 25.09.19:00 Uhr: Auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird neu ausgezählt, wegen des knappen Ergebnisses (30 Stimmen Unterschied). Das Ergebnis wird Dienstag (27.9.) mitgeteilt. Sollte dies zu einer Veränderung beim Direktmandat führen, würde dies die Zahl der Sitze im Abgeordnetenhaus verändern. 26.09.2011, 22:45 Uhr: Auch in Lichtenberg ist es scheinbar zu einer Auszählungs-Panne gekommen. 27.09.2011, 17:00 Uhr: In Berlin-Lichtenberg hat die Kandidatin der Linken, nicht der Kandidat der SPD das Direktmandat errungen. Dadurch verliert einer der Linken-Kandidaten der Landesliste (Steffen Zillich) sein Mandat. Zillich war auf der Linken-Landesliste auf Platz 14, Carsten Schatz auf Platz 18. 28.09.2011, 12:30 Uhr: Einer Pressemitteilung der Landeswahlleiterin (pdf) zufolge wird das Abgeordnetenhaus in der kommenden Legislaturperiode aus 149 Sitzen bestehen. Abweichend vom vorläufigen Ergebnis der Wahl sei u.a. Carsten Schatz nicht gewählt. (akt.8) 06.10.2011, 18:30 Uhr: Dem amtlichen Endergebnis (das nur unter Enthaltung der 2 Beisitzer der SPD und 1 der Linke zustande kam) zufolge (pdf) ist Carsten Schatz nicht gewählt.
Schatz selbst bemerkt auf seiner Internetseite „Bedauerlich war das Agieren der Landeswahlleitung, die zwar mit der Presse, allerdings nicht mit den Betroffenen sprach. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind m.E. gerade bei Wahlergebnissen wichtig. Beides vermisse ich an dieser Stelle.“
Berlin: Ihre Praxis sei ein Ausbildungsbetrieb, sie könne HIV-Patienten nicht behandeln. Mit dieser Begründung verweigerte eine Zahnärztin in Berlin einem HIV-positiven Mann die Behandlung – trotz akuter Schmerzen.
Ralf (Name geändert) freute sich auf die Hochzeit eines befreundeten Paares am Wochenende, berichtet er. Doch am Montag bekam er Zahnschmerzen. Als diese auch am Dienstag (6. September 2011) noch anhielten, entscheid er sich, zum Zahnarzt zu gehen. Die Praxis einer Zahnärztin in Berlin-Wedding wurde ihm empfohlen, erst für Donnerstag bekam er einen Termin.
„Ach, ich seh schon“, begrüßte ihn die Sprechstundenhilfe, sein Problem war offensichtlich. Ralf bezahlte die Praxis-Gebühr, füllte den Patienten-Fragebogen aus. Doch – schon bald wurde klar: hier ist er nicht willkommen, aufgrund seiner HIV-Infektion. Die Zahnärztin erläuterte ihm -am Empfang, in Anwesenheit anderer Patienten – klipp und klar, ihre Praxis bilde aus, sie könne HIV-Positive nicht behandeln. Trotz längerer Diskussion, Erläuterung der Situation (Ralf nimmt erfolgreich antiretrovirale Medikamente, Viruslast unter der Nachweisgrenze), die Zahnärztin beharrte auf ihrer Position. Obwohl der Patient dezidiert auf starke Schmerzen und Entzündung hinwies, um Hilfe bat, verweigerte sie die Behandlung. Verwies ihn an einen anderen Zahnarzt oder die Zahnklinik – „zur Weiterbehandlung“, obwohl sie überhaupt keine Behandlung begonnen hatte. Trotz offensichtlicher Entzündung (Fieber) erhielt er auch keine Medikamente vorgeschlagen.
Ralf hat veranlasst, dass die Berliner Zahnärztekammer sowie die Berliner Patientenbeauftragte von dem Verhalten der Zahnärztin informiert werden. Und sich einen anderen Zahnarzt gesucht …
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Gleiche Geschichte, schon wieder – nur dieses Mal mit einer neuen Variante der Begründung, der Ausbildung. Als würden in der Ausbildung andere Hygiene- oder Behandlungsvorschriften gelten. Als böte sich nicht gerade in dieser Situation die Chance, ihren Auszubildenden zu zeigen, wie eine diskriminierungs- und vorurteilsfreie und rein an Sachverhalten orientierte Praxisführung aussieht.
Ganz offensichtlich besteht bei der Zahnarzt-Behandlung HIV-Positiver in Deutschland immer noch ein gravierendes Problem.
Die Stellungnahmen von dagnä und DAIG sowie des RKI waren ein wichtiger, ein begrüßenswerter Schritt – allein, die Realität zeigt, dass sie nicht ausreichen. Nun sind die Politik sowie die Bundes-Zahnärztekammer gefragt, endlich für Klarheit zu sorgen.
Einen offen HIV-positiven Abgeordneten in einem Landesparlament, das gibt es in Deutschland bisher nicht. Bisher – Carsten Schatz hat die Möglichkeit, dies am 18. September 2011 zu ändern.
Politiker? Offen HIV-positiv? Dies scheinen bisher in Deutschland kaum zu vereinbarende Gegensätze zu sein. Bisher. Am 18. September 2011 könnte sich dies ändern – bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.
Die Hauptversammlung des Bezirks Treptow-Köpenick der Partei ‚Die Linke‘ nominierte am Freitag 25. März 2011 Carsten Schatz zum Direktkandidaten im Wahlkreis 6 Berlin Treptow-Köpenick.
Im Fall seiner Wahl wäre Carsten Schatz der erste offen HIV-positive Landtags-Abgeordnete in Deutschland.
Das Gebiet des Bundeslandes Berlin ist in 12 Wahlbezirke unterteilt. Der Wahlbezirk 09 Treptow-Köpenick ist mit nahezu 20% der Berliner Stadtfläche der größte der Berliner Bezirke. Der Wahlkreis Treptow-Köpenick 6 (096) umfasst das nördliche Köpenick, Friedrichshagen sowie Rahnsdorf.
Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2006 erhielt die Partei ‚Die Linke‘ in Berlin Treptow-Köpenick 29,3% der Stimmen (SPD: 34,4%, CDU 14%). Im Wahlkreis Treptow-Köpenick 6 gewann bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2006 das Direktmandat die Abgeordnete Renate Harant (SPD) mit 35,3% der Stimmen (7,3% vor dem nächstplatzierten Kandidaten).
Schatz ist zudem derzeit Geschäftsführer DIE LINKE Landesverband Berlin. Zuvor war er Leiter des Wahlkreisbüros der Berliner Bundestagsabgeordneten Petra Pau (Die Linke).
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Aktualisierung
10.04.2011, 09:00 Uhr: Die Vertreter/innen-Versammlung der Linken nominierte Carsten Schatz auch auf ihrer Landesliste (Platz 18) für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 18.9.2011.
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siehe auch:
poz&proud 29.03.2011: Hiv-positieve parlementariër in Berlijn?
Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher diskutierte am 24. Januar 2011 in einer Veranstaltung für Menschen mit HIV und Aids das Rahmen-und Entwicklungskonzept HIV/Aids des Berliner Senats.
Berlins Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher, stellte Berliner Menschen mit HIV und Aids in einer zweistündigen Veranstaltung das Rahmen- sowie das Entwicklungskonzept HIV/Aids Berlin vor und diskutierte mit ihnen über Probleme und Wege der Umsetzung.
Anwesend waren auch die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion der SPD Thomas Isenberg sowie der Linken Wolfgang Albers und der stellvertretende Leiter der Abteilung I Gesundheit der Senatsverwaltung Heinrich Beuscher. Das Konzept wird am 7. Februar 2011 (12:00, öffentliche Sitzung) im Gesundheits-Ausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses behandelt.
Lompscher stellte in einem 30minütigen Vortrag das Rahmenkonzept sowie das Entwicklungskonzept vor – wie auf dem Berliner Positivenplenum im Februar 2011 angekündigt (siehe „Berlin: Senatorin Lompscher im Dialog über Erwartungen und Bedürfnisse Berliner Positiver „). Anschließend diskutierten Teilnehmer/innen und Senatorin 90 Minuten Problembereiche sowie Fragen der Umsetzung.
Rahmenkonzept und Entwicklungskonzept
Rahmenkonzept: „Um den veränderten Anforderungen an die Präventionsarbeit Rechnung zu tragen, hat die Senatsgesundheitsverwaltung das Rahmenkonzept zur Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitisinfektionen in Berlin entwickelt. Das Konzept wurde in Abstimmung mit freien Trägern, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes erstellt.“
Das Rahmenkonzept benennt 8 übergeordnete Ziele:
Verankerung des Präventionswissens in den Zielgruppen
Stärkung der Handlungskompetenzen für die individuelle Gesunderhaltung sowie Förderung eines nachhaltigen Schutzverhaltens und dessen Implementierung im persönlichen Lebensstil
Stärkung der zielgruppenspezifischen Angebote durch verbindliche Kooperationen der Projekte im Handlungsfeld, mit angrenzenden Bereichen und mit den Institutionen in der Regelversorgung
Verbesserung der gesundheitsbezogenen Chancengleichheit
Verstärkung der Prävention in Betriebsstätten, in denen sexuelle Begegnungen stattfinden und/oder sexuelle Dienstleistungen angeboten werden
Förderung eines akzeptierenden und solidarischen Umgangs mit Menschen mit HIV/Aids und/oder Hepatitiden
Förderung der Gesundheit bei Menschen in Haft
Stärkung der Selbsthilfe und des ehrenamtlichen Engagements
Senatorin Lompscher betont, Grundlage des Rahmenkonzepts sei die bisherige erfolgreiche Arbeit. Das Rahmenkonzept selbst sei auch Resultat einer Evaluation der bestehenden Projekte. Zukünftig solle der Aktionsradius ausgeweitet werden – der Zusammenhang zwischen HIV-Prävention und Prävention sexuell übertragbarer Erkrankungen rücke zunehmend in den Vordergrund.
Zum Themenfeld HIV werde das Wissen um den eigenen HIV-Status zum Schwerpunkt, und damit HIV-Test und Test-Beratung inkl. der Stärkung der Verbindung mit bundesweiten Kampagnen (wie „ich weiss was ich tu“). Ziel seien für 2011 mindestens drei („besser 4“) hier aktive Projekte. Das Rahmenkonzept wurde vom Berliner Senat am 19. Oktober 2010 beschlossen.
Entwicklungskonzept: Dieses von Prof. Rolf Rosenbrock (WZB Berlin) erstellte Konzept war von der Senatsgesundheitsverwaltung in Auftrag gegeben worden, um auf der Grundlage des vom Senat beschlossenen Rahmenkonzeptes zur HIV- und Aidsprävention in Berlin konkrete Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit abzuleiten.
Autor Prof. Rolf Rosenbrock zum Entwicklungskonzept:
„Mein Entwicklungskonzept empfiehlt der Senatsgesundheitsverwaltung, zusammen mit den 12 Projekten und den anderen beteiligten Senatsverwaltungen einen auf Dialog und Partizipation gegründeten Entwicklungsprozess zu starten, durch den Versorgungslücken gefüllt und die Herausforderungen der Zukunft angegangen werden sollen. Dieser Prozess wird bis zu zwei Jahre dauern. Verstärkte und innovative nicht-medizinische Primärprävention in Verbund mit den gewachsenen Möglichkeiten der medizinischen Primärprävention kann eine Dynamisierung der Epidemien verhindern.“ (Pressemitteilung der Senatsverwaltung vom 01.12.2010)
Das Entwicklungskonzept empfiehlt die Einrichtung projekt- und verwaltungsübergreifender Themengruppen für einen auf zwei Jahre angelegten partizipativen Prozess der Organisationsentwicklung:
Sexual Health und Drogenprävention im Unterricht
Primärprävention mit MSM
Prävention mit MigrantInnen
Prävention mit Frauen in der Prostitution
Prävention mit Menschen, die intravenös Drogen gebrauchen
Prävention im Gefängnis
Tertiarprävention I: Beratung und Unterstützung für Menschen mit HIV
Tertiärprävention II: Soziale Versorgung für Menschen mit HIV und Drogenproblemen
sowie zusätzlich vier Querschnittsgruppen (Ehrenamt, Qualitätssicherung, Internet, Finanzierung).
Nach Auslaufen des Integrierten Gesundheitsvertrags IGV werden die Berliner Aids-Projekte weiterhin wie bisher gefördert über das Integrierte Gesundheits-Programm IGP, dessen Steuerung nun direkt durch die Senatsverwaltung für Gesundheit erfolgt. Ziel des Entwicklungskonzepts ist es damit insbesondere auch aufzuzeigen, wie die benannten Ziele mit der gewachsenen Projekte-Landschaft erreicht werden können (Beispiel: beim Ziel ’safer settings‘ gehe es z.B. darum, wie die Wirte- / Präventions-Vereinbarung auch auf breiterer Basis umgesetzt und praktisch unterstützt werden kann). Lompscher wies darauf hin, dass hier Träger zukünftig auch andere Aufgaben bekommen könnten – und sie hierzu bereit sein müssten.
Diskussion
Beteiligung von Menschen mit HIV – GIPA
Berlin bekennt sich zum GIPA-Prinzip, dies begrüßten die Teilnehmer erneut – dieses Bekenntnis zur Einbeziehung von Menschen mit HIV und Aids müsse sich allerdings auch im konkreten Handeln von Politik und Verwaltung sowie im Rahmen- bzw. Entwicklungskonzept widerspiegeln. Menschen mit HIV seien einer der wesentlichen Akteure – und dürften hier nicht fehlen. Ihre aktive Einbeziehung müsse sich als Ziel auch im Konzept finden – das GIPA-Prinzip müsse explizit genannt werden, zum Beispiel in Form einer Selbstverpflichtung, bei allen Entscheidungen (nicht nur in Projekten, sondern auch den ‚übergeordneten‘ Entscheidungen) Menschen mit HIV einzubeziehen.
Basis des Konzepts
Mehrere Teilnehmer sehen einen Schwachpunkt des Konzeptes darin, dass dieses im wesentlichen von der Evaluation der bestehenden Projekte-Landschaft ausgeht – es fehle die Betrachtung der Frage, was denn zukünftig angestrebt werde, ebenso wie die Frage, welche Bedarfe sowie Erfahrungen mit der bestehenden Projekte-Landschaft Menschen mit HIV haben. Eine Analyse des Ist-Zustands einzig aus Sicht der bestehenden Projekte reicht nicht aus.
Senatorin Lompscher erwidert, es sei nicht anders machbar als vom Ist-Zustand auszugehen – es komme darauf an, die Projekte ‚mitzunehmen‘, die gestellten Ziele müssten mit den vorhandenen Projekten erreicht werden.
Einzel-Themen
Menschen mit HIV werden immer älter – die Frage sich verändernder Lebensperspektiven (angesichts steigender Lebenserwartung) sollte einbezogen werden.
Zunehmend mehr Menschen mit HIV sind im Erwerbsleben – ihre Lebensrealitäten und Anforderungen finden sich im Konzept bisher nicht ausreichend wieder, müsse deutlicher werden.
Das Thema ‚Sexarbeit‘ (Themengruppe 4) betrifft nicht nur Frauen, insbesondere wird auf das Fehlen jeglichen Hinweises auf Trans* hingewiesen. Sinnvoller sei z.B. ‚Menschen in Sexarbeit‘.
Der Zusammenhang zwischen HIV und Konsum von Rauschmitteln gerade auch bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, müsse deutlicher einbezogen werden – eine wirkungsvolle HIV-Prävention bei MSM sei ohne dieses Thema wenig zielführend.
Hingewiesen wird auf die Bedeutung eines transparenten Beschwerde-Managements – auf Ebene der Träger / Projekte, aber auch übergreifend.
Zum Abschluss der Diskussion betont der stellvertretende Abteilungsleiter Gesundheit Herr Beuscher stellvertretend für die (die Umsetzung des Konzeptes steuernde) Verwaltung, ihm sei wichtig, sobald der Souverän (das Landesparlament) den Auftrag zur Verbesserung des bestehenden Systems erteilt, auch die Erfahrungen der Menschen mit HIV einzubeziehen.
Das Konzept solle kein Konzept für Träger sein, sondern eines für Menschen. Die Träger / Projekte seien elementarer Bestandteil als Erbringer der zur Erreichung der Ziele geforderten Leistungen, müssten sich neuen Situationen anpassen – im Mittelpunkt aber stünden die Menschen. Menschen mit HIV sollen zukünftig als Teil des Prozesses mit ihrer Expertise eingebunden werden.
Ergebnisse
Senatorin Lompscher drückte ihre Hoffnung aus, der Gesundheitsausschuss finde einen Weg, dem Wunsch nach Einbeziehung von Menschen mit HIV im Entwicklungskonzept und in der Aids-Politik des Landes Ausdruck zu verleihen.
Sie kündigte an, der Steuerungskreis (der das IGP in der Senatsverwaltung steuert) solle verbindlich um einen Vertreter der Menschen mit HIV erweitert werden.
Lompscher betonte, der Teilnehmerkreis der im Entwicklungskonzept benannten Themengruppen könne jeweils gern um Menschen mit HIV erweitert werden, wenn (a) Menschen mit HIV selbst Interessen formulieren und (b) glaubhaft machen, dass sie hier auch Beiträge leisten können.
Sie begrüßte die zahlreich eingebrachten Ideen und Hinwiese und forderte dazu auf, diese in die konkrete Arbeit der Themen- und Querschnittsgruppen einzubringen. Menschen mit HIV seien hier aufgefordert, sich aktiv in den Prozess einzubringen.
Sie betont, Ziel sei es weniger, das Entwicklungskonzept durch eine zweite und dritte Text-Fassung zu optimieren. Das Konzept solle einen Prozess anstoßen – diesen gelte es nun gemeinsam aktiv zu gestalten.
Die Teilnehmer schlagen eine Vertiefung der Diskussion in einer weiteren Veranstaltung vor, zumal in dieser Veranstaltung nicht alle Themenkomplexe zur Sprache kamen. Hier solle insbesondere die Möglichkeit zur Diskussion mit Prof. Rosenbrock als Autor des Entwicklungskonzeptes bestehen.
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Es ist zu begrüßen – gerade auch im Vergleich mit der Situation in anderen Kommunen und Bundesländern -, dass Berlins Gesundheitssenatorin sich zum zweiten Mal zum Dialog mit HIV-Positiven traf. Und so auch einen Schritt in Richtung Umsetzung des GIPA-Prinzips unternahm.
Allerdings kann dies nur ein erster Schritt gewesen sein, dem weitere folgen müssen.
GIPA sieht im Idealfall anders aus – aber mit dem Gespräch vom Februar 2010 über Erwartungen und Bedürfnisse und der Vorstellung des Konzepts nun ein Jahr später ist ein Anfang gemacht im Dialog zwischen HIV-Positiven und Berliner Politik.
Ein ernsthaftes Bemühen um GIPA, um Einbeziehung HIV-Positiver und Aids-Kranker bei den sie betreffenden Entscheidungen bedeutet nicht nur Information, sondern echten Dialog. Bedeutet rechtzeitige Einbindung, nicht Information erst wenn bereits Tatsachen geschaffen sind. Bedeutet echte Partizipation, bei der nicht nur Gespräche stattfinden, sondern deren Ergebnisse sich auch auf den Prozess und seine Resultate auswirken. Bedeutet verbindliche Beteiligung von Positiven-Vertreter/innen auf Projekte- und übergeordneter Ebene.
Ein erster Aufschlag in Richtung GIPA ist in der Berliner Aids-Politik gemacht. Für ein ernsthaftes Bemühen um Einbindung HIV-Positiver in die sie betreffenden Entscheidungen braucht es nun beiderseits, bei Senat und HIV-Positiven, weitere konstruktive Schritte.
Dringend erforderlich ist nun zudem ein politisches Signal. Die Beteiligung von Menschen mit HIV, zu der sich das Bundesland Berlin im September 2009 offiziell bekannt hat, muss sich auch im mit Rahmen- und Entwicklungskonzept angestoßenen Prozess (auf Arbeits- wie auch auf übergeordneter Ebene) wiederfinden – sei es durch eine entsprechende Änderung des Entwicklungskonzepts, sei es durch einen entsprechenden Beschluss des Gesundheitsausschusses.
Gelegenheit dazu ist – bei der Behandlung von Rahmen- und Entwicklungskonzept Aids in der Sitzung des Gesundheitsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am 7. Februar 2011.
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weitere Informationen:
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin: Rahmenkonzept zur Prävention von HIV/Aids, Hepatitis- und sexuell übertragbaren Infektionen sowie zur Versorgung von Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischen Hepatitisinfektionen in Berlin (pdf)
Expertise von Prof.Dr. Rolf Rosenbrock, Wissenschaftszentrum Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin: Entwicklungskonzept für die Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitiden in Berlin, Oktober 2010 (pdf)
Berliner Senat / Initiative sexuelle Vielfalt (beschlossen am 02.04.2009) (pdf)
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Ende 2010 leben nach Schätzungen des RKI etwa 11.000 Menschen mit HIV in Berlin, davon 9.800 Männer, 1.300 Frauen. 8.200 der in Berlin lebenden HIV-Infizierten gehören laut RKI zur Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM); 1.500 sind iv-Drogengebraucher/innen, etwa 920 haben sich durch heterosexuelle Kontakte mit HIV infiziert, 380 in Berlin lebende HIV-Positive stammen aus sog. Hochprävalenzländern.
Etwa 8.900 Menschen mit HIV erhalten in Berlin antiretrovirale Therapie.
Schätzungsweise 460 Menschen haben sich laut RKI im Jahr 2010 neu mit HIV infiziert (440 Männer, 20 Frauen), unter ihnen ca. 410 Männer, die Sex mit Männern haben. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen durch iv-Drogengebrauch liegt 2010 in Berlin unter 10.
Etwa 150 Personen erkrankten 2010 neu an Aids, darunter ca. 130 Männer. Etwa 60 HIV-Positive starben 2010 in Berlin an den Folgen ihrer HIV-Infektion.
Seit Beginn der Epidemie infizierten sich in Berlin insgesamt etwa 15.000 Menschen mit HIV; ca. 4.500 starben an den Folgen ihrer HIV-Infektion.
Zu den Daten zu in Berlin lebenden HIV-Positiven weist das RKI ausdrücklich auf die Frage des Zuzugs von HIV-Positiven hin, der Auswirkungen auf die Daten hat:
„In der Bundesland-bezogenen Prävalenzschätzung kann es auf Grund Deutschland-interner Wanderungsbewegungen von HIV-Infizierten nach erfolgter HIV-Diagnose zu Inkonsistenzen der Zahlenangaben kommen: Die Zahl der in Berlin lebenden Menschen mit HIV wird auf Grundlage der in Berlin erfolgten HIV-Diagnosen geschätzt. Die Zahl der Infizierten unter antiretroviraler Therapie spiegelt dagegen die Zahl der aktuell in Berlin lebenden Patienten wider. Durch Zuzug von HIV-Infizierten aus anderen Bundesländern dürfte die Zahl der aktuell in Berlin lebenden HIV-Infizierten deutlich höher sein, als die der in Berlin erstdiagnostizierten HIV-Infizierten. Im Vergleich mit allen anderen Bundesländern ist die Diskrepanz zwischen der kumulierten Zahl der HIV-Erstdiagnosen, die aus Berlin gemeldet wurden, und der aktuell in Berlin lebenden HIV-Infizierten wahrscheinlich am stärksten ausgeprägt.“
weitere Informationen:
RKI: HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten 2010
zum Vergleich: RKI: HIV/AIDS in Berlin – Eckdaten 2009
Daten zu den Bundesländern:
RKI: HIV/AIDS-Eckdaten in Deutschland und den Bundesländern
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Der Senat hat am 19. Oktober 2010 das von der Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher, vorgelegte Rahmenkonzept zur HIV- und Aids-Prävention beschlossen.
„HIV und Aids sind weiterhin eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem. Einerseits hat der medizinische Fortschritt zu einer längeren Lebenserwartung der Betroffenen und einer deutlichen Zunahme ihrer Lebensqualität geführt. Andererseits haben sich dadurch aber auch die Anforderungen an die Prävention und Versorgung verändert. Unser Rahmenkonzept soll dazu beitragen, einem weiteren Anstieg der HIV-Neuinfektionen und anderer sexuell übertragbarer Krankheiten sowie Hepatitisinfektionen wirksam zu begegnen“, so Senatorin Lompscher.
Die Landesmittel für die Präventionsarbeit Freier Träger wurden in Berlin von 2,6 Mio. € im Jahr 2001 auf 2,1 Mio. € im Jahr 2008 abgesenkt, da andere Leistungsträger, vor allem die Pflegeversicherung, mit herangezogen werden konnten. Deutlich angestiegen sind die Mittel im Bereich des Betreuten Wohnens in dieser Zeit. Hier hat sich die Anzahl der Plätze bis 2009 auf 515 mehr als verdoppelt.
Um den veränderten Anforderungen an die Präventionsarbeit Rechnung zu tragen, hat die Senatsgesundheitsverwaltung das Rahmenkonzept zur Prävention von HIV/Aids, sexuell übertragbaren Infektionen und Hepatitisinfektionen in Berlin entwickelt. Das Konzept wurde in Abstimmung mit freien Trägern, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes erstellt.
Es beinhaltet als Leitziele und Handlungsfelder u. a.:
• eine verstärkte Präventionsarbeit und Aufklärung zur Verhinderung von HIV-Neuinfektionen – eine sinnvolle Prävention zu HIV/Aids kann dabei nur in Verbindung mit gleichzeitiger Prävention bezüglich sexuell übertragbarer Erkrankungen erfolgreich sein,
• die Förderung eines akzeptierten und solidarischen Umgangs mit Menschen mit HIV/Aids und/oder Hepatitiden,
• die Stärkung des Bereiches Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit derartigen Infektionen.
Das Rahmenkonzept und die daraus abgeleiteten Maßnahmen richten sich insbesondere an Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko. Dazu gehören Männer, die mit Männern Sex haben, Frauen in der Sexarbeit, Menschen mit riskantem Drogenkonsum, Menschen in Haftanstalten sowie Menschen aus Ländern, in denen HIV und Aids besonders verbreitet sind. Auch Menschen, die bereits mit HIV und/oder einer chronischen Hepatitis infiziert sind, sind eine Zielgruppe des Konzepts.
Die Anzahl neu diagnostizierter HIV-Infektionen in Berlin ist von 200 im Jahr 2001 auf 463 im Jahr 2008 angestiegen. 2009 gab es 440 Neuinfektionen, über 70 % dieser Neuinfektionen wurde bei Männern festgestellt, die Sex mit Männern hatten.
Das vom Senat beschlossene Rahmenkonzept wird jetzt dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme zugeleitet.
24. Oktober 2010: Trotz seiner langwährenden Freundschaft mit Ernie sei er nicht schwul, lässt Sesamstraßen-Figur Bert erklären.
22. Oktober 2010: Die derzeit angewendeten US-Behandlungsrichtlinien für die Behandlung von Syphilis bei HIV-Positiven haben eine sehr geringe Evidenz-Basis, betont eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift.
Mit Ritonavir (Handelsname Norvir®) geboostetes Saquinavir (Invirase®) kann zu Herzrhythmusstörungen führen, berichten Medien. Die US-Packungsbeilage wurde geändert.
Der Pharmakonzern Johnson & Johnson macht Infektionskrankheiten (darunter HIV) zu einer Priorität seiner Geschäftsaktivitäten.
21. Oktober 2010: Den seltenen Fall einer HIV-Übertragung durch eine Messer-Attacke haben Forscher in Taiwan dokumentiert.
19. Oktober 2010: Auch München braucht einen Gedenkort für schwule NS-Opfer, fordert die Rosa Liste in einem Antrag.
15. Oktober 2010: Zwei HIV-positive Strafgefangene haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erfolgreich gegen Russland bzw. gegen die Ukraine geklagt. Sie erhielten Schmerzensgeld in Höhe von 27.000 bzw. 8.000 Euro zugesprochen, ihre medizinische Versorgung sei menschenunwürdig.
Die ARGE muss die Fahrtkosten zur Substitutionsbehandlung übernehmen, urteilte das Sozialgericht Wiesbaden.
Aids könne eine „Art von immanenter Gerechtigkeit“ für den Missbrauch der Liebe sein, meint der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von Belgien.
14. Oktober 2010: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Richtlinie zur Behandlung der HIV-Infektion bei Frauen und Kindernaktualisiert.
13. Oktober 2010: Über 80.000 Menschen im Iran seien an Aids erkrankt, meldet der unabhängige Sender ‚Radio Zamadeh‘ aus Amsterdam. Offizielle Zahlen liegen bei 22.000.
Der Pharmakonzern Abbott hat mit dem niederländischen Biotech-Unternehmen Qiagen eine Vereinbarung geschlossen über die gemeinsame Vermarktung von Tests auf HIV, Hepatitis C und Humane Papilloma-Viren.
„The Gay Liberation Front’s social revolution“ – Peter Tatchell erinnert in einem Kommentar an die Gründung der Schwulengruppe ‚Gay Liberation Front‚ in London am 13. Oktober 1970.
Medizinische Leitlinien haben weitreichende Folgen. Entstehen sie immer unabhängig? Über Interessenverflechtungen berichtet „Augen auf beim Leitlinien-Kauf“
9. Oktober 2010: In Paris findet die erste Internationale Konferenz homosexueller Muslime (CALEM Conférence des associations LGBT européennes et musulmanes) statt – unter Beteiligung der beiden einzigen offen homosexuellen Imame.
7. Oktober 2010: Uridin hilft nicht gegen Fettschwund bei HIV-Positiven (Lipoatrophie), zeigte eine US-Studie.
6. Oktober 2010: Erstmals soll ein ‚therapeutischer Impfstoff‚ eine „funktionale Heilung“ erreicht haben – bei SIV, einer ‚Affen-Variante‘ von HIV. In einer Gruppe mit der Substanz des Unternehmens VIRxSYS Corporation geimpfter Affensoll die HIV-Vermehrung unter Kontrolle und das Voranschreiten der Erkrankung aufgehalten worden sein.
5. Oktober 2010: Wegen Unwirksamkeit beendet der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) alle seine Studien zum Herpes-Impfstoff „Simplirix“.
4. Oktober 2010: Klassischer Fall von Homophobie gepaart mit Serophobie in Indonesien: der Informationsminister macht Schwule für Aids verantwortlich.
„Schwulenhass bleibt ein Thema“, betont Dirk Brüllau vom schwul-lesbischen Netzwerk „Queer Football Fanclubs“ zum Thema Homophobie und Fussball im Magazin „11FREUNDE“.
2. Oktober: US-Präsident Obama entschuldigt sich nach über 60 Jahren für Syphilis-Versuche in den 1940er Jahren. Ohne ihr Wissen wurden 1.500 Menschen in Guatemala mit Syphilis infiziert, um die Wirkungsweise von Penicillin zu untersuchen. Die Teilnehmer hatten keinerlei Möglichkeit einer informierten Einwilligung (informed consent). Die Untersuchungen fanden im Zusammenhang mit dem berüchtigten „Tuskegee Syphilis Experiment“ statt.
1. Oktober 2010: Homosexuelle mit einzubeziehen sei entscheidend für Malawis Kampf gegen Aids, betonte die Vizepräsidentin des afrikanischen Staates, Joyce Banda, bei einem Spitzentreffen religiöser Führer. Schwule und Lesben seien eine Realität in Malawis Gesellschaft, dies dürfe nicht ignoriert werden.
Welche Anforderungen und Bedürfnisse haben Transgender-Männer an HIV-Prävention?, fragt ‚Youths2getherNetwork: „What are transgender men’s HIV prevention needs?“
Sexualaufklärer Oswald Kolle ist bereits am 24. September im Alter von 81 Jahren in den Niederlanden verstorben, wie erst am 1. Oktober bekannt wurde.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat am 1. Oktober den Verdienstorden des Landes Berlin an 14 Bürgerinnen und Bürger verliehen, darunter auch an Kai-Uwe Merkenich, von 2000 bis 2009 Geschäftsführer des Berliner Aids-Hilfe e.V..
Der von der französischen Staatssekretärin für Sport Rama Yade angekündigte ‚Aktionsplan gegen Homophobie im Sport‚ nimmt Gestalt an, die Arbeitsgruppe, die den Plan entwickeln soll, kam zu einem ersten treffen im Ministerium zusammen.
Die Deutsche Aids-Stiftung unterstützt eine Berliner Gruppe HIV-positiver Schwimmer – doch diese fürchten nun um ihre Anonymität und Vertraulichkeit. Die Stiftung verlangt neuerdings Fotos – auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung.
20 Jahre wird sie dieses Jahr alt, die Schwimmgruppe ‚Positeidon‘ der Berliner Aidshilfe. Was Ende der 1980er Jahre als reine Selbsthilfe gegen zunehmende Probleme HIV-Positiver und Aids-Kranker beim Besuch öffentlicher Bäder begann, entwickelte sich zur heute mit über 70 Mitgliedern größten Selbsthilfegruppe der Berliner Aidshilfe. Der Schwimmgruppe steht die historische Halle des Stadtbades Berlin – Charlottenburg mit ihrem 25-m-Becken zur alleinigen Nutzung zur Verfügung.
Positeidon schreibt selbst:
„Ende der achtziger Jahre gab es für HIV-positive und an Aids erkrankten Menschen zunehmend Probleme bei der Benutzung von öffentlichen Bädern; entweder wurden sie von anderen Badegästen wegen begleitender, äußerlich sichtbarer Erkrankungen gemieden oder sie trauten sich selbst damit nicht in die Öffentlichkeit. Vom Berliner Senat wurde daher seit dem Jahr 1990 auf Initiative der Berliner Aids-Hilfe einer Gruppe von SchwimmerInnen die kleine Halle des Stadtbades Charlottenburg jeweils für eine Stunde in der Woche zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot der BAH wurde von Anfang an gern und rege in Anspruch genommen. Hieraus hat sich bis heute unter dem Namen Positeidon die größte Selbsthilfegruppe der Berliner Aids-Hilfe entwickelt, die eine Möglichkeit zur ungezwungenen und diskriminierungsfreien Begegnung für Menschen mit HIV und Aids bietet. Auch heute noch bietet die körperliche Bewegung im Wasser eine gute Möglichkeit zur ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge.“
Während der Berliner Senat die Halle ursprünglich ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung stellte, war damit einige Jahre nach der Privatisierung der Bäderbetriebe Schluss. Inzwischen muss die Berliner Aidshilfe für die Nutzung des Bades durch ‚Positeidon‘ zahlen, jährlich ungefähr 2.000€ an Eintrittsgeldern plus seit März 2009 eine ‚Wassergebühr‘ pro Nutzungs-Tag von 100€.
Die Berliner Aidshilfe, die die Gelder zunächst aus eigenem Spendenaufkommen aufbrachte, wandte sich an die Deutsche Aids-Stiftung DAS mit der Bitte um Unterstützung, und diese erklärte sich dankenswerterweise auch bereit das Projekt finanziell zu unterstützen. Doch – die Stiftung hat ihre Bewilligungs-Bedingungen scheinbar geändert.
Die Deutsche Aids-Stiftung benötigt für ihre Unterlagen Nachweise darüber, dass ihre finanziellen Leistungen zweckgemäß eingesetzt werden. Dafür fordert sie nun von der Berliner Aidshilfe BAH nicht nur schriftliche Nachweise und Belege ein, sondern auch eine namentliche (!) Liste der Teilnehmer sowie Fotos, die die teilnehmenden (HIV-positiven) Schwimmerinnen und Schwimmer das geförderte Projekt zeigen sollen. Diese Fotos sollen nicht nur zur internen Dokumentation verwendet werden, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung.
Mitglieder der Schwimmgruppe reagierten zunächst überrascht und schockiert. Mit Unmut und Unverständnis wurde die Forderung nach Fotos zur Kenntnis genommen. Die Ängste von Teilnehmern rühren auch daher, dass bei weitem nicht alle offen mit ihrer HIV-Infektion umgehen. Sie erwarten, dass ihre Anonymität auch weiterhin gewahrt werden kann – und dass Aidshilfe und vor allem auch Aids-Stiftung dieses Schutzbedürfnis respektieren. Einige Teilnehmer äußerten die Befürchtung, nun nicht mehr an der Schwimmgruppe teilnehmen zu können – da dies nun anonym nicht mehr möglich sei, sie sich mit den Fotos als HIV-Positive ‚outen‘ müssten.
Die Berliner Aidshilfe AH konnte die Forderung der Namensliste zunächst abwenden – die Fotos werden von der Stiftung jedoch weiterhin gefordert. Die BAH ist weiterhin in Kontakt mit der Deutschen Aids-Stiftung, um eine für die HIV-positiven Teilnehmer tragbare Lösung für das ‚Foto-Problem‘ zu finden.
Update (1) 12.02.2010 14:00 : Die Stiftung verlangt nach Aussage der BAH keine namentliche Teilnehmerliste – hier wurden von Personen, mit denen ich gesprochen habe, zwei verschiedene Sachverhalte vermischt. Die Stiftung fordere allerdings auch weiterhin nachdrücklich „Bildmaterial“, jedoch nicht explizit mit identifizierbarer Abbildung aller Teilnehmer. Siehe dazu auch Kommentar #3 von Jens Ahrens, HIV-Referent der BAH.
(2) 12.02.2010 15:45 : Die Stiftung hat inzwischen u.a. wie folgt Stellung genommen: „Um Fotos bitten wir bei nahezu jeder Projektbewilligung. Dass wir uns hier im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch der Teilnehmer nach Anonymität und den Erfordernissen für eine erfolgreiche Spendenakquise bewegen, ist uns bewusst. Dem tragen wir jedoch Rechnung, indem wir die Übersendung von Fotos immer als Bitte und nicht als Auflage formulieren. Wir akzeptieren, wenn einzelne Teilnehmer oder die gesamte Gruppe keine Fotos von sich machen lassen wollen oder nur zu solchen bereit sind, bei denen die Person/die Personen nicht zu erkennen ist/sind.“
Die Fotos hält die Stiftung für gerechtfertigt: „Von Ihrer Kritik an unserer aktuellen Vergabepraxis bleibt allenfalls die Frage, ob schon die Bitte um Fotos den Teilnehmern solcher Projekte zuviel abverlangt. Wir meinen nein.“
Hinweis: Die Deutscher Aids-Stiftung wurde am 11.02. um Stellungnahme angefragt, die bisher nicht eingegangen ist. Nach Vorliegen werde ich den Text entsprechend aktualisieren. erl., siehe Update 2
Outing als HIV-Positiver – unfreiwillig, für den Mittelnachweis, gar für die Öffentlichkeitsarbeit der Aids-Stiftung? Das Vorgehen der Deutschen Aids-Stiftung bestürzt. Ob ein HIV-Positiver mit seinem Serostatus offen umgeht oder nicht, sollte ausschließlich ihm allein überlasen bleiben. Das Recht auf Anonymität ist zu wahren, gerade auch in und von Aids-Organisationen. Ein offener Umgang kann nicht aus verwaltungstechnischen Gründen oder gar für das eigene Marketing erzwungen werden.
So sehr ein wirtschaftlicher Umgang mit Spendengeldern sinnvoll und begrüßenswert, das Bemühen um Akquisition neuer Spenden verständlich ist – eine Sensibilität im Umgang mit dem für viele HIV-Positive wichtigen Thema Diskretion und Datenschutz scheint hier seitens der Deutschen Aids-Stiftung nicht gerade deutlich ausgeprägt zu sein. Schon für den internen Nachweis scheint das Verlangen von Namenslisten und Fotos davon zu zeugen, dass in der Stiftung Mitarbeitern die Lebenssituation von Menschen mit HIV vielleicht nicht recht vertraut ist. Diese Fotos auch noch für die Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden, und dies zur Bedingung für eine Unterstützung zu machen, scheint inakzepatbel.
Dies gilt umso mehr, als dieser Vorfall nicht der einzige dieser Art zu sein scheint – die Stiftung scheint generell ihre Bewilligungs-Bedingungen geändert zu haben. Auch von einem von der Aids-Stiftung unterstützten Bowling-Projekt wurden Fotos zur Dokumentation verlangt. Die Bowler konnten sich behelfen, indem sie für die Fotos (die bisher noch nicht an die Stiftung weitergegeben wurden) Bowling-Kugeln vor ihre Gesichter hielten – eine Alternative, die den Schwimmerinnen und Schwimmern mangels ‚Hilfsmitteln‘ kaum bleibt.
Da die Änderung der Bewilligungs-Bedingungen der Aids-Stiftung wohl bundesweit gelten dürfte, ist zudem auch von der Stiftung geförderten Projekten in anderen Städten zu empfehlen, aufmerksam zu prüfen, welche Nachweise verlangt werden, und wofür diese verwendet werden sollen.
Der Vorgang zeigt darüber hinaus wieder einmal deutlich, dass die Deutsche Aids-Stiftung gut beraten wäre, offen HIV-Positive Menschen in ihre Strukturen beratend einzubinden – auch um die Sensibilität für Themen wie Datenschutz zu erhöhen und eine größere Nähe der Stiftungsarbeit zu Alltagsproblemen von Menschen mit HIV zu gewährleisten. Ganz im Sinn der Satzung der Stiftung – dort ist zu lesen „Die Deutsche Aids-Stiftung will die Lebensbedingungen von HIV-positiven und an Aids erkrankten Menschen verbessern …“.
weitere Informationen:
Berliner Aidshilfe: 20 Jahre Positeidon
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Berlins Gesundheits-Senatorin Katrin Lompscher diskutierte am 8. Februar 2010 mit dem Berliner Positiven-Plenum, welche Erwartungen und Bedürfnissen HIV-Positiven an den Berliner Senat haben.
Mit über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war das Berliner Positiven-Plenum am 8. Februar 2010 (wie schon die Plena in den letzten Monaten) bemerkenswert gut besucht. Die Deutsche Aids-Hilfe hatte auf Nachfrage der Positivensprecher freundlicherweise einen Raum zur Verfügung gestellt.
Nach einer Begrüßung durch Stefan Timmermanns (HIV-Referent der Deutschen Aidshilfe) übermitteln die Positivensprecher/innen die Grüße der Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe Ute Hiller, die leider aus persönlichen Gründen verhindert sei; der Vorstand der Berliner Aids-Hilfe wünsche dem Positiven-Plenum ein konstruktives Gespräch mit der Senatorin. Albert Eckert, ehemaliges MdA, übernimmt auf Vorschlag der Positivensprecher/innen die Moderation des Abends.
1. Beteiligung von Menschen mit HIV/AIDS an Entscheidungen im Bereich der AIDS-Arbeit in Berlin
Auf dem Kongress ‚HIV im Dialog‘ im September 2009 hatte Senatorin Lompscher sich eindeutig zum GIPA-Prinzip bekannt und angekündigt, Berlin werde zukünftig verstärkt Menschen mit HIV an den sie betreffenden Entscheidungen des Berliner Senats beteiligen. Das GIPA-Prinzip war 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel beschlossen worden.
Eine Beteiligung von HIV-Positiven an den sie betreffenden Entscheidungen ist sowohl auf der Ebene der freien Träger der Aids-Arbeit in Berlin als auch strukturell (Ebene Integrierter Gesundheitsvertrag IGV) anzustreben.
Bisher ist eine Beteiligung von Positiven nur bei einem Träger realisiert, der Berliner Aids-Hilfe mit ihrem Positiven-Plenum, einer in der Satzung verankerten (und bundesweit einzigartigen) Struktur. Es stellt sich die Frage, warum andere Träger dies nicht aufweisen. Kann es sinnvoll sein, nun bei allen Trägern ähnliche Strukturen einzufordern und zu etablieren, oder braucht es einen Träger HIV-positiver Interessenvertretung? Und wo kann dieser auf Landesebene verankert werden? Diese Frage wurde lebhaft diskutiert.
Verwiesen wurde als Beispiel auf das Modell, das der US-Bundesstaat Indiana realisiert hat und das eine Struktur vorsieht, mit der die Legitimation und Benennung von Positiven-Vertretern auf institutioneller Ebene möglich ist.
Als Ziele wurden mehrfach angemahnt die alltäglichen Probleme von Menschen mit HIV und Aids in den Mittelpunkt zu stellen und eine größere Transparenz, z.B. auch bei der Verwendung der Mittel (Spenden) zu schaffen.
Als konkreter Schritt wurde vorgeschlagen, dass der Senat zu einem Treffen Berliner Menschen mit HIV und Aids einladen solle als Startschuss für einen Berliner GIPA-Prozeß. Senatorin Lompscher kündigte an, diesen Schritt („da spricht nichts dagegen“) zu prüfen und möglichst zeitlich absehbar umzusetzen.
2. Wo sind Positive im Rahmen der strukturellen Prävention?
Berlin benötigt ein praxisorientiertes Konzept zur strukturellen Prävention, in dem die Beteiligung und die Rolle von Menschen mit HIV/AIDS in der Prävention geklärt werden.
Frau Lompscher betont, der Senat erwarte, dass die freien Träger das Konzept der strukturellen Prävention und die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids in ihren Konzepten berücksichtigen. Es sei denkbar, dies im kommenden IGV auch als Vertragspflicht festzuschreiben.
3. Notwendigkeit einer repräsentativen Bedarfserhebung
Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden die Angebote im Aids-Bereich in Berlin unabhängig von einer konkreten Ermittlung von Bedarf und Bedürfnissen der Menschen mit HIV/AIDS entwickelt und gefördert. Auskünfte der bisherigen NutzerInnen bestehender Angebote sind weder repräsentativ noch ausreichend.
Mit einer Bedarfserhebung solle auch den Bedarfen derjenigen Positiven Rechnung getragen werden, die die bestehenden Angebote nicht nutzen, und festgestellt werden, welchen Bedarfen die bestehenden Angebotsstrukturen nicht Rechnung tragen.
Von Teilnehmern wird der Vorschlag geäußert, ein Beschwerde-Management verpflichtend einzuführen und dies anonymisiert zusammenzuführen und auszuwerten. Erfahrungen in der Praxis zeigten, dass dies bereits nach kurzer Zeit recht gut Aufschluss darüber gebe, welche realen Probleme bestünden.
Senatorin Lompscher betont, sie stehe einer Bedarfsermittlung prinzipiell aufgeschlossen gegenüber. Sie sehe jedoch Konkretisierungsbedarf, was genau in welchen Zahlen erhoben werden solle.
In einem Beschwerde-Management sehe sie einen guten Ansatz auch unter Aspekten des Verbraucherschutzes.
Sie wies darauf hin, dass der Staat dezidiert keinen Präventionsauftrag habe, ein entsprechender Gesetzentwurf (‚Präventionsgesetz‚) sei gescheitert. Prävention sei einzig Auftrag der Krankenkassen, so das auch ein Gespräch mit der AG der Berliner Krankenkassen sinnvoll sein könne.
4. Akzeptanzförderung zur Vorbeugung von Diskriminierung bzw. Furcht davor
Die Gesellschaft benötigt wirksame und nachhaltige Aufklärung über das Leben mit HIV bzw. AIDS, damit Positive ohne Diskriminierung und Angst leben können – in der Familie, der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in der Freizeit.
Frau Lompscher weist auf die Akzeptanz-Kampagne des Berliner Senats hin und betont, dass das Thema Akzeptanz ganz oben auf der politischen Agenda stehe.
Aus Teilnehmerkreisen wird darauf hingewiesen, dass gerade auch seriöse Aufklärung zu Toleranz an Schulen wichtig sei, besonders auch an Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Zudem dürfe Akzeptanzförderung auch in Knästen nicht vergessen werden.
5. Angebote zur Arbeitsfähigkeit: „HIV + Beschäftigung“ bzw. „HIV + Rente“
Zunehmend mehr Menschen leben dank neuer Therapien länger und besser als zuvor. Viele von ihnen benötigen Entscheidungshilfen und praktische Unterstützung für ihren individuellen Weg zwischen beruflichen Anforderungen, ggf. eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder nötigen Alternativen zur Erwerbstätigkeit.
Zwar gibt es bereits Projekte, die auf diesem Themenfeld tätig sind. Ihnen fehlen aber (u.a. nach Auslaufen von Modellprojekten oder EU-Förderung) finanzielle Mittel.
Teilnehmer wiesen darauf hin, dass dies auch Aufgabe der Träger der Sozialversicherung, insbesondere der Rentenversicherung (berufliche Rehabilitation) sei; hier komme dem Staat eine moderierende Rolle zu. Positive sollten sich mehr mit anderen Chroniker-Gruppen koordinieren, um hier gemeinsam vorzugehen.
Frau Lompscher verweist darauf, dass dieses Thema in den Zuständigkeitsbereich der Senatorin für Arbeit und Soziales falle. Sozialversicherungsrecht sei zudem Bundesrecht, hier könne das Land Berlin nur über den Bundesrat initiativ werden. Sie bot ihre Unterstützung für Gespräche mit den zuständigen Trägern der Sozialversicherung an.
6. Datenschutz und Vertraulichkeit
Im Integrierten Gesundheitsvertrag (IGV) ist eine Leistungsdokumentation vorgesehen. Eine (Re-)Identifizierbarkeit durch persönliche Daten im Rahmen dieser Leistungsdokumentation ist auszuschließen.
Diese Einhaltung des Datenschutzes auch im IGV zu gewährleisten sei selbstverständlich, betonte Lompscher.
Teilnehmer beklagen, dass in Job-Centern häufig Verstöße gegen den Datenschutz erfolgten (Mitarbeiter geben Daten weiter); hier scheine eine entsprechende Dienstaufsicht nicht entsprechend stattzufinden.
Ein Teilnehmer berichtet über ein besonderes Datenschutz-Problem bei der Unterstützung der Schwimmgruppe durch die Deutsche Aids-Stiftung, das allgemeine Empörung hervorruft.
7. Akteneinsichtsrechte
Besondere Belastungen für Positive wie auch andere chronisch Kranke sind durch geeignete organisatorische Lösungen zu vermeiden. Akteneinsichtsrechte nach dem IFG (Informations-Freiheits-Gesetz) dürfen nicht – z. B. in Folge von Verträgen Berlins über Angebote durch Dritte – umgangen werden.
Senatorin Lompscher sagt zu, dass sichergestellt wird, dass Träger sich dem Akteneinsichtsrecht / IFG nicht durch Umgehungen / Vergaben an Dritte entziehen.
8. Verbesserung der aktuellen Mehrbedarfsregelung zur Sozialhilfe oder Regelsatzerhöhung
Menschen mit chronischen Erkrankungen benötigen eine bedarfsgerechte materielle Absicherung. Der Gefahr ihrer Marginalisierung ist dadurch vorzubeugen.
Zahlreiche Teilnehmer beklagen, dass zunächst pauschal abgelehnt würde und viele Job-Center den Eindruck einer Zermürbungs-Strategie vermittelten („es geht immer wieder in’s Leere“). Falls Leistungen wie Ernährungs-Mehrbedarf anerkannt werden, würde dies von Bezirk zu Bezirk äußerst unterschiedlich und intransparent gehandhabt. Zudem drohten weitere Probleme bei der Frage einer Erstattung der Krankenkassen-Zusatzbeiträge.
Senatorin Lompscher betont, dass die Regelsätze Hartz IV Bundesrecht und nicht direkt von Berlin beeinflussbar seien und verweist auf das für den nächsten Tag anstehende Karlsruher Urteil (siehe „Hartz IV-Regelsätze verfassungswidrig – Bundesverfassungs-Gericht ordnet Neuregelung an„). Berlin sei einzig für Empfehlungen an Job-Center zuständig, und auch dies seien eben nur Empfehlungen.
Zur Frage der unterschiedlichen Umsetzung von Empfehlungen in den Bezirken wird diskutiert, alle zuständigen Stadträte an einen Tisch zu holen., um anstehende Fragen zu diskutieren, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Chroniker-Gruppen. Zudem wird die Frage eines Beschwerde-Managements bei Sozialämtern aufgeworfen.
9. medizinische Versorgung für Positive ohne Krankenversicherung
Jedes Jahr erkrankt eine unbekannte Anzahl von HIV-Positiven ohne Versicherungsschutz, für die es weder geregelte Versorgungsangebote noch z. B. einen anonymen Krankenschein gibt.
Senatorin Lompscher betont, dass dauerhafte Lösungen für die medizinische Versorgung von Menschen ohne legalen Aufenthalts-Status ein schwieriges Problem darstellen, dem sich die Senatsverwaltung bewusst sei. Man arbeite in Zusammenarbeit mit öffentlichen und freien Trägern an Lösungsansätzen. Erschwerend komme hinzu, dass bisher kein tragfähiges und unumstrittenes Konzept für einen anonymen Krankenschein vorliege.
Aus Teilnehmerkreisen wird ergänzend darauf hingewiesen, dass Asylbewerber trotz sofortiger Information über HIV-Infektion und medizinischen Status (Aids) oftmals Monate warten müssen, bis sie Zugang zu medizinischer Behandlung haben; dieser Zustand sei untragbar.
10. Wohnangebot für Menschen mit HIV (insbes. im Alter)
Mehrere Teilnehmer/innen weisen darauf hin, dass die Frage des Wohnens, insbesondere im Alter, für viele Menschen mit HIV ein großes Problem darstelle. Die wenigen von existierenden Projekten angebotenen Wohnmöglichkeiten entsprächen nicht immer den Vorstellungen von altrs- und sozialgerechtem Leben. Für Menschen mit Migrationshintergrund stellt die Frage des Wohnens im Alter ein besonderes Problem dar, da hier auch keine Herkunfts-Familie zur etwaigen Versorgung zur Verfügung steht.
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Im Anschluss an die Diskussionen wird vereinbart, ein Protokoll zu erstellen, das Senatorin Lompscher zur Verfügung gestellt wird. Sie sagt zu, die besprochenen offenen Fragen in der Senatsverwaltung zu klären. Nach 3 bis 4 Wochen solle dann ein Gespräch mit den Positivensprecher/innen folgen, um die offenen Punkte durchzusprechen und weiter zu verfolgende Handlungsansätze zu vereinbaren.
Wer wollte, konnte am 8. Februar eine kleine Lehrstunde in repräsentativer Demokratie, Basisnähe und Bürgergesellschaft erleben:
Senatorin Lompscher hörte aufmerksam zu, ging konkret auf die diskutierten Themen und die gestellten Fragen und Anregungen ein, und vermied weitestgehend Worthülsen und Polit-Blasen. Die Positivensprecher/innen hatten mit Unterstützung der Vorbereitungsgruppe eine gut strukturierte Veranstaltung vorbereitet, die durch Moderator Albert Eckert zielführend geleitet wurde. Positive aus unterschiedlichen Gruppen (z.B. schwule Männer, Frauen, Migrantinnen und Migranten) beteiligten sich großenteils lebhaft und aktiv an den Diskussionen und brachten ihre Erfahrungen und Belange ein.
Eine Veranstaltung, wie sie der Positiven-Selbsthilfe öfter zu wünschen ist.
Störmanöver aus Kreisen einer örtlichen Aids-Organisation wirkten angesichts dieser betroffenennahen Veranstaltung befremdlich, konnten den Erfolg erfreulicherweise jedoch nicht beeinträchtigen.
Für Amusement allerdings sorgte ein kurz zuvor bekannt gewordener offener Brief eines Volker Allochthon [Beim Namen dürfte es sich um ein Pseudonym handeln; allochthon, griech., ‚an anderer Stelle entstanden‘, fremd, auswärtig], der ausführlich begründet den Rücktritt des derzeitigen Vorstands der Berliner Aids-Hilfe forderte.
Nachtrag: Auf dem nächsten Positiven-Plenum am 8. März 2010 um 19:00 Uhr ist Thema „25 Jahre HIV-positiv – immer normaler, immer zufriedener? – Selbsthilfe und Interessenvertretung damals, heute – und künftig?“ (Ort: Berliner Aidshilfe, Meinekestr. 12)
3.172 Fälle von Syphilis wurden 2008 dem Robert-Koch-Institut gemeldet. Damit haben sich die Meldezahlen seit 2004 stabilisiert, so das RKI.
Durchschnittlich 3,9 Fälle von Syphilis pro 100.000 Einwohner wurden im Bundesgebiet 2008 festgestellt. Berlin gehört (mit Brandenburg, Bremen und Hamburg) zu den Bundesländern mit 2008 gestiegener Syphilis-Inzidenz (Berlin: 19,1 Fälle von Syphilis pro 100.000 Einwohner).
In Berlin stieg die Zahl der Syphilis-Fälle 2008 im Vergleich zu 2007 um 44% (Hamburg 33%; Inzidenz 11,1). Köln gehört mit einer Inzidenz von 17,9 Fällen pro 100.000 Einwohner ebenfalls zu den Städten mit hoher Syphilis-Inzidenz.
Zur Gruppe der MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) bemerkt das RKI
„In der Gruppe der MSM hat sich offenbar seit dem Jahr 2004 ein neues Endemieniveau etabliert, welches sich von einem sehr niedrigen Stand der Syphilis-Zirkulation Ende der 1990er Jahre aus entwickelt hat. Dieses neue Endemieniveau konnte sich vermutlich etablieren durch die (Re-) Konstitution einer Kerngruppe von Männern, innerhalb derer die Syphilis sehr intensiv zirkuliert.“
Das RKI merkt an, dass in Großstädten (Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München) inzwischen 50% der Fälle von Ärzten als Re-Infektion (erneute Syphilis-Infektion nach bereits mindestens einmal durchgemachter Syphilis-Infektion) bezeichnet werden.Das RKI sieht eine Ursache dieser hohen Syphilis-Zirkulation in „sexuellen Netzwerken mit rasch wechselnden Partnern, in denen bei HIV-Serostatuskonkordanz häufig auf die Verwendung von Kondomen verzichtet wird“.
Kritiker weisen darauf hin, dass es sich bei dem hohen Prozentsatz an Re-Infektionen um eine ärztliche Einschätzung handelt – und dass sich hierin auch reaktivierte Fälle von Syphilis, z.B. nach nicht ausreichender Behandlung, verbergen könnten.
Die Zahl der Syphilis-Fälle wieder nennenswert zu senken sie nicht einfach. Das RKI betont, hierzu müsste insbesondere der Zeitraum zwischen Infektion und Feststellen der Syphilis (bzw. Behandlung) verkürzt werden, vor allem in der Gruppe der Menschen mit hohen Partnerzahlen.
Bei Menschen mit HIV sollte die Untersuchung auf Syphilis in die regelmäßigen Labor-Untersuchungen einbezogen werden. In den von Syphilis besonders betroffenen Gruppen sei vermehrte Aufklärung über typische Erkrankungssymptome erforderlich.
weitere Informationen:
Syphilis in Deutschland im Jahr 2008. in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 49/2009
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Wurden die Fragebögen des Berliner Überfalltelefons zu antischwuler Gewalt mehrfach mit falschen Angaben ausgefüllt, um Stimmung gegen Ausländer zu machen?
Ein Artikel von Norbert Blech führt in den Userkommentaren bei queer.de zu teilweise sehr heftigen Reaktionen. Nach anonymen Hinweisen wird die zweite große Onlineumfrage von Maneo – einem Berliner Antigewaltprojekt – in dem Artikel hinterfragt. Diese Umfrage von 2007/2008 kam zu dem Ergebnis, dass die Gewalt von nichtdeutschen Tätern im Verhältnis zu einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahr 2006/2007 stark zugenommen hatte. „Einwände von Kritikern, dass etwa die Zahlen des schwulen Überfalltelefons Maneo wenig Aussagekraft besitzen, konnten sich gegen diese Mischung aus Angst und Vorurteil selten durchsetzen.“ schreibt der Autor zu damals kritischen Reaktionen auf die Umfrageergebnisse.
Gezielte Manipulation und Mitmach-Aufrufe aus dem Islamkritischen Spektrum?
Ein Anlass für den aktuellen Artikel war eine anonyme Email: „Von gezielten Manipulationen spricht ein anonymer „Frank“, der sich bei der Queer.de-Redaktion gemeldet hat und sich als „Aussteiger“ bezeichnet. Aussteiger aus einem Subbereich der schwulen Szene, der sich vom Islam bedroht fühlt und Muslime generell als Feindbild bekämpft. Frank schreibt in einer anonymen eMail, er habe den Fragebogen „bestimmt 10 Mal mit unterschiedlichen Angaben ausgefüllt“ und Türken als Täter angegeben. Es sei ihm darum gegangen, das Szenario einer „realen Bedrohung“ aufzubauen. Er kenne „mindestens fünf“ Bekannte, die ähnliches getan hätten. Auch habe er dem Überfalltelefon telefonisch zwei erfundene Übergriffe gemeldet: „Das war unglaublich leicht, die sind so unglaublich dumm und sind einfach zu instrumentalisieren“ – da auf diesem Weg jährlich nur rund 200 Fälle homophober Gewalt gemeldet werden, haben diese Anrufe noch größere Auswirkungen auf die Statistik als bei der Online-Umfrage. Mittlerweile schäme er sich für den „eigenen Rassismus“, den er auch in zahlreichen Forenbeiträgen auf den unterschiedlichsten Webseiten, darunter queer.de, verbreitet hätte. Einen Beweis für die Manipulation der Maneo-Studie liefert die anonyme Quelle nicht, Rückfragen sind nicht möglich.“
Bei der weiteren Recherche stieß Norbert Blech auf Aufrufe der islamkritischen Szene, bei der zur intensiven Teilnahme an der Umfage aufgerufen wird gleich unter der Prämisse einen bestimmten Täterkreis zu benennen. Auf den von Norbert Blech gefundenen Seiten bei www.gruene-pest.de wird in den Foren offen dazu aufgerufen Umfragen und Kommentare auf schwullesbischen Seiten zu veröffentlichen um Angst und Vorurteile gegen Muslime in die schwule Szene zu bringen. Veröffentlichte islamfeindliche Kommentare werden in den einzelnen Forumsthreads als Erfolg gefeiert. Beschwichtigende oder relativierende Presseberichte dem entsprechend böse kommentiert und gleich noch mit homofeindlichen Kommentaren gespickt.
Wird die „nicht-repräsentative“ Umfrage bewusst medial ausgeschlachtet?
Der Artikel endet mit folgendem Resumee: „Wie einige andere in der Berliner Szene hatte er in den letzten Jahren verbal aufgerüstet und etwa von „No-Show-Areas“ für Schwule in der Hauptstadt gesprochen. Ein anderes Mal hatte er gewarnt, es solle keine „falsch verstandene Rücksicht auf scheinbar folkloristische Religionselemente“ geben. Zu den Ergebnissen der ersten Umfrage hatte Finke in einer Pressemitteilung geschrieben: „Viele haben bisher die Augen vor einer bestimmten Tätergruppe verschlossen. Ohne, dass wir danach gefragt haben, haben uns 16 Prozent von Tätern nichtdeutscher Herkunft berichtet. Hätten wir nach dieser Tätergruppe gefragt, hätten wir noch mehr Nennungen gehabt.“ Die Geister, die er rief, hat er in der zweiten Umfrage offenbar bekommen.“
Diskredition oder Warnung?
„Maneo“ ist in Berlin eine anerkannte aber nicht unumstrittene Institution.
In den vielen Jahren des Aufbaus, der bereits Anfang der 90er Jahre durch eine Wirteaktion in Berlin Kreuzberg begann und über das schwule Überfalltelefon bis hin zu Maneo fortgesetzt wurde, hat das Antigewaltprojekt eine Menge geleistet: Der Kontakt zur Polizei hat sich für lesbische und schwule Gewaltopfer erleichtert. Gewalt gegen Schwule und Lesben ist sichtbar geworden und in der Politik angekommen.
Aber Maneo hat auch viele Fehler gemacht. So war der Demoaufruf gegen homophobe Gewalt durch vermutlich osteuropäische Täter die sich dann als eine Auseinandersetzung im Strichermilieu herausstellte vom Januar diesen Jahres mehr als ein Fauxpas. 500 Demonstranten kamen zur Mahnwache und mussten ziemlich irritiert nachlesen, dass sie wohl falsch informiert waren. Auch wurde die Problematik von antischwuler Gewalt oftmals in entsprechende Bahnen gelenkt. die den Eindruck vermittelten, bestimmte Bezirke oder Gegenden in Berlin seinen für Schwule und Lesben tabu. Fragt man Schwule und Lesben, die aus genau diesen Bezirken kommen, entsteht ein sehr viel differenzierteres Bild und widerlegt die Aussagen oft genug. Die mediale Gewalt solcher Aussagen und die Anfang 2009 stakkatohaften Berichte von Maneo über Übergriffe hatten zur Folge, dass die Szene sehr verunsichert war und sich schnell auf Jugendliche mit Migrationshintergund als Haupttäter einschwor. Gerade in den schwullesbischen Szenebezirken Berlins haben sich Angst und Vorurteile breit gemacht, die sich in offen ausländerfeindlichen Äußerungen manifestieren.
Dabei kann Berlin auch anders. Als es im Juni 2008 bei einem Drag Festival in Kreuzberg zu einem Übergriff auf Dragkings kam, war vom Antigewaltprojekt Maneo nichts zu hören. Trotzdem wurde binnen 24 Stunden eine Demonstration gegen homophobe Gewalt auf die Beine gestellt, an der sich 2000 Demonstranten zusammen fanden um in Kreuzberg aufzurütteln. Das Kreuzberger Netzwerk funktioniert. Bei Übergriffen und auch präventiv finden sich lesbische und schwule Geschäftsleute, „Kiezgrößen“, Anwohner und Vereine zusammen und versuchen zwischen den Parteien zu vermitteln – sicherlich nicht immer mit einem bestmöglichen Ergebnis, meist aber viel leiser und effektiver, als so manche Mahnwache, die aus Solidarität bei vermeintlicher Homophobie gestartet wird. Nicht anders ist es zu erklären, dass sich zahlreiche Geschäfte in der Oranienstraße sowie den angrenzenden Straßen beim transgenialen CSD offen solidarisch zeigen, auch wenn dies bei einigen konservativen Kunden vielleicht nicht so gut ankommt. Zweisprachige Fahnen gegen Sexismus, Homophobie und Rassismus mit Pumps tragendem Hirsch und Kamel oder ein türkisches Fotogeschäft mit Bildern von Verpartnerungen im Schaufenster seien hier exemplarisch genannt und haben sicherlich eine größere Reichweite als ein Regenbogenaufkleber an der Eingangstüre.
Wenn sich dann Bastian Finke von Maneo darüber echauffiert, dass eine Zusammenarbeit mit Gruppen, die sich mit der Migrationsproblematik auseinandersetzen, schwierig sei, muss er sich wohl fragen lassen, ob dies nicht vielleicht in der Arbeit von Maneo und einem sich daraus resultierenden Misstrauen gegenüber Maneo begründet sein kann, zumindest wenn man wie Bastian Finke bereits seit fast 20 Jahren in diesem Umfeld arbeitet.
Man darf homophobe Gewalt sicherlich nicht bagatellisieren. Auch müssen die Hintergründe für verbale wie körperliche Gewalt gegen Lesben und Schwule aufgeklärt werden.
Der von Maneo in den letzten Jahren eingeschlagene Weg ist dabei kontraproduktiv, wenn diese in der lesbisch-schwulen Szene zu neuen Hassbildern führt. Homophobe Gewalt muss wertfrei und ohne Vorurteile aufgeklärt werden. Notwendige gesellschaftliche Veränderungen müssen schrittweise erarbeitet werden. Dabei helfen keine Schwarzweiß-Malerei, keine einseitigen Wertungen, keine Schönfärberei und keine voreiligen Aktionen.
Etwa 400 Menschen demonstrierten am 4. August 2009 in Berlin gegen Homophobe und für Solidarität mit den Opfern des Anschlags auf einen schwul-lesbischen Jugend-Treffpunkt in Tel Aviv.
Bei einem Anschlag auf einen Treffpunkt schwuler und lesbischer Jugendlicher in Tel Aviv (Tel Aviv Gay and Lesbian Association (AGUDA)) sind am Samstag Abend (01.08.2009) zwei Menschen ermordet und 15 verletzt worden. Die Polizei sucht weiterhin nach den Tätern, derzeit ist eine Nachrichtensperre verhängt.
Am Dienstag, 4. August demonstrierten etwa 400 Menschen in Berlin gegen die Gewalt und die als Ursache des Angriffs vermutete Homophobie.
Gloria Viagra, Berliner Drag-Queen mit dem Motto ‚Nur Revolution macht schön‘ und Organisator der Demonstration, informierte vorab:
„Mit Entsetzen,Trauer und Wut haben wir von dem Anschlag auf das lesbisch-schwule-transgender (LGTQ)-Zentrum in Tel Aviv erfahren.
Dort hat ein maskierter Mann am Samstag Abend die dortige Jugendgruppe überfallen und wahllos mit einem Maschinengewehr auf die Teenager geschossen. Eine 17jährige und ein 24jähriger starben, 15 weitere wurden z.T. schwer verletzt.
Der Mann konnte unerkannt entkommen. Er versuchte noch in eine weitere Schwulenbar einzudringen, wurde aber vom dortigen Sicherheitspersonal abgewehrt.
Auch wenn noch nicht klar ist, aus welchem Kreis der Mörder kommt, ist eines klar: Dieser Anschlag ist ein ganz gezielt Hassverbrechen. Ein Verbrechen gegen die LGT-Szene.
Im Gegensatz zum religiösen Jerusalem ist Tel Aviv als sehr offen-liberale und homofreundliche Metropole bekannt, umso größer die Betroffenheit dort.
Aber es kommt nicht von ungefähr: So wird unter der neuen konservativen Regierung allgemein ein Klima gegen Minderheiten geschürt, so gegen Homosexuelle und Flüchtlinge. Die ultra-religöse Schass-Partei hetzt seit Jahren aufs Übelste gegen Homosexuelle, ihr religiöser Führer rief 2005 anlässlich des CSDs in Jerusalem sogar zum Mord auf; ohne Konsequenzen.
Unser ganzes Mitgefühl gilt den Betroffenen und Angehörigen, unsere Solidarität der LGTQ-Szene in Israel !!!!“
In Tel Aviv selbst war es bereits direkt nach dem Anschlag zu einer spontanen Demonstration gekommen. Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen fanden inzwischen u.a. in Rostock, Köln und London statt, für kommenden Mittwoch ist eine Gedenkveranstaltung in Wien geplant. Für Samstag ist eine Gedenkveranstaltung in Paris sowie Groß-Demonstration in Tel Aviv anberaumt.
Der israelische Sozialminister kündigte inzwischen ein Eil-Komitee an, um nach dem Attentat den Bedürfnissen der schwul-lesbischen Community in Israel gerecht zu werden.
weitere Informationen:
SZ 01.08.2009: Zwei Tote bei Schießerei in Schwulenclub
SZ 02.08.2009: „Eine Tat voller Hass“
samstagisteingutertag 02.08.2009: Attentäter richtet Blutbad in Homosexuellen-Zentrum in Tel Aviv an
PinkNews 04.08.2009: Tel Aviv gay shooting: Israeli minister forms emergency committee
indymedia 03.08.2009: Demo gegen homophoben Anschlag in Tel Aviv
queer.de 03.08.2009: Anschlag in Tel Aviv: Demos in Köln und Berlin
youtube: Berlin LGBT community in solidarity with LGBT Tel Aviv – Demo against homophobia (Video)
Antiteilchen 04.08.2009: Smash Homophobia – Demo gegen Homophobie am Breitscheidtplatz
Kölner Stadtanzeiger 04.08.2009: Solidarität mit Opfern
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In Berlin feiern Schwule Lesben und allerlei sonstig Interessierte am 20. und 21. Juni 2009 unter dem etwas sperrigen Motto „Gleiche Rechte für Ungleiche“ das 17. Lesbisch-Schwule Strassenfest am Nollendorfplatz.
Hunderttausende Besucher an zwei Tagen, 25.000 Quadratmeter Fläche, und ein breites Spektrum vom Café PositHiv bis zum Tierschutzverein, von schwulen und lesbischen Sportvereinen bis zu queeren und homosexuellen Parteigliederungen, von Regenbogen-Nippes bis zum Sling-Geschäft.
Nebenbei, Antiteilchen scheint sich auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest weniger amüsiert zu haben – ich durchaus, nette Menschen getroffen 🙂
Wie soll die Berliner Aids-Politik zukünftig aussehen? Und welche Rolle haben Menschen mit HIV und Aids in diesem Prozeß? Der Aids-Aktionsplan Berlin und die zukünftige Finanzierung der Berliner Aids-Projekte standen am 9.6. bei einer Veranstaltung im Abgeordnetenhaus Berlin zur Diskussion.
„149 Abgeordnete – 5 Parteien – 1 Virus“, unter diesem Titel hatten die Positivensprecher der Berliner Aids-Hilfe am 9. Juni 2009 zum Positivenplenum geladen.
Auf dem Einladungs-Plakat hatten die Positivensprecher konstatiert:
„AIDS-Aktionsplan für Berlin!
Menschen mit HIV und Aids fordern von der Landespolitik:
1. Mehr öffentliche Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und mehr Integrationsangebote bei Beschäftigung und Wohnen!
2. Ausbau und Weiterentwicklung von Gesundheitsförderung, Integration in den 1. Arbeitsmarkt, Antidiskriminierung und Selbsthilfeförderung!
3. Mehr Jugendprävention, Beschäftigungs-, Wohn-, Begegnungs- und Mehrbedarfsangebote durch vernetzte Aktivitäten auf Bezirksebene!
4. Pilotprojekt zur Ausgabe von Einwegspritzen in Haftanstalten!
5. Lösung der Probleme bei der medizinischen Versorgung von Menschen mit HIV und AIDS ohne Aufenthaltsgenehmigung!“
An der von Holger Wicht moderierten Diskussion nahmen teil Katrin Lompscher (Linke; Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz), Monika Thamm (CDU; MdA), Petra Merkel (SPD, MdB), Thomas Birk (Grüne; MdA) und Kai Gersch (FDP; MdA).
Hintergrund der Diskussionsveranstaltung war insbesondere die anstehende Neu-Verhandlung über den IGV Integrierten Gesundheitsvertrag, sowie aktuell ein Brief des LABAS (Landesverband der Berliner Aids-Selbsthilfe-Einrichtungen), in dem dieser einen Mindest-Mehrbedarf von jährlich 350.000€ (zusätzlich 10 Personalstellen) für die Gewährleistung einer angemessenen Versorgung fordert.
Über den Aids-Aktionsplan Berlin sowie die anstehende Verlängerung des Integrierten Gesundheits-Vertrags per 1.1.2011 war bereits auf einer Veranstaltung während ‚HIV im Dialog 2009‘ im September 2008 diskutiert worden. Bereits damals hatte Senatorin Lompscher betont, der Integrierte Gesundheitsvertrag habe sich als Modell bewährt und solle prinzipiell beibehalten werden. Allerdings müsse man sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen, zumal angesichts der angespannten Haushaltssituation.
Auch bei dieser Veranstaltung betonte Senatorin Lompscher eingangs, es sei ihrer Ansicht nach schon ein Erfolg, wenn die derzeitige finanzielle Situation im neuen Vertrag ab 2011 erhalten werden könne. Es sei wichtig, neue Erkenntnisse auf den Gebieten HIV wie auch sexuell übertragbare Erkrankungen und deren Auswirkungen auf das Versorgungssystem zu prüfen; dies müsse aber nicht zwingend auch zu mehr Geldern führen.
Moderator Holger Wicht wies darauf hin, in Berlin lebten zunehmend mehr Menschen mit HIV, die Zahl der HIV-Neudiagnosen steige, und die Zahl der Syphilis-Diagnosen ebenfalls. Doch auch dies, so Lompscher, ändere nichts daran, dass zunächst das bestehende Angebot analysiert und verbessert werden müsse.
Thomas Birk hingegen forderte, auch den Gesamtkomplex „sexuelle Gesundheit“ zu betrachten. Hier sei der Bedarf gestiegen, die vorhandenen Mittel reichten nicht aus. Der vom LABAS angemeldete Mehrbedarf sei schon sehr bescheiden, eigentlich seien eine Million Euro mehr jährlich erforderlich.
So sei es schon jetzt angesichts fehlender Ressourcen kaum möglich, die verfügbaren Materialen der bundesweiten Kampagne „ich weiss, was ich tu!“ in Berlin so einzusetzen, wie es wünschenswert sei. Eine Analyse des Wissenschaftszentrums Berlin, so ergänzte Holger Wicht, habe gezeigt, dass das für vor-Ort-Arbeit zuständige Berliner Projekt ManCheck im Vergleich deutscher Großstädte hinsichtlich seiner Ausstattung nicht gut dastehe.
Kai Gersch betonte zur Frage verfügbarer Mittel, auch ihm sei eine Evaluation der bestehenden Projekte wichtig, wobei es gelte etwaige heute nicht mehr erforderliche oder nicht mehr zeitgerechte Maßnahmen auch zu streichen und diese Mittel bedarfsgerecht neu zur Verfügung zu stellen.
Monika Thamm wies darauf hin, dass der Hauptausschuß „klare Ansagen“ benötige. Schon für die Beibehaltung der derzeitigen Mittelausstattung seinen gute Argumente nötig, umso mehr für etwaige zusätzliche Gelder.
Petra Merkel wies auf die Frage nach etwaigen Bundesmitteln darauf hin, dass dann z.B., die Deutsche Aids-Hilfe mit einbezogen werden sollte; selbst dann sehe sie keinen hohen Chancen.
In der ganzen Debatte fehle bisher eine Erhebung zur Lebenssituation von Menschen mit HIV und Aids in Berlin, wird aus dem Publikum hingewiesen, ebenso eine Analyse, was bisher schief gelaufen sei, wenn die Neudiagnose-Zahlen anstiegen. Zudem vermisse er auch selbstkritische interne Debatten im LABAS, z.B. nach etwaigen vorhandenen Doppel-Strukturen.
Vertreter verschieneder Berliner Aids-Projekte im Publikum machten in ihren Statements deutlich, dass die vorhandene finanzielle Situation und Personal-Ausstattung nach Jahren der Kürzungen an der Grenze der Belastbarkeit sei. Es mangele nicht an innovativen Ideen, auch zu schwierigeren Fragen wie der Prävention bei schwer erreichbarer Gruppen, es mangele schlicht an Mitteln, an Mitarbeitern. „So wie wir aufgestellt sind, sind wir auf verlorenem Posten“, brachte ein Projekt-Vertreter seine Wahrnehmung der Situation auf den Punkt.
Teilnehmer merkten auch an, für ein Positiven-Plenum gehe es bei der Veranstaltung sehr viel um Primär-Prävention. Hätten Positive keine anderen Themen, die sie mit der Politik diskutieren sollten? Verwiesen wurde auf das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People with HIV and AIDS) – wo wurden HIV-Positive bisher an diesen politischen Schwerpunktsetzungen beteiligt? Wie solle dies zukünftig geschehen?
Daraus resultiere auch ein Schwachpunkt der bisherigen Debatte, so ein Teilnehmer, der nach der Formulierung des Bedarfs fragte. Wenn der Bedarf in der politischen Diskussion von den Leistungserbringern formuliert werde, stimme dies skeptisch. Auch die Frage der Bedarfs-Ermittlung müsse unter Einbeziehung von Menschen mit HIV geschehen – und diesen Prozeß zu koordinieren sei originäre Aufgabe der Senatsverwaltung.
Im Laufe der Veranstaltung wurde auch Kritik an den auf der Einladung gestellten, aber in der Veranstaltung kaum diskutierten Forderungen laut. Zur Frage der Spritzen-Versorgung in Haftanstalten z.B. habe es bereits Pilotprojekte gegeben, die Versorgung scheitere derzeit in vielen Fällen eher an den Personalvertretungen als an Politik oder Justizverwaltung. Auch eine Intensivierung von Jugendprävention wurde nicht von allen Teilnehmern dieses ‚Positivenplenums‘ als eine ihnen primär wichtige Forderung betrachtet.
In der Abschlussrunde griff Senatorin Lompscher den Vorschlag „GIPA“, die Einbeziehung von Positiven in politische Entscheidungsprozesse, auf und forderte zu Stellungnahmen auf – Positive sollten ihre eigenen Ansprüche und Anforderungen an das Rahmenkonzept formulieren.
Alle Teilnehmer auf dem Podium zeigten sich erfreut über eine offene, ehrliche und konstruktive Diskussion. „Es gibt wenig Parteipolitik bei dem Thema – das ist ein Glücksfall“, resümierte Kai Gersch.
Ein Positiven-Plenum zu Forderungen HIV-Positiver an die Landespolitik, das sich fast ausschließlich mit Fragen der Primär-Prävention beschäftigt – ein bemerkenswerter Akzent, der überrascht.
Kritik wurde im Verlauf der Veranstaltung geübt am Zustandekommen der Forderungen. Es habe kein Plenum gegeben, das diesen Forderungskatalog so vorher diskutiert und beschlossen habe. Zudem stelle sich generell die Frage, ob das Berliner Positiven-Plenum (eine Einrichtung der Berliner Aids-Hilfe, die ja nur ein Träger unter mehreren Organisationen der Aids-Arbeit in Berlin ist) überhaupt für „die Berliner Menschen mit HIV und Aids“ sprechen könne?
Eine Frage, der Bedeutung zukommt, gerade wenn andererseits die Politik eine direkte Einbeziehung von Menschen mit HIV ermöglichen will, ja geradezu vorschlägt.
Eine Realisierung des GIPA-Prinzips, der direkten Einbindung von Menschen mit HIV und Aids in sie betreffende Entscheidungsprozesse, setzt auch voraus, dass Menschen mit HIV und Aids sich für ihre Belange interessieren und einsetzen. Eine von gerade einmal 30 Teilnehmern (viele davon zudem ‚Funktionäre‘ der beteiligten Projekte) besuchte Veranstaltung mag da ein Auftakt sein, mehr aber noch nicht.
Wenn Menschen mit HIV eine Beteiligung an politischen Entscheidungen wollen – jetzt, gerade auch nach der Aufforderung von Senatorin Lompscher, sie bitte um größere Beteiligung, ist der richtige Zeitpunkt!
Eine Notiz am Rande: bestürzend ist es, immer wieder Versuche der Ent-Solidarisierung, des kleinen Vorteils zu Lasten anderer, schwächerer Gruppen zu erleben. Dass gerade ein Vertreter der Grünen immer wieder den Gedanken einbringt, doch eventuell bei Drogenprojekten zu kürzen, das Geld könnten doch auch schwule Projekte brauchen, empfinden zahlreiche Teilnehmer als beschämend und zudem nicht zielführend.
weitere Informationen:
DAH-Blog 10.06.2009: Berlin: HIV-Projekte fordern mehr Geld
Top-TV im OKB: Gesundheitssenatorin Lompscher auf dem Positivenplenum in Berlin
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