Schweiz: Zugang von Sans Papier zur Gesundheitsversorgung ist eine Notwendigkeit!

Ab Oktober wird in England der Zugang zur HIV-Therapie kostenlos für Sans Papiers. Gesundheitsexperten rechtfertigen diesen Entschluss mit Vorteilen der öffentlichen Gesundheit. In der Schweiz unterstehen Sans Papier dem Krankenversicherungsobligatorium. Wie ein Bericht des Bundesrates nun aber festhält, gibt es Probleme.

Da Sans Papiers dem in der Schweiz geltenden Obligatorium des Krankenversicherungsschutzes unterstehen, haben auch sie Zugang zur Schweizerischen Gesundheitsversorgung und somit zu HIV-Therapien. Erhebungen deuten aber darauf hin, dass ein grosser Teil der Sans Papiers über keinen Versicherungsschutz verfügt. Dies stellt nun auch ein Bericht des Bundesrates fest. Hauptgrund für die fehlende Krankenversicherung ist neben fehlender finanzieller Mittel zur Bezahlung der Prämien die Angst vor Entdeckung des illegalen Aufenthalts.

Die Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit sind klar: Arztbesuche werden aufgeschoben, bis sie aus gesundheitlichen Gründen unumgänglich sind und aufwändige Behandlungen nach sich ziehen. Das ist sowohl für die betroffenen Personen wie für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten wie HIV oder TB bedeutsam.

Diese Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch und Realität hat der Bundesrat in seinem Bericht erkannt und fordert unter anderem, dass der Grad der Versicherungsdeckung von Sans Papiers erhöht und dass Sans Papiers und andere Versicherte durch die Krankenversicherer gleichbehandelt werden. Die Aids-Hilfe Schweiz begrüsst das Engagement des Bundesrates und fordert nun Massnahmen.

In einem wegweisenden Entscheid hat die englische Regierung diesen Schritt unternommen: Ab Oktober erhalten Sans Papiers kostenlosen Zugang zu HIV-Therapien. Im Unterschied zum Schweizerischen System müssen Versicherte in England keine Prämien bezahlen. Die Präsidentin der Aids-Hilfe Schweiz und Nationalrätin Doris Fiala ist letzte Woche als Berichterstatterin in der Kommission Migration und Flüchtlingswesen des Europarates gewählt worden und wird in ihrer Funktion einen Bericht zur Situation von HIV und Migranten in Europa erstellen. HIV und Migration sind Themen, die die europäische Gemeinschaft gemeinsam anpacken müssen.

(Medienmitteilung der Aids-Hilfe Schweiz)

Generika sparen auch bei HIV Millionen Behandlungskosten – bald auch in Industriestaaten

Generika senken die Behandlungskosten der HIV-Infektion – nicht nur in so genannten Entwicklungsländern, sondern möglicherweise bald auch in Industriestaaten. Der Grund: Auslauf des Patentschutzes bei ersten Substanzen.

Mindestens 920 Millionen US-$ könnte allein das US-amerikanische Gesundheitswesen einsparen, wenn statt einer Dreier-Kombination in einer Pille bald zwei generische HIV-Medikamente plus ein patentgeschütztes Medikament eingesetzt werden. Dies berichteten Forscher auf der XIX. Internationalen Aids-Konferenz in Washington.

Die beliebteste Kombinations-Therapie zur Erst-Behandlung ist in den USA die Kombination der Wirkstoffe Tenofovir, FTC und Efavirenz. Bisher wird hierbei i.d.R. das Medikament Atripla® eingesetzt, bei dem alle drei Wirkstoffe in einer Pille enthalten sind. Für die Substanz Lamivudin (dem FTC sehr ähnlich) ist in den USA jüngst der Patentschutz abgelaufen. Im kommenden Jahr wird zudem der US-Patentschutz für Efavirenz auslaufen.

Würde nun zukünftig statt der Kombi-Pille eine Kombination der beiden Wirkstoffe Lamivudin und Efavirenz als Generika plus des weiterhin unter Patentschutz stehenden Tenofovir gegeben, ließen sich dadurch die Behandlungskosten pro Patient drastisch senken. Auf die gesamten USA bezogen kalkulierten die Forscher um Rochelle Walensky von der Harvard Medical School unter Anwendung des ‚Cost-Effectiveness of Preventing AIDS Complications in the US (CEPAC-US)‘ – Modells eine Einspar-Möglichkeit bei HIV – Behandlungskosten von 920 Mio. $ jährlich.

Dabei bezogen die Wissenschaftler nicht nur die direkten Therapiekosten in ihre Betrachtugn mit ein, sondern auch Fragen wie Wirksamkeit, klinischen Nutzen und Lebenserwartung der behandelten HIV-Positiven (QALY, quality-adjusted life years). Für die beiden Generika kalkulierten sie eine 75-prozentige Preisreduzierung im Vergleich zu heutigen patentgeschützen Medikamenten (Erfahrungen bei anderen Wirkstoffen zeigen, dass die Preisreduzierung durch Generika im Laufe der Zeit deutlich höher ausfallen kann).

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weitere Informationen:
Rochelle P. Walensky, AIDS2012: The clinical and economic impact of a generic first-line antiretroviral regimen in the U.S. (abstract)
aidsmap 27.07.2012: First generic HIV drugs could save US at least $920 million a year
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Geldsorgen führen zu schlechter Compliance

Schwierigkeiten die Zuzahlung für Medikamente und die Fahrtkosten zum Arzt zu zahlen hängen zusammen mit Unterbrechung oder Abbruch der HIV Therapie, berichtet eine Australische Untersuchung in HIV MEDICINE.

In Australien haben 14% ihre ART wegen Geldnöten unterbrochen, 9% haben die ART aus Geldmangel ganz abgebrochen.Sowohl die Unterbrechung einer ART als auch der Therapieabbruch sind bisher gut untersucht in den ärmeren Ländern.

Ungewöhnlich an einer neuen Untersuchung für Australien ist, daß sie in einem reichen Land gemacht wurde.

Australien gehört zu den G20-Staaten und liegt im Human Development Index der UN auf Platz 2 direkt hinter Norwegen (Deutschland Platz 9).

Australien bietet eine ART für alle Einwohner an. Die Patienten müssen jedoch eine Zuzahlung aus eigener Tasche leisten. Die Kranken müssen 17% der Kosten für Medikamente selbst bezahlen. Das geht dann bis zu einer maximalen Höhe der Selbstbeteiligung von 1317 AUD ( = ca. 1.100 EURO) pro Jahr. Rentner und einkommensschwache Menschen müssen immerhin noch bis zu 336 AUD ( = ca. 280 EURO ) bezahlen.

335 HIV positive Patienten (10 % davon waren mit HCV co-infiziert) haben einen Fragebogen zwischen November 2010 und Mai 2011 zu Fragen bei Problemen mit ihrer Compliance ausgefüllt.

Insgesamt haben 19% der Patienten angegeben, daß sie Probleme mit der Zuzahlung zu den Medikamenten hatten. Zusätzlich sagten 6% der Befragten, daß sie Schwierigkeiten hatten, die Fahrtkosten zum Behandlungszentrum zu bezahlen.

14% berichteten, ihre Therapie wegen der Zuzahlung unterbrochen zu haben, und 9% erklärten diese sogar deswegen ganz abgebrochen zu haben.

Die Forscher empfehlen den behandelnden Ärzten, ihre Patienten direkt nach finanziellen Problemen im Zusammenhang mit der Zuzahlung zu befragen, um ggf. offensiv im Rahmen von bestehenden Programmen gegensteuern zu können.

Deutliche Zuzahlungen sind unter anderem auch in den USA, Kanada und der Schweiz üblich.

In jedem Fall werden genauere Untersuchungen zu diesem Problemfeld von den Verfassern angeregt.

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Fazit: Eigentlich eine naheliegende Feststellung, die man sich bei kurzem Nachdenken fast selbst denken kann. Wer grundsätzlich Probleme hat seine Medikamente zu bezahlen, wird eher zu einer Unterbrechung der ART neigen, als jemand, der keine spürbaren materiellen Einbußen durch die ART hat.

Die Zahlung von 17% des Medikamentenpreises wirkt wie ein „normaler“ Preis für die Medikamente, bis der Maximalbetrag erreicht ist. Man verschafft sich also nur Medikamente die man braucht. Aus ökonomischer Sicht spielt es eine große Rolle was der Patient zu dieser Entscheidung meint und weniger was die Ärzte hierzu sagen.

Erst wenn die Obergrenze für die Zuzahlung erreicht ist, setzt ein „Flat Rate“ Effekt ein. Ab dem Maximalbetrag von 1317 AUD macht es für den Patienten ökonomische keinen großen Unterschied mehr, ob er seine Medikamente regelmäßig in der Apotheke holt und sie dann einnimmt oder nicht.

Und hier beginnt das Dilemma.

Wenn Medikamente grundsätzlich kostenlos sind, werden davon eher zu viele als zu wenige verbraucht. Wenn der Eigenanteil zu gering ist, wirkt die Grenze eher verbrauchssteigernd nachdem die Grenze überschritten wurde, da ab jetzt alle Medikamente „kostenlos“ sind.

Die optimale Grenze müsste so liegen, daß der Patient relativ lange versucht den Konsum von Medikamenten zu beschränken, ohne das er auf notwendige Medis verzichtet.

Das Australische Modell wirkt auf mich eigentlich ganz vernünftig. Der Prozentsatz von 17% für den Eigenanteil ist spürbar, aber im Regelfall wird man diese Zuzahlung gut leisten können. Es gibt Obergrenzen, welche verhindern sollen, dass Krankheit ein eigenständiges Armutsrisiko für einen Patienten wird. Geringverdiener und häufig Kranke (wie z.B. Rentner) werden solidarisch mit einer deutlich niedrigeren Höchstgrenze entlastet. So stellt man sich als Ökonom eine gute Krankenversicherung vor.

Die private Krankenversicherung in Deutschland arbeitet seit langer Zeit recht erfolgreich mit diesem Modell des Eigenanteils und Höchstbeträgen.

Trotzdem haben wir ein nicht zu vernachlässigendes Complianceversagen bei einkommensschwachen Positiven. Das kann man auch als Gesundheitsökonom nicht gut finden. Erhebliche Folgekosten können durch dieses Complianceversagen auf das gerade von mir gelobte System zukommen, die die guten Effekte der Selbstbeteiligung aufhene und sogar ins Gegenteil verkehren können. Statt langfristig vernünftigem Ausgabeverhalten kommt es zu eine Kostenexplosion in der Zukunft.

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Quellen:

McAllister J et al. Financial stress is associated with reduced treatment adherence in HIV-infected adults in a resource-rich setting. HIV Med, online edition. DOI: 10. 1111/j.1468-1293.2012.01034.x, 2012.

Aids 2012: US-Präsident Obama nimmt nicht an Eröffnung der 19. Welt Aids Konferenz 2012 in Washington teil

US-Präsident Obama wird nicht persönlich an der Eröffnung der 19. Welt Aids Konferenz 2012 in Washington teilnehmen. Stattdessen wird er den Teilnehmer/innen in einer Video-Botschaft versichern, dasss er sich „auch weiterhin persönlich für dieses Thema einsetzen“ werde.

Shin Inouye, Sprecher des Weißen Hauses, erklärte trotz Einladung durch die Konferenz-Organisatoren könne Obama nicht persönlich bei der Welt Aids Konferenz 2012 erscheinen und werde sich in der Vidoebotschaft an die erwarteten Tausende Teilnehmer wenden.Zudem werde im Vorfeld der Konferenz am 26. Juli ein Empfang zu Ehren von HIV-Positiven sowie im Kampf gegen Aids engagierten Personen stattfinden.

nicht bei Welt Aids Konferenz 2012: US-Präsident Barack Obama (Foto: White House)
nicht bei Welt Aids Konferenz 2012: US-Präsident Barack Obama (Foto: White House)

In einem Statement betont das Weiße Haus, unter Präsident Obama seien Fortschritte im kampf gegen Aids erreicht worden:

„Under the president’s leadership, the administration has increased overall funding to combat HIV/AIDS to record levels. We have launched the first comprehensive National HIV/AIDS Strategy for the United States to prevent and treat HIV in America. Globally, the Obama Administration has committed to treating 6 million people by the end of 2013 and is increasing the impact and sustainability of our investments.“

Der Haushaltsplan 2013 der US-Regierung sieht allerdings deutliche Kürzungen im ‚President’s Emergency Plan for AIDS Relief‘ (PEPFAR) vor, dem Programm, über das die USA einen Großteil ihres internationalen Engagements gegen Aids steuern.

Neben den Konferenz-Veranstaltern der International Aids-Society hatten auch US-Aids-Aktivisten Obama aufgefordert, persönlich zu erscheinen und sich klar für eine baldige Beendigung der Aids-Krise einzusetzen.

Statt Obama werden andere ranghohe Vertreter/innen der US-Regierung an der 19. Welt Aids Konferenz 2012 in Washington teilnehmen, darunter US-Außenjministerin Hillary Clinton. Auch die früheren US-Präösidenten Bill Clinton und George Bush werden vor Ort sein.

Die XIX International AIDS Conference wird vom 22. bis 27. Juli 2012 in Washington stattfinden. Damit findet erstmals seit 1990 wieder eine große internationale Aids-Konferenz in den USA statt. Die letzte International Aids Conference, die in den USA stattfand, wurde 1990 in San Francisco abgehalten. Danach fanden diese weltgrößten Aids-Konferenzen nicht mehr in den USA statt, da die IAS als Veranstalter das HIV-Einreiseverbot der USA als zu großes Hindernis für eine erfolgreiche Konferenz sah und die USA als Gastgeber-Land boykottierte. Die Aufhebung des US-Einreiseverbots für HIV-Positive ab Anfang 2010 mache nun die Rückkehr der Konferenz in die USA möglich.

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weitere Informationen:
Washington Times 16.07.2012: Obama will not attend AIDS conference
Washingtion Blade 16.07.2012: Obama won’t attend Int’l AIDS Conference
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Dritter Fall von Milzbrand bei Drogengebraucher in Berlin – kontaminiertes Heroin im Umlauf?

Auch in Berlin ist nun ein Fall von Milzbrand (Anthrax) bei einem Drogengebraucher aufgetreten. Dies berichtet das Robert-Koch-Institut RKI. Dies ist der dritte Fall bei iv-Drogenkonsumenten in Deutschland seit Juni diesen Jahres. Zwei Fälle von Milzbrand bei iv-Drogengebrauchern sind im Juni 2012 in Süddeutschland bekannt geworden. Die Person in Berlin konnte erfolgreich antibiotisch behandelt werden, der Milzbrand-Verdacht wurde labordiagnostisch bestätigt.

Das RKI betont

„Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Berliner Fall in Bayern aufgehalten oder Heroin aus Bayern konsumiert hat. Daher liegt die Vermutung nahe, dass kontaminiertes Heroin über die Region Regensburg hinaus in Deutschland im Umlauf ist.“

Das RKI hatte erst jüngst über serologische Untersuchungen zu den Milzbrandfällen 200 berichtet.

Die Erreger der deutschen und britischen Fälle aus den Jahren 2009 / 2010 sowie die aus den bayrischen Fällen 2012 seien „identisch bzw. zumindest sehr eng verwandt„. Dies lege die Vermutung nahe, „dass dieselbe Infektionsquelle noch aktiv sein könnte.“

Milzbrandinfektion am Unterarm (Foto: CDC)
Milzbrandinfektion am Unterarm (Foto: CDC)

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weitere Informationen:
RKI 04.07.2012: Dritter Milzbrandfall bei Heroinkonsument (Berlin)
DAH 05.07.2012: Erneuter Milzbrandfall bei Heroin-Konsumenten
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siehe auch:
RKI: Milzbrand bei Drogenkonsumenten
RKI: Ratgeber für Ärzte zu Anthrax

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SPD fordert höheren Beitrag Deutschlands zur internationalen Aids-Bekämpfung

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag auf, sich mehr bei der internationalen Aids-Bekämpfung zu engagieren. Insbesondere solle die Vision der Vereinten Nationen „Null HIV-Neuinfektionen, null Diskriminierung und null Todesfällen durch Aids“ wesentliches Element der Entwicklungs-Zusammenarbeit werden.

Der Antrag wird heute im Bundestag behandelt – um geplant 21:00 Uhr unter dem Punkt „Bekämpfung von HIV/Aids“ ohne Aussprache (‚Reden zu Protokoll‘).

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weitere Informationen:
hib 27.06.2012: SPD-Fraktion will deutschen Beitrag zur weltweiten Bekämpfung von Aids/HIV erhöhen
Bundestagsdrucksache 17/10096 (pdf)
[via] postagebuch 28.06.2012: Antrag im Deutschen Bundestag: AIDS-freie Generation erreichen
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Pharma-Werbung – weniger sympathisch, weniger Vertrauen erweckend?

Wird eine Anzeige als von der Pharma-Industrie geschaltet wahrgenommen, kann dies einher gehen mit reduziertem Vertrauen und Sympathie, zeigt eine US-Studie.

Die Forscher untersuchten in den USA Eltern (544) von Jungen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren, die an einem online-Experiment teilnahmen. Sie sahen eine Anzeige, die für eine Impfung gegen Humane Papilloma-Viren bei Jungen wirbt; der (hypothetischen) Werbung wurde auf Zufalls-Basis ein Logo zugeordnet. Während des Betrachtens der Anzeige sollten die Eltern die Anzeige beurteilen hinsichtlich Vertrauen, Sympathie sowie Motivation für eine HPV-Impfung.

Wer schaltete die (hypothetische) Anzeige? 62% der Teilnehmer identifizierten die Anzeige die sie jeweils sahen korrekt als von der Pharma-Industrie geschaltet, bei anderen Quellen lag die Rate korrekter Identifizierung nur bei 25%. Eltern, die eine Anzeige ohne Logo betrachtet hatten, hielten diese zu 60% für eine Anzeige der Pharma-Industrie.

Bei denjenigen Eltern, die die Quelle der Anzeige korrekt identifiziert hatten, führte eine als Pharma-Anzeige identifizierte Werbung zu einer verminderten Motivation, ihren Sohn impfen zu lassen; diese Assoziation ging einher mit vermindertem Vertrauen in und Sympathie für die jeweilige Anzeige.

Das Resümee der Forscher im BMJ unter anderem: Organisationen der Gesundheitsförderung sollten darauf achten, dass ihre Anzeigen nicht für von der Pharma-Industrie gesponsorte Anzeigen gehalten werden:

„Parents were more accurate in identifying drug company advertisements, primarily because they tended to assume any advertisement was from a drug company. Public health organizations may need to take special measures to ensure their messages are not perceived as sponsored by drug companies.“

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Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344
Reichsreklame-Messe, welche hier augenblicklich eine grosszügige Ausstellung unterhält. Der "Konditor" als Reklame einer Tortenfabrik. Quelle: Wikimedia / Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 102-01344

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Eine Untersuchung, die – übertragen auf HIV/Aids – zu denken geben sollte. Nicht nur der Pharma-Industrie, sondern auch manchen Aids-Organisationen – welche Werbe-Optik verwende ich in Anzeigen, bei Aids-Kampagnen? Wie wichtig ist es, eine klarer, eigene unverwechselbare Identität zu haben? Wie viel Pharma-Nähe tut gut? Wie viel Sponsoring tut der eigenen Glaubwürdigkeit gut?

Und die auch zu weiterem Nachdenken inspirieren könnte. Welche Auswirkungen können welche Formen der Zusammenarbeit mit Pharma-Industrie z.B. für Aids- Selbsthilfegruppen haben? Fördern sie Sympathie und eigene Glaubwürdigkeit – oder tragen sie gar potentiell zu deren Erosion bei?

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Pepper JK, Reiter PL, McRee AL, Brewer NT.: Advertisements Promoting Human Papillomavirus Vaccine for Adolescent Boys: Does Source Matter? (zuerst online veröffentlicht in Sex Transm Infect 1 June 2012 vol. 88 no. 4 264-265 ; Abstract auf PubMed; veröffentlicht im BMJ [via CDC NPIN]; Beispiel-Anzeige auf BMJ als pdf hier)

Telaprevir und Boceprevir: im realen Leben höhere Rate an Nebenwirkungen als aus klinischen Studien erwartet?

Im realen Leben können bei den beiden Hepatitis-C- Proteasehemmern Boceprevir (Handelsname Victrelis®) und Telaprevir (Handelsnamen Incivo® / Incivek®) schwere Nebenwirkungen bis zu Therapieabbrüchen wesentlich häufiger auftreten, als bisher aufgrund klinischer Studien vermutet, zumindest bei Patienten, denen aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation geraten wurde, nicht weiter auf neue Medikamente zu warten. Dies berichtete Dr. Christophe Hézode aufgrund einer Auswertung des französischen Compassionate Use Programms zu Hepatitis-C-Proteasehemmern bei Leber-Zirrhose.

Die Rate des virologischen Therpieerfolgs war allerdings nach 16 Wochen auch bei Patienten hoch, bei denen vorher Ribavirin plus pegyliertes Interferon versagt hatte oder die danach einen erneuten Anstieg der HCV-Viruslast hatten.

Die Forscher kritisierten das Sicherheits-Profil beider Substanzen bei pateinten mit Leber-Zirrhose:

“The safety profile of telaprevir or boceprevir with pegylated interferon/ribavirin in cirrhotic patients was poor.”

Anämien (‚Blutarmut‘, Verminderung der Häömoglobin-Konzentration im Blut) Grad 2 traten bei 19,6% der Telaprevir-Patienten und 22% der Boceprevir-Patienten auf. Bei 20% der Patienten, die Telaprevir erhielten, sowie bei 10% der Boceprevir-Patienten wurden Bluttransfusionen erforderlich. Schwere Thrombopenien ((Mangel an Blutplättchen) Grad 3 – 4 traten bei 13% der Telaprevir- und 7% der Boceprevir-Patienten auf.

In die Auswertung der nicht-randomisierten Studie flossen die Daten von 455 Patienten ein, die an 55 Krankenhäusern in Frankreich entweder Boceprevir (149) oder Telaprevir (296) erhielten. Die Teilnehmer der Kohortenstudie waren mit Hepatitis C (HCV) infiziert, nicht jedoch mit HIV.

aidsmap 20.04.2012: Telaprevir and boceprevir show high rate of serious side-effects in hepatitis C patients with urgent need of treatment
Hezode C et al. Safety of telaprevir and boceprevir in combination with preginterferon alfa/ribavirin, in cirrhotic non responders. First results of the French early access program (ANRS CO20-CUPIC). International Liver Congress 2012. (abstract)

Philippinen: Polizei engagiert sich gegen Diskriminierung und Stigmatisierung HIV-Positiver

Aktives Engagement gegen Diskriminierung und gegen Stigmatisierung sowie Vertraulichkeit und Zugang zu medizinischer Versorgung sollen im Zentrum des Umgangs mit HIV bei der Polizei der Philippinen stehen, so das neue HIV/Aids-Programm der PNP.

Die Polizei auf den Philipinnen führt ein neues Schulungs-Programm für alle 143.000 Polizisten des Landes ein. Mit dem für alle Polizisten verpflichtenden Kurs soll sichergestellt werden, dass alle Polizisten angemessen über HIV und Aids informiert sind. Bestandteil des Programms ‚PNP HIV-AIDS prevention and control program‘ ist zudem sicherzustellen, dass Polizisten und ihre Familienangehörigen im Fall einer HIV-Infektion grundlegende medizinische Versorgung erhalten.

Der Direktor der philippinischen Polizei PNP, Nicanor A. Bartolome, sicherte zu, dass HIV-positive Polizisten nicht nur eine Erstattung der im Zusammenhang mit Diagnose und Behandlung entstehenden Kosten erhalten, sondern sich auch auf die Vertraulichkeit verlassen könnten:

„The PNP strictly complies with medical confidentiality in handling medical information particularly the status and identity of persons with HIV.“

HIV-positive Angehörige der Polizei würden nicht allein aufgrund ihrer HIV-Infektion aus dem Dienst entfernt. Vielmehr werde man nicht-diskriminierenden und nicht-stigmatisierenden Umgang sicherstellen:

„The PNP will assure non-discriminatory and non-stigmatizing attitudes towards HIV-positive PNP personnel. In fact, full assistance will be provided them since our priority is to secure the welfare and benefits of all our personnel.“

Der ‚Philippine AIDS Prevention and Control Act of 1998‘ (‚Republic Act 8504‘) fordert bereits seit 1998, alle Angehörigen der Polizei über sexuell übertragbare Erkrankungen zu informieren und auszubilden. Zudem sollen Präventions-Programme in die Pflicht-Polizeiausbildung integriert werden.

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weitere Informationen:
Journal online 17.04.2012: Cops told to undergo HIV-AIDS awareness seminar
Philippines National Aids Council: Key Features of Republic Act 8504: Provisions of RA 8504 relevant in the workplace
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Roche steigt wieder ein in die Aids-Forschung – für Impfstoffe. Novartis auch (akt.)

Der Pharmakonzern Hoffmann-La Roche steigt wieder in die Aids-Forschung ein – für HIV-Impfstoffe. Erst 2008 war Roche aus der Aids-Forschung ausgestiegen.

Roche sehe einen „enormen Bedarf“ für Impfstoffe bei HIV/Aids, Tuberkulose und Hepatitis C. Deswegen habe der Konzern eine Forschungs-Kooperation mit drei französischen und US-amerikanischen Instuituten abgeschlossen, bestätigte eine Sprecherin des Konzerns. Sie bestätigte damit Recherchen der Schweizer Zeitung ‚Der Sonntag‘.

Der Pharmakonzern war einst stark in der Aids-Forschung engagierte, stellte mehrere Aids-Medikamente (wie ddC (Handelsname Hivid®)) her, kooperierte in der Entwicklung mit anderen Firmen (wie Trimeris). Doch im Juli 2008 teilte Hoffmann-La Roche mit, die Aids-Forschung einzustellen. Man sehe bei keinem der seinerzeit in Erforschung befindlichen Aids-Medikamente einen vielversprechenden Ansatz, signifikante Verbesserungen gegenüber vorhandenen Aids-Medikamenten zu erreichen.

Bisher ist nicht bekannt, welche Investitionen Roche in der Impfstoff-Forschung zu HIV, Tuberkulose und Hepatitis C tätigen will und welche Markt-Potentiale der Konzern konkret sieht. Die Kooperation mit den Forschungsinstituten sei langfristig angelegt, betonte die Unternehmenssprecherin. „Wir gehen davon aus, dass in frühestens zehn Jahren Impfstoffe basierend auf dieser Forschung erhältlich sein können“, äußerte Claudia Schmitt gegenüber der Aargauer Zeitung.

Zudem wurde bekannt, dass auch der Phamakonzern Novartis an einem HIV-Impfstoff arbeitet. Bereits seit 2006 werde geforscht, das Projekt befinde sich noch in der klinischen Phase I.

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Aktualisierung
16.04.2012, 09:00: Die drei Institute, mit denen Hoffmann-La Roche bei der Forschung nach Impfstoffen gegen HIV, Tuberkulose und Hepatitis C koopperiert, sind einer Pressemitteilung von Roche USA zufolge die französische ANRS Agence Nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales, das INSERM Transfert (privates Tochertunternehmen des französischen Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale) und das BRI Baylor Research Institute in Texas, USA.
Im Mittelpunkt der Forschungskooperation des Pharmakonzerns mit den drei Instituten stehe eine neue, von Baylor sowie ANRS und INSERM entwickelte Technologie-Platform, mit deren Hilfe therapeutische Vakzine identifiziert und produziert werden könnten, die sich an dendritische Zellen richten. Dendritische Zellen sind ein zentraler Bestandteil des menschlichen Immunsystems.

eine dendritische Zelle (Foto: wikimedia)
eine dendritische Zelle (Foto: wikimedia)

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weiterer Informationen:
Bloomberg.com 15.04.2012: Roche, France Cooperating on AIDS Vaccine, Sonntag Says
Aargauer Zeitung 16.04.2012: Roche startet Forschung an Aids-Impfstoff
Roche USA 03.04.2012: Roche, the French National Agency for Research on AIDS and Viral Hepatitis, Baylor Research Institute and Inserm Transfert Establish Strategic Collaboration to Develop Therapeutic Vaccines for Chronic Infectious Diseases (Pressemitteilung)
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Scholarship-Programm für Internationale Aids-Konferenz in Washington

Ab sofort können sich Interessierte aus der Positiven-Selbsthilfe und den Communities im HIV/Aidsbereich, die an der internationalen AIDS-Konferenz teilnehmen möchten, die Kosten aber nicht selber tragen können, bei der DAH um einen von fünf Plätzen im Scholarship-Programm der DAH bewerben.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Scholarship-Programm der DAH werden über ein Ausschreibungsverfahren ermittelt. Für die Bewerbung um einen Scholarship-Platz muss dargelegt werden, dass sich die bewerbende Person aktiv an der Konferenz beteiligt. Dies kann z.B. über folgende Aktivitäten deutlich gemacht werden (bitte die jeweiligen Anmeldefristen für Abstracts, Global Village-Stände und Programmaktivitäten beachten www.aids2012.org):

  • Beteiligung an einem NGO-Stand oder den Aktivitäten am DAH-Stand im Global Village,
  • Durchführung eines Angebots in den Programmaktivitäten des Global Village,
  • gegebenenfalls Beteiligung an inhaltlichen Angeboten am gemeinsamen deutschen Stand.

Ein Gremium aus DAH-Vorstand, -Geschäftsführung und -Referenten wird über die Teilnahme entscheiden. Die Zielgruppe sollen Menschen aus der Selbsthilfe und den Communities aus dem HIV/Aidsbereich (z.B. Netzwerke). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen ferner als Multiplikator(inn)en in ihre Netzwerke und Szenen (Communities) hinein wirken.

Die DAH weist darauf hin, dass die Konferenzsprache Englisch ist und zur Teilnahme ausreichende englische Sprachkenntnisse zwingend erforderlich sind.

Übernommen werden im Rahmen des Scholarships die Fahrt- und Unterkunftskosten sowie eine Pauschale für die Verpflegung und gegebenenfalls der Eintritt in die Hauptkonferenz (es gibt 3 Plätze für die Teilnahme ausschließlich am Global Village und 2 Plätze für die Teilnahme inklusive der Hauptkonferenz).

Für eine Bewerbung muss das ausgefüllte und unterschriebene Formular (im Anhang) bis spätestens 10.04.2012 bei der DAH, Wilhelmstraße 138, 10963 Berlin eingegangen sein.

Als Ansprechpartnerin für Rückfragen steht Heike Gronski, Tel. 030-69008750, E-Mail: heike.gronski@dah.aidshilfe.de gerne zur Verfügung.

Anhang: Formular für die Bewerbung zum Scholarship

(Meldung der Deutschen Aids-Hilfe)

Neue mach’s mit-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert über HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat heute in Berlin eine neue Kampagne zur Prävention von HIV und anderen sexuell übertrag-baren Infektionen (sexually transmitted infections, STI) vorgestellt. Mit der Aufforderung „mach’s mit – Wissen & Kondom“ will die neue Präventionskampagne Menschen weiterhin motivieren, sich mit Kondomen vor einer HIV-Infektion zu schützen und sich zugleich noch stärker als bislang über Ansteckungswege und Symptome anderer STI zu informieren. Denn die Forschung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass STI, wie beispielsweise Syphilis, Tripper und Chlamydien, das Risiko einer HIV-Infektion erhöhen.

„Die nationale AIDS-Aufklärungskampagne „Gib AIDS keine Chance“ hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland seit 2007 zurückgeht“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr anlässlich der Auftaktveranstaltung. „Doch auf diesen Erfolgen dürfen wir uns nicht ausruhen, denn HIV ist noch immer nicht heilbar. Die Prävention ist und bleibt deshalb ein zentrales Thema auf unserer gesundheitspolitischen Agenda. Erfolgreiche Prävention muss sich ständig weiterentwickeln und neuen Gegebenheiten anpassen. Deshalb ist es wichtig, dass die seit Jahren gesetzte Präventionsbotschaft „Kondome schützen“ durch die Aufklärung über STI erweitert wird. Unser Ziel muss es auch in Zukunft sein, das notwendige Wissen zu vermitteln um das Risikobewusstsein zu schärfen und die Menschen zum Handeln zu motivieren, damit die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland weiter sinkt.“

mach's mit (Motiv "Ich will´s zärtlich"; 2012)
mach's mit (Motiv "Ich will´s zärtlich"; 2012)

„Sexuell übertragbare Infektionen sind ein bedeutendes Thema für die AIDS-Prävention. STI steigern das Risiko einer HIV-Infektion um das zwei- bis zehnfache, erhöhen die Infektiosität von Menschen mit HIV und können unbehandelt gravierende gesundheitliche Spätfolgen für die Betroffenen nach sich ziehen“, erklärte BZgA-Direktorin Prof. Dr. Elisabeth Pott. „Kondome schützen vor HIV, bei einigen STI aber bieten sie keinen ausreichenden Schutz. Zu Safer Sex gehört daher neben dem Kondom auch das Wissen über STI, über Ansteckungswege und Schutzmöglichkeiten.“ Zugleich ist der Bedarf an Informationen über STI in der Bevölkerung hoch. Wie aus der aktuellen BZgA-Studie „Aids im öffentlichen Bewusstsein“ hervorgeht, möchten 57 Prozent der 16- bis 44-jährigen Alleinlebenden mehr Informationen dazu erhalten.

Die neue Kampagne spricht neben der Allgemeinbevölkerung auch spezifische Zielgruppen an. Hierzu gehören etwa Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), da in dieser Gruppe die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland am höchsten ist. Ebenso werden Jugendliche und junge Erwachsene angesprochen und beispielsweise für die in dieser Gruppe häufig vorkommenden Chlamydieninfektionen sensibilisiert.

Zum ersten Mal zeigt „mach’s mit“ bei der neuen Kampagne Menschen mit ihren individuellen Vorstellungen von Sexualität. Mit selbstbewussten Statements wie „Ich will’s romantisch“ oder „Ich will’s spontan“ zeigt die Kampagne verschiedene Charaktere. Von Jung bis Alt repräsentieren sie Personen aus dem Alltag. Das Spannungsverhältnis von Text und Bild, das alle Motive prägt, macht neugierig und lenkt die Aufmerksamkeit unmittelbar auf das Thema HIV/STI-Prävention. Die Vielfalt der Motive und die offene, selbstbewusste Haltung der Charaktere wirken dabei einer Tabuisierung von HIV und STI und einer Stigmatisierung von Betroffenen entgegen.

Die neuen Motive sind ab April 2012 bundesweit auf 65.000 Plakatflächen zu sehen, die vom Fachverband Außenwerbung (FAW) zur Verfügung gestellt werden. Anzeigen in Printmedien, der neue Online-Auftritt www.machsmit.de und Social-Media-Aktivitäten ergänzen und vertiefen die Botschaft der Plakate. Darüber hinaus wird die BZgA mit einem neu gestalteten Messestand auf Fachveranstaltungen und Kongressen vertreten sein. Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) unterstützt die Präventionsarbeit der BZgA mit jährlich 3,2 Millionen Euro und fördert damit auch die Umsetzung der neuen HIV/STI-Kampagne.

(Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA))

DAH: Respekt und Solidarität für Einräumen einer zweiten Chance (akt.)

Der Düsseldorfer Aidshilfe gebührt Respekt und Solidarität dafür, dass sie das Prinzip der Resozialisierung ernst genommen und einem Anfang Februar verhafteten, nach eigenen Angaben aus der rechten Szene ausgesteigenen Mitarbeiter eine zweite Chance gegeben hat. Dies betont die Deutsche Aids-Hilfe in einer aktuellen Mitteilung.

Am 1. Februar wurde Carsten S., Mitarbeiter der Düsseldorfer Aids-Hilfe, von GSG-9-Truppen wegen Terror-Verdacht festgenommen. Carsten S. selbst hatte zuvor davon gesprochen, bereits im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein (auch Hans Leyendecker bemerkt in der Süddeutschen Zeitung am 3.2.2012: „Er hat sich, davon sind die Fahnder überzeugt, im Jahr 2000 von seiner rechten Vergangenheit gelöst“). Die Düsseldorfer Aids-Hilfe geriet unter medialen Druck, Fragen wurden laut, auch warum und warum sie ihn wo beschäftigt hat.

Manuel Izdebski (Foto: DAH)
Manuel Izdebski (Foto: DAH)

Im aktuellen Verbandsnewsletter der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) vom 9.2.2012 schreibt Manuel Izdebski (seit Oktober 2011 Mitglied im Bundesvorstand der DAH):

„Im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe sind wir einhellig der Meinung, dass sich die Düsseldorfer Aidshilfe nichts vorzuwerfen hat. Es ehrt die Kolleginnen und Kollegen, dass sie einem jungen Mann, der glaubwürdig seinen Ausstieg aus der rechten Szene vollzogen hatte, eine zweite Chance einräumen wollten. Nun holt ihn die Vergangenheit ein, und ein Gericht wird über Schuld oder Unschuld zu befinden haben, sofern es zur Anklage kommt.
Als Verband stehen wir nicht nur durch Lippenbekenntnisse zum Prinzip der Resozialisierung. Dieses Prinzip gilt auch für Anhänger der rechten Szene, wenn sie Abkehr geleistet haben und Reue zeigen. Wie sonst will man den vornehmlich jungen Männern, die für das rechte Gedankengut empfänglich sind, einen Weg zurück in die Gesellschaft ebnen? Und warum sollte sich der Ausstieg sonst für sie lohnen?
Nichts anderes haben die Kolleg_innen der AIDS-Hilfe Düsseldorf getan – und dafür verdienen sie ausdrücklich unseren Respekt und unsere Solidarität!“

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Aktualisierung
13.02.2012, 07:30: „Wir stehen ausdrücklich zu der Entscheidung der Aids Hilfe Düsseldorf, Carsten S. eine Chance zum Ausstieg aus der rechten Szene zu geben, und würden die Kollegen auch bei künftigen Entscheidungen dahingehend stärken“, äußert Patrick Maas, Geschäftsführer der Aids-Hilfe NRW, in der FAS (12.2.).

Kanada: Oberster Gerichtshof entscheidet voraussichtlich im Sommer über Pflicht zur Offenlegung der HIV-Infektion (akt.)

Müssen HIV-Positive in Kanada ihre Sex-Partner vorab informieren? Über diese Frage hat der Supreme Court of Canada (der oberste Gerichtshof Kanadas) zu entscheiden. Grundlage und Ausgangssituation ist ein Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1998 (Entscheidung ‚Cuerrier‘), derzufolge HIV-Positive unter allen Umständen ihre HIV-Infektion offen legen müssen. Die Staatsanwaltschaften zweier kanadischer Provinzen hatten Beschwerde eingelegt gegen Entscheidungen der Gerichten von Manitoba und Quebec, mit denen die Verurteilungen eines HIV-positiven Mannes sowie einer HIV-positiven Frau aufgehoben worden waren.

In beiden Fällen war der Tenor der Urteile, dass eine signifikante Gefährdung der Sexpartner/innen (z.B. wegen Benutzung von Kondomen, erfolgreicher antiretroviraler Therapie) nicht bestanden habe. Demgegenüber zeigte die Staatsanwaltschaft die Ansicht, es komme nicht darauf an, dass das Risiko niedrig sei, vielmehr habe die potentiell ein Risiko eingehende Person das Recht der Wahl.

Der Supreme Court of Canada verhandelte beide Fälle am gestrigen 8. Februar 2012 bis in die späten Abendstunden (MEZ). Eine Entscheidung wird für den Herbst erwartet.

Supreme Court of Canada (Foto: Supreme Court)
Supreme Court of Canada (Foto: Supreme Court)

Die Vorsitzende Richterin Beverley McLachlin und ihre Kollegen fragten die Vertreter der klagenden Staatsanwaltschaften im Verlauf des Verfahrens intensiv nach Beweggründen, warum wissenschaftliche Evidenz hinsichtlich der HIV-Therapie und Viruslast nicht berücksichtigt werde. McLachlin hinterfragte auch, in wie weit nicht der Test auf strafrechtliche Verantwortung bei Nicht-Offenlegung der HIV-Infektion zu wage sei:

„How is that person supposed to know if they are committing a criminal act? If the answer is, ‚They can’t know for sure,‘ then surely the crime isn’t really a crime. It would violate one of the fundamental principles of criminal law.“

Zudem warf sie die Frage auf, ob, wenn das Risiko sich überhaupt nicht materialisiere (keine Infektion stattfinde), überhaupt von einem Verbrechen (im strafrechtlichen Sinn) gesprochen wenden könne.

Vertreter der Staatsanwaltschaft hingegen argumentierten, jedes Infektionsrisiko (unabhängig von der Höhe des Risikos) sei ein „signifikantes Risiko“. Zudem sei eine Infektion mit HIV eine „schwerwiegende körperliche Beeinträchtigung“.

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Aktualisierung
09.02.2012, 10:30: Entscheidungen des Supreme Courts erfolgen üblicherweise nach mindestens vier Monaten Bearbeitungszeit nach der Verhandlung. Ein Kommentator geht allerdings davon aus, dass die Entscheidung noch später als Juni 2012 erfolgen könnte, und verweist darauf, dass zwei der neun Richter neu im Amt sind und mehr Zeit benötigen könnten. (Danke an Edwin J. Bernard für diese und weitere Infos!) [Artikel-Überschrift aufgrund dieser Infos geändert von „entscheidet im Herbst“ in „entscheidet voraussichtlich im Sommer“; d.Verf.]

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weitere Informationen:
Xtra 08.02.2012: Supreme Court grills government lawyers over HIV
Xtra 08.02.2012: Supreme Court hears landmark HIV case: five things to watch
le devoir 08.02.2012: Criminalisation de l’exposition au VIH – La Cour suprême doit trancher
Xtra 08.02.2012: Marucs McCann reports from Supreme Court (YouTube)
the spec 09.02.2012: Gathering evidence of HIV nondisclosure
PositiveLite 15.02.2012: Update: Criminalization of HIV non-disclosure
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Kanada: Müssen HIV-Positive ihre Sex-Partner vorab informieren? Entscheidung des Obersten Gerichtshofs erwartet (akt.2)

Der Oberste Gerichtshof Kanadas befasst sich an diesem Mittwoch, 8. Februar 2012 mit der Frage, ob es ein Verbrechen ist, wenn Menschen mit HIV ihre Sexpartner/innen nicht vorher von ihrem HIV-Status infirmieren, selbst wenn das HIV-Übertragungsrisiko niedrig ist.

Eine bisher geltende Entscheidung aus dem Jahr 1988 in gleicher Sache wurde von Richtern in Kanada auf verschiedene Weise interpretiert. Dies führe zu einem hohen Maß an Unischerheit bei HIV-Positiven, sagte Cecile Kazatchkine vom Canadian HIV/AIDS Legal Network. Klarheit schaffen soll nun die Verhandlung von dem Supreme Coiurt, Kanadas oberstem Gerichtshof.

Supreme Court of Canada (Foto: Supreme Court)
Supreme Court of Canada (Foto: Supreme Court)

So hob das Berufungsgericht in Manitoba vier Verurteilungen eines Mannes wegen Nicht-Information seiner Sexpartner wieder auf. Manche Sexpartner seien einfach keinem siginifikanten Risiko ausgesetzt gewesen, urteilte das Gericht. Der Mann nahm antiretrovirale Therapie, zudem verwendete er in einigen Fällen Kondome. Keiner seiner Sexpartner wurde mit HIV infiziert. Dennoch, so die Staatsanwaltschaft der Provinz vor dem Obersten Gerichtshof, sei jeder dieser Männer einem HIV-Infektionsrisko ausgesetzt worden.Es komme nicht darauf an, ob das Risiko niedrig sei, die Wahl das Risiko einzugehen müsse bei der das Risiko eingehenden Person liegen, nicht bei der, von der es ausgehe, so die Staatsanwaltschaft der Provinz:

„It does not matter that the chance of this occurring is small, the law aims to stop people from taking that chance. The choice whether to assume this risk must … lie with the person assuming the risk, not the person imposing it.“

Ähnlich argumentiert die Staatsanwaltschaft im zweiten Fall. Das Berufungsgericht Quebec hatte die Verurteilung einer HIV-positiven Frau aufgehoben, weil das Risiko einer HIV-Übertragung niedrig war. Die Verpflichtung, Sexpartner vom HIV-Status zu informieren, würde HIV-Infizierte auf unangemessene Art in ihrem Recht auf Privatsphäre beeinträchtigen, hatten die Anwälte argumentiert. Zudem sei dies für die öffentliche Gesundheit kontraproduktiv, der Zwang zu Offenlegung des eigenen HIV-Status halte möglicherweise mit HIV infizierte Menschen potentiell davon ab, einen HIV-Test durchführen zu lassen oder sich einer antiretroviralen Behandlung zu unterziehen. Sowohl die Benutzung von Kondomen als auch eine niedrige Viruslast sollten bei der Frage was ein signifikantes Risiko darstellen deutlicher berücksichtigt werden.

Die Positiven- und Aids-Organisationen COCQ-sida, Stella, PolitiQ-queers solidaires, Radical Queer Semaine sowie Warning fordern in einer gemeinsamen Erklärung

„Wir, die Unterzeichner ersuchen das Gericht diese Gelegenheit zu nutzen und ausdrücklich zu bestätigen, dass es keine strafrechtliche Verfolgung von Menschen mit HIV gibt, wenn keine erhebliche Gefährdung vorliegt – vor allem in Fällen, wenn ein Kondom benutzt wird oder wenn die Person erfolgreich antiretroviral behandelt wird. Wir fordern das Gericht auf, seine Entscheidung auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, nicht auf Vermutungen, Vorurteilen oder Ängsten zu basieren.“

Die Organisationen luden am Vor-Abend des Verhandlungsbeginns zu einer Protest-Demonstration vor dem Gerichtsgebäude.

Zuvor hatte bereits am 6. Februar 2012 ein Aktionstag unter dem Motto „We’re not criminals“ stattgefunden (Videos dazu siehe „weitere Informationen“ unten).

Toronto Day of Action against the criminalization of HIV
Toronto Day of Action against the criminalization of HIV

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Aktualisierung
08.02.2012, 09:15: An der 45-minütigen Demonstration vor dem Gerichtsgebäude am Vortag der Verhandlung nahmen einem Medienbericht zufolge ca. 50 Personen teil. Zahlreiche Medienvertreter waren anwesend.

08.02.2012, 14:30: Der Leitartikel des ‚Globe and Mail‘ am Tag der Verhandlung betont, es seien in Kanada Ansätze der HIV-Bekämpfung erforderlich, die über aggressive Polizeiaktionen und diskriminierende Verfolgung hinaus reichen:

„If we really want to address and, ultimately, end the epidemic of HIV in Canada, then we must look for approaches beyond aggressive police action and rampant, discriminatory prosecution.“

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Gibt es ein Recht auf absolute Sicherheit?
Gibt es ein Recht zu kriminalisieren?
Selbst wenn die Folgen lauten: Ansgt, Stigmatisierung, Diskriminieurng?
Selbst wenn die Folgen lauten: Schaden für Prävention, für Gesundheit, für Bürgerrechte?
Mit diesen Fragen ließe sich skizzieren, worum es geht vor dem obersten Gericht Kanadas.

Das Motto des Aktionstags in Toronto bringt auf den Punkt, worum es Menschen mit HIV geht. Nicht nur in Kanada:

„Wir sind keine Kriminellen!“

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weitere Informationen:
CTV News 05.02.2012: Do People with HIV Have to Tell Their Sex Partners? Supreme Court to Decide
Aids Action Now: Day of Action Videos
the warning 06.0p2.2012: A l’approche d’une affaire en cour supreme, des sympathisants du monde entier exhortent le canada à cesser de criminaliser les personnes vivant avec le VIH
2bemag 07.02.2012: Flash-demo against HIV criminalization brings media attention
the globe and mail 08.02.2012: Let’s draw reasonable lines on HIV disclosure
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Österreich: Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit dem 1. Januar 2012 können in Österreich zwangsweise HIV-Tests angeordnet werden „bei Verdacht einer Ansteckung mit Hiv …, obwohl die Verfassung zwangsweise Blutabnahmen verbietet“ (siehe „Österreich: Seit 1.1.2012 Zwangs-Hiv-Tests„). Nun setzt sich in Österreich auch die Polizei-Gewerkschaft für HIV-Zwangstests ein, wie Gast-Autor thinkoutsideyourbox  berichtet:

Polizei-Gewerkschaft kämpft für Zwangs-HIV-Tests

Seit 1. Jänner 2012 können Personen durch eine Novelle der Strafprozessordnung zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden, wenn diese “im Verdacht stehen, das in Europa weitgehend einzigartige Vergehen der abstrakten Gefährdung durch übertragbare Krankheiten (§ 178 Strafgesetzbuch) begangen zu haben”, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) berichtet. Der Vorsitzende der österreichischen Polizei-Gewerkschaft Hermann Greylinger verteidigt diese zwangsweisen Blutabnahmen, obwohl die verfassungsmäßige Konformität sehr stark bezweifelt werden kann, wie auch der Verfassungsexperte Univ-Prof. Dr. Bernhard Funk von der Universität meint.

Der Gewerkschafter Greylinger verteidigt diese umstrittene Neuregelung, die eine Zwangs-Blutabnahme erlaubt, wenn der Verdacht besteht, dass jemand eine ansteckende Krankheit übertragen könnte (§ 178 StGB). Greylinger fordert diese Blutabnahmen bei Amtshandlungen, wo beispielsweise der/die Polizist/in von einer Person bespuckt, gebissen oder mit einer Injektionsnadel verletzt wurde. Dann müsse sich diese/r monatelang Sorgen um seine/ihre Gesundheit machen. Eine Blutabnahme bei/m Täter/in würde hier eine Gewissheit bringen.

Für Helmut Graupner ist dieses Gesetz verfassungswidrig und widerspricht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seit den 1950er Jahren, wonach ein Verdächtiger nur zur zwangsweisen Blutabnahme gezwungen werden darf und so seinen Körper als Beweismittel gegen sich sich selbst einzusetzen. Ausnahmen bestehen bei bestimmten schweren Straftaten mit einem Strafrahmen von über fünf Jahren, bei Sexualdelikten und/oder Köprerverletzungen im Zuge der Ausführung einer gefährlichen Tätigkeit in einem berauschten Zustand, wie z.B. Verkehrsunfälle mit Personenschäden, wenn der/die Lenker/in alkoholisiert war.

Auch der Verfassungsexperte Univ.-Prof. Dr. Bernd Funk von der Universität Wien hat bestimmte Zweifel an der verfassungsmäßigen Konformität der Neuregelung. Gegenüber derStandard.at sagte Funk, dass im Falle eines “starken öffentlichen Bedürfnisses” Ausnahmen auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zulässig sein, aber:

“Es ist absolut säumig, eine derart sensible Materie huschpfusch ohne Verfassungsmehrheit zu beschließen.”

Auch müsse die Blutabnahme medizinisch sinnhaftig sein, was der Verfassungsrechtler in der ORF-Sendung “ZIB 24″ bezweifelte. Auch für RKL-Präsident Dr. Helmut Graupner ist das neue Gesetz in keinster Weise dazu geeignet, das zu erreichen, wofür es gemacht wurde,

“nämlich PolizistInnen (und anderen Berufsgruppen) nach Biss-, Kratz-, Spuck- oder Nadelstichattacken Unsicherheit über eine befürchtete Ansteckung, insbesondere mit HIV, zu nehmen.”

So kann HIV/Aids nach wissenschaftlichen Stand nicht durch Spucken oder Beißen übertragen werden und zweitens kann beim Opfer schon nach 14 Tagen seit der Erleidung der Verletzung ein HIV/Aids-Test durchgeführt werden, um Sicherheit über eine mögliche Ansteckung zu erhalten. Bis der/die TäterIn gefunden/vorgeführt und eine zwangsweise Abnahme durchgeführt wurde, sind vermutlich schon deutlich mehr als zwei Wochen vergangen. Auch für den Fall, dass der Test beim/bei der Täter/in gegebenenfalls positiv verlaufen sollte, hat das Opfer dennoch keine Information darüber, ob er/sie ebenfalls infiziert wurde. Dafür müsse beim Opfer ein separater Test durchgeführt werden

Für Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger sind all diese Einwürfe nicht relevant. Auch vom Stand der Wissenschaft über die Übertragsmöglichkeiten von HIV/Aids oder Hepatitis, wie sie RKL-Präsident Helmut Graupner ausgeführt hat, unbeeindruckt. Im Gegenteil, er verteidigt diese Neuregelung und deutet sogar an, dass bei einem entsprechenden Urteil des Verfassungsgerichtshofs, die Politik das Gesetz eben in den Verfassungsrang (dafür wird im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt) heben müsse.

In der ORF TVthek kann der Bericht und die Diskussion zwischen RKL-Präsident und Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner und dem Vorsitzenden der österreichischen Polizeigewerkschaft Hermann Greylinger nachgesehen werden.

Jedenfalls läuft bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen der (möglichen) Verfassungswidrigkeit des Zwangs-Bluttests (thinkoutsideyourbox.net berichtete).

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Danke an thinkoutsideyourbox für den Gast-Beitrag!