HIV und Sex: soll ich es sagen oder schweigen? – Gedanken einer HIV-positiven Frau

„Wie können wir HIV-positive Frauen mit dem Geheimnis „HIV-positiv“ umgehen, ohne auf Sex zu verzichten?“, fragt Saskia Schreiner, und ergänzt „Unser Leben ist stressig genug, daher sollte etwas, das Spaß und Befriedung bereitet nicht noch zusätzlich kompliziert sein.“

Doch – unkompliziert ist das Leben mit HIV nicht …

Der Text erschien zuerst im „Rainbow Magazin“ der Aids-Hilfe Stuttgart (Ausgabe 66 Frühjahr 2011).

HIV und Sex: soll ich es sagen oder schweigen? – Gedanken einer HIV-positiven Frau

Saskia Schreiner (Pseudonym)

Ich weiß nicht, wie es anderen ging. Als ich im sonnigen Monat August 2010 auf dem Weg zur Arbeit am Kiosk vorbeikam und bei einem flüchtigen Blick auf die Zeitungsständer die Schlagzeilen der Bild-Zeitung zum Prozess gegen die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa las „HIV – Sex – Haft“, hat mich das nicht unberührt gelassen. Beim Lesen der Schlagzeilen oder der ausführlichen Berichte in der Stuttgarter Zeitung über die Details des Sexuallebens von Nadja Benaissa kam in mir eine bedrückte Stimmung auf, mehr noch, ich solidarisierte mich mit der Angeklagten und fühlte mich ebenfalls kriminalisiert. Warum ist das so?

Soll ich es sagen oder lieber schweigen?

HIV ist ein Tabu-Thema und wer als HIV-Infizierte ein sexuell erfülltes Leben lebt, hat gleich mehrere Probleme, vor allem dann, wenn man sich bewusst dafür entscheidet, die HIV-Infektion nicht öffentlich zu machen. Mir hat man vor 24 Jahren, im Alter von 28, die Diagnose HIV mitgeteilt. Ich habe mich dafür entschieden, meine Infektion nicht öffentlich zu machen. Die Hauptbeweggründe waren und sind vor allem beruflich bedingt, die Angst vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Arbeitssuche, aber auch Angst vor Diskriminierung im alltäglichen Leben. Das Geheimnis für sich zu behalten, ist einfacher gesagt als getan, vor allem im Privatleben und in Partnerschaften. Nadjas Leben, zumindest wie es in der Presse wiedergegeben wurde, zeigt, wie schwierig es ist, als HIV-Infizierte etwas Normalität ins Leben zu bringen. Nicht nur ihr geht es so, sondern auch den vielen Infizierten hier in Deutschland und in aller Welt.

Ich frage mich: Was können wir HIV-positive Hetero-Frauen aus dem Prozess lernen? Wie können wir mit dem Geheimnis „HIV-positiv“ umgehen, ohne auf Sex zu verzichten? Unser Leben ist stressig genug, daher sollte etwas, das Spaß und Befriedung bereitet nicht noch zusätzlich kompliziert sein. Das ist es aber, denn HIV und Sex sind nicht voneinander zu trennen. Das zeigt der Prozess gegen Nadja sehr deutlich; die Bild-Zeitung hat das Tabu-Thema im Sommerloch schonungslos medial umgesetzt.

Ich finde es sehr mutig und authentisch, wie Nadja ihre Beziehungen und ihr Sexualleben beschreibt. Sie beschreibt damit erst mal nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich wird der Sachverhalt dadurch, dass sie weiß, dass sie HIV-positiv ist.

Nadja macht Mut über ein tabuisiertes Thema zu sprechen

Nach meiner HIV-Diagnose – das war in den 1980er Jahren, als Politiker wie Herr Gauweiler kundtaten, dass man HIV-Positive „wegschließen“ müsste – habe ich mir natürlich die Frage gestellt, ob Sexualität in einem Leben mit HIV überhaupt Platz hat. Ich habe mich dafür entschieden.

In den zurückliegenden 24 Jahren meines Lebens mit HIV und Sex gab es viele Situationen, die für mich und meine Partner nicht problemfrei waren. Ähnlich wie Nadja musste auch ich lernen, was es heißt, HIV und Sex als Normalität des eigenen Lebens zu akzeptieren. Ein Entkommen gibt es nicht. Bei diesem Thema ist man völlig auf sich selbst gestellt. Ich selbst habe lange gebraucht, für mich einen ’gehbaren’ Weg zu finden. Auch heute muss ich mir immer wieder Zeit für das Thema „HIV und Sex“ nehmen, denn Vorbilder gibt es hierzu kaum. Hinzu kommt, dass auch ich in einer Familie aufgewachsen bin, die nicht über Sex redet und über HIV schon gar nicht.

Meine Reaktion auf die Prozessschlagzeilen um Nadja hat mir gezeigt, wie verletzlich ich bin. Die Schwäche, die ich empfinde, die Opferhaltung, in die ich hineinrutsche, versuche ich in Stärke umzuwandeln, indem ich darüber schreibe. Schreiben ist für mich umso wichtiger, weil ich meine Krankheit geheimhalte und nicht über HIV sprechen kann – bis auf wenige Ausnahmen. Vor kurzem habe ich einer Freundin erzählt, dass ich HIV-positiv bin, denn sie fragte immer wieder nach: „Da ist doch irgendetwas, das dich belastet?“ Irgendwann, als wir zusammen im Auto saßen, habe ich es ihr gesagt. Ich weiß, dass mein Geheimnis bei ihr gut aufgehoben ist.

Als ’Nebenwirkung’ meiner allgemeinen Geheimhaltung habe ich eine gewisse Sprachlosigkeit zum Thema HIV und AIDS entwickelt. Hinzu kommt meine Erfahrung, dass es nicht einfach ist, mit Partnern über dieses Thema zu sprechen. In der Regel wird es kurz angesprochen, dann wird schnell das Thema gewechselt.

Der Medienrummel um Nadja hat mich bewogen, einige Erfahrungen aus meinem Leben mit HIV und Sex zu Papier zu bringen. Wichtig ist mir, daß wir den Mut haben, darüber außerhalb der Gerichtsräume zu sprechen und dabei eine Kultur entwickeln, die das Thema enttabuisiert. Das hilft uns selbst und darüber hinaus auch anderen.

Kurz zusammengefasst die Kerngedanken, die mir im Umgang mit HIV und Sex wichtig sind:

– Jede Beziehung und partnerschaftliche Situation ist anders. Daher gibt es keine Vorgehensweise, über HIV und Sex zu sprechen, die für alle und grundlegend richtig ist.

– Das Thema „HIV und Sex“ hat bei mir auch nach über 20 Jahren immer noch eine Stress-Komponente. Es liegt an mir, den Stress möglichst gering zu halten. Nur ich kann dafür sorgen. Nicht zu übersehen ist, dass Beziehungen – egal welcher Art – auch ohne HIV nicht stressfrei sind. In vielen Partnerschaften existiert eine gewisse Sprachlosigkeit beim Thema Sex; es fällt schwer, eigene sexuelle Wünsche zu äußern. Daher mag es hilfreich sein, wenn wir als Frauen mit HIV uns austauschen und gegenseitig unterstützen.
Da ich nicht bei der ersten sexuellen Begegnung weiß, ob dies der Partner fürs Leben ist, ob die sexuelle Beziehung ein „one-night-stand“ bleibt oder sich mehr aus dem Abend zu zweit entwickelt, liegt es an der Situation und der Person, ob ich es über die Lippen bringe und mich entscheide zu sagen „Ich bin HIV-positiv“.
Wenn ich es nicht sage, erwächst es häufig aus dem Gedanken „Was geschieht, wenn mein Partner mein Geheimnis kennt? Was ist, wenn er es anderen erzählt?“ Diese Angst ist real, denn vor Diskriminierung im Freundeskreis, in der Verwandtschaft und am Arbeitsplatz ist keine/r sicher.

Ein weiterer Gedanke, der dazu führt, es zu verschweigen, ist: „Was tue ich, wenn die Person, mit der ich Sex haben möchte, sich von mir abwendet, wenn ich ihr sage, dass ich HIV-positiv bin?“ Das tut weh und in einer Stimmung emotionaler Nähe und Sehnsucht kann es passieren, dass man das existierende Risiko verdrängt. Was passiert dann? Spätestens am nächsten Morgen beim Aufwachen beginnt ein Tag voller Sorge und Panik. Es kostet sehr viel Kraft, diese belastenden Situationen auszuhalten.

Ein weiterer Gedanke bestimmt manchmal das Vorgehen: „Meine Viruslast ist so gering, da bin ich als Frau auf der sicheren Seite und werde wohl kaum den Partner anstecken.“ So kann ungeschützter Geschlechtsverkehr begründet werden, jedoch mit den gleichen Sorgen und Ängsten am nächsten Tag.

– Manchmal denke ich auch: „Warum muss ich die ganze Verantwortung und Belastung tragen, mich und den anderen zu schützen? Ist nicht die andere Person für das eigene Tun verantwortlich, wenn sie nicht auf ein Kondom besteht?“

– Wenn möglichst wenig Personen von meiner Infektion erfahren sollen und ich mir das belastende Für und Wider beim kuscheligen Beisammensein ersparen möchte, dann genieße ich Sex, vor allem Schmusen, oralen Sex, lecken, knutschen etc. – und da können locker mal zwei Stunden tollster Zweisamkeit vergehen. Wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt, habe ich das Kondom bei der Hand. Wenn ich hier proaktiv vorgehe, habe ich bisher keinen Mann erlebt, der das nicht akzeptiert, wenn auch zähneknirschend. Das ist für mich die einfachste und stressärmste Variante von Sex mit HIV, denn sie verhindert – so die aktuelle Gesetzeslage -, dass ich mich wegen Körperverletzung und Ansteckung strafbar mache.

– Meine Erfahrung ist, dass es auch in mehrjährigen eheähnlichen Partnerschaften nicht einfach ist, mit Männern über das Thema HIV und Sex zu sprechen. Immer muss ich das Thema vorbringen, muss ich einschätzen, wann eine Situation passt, um etwas, das mich bewegt oder bedrückt, anzusprechen.

Solange HIV und AIDS tabuisiert und kriminalisiert wird, wird sich zu diesem Thema wohl kaum jemand offen äußern – auch ich werde es nicht tun. Wie Nadja habe auch ich über Sex und das Risiko einer Infektion mit meinem Arzt immer wieder besprochen, nicht aber mit allen meinen Partnern. Ich habe medizinische Studien gelesen, bin zu Vorträgen zu diesem Thema gegangen und bin froh um die Angebote der AIDS-Hilfe und AIDS-Stiftung. Die Verantwortung für mein eigenes Handeln nimmt mir aber niemand ab und die Gesellschaft, in der ich lebe, ist, wie sie ist.

Für HIV-Positive ist das Thema „HIV und Sex“ Teil ihres Lebens. Wie der Prozess gegen Nadja zeigt, ist dies für Nichtbetroffene beziehungsweise diejenigen, die ihren HIV-Status nicht kennen, keineswegs der Fall.

Ich habe einige Wünsche an alle Beteiligten und die Gesellschaft:

  • Ich wünsche mir, dass Betroffene – einschließlich der Ärzte, Selbsthilfeorganisationen etc. – offener und unverkrampfter über HIV und Sex reden, sich austauschen und wenn möglich auch gegenseitig unterstützen. Dadurch gewinnen wir an Selbstbewusstsein und Lebensqualität.
  • Um dem Thema die Irrationalität zu nehmen, ist mehr Forschung, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich.
  • Eine HIV-Infektion führt aufgrund vieler Vorurteile eher zu Schweigen und zur Isolation als zu Offenheit. Unsere Gesellschaft braucht mehr Offenheit im Umgang mit HIV-Infizierten und tabuisierten Themen wie Sex und HIV. Darüber zu reden und zu schreiben ist eine Möglichkeit das Schweigen und die Isolation aufzubrechen.
  • Ich wünsche mir, irgendwann einmal nicht mehr den Druck zu verspüren, über ein Thema wie dieses unter einem Pseudonym zu schreiben.

Vielen Dank an ‚Saskia Schreiner‘ für den Text sowie an die Aids-Hilfe Stuttgart für die Genehmigung der Übernahme!

Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?

Nadja Benaissa soll anlässlich der Berliner Veranstaltung „HIV im Dialog“ im August 2011 mit dem „ReD Award“ ausgezeichnet werden. Hierzu ein Gast-Kommentar von Matthias Gerschwitz:

Durch das Sonder-Positivenplenum [in Berlin, d.Hg.] gestern Abend erfuhr ich, dass Nadja Benaissa, ex-Mitglied der Girlgroup »No Angels« und Schlagzeilen-Star des vergangenen Jahres wegen eines Prozesses um die Weitergabe des HI-Virus nach ungeschütztem Sex, beim Kongress »HIV im Dialog«, der am 26./27. August 2011 in Berlin stattfindet, mit dem »ReD Award«, bezeichnet nach der »Reminders Day Aids Gala«, ausgezeichnet werden soll.

Nun muss ich voranschicken, dass ich gar nicht wusste, dass es einen »ReD Award« gibt. Aber das wusste ich auch beim »Annemarie-Madison-Preis« nicht, den ich anlässlich der Münchner Aidstage im März 2010 für mein Buch »Endlich mal was Positives« erhielt. Allerdings konnte ich bald herausfinden, wer die Namensgeberin ist bzw. war, denn Annemarie Madison verstarb im Januar 2010 nach über 25 Jahren intensiver Arbeit um das Thema HIV, Aufklärung, Prävention, Entstigmatisierung, Enttabuisierung und und und … die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Bei der Recherche zum »ReD Award« stieß ich auf das »HIV im Dialog«-Programmheft aus dem Jahr 2010 und die »Reminders Day Aids Gala«. Ich zitiere: »Der ReD Award gilt als besondere Auszeichnung für außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids.« Preisträger waren der Schauspieler und langjährige Moderator der Gala, Georg Uecker, sowie die Gründungsmitglieder der Berliner Aids-Hilfe, Konrad Möckel und Dr. Gerd Paul. Damit wird die Idee des »ReD Award« deutlich, insbesondere, wenn man sich die Liste der bisherigen Preisträger ansieht. Aber was bitte hat Nadja Benaissa mit »außerordentlichem Engagement im Kampf gegen HIV und Aids« zu tun?

Ich möchte vorweg bemerken, dass ich nichts gegen sie habe. Auch ich bin der festen Überzeugung, dass ihr im Rahmen der Anzeige und des Prozesses durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die sie zwangsweise als HIV-positiv outete, und die Medien übelst mitgespielt wurde. Aber dass ihre Nominierung gestern beim Sonder-Positivenplenum mit dem Hinweis auf »Aktivismus, Solidarität und Kriminalisierung« unterstützt wurde, hat mich entsetzt. Dazu mein Kommentar:

Nadja Benaissa ist keine Aktivistin. Ihr gebührt in dieser Kategorie höchstens der Preis für Passivität. Sie ist durch eigenes Fehlverhalten in eine Situation geraten, in der sie, zugegeben, einem besonderen öffentlichen Druck ausgesetzt war. Aber Öffentlichkeit war ihr schon vorher im Rahmen ihrer Karriere nicht fremd. »Aktivistin« wird man, wenn man sich intensiv und über einen längeren Zeitraum für eine Sache einsetzt. Beides ist bei Nadja Benaissa nicht gegeben. (Annemarie Madison würde im Grabe rotieren …) Intensiv tätig war sie nicht – und ebenfalls nicht über einen »längeren Zeitraum«: Auch wenn dank Nadja Benaissa kurzzeitig deutlich wurde, dass HIV auch heterosexuelle Frauen betreffen kann, hat sich der Medienhype ausschließlich mit ihr als prominenter Infizierter befasst – mehr nicht. Kurz nach dem Prozess waren sowohl Medienhype wie Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nämlich schon wieder verschwunden. Fragt man heute Menschen auf der Straße nach ihr, wird man im Höchstfall die Antwort »Das war doch die, die ihren Freund mit HIV infiziert hat« erhalten. Und das ist wahrlich kein »außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids«.

Nadja Benaissa hat nichts für die Solidarität getan. Ganz im Gegenteil: Sie wurde von einer Welle der Solidarität aus der positiven Community (so es sie denn gibt) unterstützt. Insofern gebührt eher ihren Unterstützern dieser Preis. Und noch mehr: Nadja Benaissa hat die Bemühungen aller Beteiligten,  Akzeptanz, Toleranz, Verständnis und »Normalität« im Umgang mit der Infektion und den Infizierten zu erreichen, weit hinter die 80er Jahre zurückgeworfen, indem sie fast ausschließlich die Mitleidsschiene bedient hat – eine Schiene, die der Infektion und noch weniger den Infizierten auch nur annähernd angemessen ist und die alle Aktivitäten, die seit vielen Jahren – teilweise bekanntlich gegen Windmühlen – entfacht wurden und werden, konterkariert.

Nadja Benaissa ist kein Justizopfer, und weder sie noch HIV-Infizierte allgemein wurden kriminalisiert. Sie hat sich eine – im derzeitigen Rechtssystem nach wie vor verankerte – fahrlässige Körperverletzung zu Schulden kommen lassen und wurde dafür vor Gericht mit einer meiner Meinung nach angemessenen Strafe am unteren Limit belegt. Hier muss das Rechtssystem geändert werden, denn Najda Benaissa ist nur ein Symptom! Und – ganz am Rande: Mit ihrem Verhalten hat sie sämtliche Bemühungen um die Anerkennung der EKAF-Kriterien zunichte gemacht und erst damit künftigen Kriminalisierungen Tür und Tor geöffnet. Ist das wirklich preiswürdig?

Wenn der »ReD-Award« tatsächlich an Nadja Benaissa vergeben werden sollte, genügt es also zukünftig, das Virus per ungeschütztem Sex weiterzugeben, um ausgezeichnet zu werden. Der Preis, der Kongress und die gesamte Präventionsarbeit vieler (zumeist ehrenamtlicher) Mitarbeiter sowie die bisherigen und zukünftigen Preisträger würden so der Lächerlichkeit anheim gestellt. Wenn das beabsichtigt ist – bitte sehr. Für mich wäre das ein Grund, meine HI-Viren zurückzugeben. Mit einer »Community«, die ein solch krasses Fehlverhalten unterstützt, möchte ich nicht in Verbindung gebracht werden.

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Danke an Matthias für den Gast-Kommentar.

Matthias Gerschwitz ist Autor und unter anderem Botschafter des Welt-Aids-Tags.

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siehe auch:
Matthias Gerschwitz 15.03.2011: Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?
alivenkickin 15.03.2011: Nadja Benaissa für den Reminders Day Award vorgeschlagen
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Nadja Benaissa bei ‚Beckmann‘: extreme Erfahrungen nach Zwangsouting

Nach ihrem Zwangs-Outing als HIV-positiv durch die Staatsanwaltschaft haben ihre Tochter und sie extreme Erfahrungen gemacht, berichtete Nadja Benaissa in einer Talkshow. Inzwischen kehre langsam wieder Normalität in ihr Leben ein. Benaissa war Gast in der ARD-Sendung „Beckmann“.

Kurz nach Erscheinen ihrer Biographie (Tinka Dippel: Nadja Benaissa – Alles wird gut) trat Nadja Benaissa am 4. Oktober 2010 in der Talkshow „Beckmann“ auf. „Langsam kommt wieder ein wenig Normalität in mein Leben“, beschreibt Benaissa die ersten Wochen nach dem Urteil. Ihre 300 Stunden gemeinnützige Arbeit, zu denen sie zusätzlich zu zwei Jahren auf Bewährung sowie Therapie verurteilt wurde, möchte sie im Hospiz-Bereich oder in der Arbeit mit von HIV betroffenen Kindern leisten.

Benaissa berichtete, sie habe von ihrem Zwangsouting durch einen Justizvollzugsbeamten am gleichen Tag unter vier Augen erfahren. Ihre Tochter habe sie informieren wollen, wenn sie ein wenig älter und reifer sei – dies sei durch das Zwangs-Outing unmöglich geworden. Ihre Tochter habe danach extreme Reaktionen auf dem Schulhof erleben müssen.

Sie habe schon den Haftbefehl als komplette Vorverurteilung erlebt, erst recht die Reaktionen von Medien udn teilen der Öffentlichkeit danach. Dass die Unschuldsvermutung bis zum Urteil gelte – dies habe sie für sich nicht erlebt. Die im Haftbefehl angegebenen Gründe habe sie als nicht gut ermittelt empfunden.

Die Redaktion von ‚Beckmann‘ hatte vor der Sendung die Staatsanwaltschaft Darmstadt erneut angefragt zu ihrem Verhalten. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt betonte, sie sei weiterhin der Ansicht, sich damals richtig verhalten zu haben. Der profilierte Journalist Hans Leyendecker (‚Spiegel‘, ‚Süddeutsche‘; Beirat Transparency International) betonte in einem Einspieler erneut, die Staatsanwaltschaft Darmstadt hätte die HIV-Infektion Benaissas seiner Ansicht nach nicht bekannt geben dürfen.

Zum Thema Verantwortung und Schuld betonte Silke Klumb (Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe) in einem Einspieler, Frau Benaissa habe Verantwortung für Ihr Verhalten. Sie treffe jedoch nicht die alleinige Verantwortung, es gehe immer um zwei (oder mehr) Partner/innen, jeden Sexualpartner treffe auch eine Verantwortung.

Benaissa betonte abschließend auf die Frage Beckmanns, was „die Menschen aus ihrem Fall lernen können“, HIV sei eben nicht nur Thema der Homosexuellen oder der krank aussehenden Menschen, sondern auch der Heterosexuellen.

Ebenfalls zu Gast in der Sendung: Medienanwalt Christian Schertz, der auch Nadja Benaissa (ab nach der Verhaftung) vertrat. Schertz kritisierte deutlich die Stigmatisierung Benaissas durch Medien und Justiz. Er betonte, er habe Staatsanwalt Neuber (Staatsanwaltschaft Darmstadt) angerufen und eindrücklich gebeten, von der Veröffentlichung weiterer Informationen Abstand zu nehmen – leider letztlich erfolglos. Die Medien ‚Bunte‘ und ‚Bild‘ hätten Entschädigungen gezahlt nach ihrer Berichterstattungen über die Umstände der Verhaftung.

Können Medien nach dem Verhalten, den Aussagen der Staatsanwaltschaft gar nicht anders als veröffentlichen? Udo Röbel, ehemaliger Chefredakteur der ‚Bild-Zeitung‘, betont -bei heftigem Widerspruch durch Schertz sowie Benaissa- es seien (in der ‚Bild‘) immer nur „die Fakten“ geschrieben worden. Berichterstattung sei auch -dies habe auch das Kammergericht Berlin bestätigt- im Vorwege zulässig gewesen, schon wegen des „gravierenden Interesses des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit“ angesichts der Bekanntheit von Frau Benaissa.

Das Presserecht unterscheide, betonte Röbel, zwei Kategorien, den Schutz der Privatsphäre und den Schutz der absoluten Intimsphäre. Die Veröffentlichung sei nach Urteil des Berliner Kammergerichts rechtens gewesen, trotz gewisser intimer Details.

Angesichts von Begriffen wie ‚Todesengel‘ oder ‚Biowaffe‘ gestand Röbel ein, Geschmacksgrenzen seien des öfteren in diesem Fall überschritten worden – aber man habe berichten dürfen, das sei presserechtlich geklärt. Die Frage sei für ihn, woher dieser Sprachgebrauch komme. Die Gesellschaft habe sich verändert, Röbel sprach von ‚Zügen der Verwahrlosung‘. Angesichts von Sendungs-Formaten, die mehr auf öffentliche Vorführen von Kandidaten als auf deren Casting ausgerichtet seien, schließe sich da für ihn nur ein Kreis.

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siehe auch:
alivenkickin 05.10.2010: Montag abend „Bei Beckmann“ . . . und ein Ex Chefredakteur über die Verwahrlosung der Gesellschaft
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Nadja Benaissa – Alles wird gut

„Alles wird gut“ – unter diesem Zitat beschreibt eine neue Biographie das bewegte Leben von Nadja Benaissa.

‚HIV-positive Pop-Sängerin vor Gericht‘ – selbst wer sich nicht für Pop-Musik interessiert, kam in den vergangenen Monaten kaum an ihrem Namen, ihrer Geschichte vorbei: Nadja Benaissa, Sängerin der ‚No Angels‘. Nun hat die Journalistin (u.a. ‚Brigitte‘) und freie Autorin Tinka Dippel eine Biographie Benaissas vorgelegt, von ihren Jugendjahren bis zur Urteilsverkündung Ende August 2010.

Dippel berichtet von einem jungen Mädchen, 1982 in Frankfurt geboren, in einer nahe gelegenen Kleinstadt aufgewachsen. Ersten Schritten als Sängerin in einer Schul-Band, dem ersten öffentlichen Auftritt mit 12. Mit 13 die erste Crack-Pfeiffe, jene Droge, die bald „ihr erstes Gefängnis“ wird.

Ein Sommer in Berlin, 1997, ohne Crack, mit neuen Gesangs-Schritten. Zurück in Frankfurt, mit 16, tiefer Absturz, „innerlich abgehakt, den Kampf verloren“, wie Benaissa selbst sagt. Dann die Wendung, sie ist schwanger. „Ich hatte nur diese eine Motivation: Ich muss dieses Kind gesund auf die Welt bringen.“

Während ihrer Schwangerschaft muss ein Abszess entfernt werden. Blutuntersuchungen werden gemacht. Mitten in der Nacht ruft ein offensichtlich erregter Arzt bei Benaissas Mutter an, schreit diese an, warum ihre Tochter „das“ nicht gesagt habe. Jenes „das“ erläutert er auf die irritierte Nachfrage der Mutter hin als „dass Ihre Tochter AIDS hat“. Beim Verbandswechsel am nächsten Tag erfährt auch Nadja Benaissa selbst dann von ihrer Infektion, lapidar, unvorbereitet: „Wir haben ihr Blut untersuchen lassen, sie sind HIV-positiv.“

Nadja Benaissa: Alles wird gut (Edel Verlag)
Nadja Benaissa: Alles wird gut (Edel Verlag)

Ihre HIV-Infektion und der Umgang damit sind – neben dem Karriere-Weg der Sängerin und der Band ‚No Angels‘ – durchgehend immer wieder das Thema der Biographie, schon gleich zu Beginn als Einstieg. Dippel bezeichnet Benaissa als „das bekannteste weibliche Gesicht von HIV/AIDS“, und schon die Pressemitteilung zum Buch betont

„Einfühlsam erzählt und mit vielen O-Tönen von Nadja Benaissa versehen, gibt die Biografie Einblicke in das Leben einer in der Öffentlichkeit stehenden HIV-infizierten, die von sich sagt: „Alles wird gut“.“

Dippel berichtet vom zunächst schwierigen Umgang mit der HIV-Infektion, von Schutzhüllen, Ignorieren und Verdrängen, von guten und weniger guten Erfahrungen mit Männern, Freunden. Spricht von den „inneren Klippen, die mit jedem Stück Verdrängen ein wenig höher gewachsen sind“. „Nadja hat einen Fehler gemacht und sich diesem Fehler lange nicht gestellt“, formuliert Dippel im Kontext der Verhaftung. Und Nadja Benaissa erklärt:

„Ich hatte immer die Befürchtung, dass irgendwann herauskommt, dass ich HIV-positiv bin – und dass herauskommt, dass ich vielleicht jemanden angesteckt habe. Aber dass es so schlimm werden würde, das hätte ich nie gedacht.“

Und Dippel berichtet über das Zwangs-Outing Benaissas durch die Staatsanwaltschaft (sowie die Kritik der DAH an der Verhaftung) und die Folgen des Zwangs-Outings, für Nadja Benaissa wie auch ihre Tochter, die bis zur Verhaftung nichts von der HIV-Infektion ihrer Mutter weiß. Über die Medienwelle, die „Geschichte, an der jeder teilhaben will“. Kommt damit zwangsläufig zu Fragen wie der nach dem Wert der Unschuldsvermutung, und der, „wie viel Öffentlichkeit sich eine Prominente gefallen lassen muss“.

Was das Zwangs-Outing für Benaissa bedeutet?

„“Einfach nur outen“, das habe ich so oft gehört, und die Wörter „einfach“ und „nur“ sind dabei so lächerlich.“

Ob sie eigentlich überhaupt noch zu jemandem Vertrauen fassen könne, fragt Dippel Benaissa gleich zu Beginn. „Ich tue es einfach“, antwortet Benaissa, „wenn ich nicht vertrauen könnte, wäre mein Leben vorbei.“

Tinka Dippel: Nadja Benaissa – Alles wird gut
Edel Verlag
241 Seiten
erschienen 27.09.2010

Video-Spot zur Biographie hier

„Alles wird gut“ ist auf überraschende Weise anders, keine übliche ‚Star-Biographie‘. Auf ungewöhnliche, erschreckende, aber wohl auch kaum vermeidbare Weise steht HIV im Mittelpunkt des Buches.

„Alles wird gut“ ist eine bemerkenswerte Biographie über einen bewegenden Lebensweg. Und ganz nebenbei (oder auch: ganz bewußt?) ist das Buch auch die Beschreibung des Lebenswegs einer HIV-positiven Frau, ihres Umgangs mit ihrer HIV-Infektion und dessen erzwungener und geplanter Veränderungen und Entwicklungen.

Dies macht die Biographie Benaissas besonders auch für HIV-Positive interessant und lesenswert – und es lässt die Frage in den Hintergrund rücken, ob die Biographie ein weiterer Baustein der Medienarbeit einer Popsängerin, Schritt einer Ikonisierung ist – oder weitgehend offener, aufrichtiger Lebensbericht.

Eine Randnotiz: wünschenswert wäre eine winzige Klarstellung gewesen. Beim Besuch eines weiteren Anwalts bei Benaissa im Untersuchungsgefängnis dürfte es sich bei der begleitenden Dame (S. 27/30) vermutlich nicht um eine „Frau von der Deutschen AIDS-Hilfe in Frankfurt“ gehandelt haben, sondern eine Dame eines anderen Vereins …
Plaudereien einer ‚Aids-Betreuerin“ sind vermutlich eher nicht Sache der Deutschen Aidshilfe, die für ihre Beratungsarbeit hohe Qualitätsstäbe hat.

siehe auch: DAH 01.10.2010: „„Alles wird gut“ – Nadja Benaissa stellt ihre Autobiografie vor“

Nachdenken über Nadja B.

Die Verurteilung von Nadja Benaissa könnte negative Auswirkungen auf die Aids-Prävention haben

Von Barbara Höll

Das Urteil stimmt nachdenklich und die Folgen sind noch nicht absehbar. Auch wenn es der bisherigen Rechtsprechung entspricht, so stellen sich Fragen, die die gesamte HIV-Prävention in Deutschland betreffen. Müssen HIV-Positive Menschen immer auf ein Kondom bestehen? Sind sie allein verantwortlich für die Übertragung und Verbreitung des Virus?

Seit Ende der Neunzigerjahre hat sich das Gesicht von HIV/Aids deutlich gewandelt. HIV ist zu einer nicht heilbaren, aber behandelbaren Infektion geworden, mit einer hohen Lebenserwartung. Die HIV-Medikamente halten den Virus in Schach und senken die Viruslast schon nach kurzer Zeit bis unter die Nachweisgrenze. Nach neueren Erkenntnissen übertragen die so behandelten Patienten den Virus nicht mehr. Nahezu alle HIV-Positive unterziehen sich der Therapie, Frau B. hatte sich damals jedoch noch nicht behandeln lassen.

Das Virus wird heute im Wesentlichen durch Menschen übertragen, die von ihrer HIV-Infektion noch nichts wissen, die also eine sehr hohe Viruslast haben und andere Menschen sehr leicht infizieren können. Deshalb macht es unseres Erachtens schon allein medizinisch keinen Sinn, die Verantwortung allein den HIV-Positiven zuzuschreiben.

HIV-Test ist sinnvoll

Allerdings ist es sinnvoll, dass sich Menschen, insbesondere aus sogenannten Risikogruppen, häufig einen HIV-Test unterziehen. Denn nur so haben sie bei einem positiven Testergebnis die Gelegenheit, möglichst früh die HIV-Präparate einzunehmen und damit Aussicht auf eine lange Lebenserwartung. Zudem gibt ein positives Ergebnis auch die Möglichkeit, verantwortlich mit sich und anderen umzugehen.

Das Urteil könnte kontraproduktiv wirken, denn wer ab und an gerne einmal ohne Kondom Sex haben und nicht mit einem Bein im Gefängnis stehen möchte, unterlässt den HIV-Test – mit verheerenden Folgen für den Krankheitsverlauf, die Viruslast und die potentielle Ansteckungsgefahr anderer. Trotz gegenteiliger Aussagen des zuständigen Richters ist dieses Urteil für HIV-Positive stigmatisierend. Ein Blick in die Leserkommentare der Onlinemedien genügt, um zu erfahren, dass die Forderung nach „lebenslang“ noch milde ist.

Über 25 Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus sollte HIV/Aids allen Menschen bekannt sein, wer sich schützen möchte, nehme ein Kondom. HIV-Positive müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, aber nicht sie allein. Die Verantwortung für ein Kind trägt schließlich nicht allein die Frau, die nicht die Pille nimmt. Das Strafrecht ist in jedem Fall ein ungeeignetes Mittel in der HIV-Prävention.

Barbara Höll ist lesben- und schwulenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Den Kommentar hat sie gemeinsam mit Bodo Niendel, dem Referenten für Queerpolitik in der Fraktion, verfasst.

Nadja Benaissa: Bewährungsstrafe

Zwei Jahre Haft auf Bewährung lautet das Urteil gegen Nadja Benaissa.

Zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilte das Amtsgericht Darmstadt am 26. August 2010 die Pop-Sängerin Nadja Benaissa („No Angels“). Sie habe sich der gefährlichen Körperverletzung sowie der versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Als strafmildernd wurden ihre Einsicht und ihr Geständnis gewertet.

Die Deutsche Aids-Hilfe drückte ihr Bedauern aus über das Urteil gegen Nadja Benaissa.

Am 16. August 2010 hatte der Prozess gegen Nadja Benaissa vor dem Jugendschöffengericht in Darmstadt begonnen. Bereits zu Prozessbeginn hatte Nadja Benaissa ungeschützten Sex eingeräumt; dies tue ihr Leid. Man habe ihr gesagt, die Wahrscheinlichkeit jemanden anzustecken gehe gegen null.

Im Verlauf des Verfahrens hatte ein Münchner Gutachter (Prof. Eberle) erklärt, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ könne festgestellt werden,. dass sich der Nebenkläger bei Frau Benaissa mit HIV infiziert habe. Die HI-Viren des Nebenklägers sowie von Frau Benaissa wiesen „außergewöhnlich große“ Übereinstimmung auf.

Die Staatsanwaltschaft hatte selbst eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren gefordert, zusätzlich 300 Stunden Sozialarbeit.

Der Verteidiger hatte in seinem Plädoyer nochmals das Verhalten der Staatsanwaltschaft scharf kritisiert. Frau Benaissa sei „rechtswidrig“ verhaftet worden; die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft habe „die öffentliche Diskussion befördert“.

weitere Informationen:
taz 16.08.2010: Unter die Gürtellinie
Bild 16.08.2010: Nadja Benaissa gesteht ungeschützten Sex
SZ 26.08.2010: Urteil in Darmstadt Nadja Benaissa bleibt auf freiem Fuß
SpON 26.08.2010: Bewährungsstrafe für Nadja Benaissa – Zwiespältige Botschaft
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Deutsche AIDS-Hilfe bedauert Urteil im „Benaissa-Prozess“

Das Amtsgericht Darmstadt hat am 26.8.2010 die Sängerin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) bedauert das Urteil gegen die Sängerin Nadja Benaissa. Von dem Urteil gehen die falschen Botschaften aus, die der HIV-Prävention und der Emanzipation von chronisch Kranken in Deutschland Schaden zufügen werden.

Dazu erklärt Carsten Schatz, Mitglied im Bundesvorstand der DAH: „Ich halte dieses Urteil für falsch: Es wird der HIV-Prävention dramatischen Schaden zufügen. Wir sehen die Politik nun in der Pflicht, das Strafrecht der Lebensrealität anzupassen!“

Silke Klumb, Bundesgeschäftsführerin der DAH: „Wir alle tragen Verantwortung dafür, wie mit dem Thema HIV und Aids umgegangen wird: Daher muss jeder Einzelne dazu beitragen, dass alle Menschen über HIV sprechen und Safer Sex praktizieren können. Nur dann kann HIV-Prävention wirklich gelingen.“

Marianne Rademacher, Frauenreferentin der DAH: „Wenn die Verhütung vor allem Frauen und HIV-Positiven einseitig zugeschrieben wird, setzen wir die gemeinsame Verantwortung zweier Menschen außer Kraft.“

In Bielefeld kommen ab heute auf den „Positiven Begegnungen“ 500 Vertreterinnen und Vertreter der HIV-Selbsthilfe zur größten Konferenz in Europa zusammen.

(Pressemitteilung der DAH)

Grösste HIV-Selbsthilfekonferenz Europas tagt in Bielefeld

500 Teilnehmer wollen auf den „Positiven Begegnungen“ ein differenzierteres Bild über HIV zeichnen, Klischees und Stereotype aufbrechen – Freispruch im Benaissa-Prozess gefordert

Am Donnerstag 26. August 2010 beginnt unter der Schirmherrschaft des Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clausen die größte europäische Selbsthilfekonferenz für HIV-Positive, ihre Netzwerke und Einrichtungen wie Aidshilfen sowie für An- und Zugehörige von Menschen mit HIV und Aids. Zu den „Positiven Begegnungen“ werden bis Sonntag ca. 500 Teilnehmende hauptsächlich aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und weiteren Nachbarländern in Bielefeld erwartet. Veranstalter ist die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) in Kooperation mit LHIVE e.V. (Schweiz), Positiver Dialog e.V. (Österreich) und der AIDS-Hilfe Bielefeld e.V. Hauptförderer sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Deutsche AIDS-Stiftung, der AOK Bundesverband sowie zahlreiche Unternehmen und Institutionen wie z.B. die Europa Apotheek Venlo B.V. und die Bielefelder Eis.de GmbH. Seit 20 Jahren veranstaltet die DAH Konferenzen zum Leben mit HIV und Aids. Darin stehen nicht Wissenschaftler und Mediziner im Vordergrund, sondern die Menschen, die mit HIV und Aids leben. Seit 1990 die erste „Bundespositivenversammlung“ in Frankfurt/Main stattfand, hat sich viel verändert: Zur Nachfolgeveranstaltung „14. Positive Begegnungen“ kommen inzwischen neben den Angehörigen auch Freunde und Kollegen, Arbeitgeber und Betriebsräte, Vertreter anderer Chroniker-Verbände und Journalisten, die sich über das wahre Leben mit HIV informieren möchten. Von den ca. 70.000 HIV-Positiven in Deutschland ist nach DAH-Schätzungen zwei Drittel in Beschäftigung.

Dazu erklärt Carsten Schatz, Mitglied im DAH-Bundesvorstand: „Unter dem Motto ‚Wir sprengen den Rahmen‘ ist unser gemeinsames Ziel, ein authentisches und differenzierteres Bild von HIV und Aids im Jahr 2010 zu zeigen. Heute haben Menschen mit HIV in den Industrieländern eine ähnlich hohe Lebenserwartung wie andere chronisch Kranke auch, wenn sie wirksam therapiert werden. Dementsprechend stehen bei unserer Konferenz die Themen Leben mit HIV, Integration HIV-Positiver in die Gesellschaft und in das Erwerbsleben sowie ihre angemessene gesundheitliche Versorgung im Vordergrund.“

Peter Struck, Geschäftsführer der AIDS-Hilfe Bielefeld ergänzt: „Wir werden auch außerhalb der Tagung mit der Aktion ´Du sollst dir ein Bild machen!´ in der Bielefelder Innenstadt auf das Thema HIV/Aids aufmerksam machen. Damit möchten wir auch in der Region ein Zeichen setzen, denn gerade jenseits der Oberzentren müssen wir leider immer noch eine Unterversorgung von HIV-Positiven bemängeln. So kommen inzwischen wieder mehr HIV-Patienten in die hausärztliche und pflegerische Beratung, die bereits an AIDS erkrankt und durch alle Vorsorgeraster gefallen sind. Das ist eine gesundheitspolitische Entwicklung, die wir nicht hinnehmen können.“

Auf der Konferenz wollen HIV-Positive aktiv mitbestimmen, welche Bilder von Menschen mit HIV und Aids verbreitet werden. Wie das geschehen kann, darum soll es in Workshops und Podiumsdiskussionen gehen, zu denen auch Medienvertreter und Juristen eingeladen sind.

Auch der Prozess gegen die Sängerin Nadja Benaissa wird eine Rolle spielen – das Urteil wird stündlich erwartet. DAH, LHIVE und Positiver Dialog fordern einen Freispruch für Nadja Benaissa: Auch die Strafjustiz muss der Eigenverantwortung des Einzelnen für sein Gesundheit Rechnung tragen – zudem dürfte der Übertragungsweg nach so langer Zeit nicht mit der notwendigem Sicherheit nachweisbar sein. Die DAH hatte immer wieder die Stigmatisierung der Künstlerin und die pauschale Kriminalisierung HIV-Positiver verurteilt und angemahnt, die HIV-Prävention nicht einseitig nur den positiven Menschen aufzubürden.

(Pressemitteilung der DAH)

LHIVE: Freispruch für Nadja Benaissa!

Zum zu erwartenden Urteil im Prozess gegen Nadja Benaissa als Dokumentation eine Pressemitteilung von LHIVE, Organisation der Menschen mit HIV und AIDS in der Schweiz:

Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass Menschen mit HIV/AIDS ihre Infektion offenbaren müssen.
Trotzdem werden die Gesetze so angewandt, dass wer seine HIV-Infektion bei sexuellen Kontakten verschweigt, dafür bestraft werden kann.
Solange eine HIV-Infektion dazu führt, dass Menschen gemobbt werden, ihre Anstellung verlieren, sozial geächtet werden und als Patienten zweiter Klasse behandelt werden, solange sind Menschen mit HIV/AIDS erpressbar.
Nicht der eigene „falsche Umgang mit der Infektion“, sondern der „falsche Umgang mit den Infizierten“ ist der Grund für das Schweigen im entscheidenden Moment.
Wir erwarten Heute Mittwoch 25.8.2010 oder Morgen Donnerstag 26.8.2010 das Urteil im Prozess gegen Nadja Benaissa.
Frau Benaissa hatte nie wirklich eine freie Wahl, ob und wie sie ihre Infektion kommunizieren möchte.
Die Angst vor der sozialen Ächtung, insbesondere ihrer Tochter, und die Angst vor Vorurteilen, Diskriminierung und den ökonomischen Folgen daraus waren stärker.
Mit gutem Grund. Die Medienberichte und Reaktionen rund um die Verhaftung, Untersuchungshaft und den Prozess machen dies mehr als verständlich.
Wir sind erschüttert, wie in diesem Fall mit sensiblen Daten umgegangen worden ist.
Nadja Benaissa wurde medienwirksam inhaftiert, fremd geoutet und vorverurteilt.
Allen voran trägt hier die Staatsanwaltschaft Darmstadt dafür die Verantwortung, und sie hat einen Prozess angestrengt, der nie hätte stattfinden dürfen.
Auch wenn für Nadja Benaissa und ihre Liebsten damit nicht annähernd Gerechtigkeit geschaffen wird: Ein Freispruch ist das Mindeste.

Michèle Meyer
Präsidentin LHIVE
Organisation der Menschen mit HIV und AIDS
In der Schweiz
www.lhive.ch

(Pressemitteilung LHIVE)

Medienberichterstattung verstärkt Stigmatisierung HIV-Positiver und schadet der Prävention

Zum Prozess gegen Nadja Benaissa ein Gast-Kommentar von Jörg Litwinschuh, Deutsche Aids-Hilfe:

„Ich habe Fehler beim Umgang mit meiner HIV-Infektion gemacht“, gestand Nadja Benaissa zum Prozessauftakt am vergangenen Montag vor Gericht. Vor allem die Boulevardmedien und einige große Tageszeitungen greifen das Schuldeingeständnis sehr einseitig in großen Lettern auf.

Vertane Chance!

Differenzierte Betrachtungen findet man allenfalls im „Kleingedruckten“. Damit haben viele Medien eine große Chance vertan: Sie nutzen den Prozess nicht, um endlich differenzierter über das Leben mit HIV in Deutschland im Jahr 2010 zu berichten. Und sie kommen bis heute ihrem Auftrag nicht nach, Wirklichkeit abzubilden und zu hinterfragen.

Sie fragen beispielsweise nicht: Wie geht es HIV-Positiven in Deutschland heute? Wie leben sie? Wie schützen sie sich und andere? Was bewirken die Medikamente? Was bedeutet es, eine Viruslast unter der Nachweisgrenze zu haben? Wie gehen HIV-Positive mit dem Stigma und der Diskriminierung durch Medien und Gesellschaft um?

HIV-Positive kamen nicht zu Wort

Nicht ein HIV-positiver Mensch kam in den vergangenen Tagen in den meinungsführenden Medien zu Wort. Es wird also wieder einmal über Menschen mit HIV gesprochen und nicht mit ihnen. Das ist ein Skandal. So werden weiterhin sehr einseitige Bilder und Themen transportiert, die auch Verfahrensbeteiligte – Richter, Staatsanwaltschaft, Gutachter – beeinflussen können. Denn Urteile sind immer auch ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse.

Damit ist bis heute die mitunter vorverurteilende Berichterstattung der Medien über Frau Benaissa – und über HIV-Positive allgemein – nicht korrigiert worden. Im Gegenteil: Einige Medien scheinen sich in ihrer bisherigen Darstellung bestätigt zu sehen.

Der Prävention einen Bärendienst erwiesen

Diese Entwicklung ist fatal. Sie setzt das falsche Signal: Hier der allein verantwortliche HIV-positive „Täter“, dort das HIV-negative, unschuldige Opfer, das vermeintlich keine Verantwortung für die Verhütung hat. Eine solche vereinfachende Botschaft schadet der Prävention und ignoriert die Ziele jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit.

So wird eine Lebenswirklichkeit konstruiert, die gerade für die Entwicklung der Eigenverantwortlichkeit junger Menschen kontraproduktiv ist. Am konkreten Fall Benaissa könnte der Eindruck entstehen, Frauen und Mädchen würde Verantwortung einseitig aufgebürdet. Der Schutz vor HIV obliegt aber immer beiden Partnern.

In der aktuellen Berichterstattung zum Fall Nadja Benaissa wird die Stigmatisierung von HIV-Positiven fortgeschrieben. Dies trägt mit dazu bei, dass Menschen nicht über ihre Infektion reden (können), kein ausreichendes Selbstbewusstsein entwickeln und ihre Sexualität nicht selbstbestimmt und eigenverantwortlich leben können. Eine unsachliche und inhaltlich falsche Berichterstattung erweist der Prävention damit einen Bärendienst.

Danke an Jörg!

Nadja Benaissa: zahlreiche Erpressungsversuche – Bericht vom ersten Prozesstag

Nadja Benaissa steht seit dem 16.8.2010 in Darmstadt vor dem Jungendschöffengericht. Für die Deutsche Aids-Hilfe hat Jörg Litwinschuh am ersten Prozess-Tag teilgenommen.

Litwinschuh berichtet, Benaissa habe Sex ohne Kondome eingeräumt. Sie verwende regelmäßig Kondome, es habe aber Ausnahmen gegeben. Keiner ihrer männlichen Sexpartner habe von sich aus Kondome angesprochen. Sie sei seit Jahren erfolgreich antiretroviral behandelt.

„Die Infektion habe sie wegen des gesellschaftlichen Stigmas, des Drucks aus dem Umfeld ihrer Band und wegen ihrer Karriere verdrängt.“

„Die Sängerin gab an, sie sei seit fünf Jahren in antiretroviraler Therapie, die ihre Viruslast unter die Nachweisgrenze gesenkt habe. Sie gehe deshalb davon aus, gemäß den Schweizer EKAF-Richtlinien (siehe hier dazu das DAH-Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“) nicht mehr infektiös zu sein.“

Der Nebenkläger, einer der früheren Sexpartner von Benaissa, betonte, keine finanziellen Interessen zu haben. Jedoch:

„Er gab zu, dass er Frau Benaissa unter Androhung einer Klage gedrängt hatte, sich innerhalb eines Jahres zu outen und eine hohe Summe an eine Aids-Einrichtung zu spenden. Darauf habe die Angeklagte nicht reagiert.“

Benaissa beschuldigte dem Bericht zufolge eine „große deutsche Tageszeitung“, sie habe sie zu erpressen versucht.

Der ganze Bericht über den ersten Prozesstag hier:
DAH 16.08.2010: Nadja Benaissa bedauert „falschen Umgang“ mit ihrer HIV-Infektion
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siehe auch:
alivenkickin 16.08.2010: Distanzierte Wahrnehmungen eines Beobachters
SpON 16.08.2010 Gisela Friedrichsen: Prozess um No-Angels-Sängerin
„Ich hatte einfach tierische Angst“

guardian 17.08.2010: Benaissa’s trial: a distracting sideshow
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Nadja Benaissa ab heute vor Gericht

Die Pop-Sängerin Nadja Benaissa (ehemals ‚No Angels‘) steht ab heute in Darmstadt vor Gericht. Der Vorwurf lautet ‚gefährliche Körperverletzung‘ – sie soll eine Mann mit HIV infiziert haben. Schon im Vorfeld in der Kritik: der Umgang von Staatsanwaltschaft und Medien mit den Persönlichkeitsrechten Benaissas.

11. April 2009, Ostersamstag. Nadja Benaissa, Sängerin der Pop-Band ‚No Angels‘, wird unmmittelbar vor einem Solo-Auftritt in einem Frankfurter Nachtclub festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt verdächtigt die 28jährige HIV-infizierte Mutter, zwischen 2000 und 2004 mehrfach ungeschützten Sex gehabt zu haben, dabei die Möglichkeit der Infektion Dritter in Kauf genommen zu haben. Sie habe ihre Sexpartner nicht über ihre HIV-Infektion informiert, von der sie seit 1999 wisse.

Zehn Tage sitzt Benaissa in Untersuchungshaft. Schnell geraten Informationen an die Medien – durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft, die von sich aus aktiv an die Öffentlichkeit geht, bereitwillig Informationen gibt, auch über den HIV-Status und Hintergründe aus dem Privatleben Benaissas. Zwangs-Outing durch die Staatsanwaltschaft?, fragen Kritiker bald. Die hessische Justiz gerät in Kritik aufgrund des von vielen als fragwürdig erachteten Verhaltens der Staatsanwaltschaft, doch Justizminister Hahn weist alle Vorwürfe zurück.

Am 12. Februar 2010 teilt die Staatsanwaltschaft mit, vor dem Amtsgericht Darmstadt Anklage gegen Benaissa zu erheben „wegen eines Falls der vollendeten gefährlichen Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen“.

Am 16. August beginnt nun vor dem Amtsgericht Darmstadt der Prozess gegen Benaissa. Verhandelt wird vor dem Jugendschöffengericht, da Benaissa zum Zeitpunkt der ältesten ihr vorgeworfenen Tat (2000) noch 17 Jahre alt war. Vorsitzender ist Richter Dennis Wacker (43). Nebenkläger: der Mann, den Benaissa infiziert haben soll. Nadja Benaissa wird verteidigt von Oliver Wallasch, Fachanwalt für Strafrecht in Frankfurt. Etwa 20 Zeugen sowie ein Sachverständiger (Prof. Dr. Josef Eberle, Max-von-Pettenkofer-Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München) sollen gehört werden, fünf Verhandlungstage sind angesetzt. Im Fall einer Verurteilung wäre ein Strafrahmen zwischen 6 Monaten und zehn fünf Jahren Haft denkbar.

Zum Prozessauftakt am 16.8.2010 wird die Deutsche Aids-Hilfe DAH mit einem Vertreter vor Ort sein.

Nadja Benaissa hat in den vergangenen Monaten nach dem Zwangs-Outing mehrfach offen über ihre HIV-Infektion gesprochen. Anfang Juli 2010 hat sie Medienberichten zufolge ihren Ausstieg bei den ‚No Angels‘ bekannt gegeben.

siehe auch: Nadja Benaissa: zahlreiche Erpressungsversuche – Bericht vom ersten Prozesstag

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Vor Gericht steht Benaissa wegen der Frage, ob sie durch ihr Verhalten die HIV-Infektion Dritter riskiert hat. Nicht verhandelt werden wird die Frage, wie es um ihre Bürgerrechte und den Umgang damit durch Staatsanwaltschaft, Medien und Politiker steht.

Angesichts des Umgangs der Medien mit Benaissas Persönlichkeitsrechten stellte sich schon bald die Frage, welchen Wert haben Bürgerrechte? Sex sells, erst recht Sex und Promis, und dann noch HIV … – aber ist damit jede sensationsgeile Schlagzeile, jede Vorverurteilung, gerechtfertigt? Sind  Menschen mit HIV vogelfrei für die Medien? Darf man gar, wie der SPD-Politiker Ehrmann, HIV-Positive als Biowaffe bezeichnen?

Cori Obst betonte in ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes: „Bürgerrechte müssen für alle gewahrt sein, jenseits vom Serostatus, Hautfarbe, Geschlecht und Religion„.

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weitere Informationen:
Juve.de: Anwaltportrait Oliver Wallasch
FAZ 11.08.2010: Affäre um Sex trotz HIV-Infektion – No-Angels-Sängerin Benaissa vor Gericht
FR 12.08.2010: Verfahren wegen Körperverletzung – No-Angels-Sängerin vor Gericht
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10 Gründe gegen die Kriminalisierung der Übertragung von HIV

Am 16. August beginnt der Prozess gegen Nadja Benaissa. Angesichts des Gerichtsverfahrens gegen Nadja Benaissa wird eine brisante Frage diskutiert: Dürfen HIV-positive Menschen bestraft werden, weil sie ungeschützten Sex hatten?

Ostersamstag 2009: Die Polizei verhaftet No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa. Der Vorwurf: Ansteckung eines Sexpartners mit HIV. Die Boulevardmedien stürzen sich auf den Fall.

August 2010: Der Fall Nadja Benaissa wird endlich vor Gericht verhandelt. Hat der Popstar die Chance auf ein faires Verfahren? Wird die Verantwortung aller Beteiligten endlich unvoreingenommen geklärt?

Die Prominenz von Nadja Benaissa wirft ein grelles Licht auf eine schwierige Debatte: Dürfen HIV-positive Menschen bestraft werden, weil sie ungeschützen Sex haben? Hinter der Diskussion steht die legitime Angst vor der Übertragung von HIV. Aber auch oft der Wunsch, den HIV-Positiven die alleinige Verantwortung für Safer Sex in die Schuhe zu schieben.

Helfen Strafen wirklich weiter?
Eine nähere Analyse zeigt: Eine leichtfertige Kriminalisierung der HIV-Übertragung verhindert keine Neuinfektionen. Im Gegenteil: Sie schadet eher. Sie verringert auch nicht die Gefährdung von Frauen – ein Argument, das in Afrika häufig genannt wird.

Das Gerichtsverfahren gegen Nadja Benaissa nutzt die Deutsche AIDS-Hilfe, um klarzustellen: Jeder Mensch hat Anspruch auf ein faires Verfahren. Eine leichtfertige Verurteilung jeder HIV-Übertragung kann sich zum gefährlichen Unsinn auswachsen.

Zehn Gründe, warum die voreilige Kriminalisierung von HIV-Positiven der Prävention mehr Schaden zufügt, als sie nutzt.

Die Bestrafung einer HIV-Übertragung…
1. … ist nur dann gerechtfertigt, wenn HIV böswillig übertragen wird, um anderen zu schaden.
Für diese Einzelfälle gibt es längst strafrechtliche Bestimmungen – zum Beispiel den Tatbestand der Körperverletzung.

2. … dämmt die Ausbreitung von HIV nicht ein.
HIV wird vor allem beim Sex und beim gemeinsamen Drogengebrauch übertragen – dahinter stecken in beiden Fällen komplexe menschliche Bedürfnisse; sie lassen sich nicht mit dem stumpfen Werkzeug des Strafrechts kontrollieren.

3. … untergräbt alle Bemühungen zur Vorbeugung.
Wenn die Übertragung von HIV strafbar ist, wird sich jeder zweimal überlegen, ob er einen HIV-Test macht. Denn in einem Prozess kann Nichtwissen das beste Mittel der Verteidigung sein. Dazu kommt: Ein Strafgesetz vermittelt trügerische Sicherheit. Nicht nur die Menschen mit HIV tragen Verantwortung – jeder sollte Schutzmaßnahmen ergreifen, unabhängig von seinem HIV-Status.

4. … verbreitet lähmende Angst.
Wer fürchtet, ins Gefängnis zu kommen, der schweigt. Dabei ist es wichtig, offen über Aids zu reden. Jeder soll sich angstfrei informieren und testen lassen können. HIV-Positive sind keine gefährlichen Kriminellen, sondern Menschen wie alle anderen auch – mit Verantwortung, Würde und unveräußerlichen Menschenrechten.

5. … verschafft Frauen keine Gerechtigkeit, sondern bringt sie in Gefahr.
In vielen afrikanischen Ländern soll die Strafverfolgung Frauen und Mädchen vor einer Ansteckung mit HIV durch untreue Partner oder sexuelle Gewalt schützen. Doch leider sind es vor allem die Frauen selbst, die angeklagt werden. Denn im Gegensatz zu den Männern erfahren sie meist früher und weit häufiger von einer Infektion, zum Beispiel durch Untersuchungen während der Schwangerschaft. Im Extremfall könnten sie sogar wegen der Ansteckung ihrer eigenen Kinder belangt werden.

6. … würde ausufernde Gesetze erfordern und oftmals Verhalten bestrafen, das gar nicht schuldhaft ist.
Es bringt nichts, das Strafrecht über die willentliche HIV-Übertragung hinaus auszudehnen. Stattdessen sollte der Staat seine Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, ohne Angst HIV-Tests in Anspruch zu nehmen, ihren HIV-Status offenzulegen und Safer Sex zu praktizieren.

7. … wäre oft ungerecht, selektiv und ineffektiv.
Beweise dafür, dass jemand von seiner HIV-Infektion wusste, oder was genau mit dem Sexualpartner besprochen wurde, sind schwer zu erbringen – schließlich geht es um einen sehr intimen Bereich. Dieser große Ermessensspielraum, öffnet der Willkür Tür und Tor. Oft werden dann nur die Menschen bestraft, die sowieso schon am Rande der Gesellschaft stehen, etwa Migranten und Flüchtlinge, Ausländer und Sexarbeiter.

8. … ignoriert die tatsächlichen Herausforderungen an die HIV-Prävention.
Oft ist die Verfolgung von HIV-Positiven nur ein bequemes Mittel für die Regierung, die gesamte Last der Prävention auf die Menschen mit HIV abzuwälzen. Viel sinnvoller ist es, die Menschen darüber aufzuklären, wie sie sich vor einer Ansteckung mit HIV schützen und wie sie die Weitergabe von HIV vermeiden können.

9. … ist sinnlos! Stattdessen müssen alle Bestimmungen, die der HIV-Vorbeugung und der -Behandlung im Weg stehen, reformiert werden.
Das Gesetz ist ein nützliches Werkzeug im Kampf gegen HIV – wenn man damit besonders bedrohte Gruppen stärkt und ihnen Zugang zu HIV-Dienstleistungen garantiert. Auch das Strafrecht kann helfen – und zwar zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt. Nur so können sich die von HIV besonders bedrohten Menschen ohne Angst um ihre Gesundheit kümmern.

10. … ist wirkungslos. Effektiv sind nur Maßnahmen, die auf den Menschenrechten basieren.
Die Menschenrechte betonen die Würde aller Menschen – einschließlich der sexuellen Freiheit. Sie sorgen für ein Umfeld, in dem jeder gesundheitsbewusst, verantwortlich und geschützt Entscheidungen über sein Leben und seine Gesundheit treffen kann.
Wichtige Voraussetzungen dafür sind: (1) frei zugängliche Informationen über HIV und die Übertragungsmöglichkeiten; (2) ein wirkungsvoller Schutz vor Gewalt – vor allem für Jugendliche, Frauen und Minderheiten; (3) der Schutz vor willkürlichen Festnahmen und Diskriminierung – auch für Homosexuelle und Menschen, die Sexarbeit machen oder Drogen gebrauchen.

(Presseerklärung der DAH vom 19.07.2010)

Kurz notiert … Juli 2010

29. Juli 2010: ‚Berlin Patient‚: „Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.“ So kommentiert die Deutsche Aids-Hilfe aktuelle Berichte zum ‚Berlin Patient‚.
Wie strategisch weiter umgehen mit der Kriminalisierung der HIV-Infektion? Roger Pebody berichtet auf aidsmap über verschiedene Ansätze: „Three tactics to stem the tide of criminal prosecutions

26. Juli 2010: Tibotec (Tochter von Johnson&Johnson) hat am 26.7.2010 die US-Zulassung des NNRTI Rilpivirine (TMC278) beantragt.

23. Juli 2010: Die Pharmakonzerne Merck (MSD), Tibotec und Gilead verhandeln mit UNITAID, der internationalen Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose, über einen Patent-Pool zu HIV-Medikamenten für sich entwickelnde Staaten.  ViiV, Joint Venture von Pfizer und GSK, scheint sich nicht beteiligen und eher alleine gezielt lizenzieren zu wollen (siehe 18.7.20109.

18. Juli 2010: Ist eine Heilung von HIV möglich? Medizin-Nobelpreisträgerin Francois Barré-Sinoussi ist skeptisch, hält das völlige Entfernen von HIV aus dem Körper eines Infizierten für „sehr schwer bis unmöglich„.
Auf den Einfluss rechter christlicher (US-)Kirchenkreise auch auf internationale Aids-Bekämpfung weisen Sean Cahill und Lyndel Urbano auf The Body hin: „The Christian Right: Wrong on AIDS
Der Pharmakonzern ViiV (eine Bündelung der Aids-Sparten von Pfizer und GlaxoSmithKline) kündigte an, sein gesamtes HIV/Aids-Portfolio (einschließlich Pipeline) Generika-Herstellern in der sog. Dritten Welt unentgeltlich verfügbar machen zu wollen. Die Medikamenten-Versorgung in den ärmsten Staaten der Welt solle so verbessert werden. Diese Initiative gelte für 69 Staaten.

17. Juli 2010: HIV breitet sich in Osteuropa und Zentralasien besonders bei Kindern, Jugendlichen und Frauen weiter aus. „HIV trifft vor allem Kinder am Rande der Gesellschaft“

16. Juli 2010: Aus Anlass der Wiener Welt-Aids-Konferenz bespricht „Spoiler Art“ HIV & Aids in Superhelden-Comics.

15. Juli 2010: Merck (MSD) stoppt die gesamte weitere Entwicklung des CCR5-Hemmers Vicriviroc. Grund seien enttäuschende Daten aus einer Phase-II-Studie, teilte der Hersteller mit.

13. Juli 2010: UNAIDS fordert eine radikale Therapie-Vereinfachung. Damit sollen die Nutzen für die Prävention optimiert werden.

9. Juli 2010: Die Weltbank hat David Wilson zum Leiter ihres globalen HIV/Aids-Programms benannt. Wilson stammt aus Zimbabwe und hat seit 2003 im Auftrag der Weltbank u.a. die Regierungen von Südafrika, Vietnam und China bei ihren Aids-Programmen beraten.

8. Juli 2010: US-Wissenschaftler finden Antikörper, die in der Lage sind, die meisten HIV-Stämme am Eindringen in Zellen zu hindern. Die Entdeckung dieser sehr breit neutralisierenden Antikörper weckt neue Hoffnungen auf die Möglichkeit, wirksame HIV-Impfstoffe entwickeln zu können.

Ein US-Bundesgericht hat entschieden, mit dem US-weiten Verbot von Homo-Ehen (Defense-of-Marriage-Act, DOMA) habe sich der Gesetzgeber zu sehr in Angelegenheiten der US-Bundesstaaten eingemischt, das Verbot sei verfassungswidrig.

7. Juli: Das Bundeskabinett hat die „Arzneimittel-Härtefall-Verordnung“ (pdf) verabschiedet. „Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern.“

6. Juli 2010: Elf Monate alt war Muriel, ein HIV-infiziertes junges Mädchen, das kurz vor Weihnachten 2009 in der Grazer Kinderklinik im LKH lag. Es wurde mit einer Lungenentzündung eingeliefert, in lebensbedrohlichem Zustand. Beide Eltern waren Anhänger eines „Wunderheilers“. Die Mutter ist in Graz am 6. Juli 2010 zu Monaten bedingter Haft verurteilt worden, weil sie ihr Baby mit HIV angesteckt haben soll.

Zahnärzte seien „die am schlechtesten über HIV und Aids informierte Berufsgruppe im medizinischen Bereich“, kritisiert die Deutsche Aids-Stiftung.

4. Juli 2010: Das Landhaus von Jean Cocteau und Jean Marais in Milly-la-Forêt südlich von Paris ist seit Anfang Juli 2010 als Museum umgebaut der Öffentlichkeit zugänglich.

Während insbesondere in Großstädten die Massen zu CSDs strömen und munter feiern, gerät oft in Vergessenheit, dass auch anderes in Deutschland vorkommt: in Schwerin wird der CSD beschimpft und bedroht.

2. Juli 2010: Nadja Benaissa steigt bei der Pop-Band ‚No Angels‘ aus. Benaissa ist seit einigen Wochen krank geschrieben, Mitte August beginnt ihr Prozess. Laut Medienberichten musste sie inzwischen Privatinsolvenz anmelden.

Kurz notiert … Juni 2010

28. Juni 2010: In Kiel wird ein 47jähriger HIV-positiver Mann zu fünf Jahren Haft verurteilt wegen vollendeter sowie gefährlicher Körperverletzung.

25. Juni 2010: Ist einer Heilung von HIV/Aids möglich? Kann HIV komplett wieder aus dem Körper entfernt werden? Das US-amerikanische Magazin Technology Review untersucht diese Frage in einem umfangreichen Artikel „Can AIDS be cured?“

24. Juni 2010: Eine Kommission der Vereinten Nationen soll sich zukünftig einsetzen gegen Gesetze, die HIV-Positive und Aids-Kranke diskriminieren.

22. Juni 2010: Auch Aidshilfen können insolvent werden (auch wenn die Malaise in diesem Fall bereits eine längere Vorgeschichte hat): Aids-Hilfe steht vor dem Aus

19. Juni 2010: Courage beim Berliner CSD. Die Veranstalter wollen Judith Butler, Gender-Theoretikerin aus den USA, mit dem Zivilcourage-Preis ehren – und Butler lehnt auf der Bühne ab, der CSD sei zu kommerziell und richte sich nicht gegen wichtige Problem wie Rassismus oder doppelte Diskriminierung, z.B. von homo- oder transsexuellen Migrant/innen: Judith Butler nimmt Preis nicht an

17. Juni 2010: Kondome bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika, oder nicht?: Erst gegen Aufklärung. Jetzt plötzlich dafür, als sei nichts gewesen. – Endlich: Fifa gegen Aids.

15. Juni 2010: Nadja Benaissa hat eine Biografie verfasst. „Alles wird gut“ soll am 9. September erscheinen. Zuvor muss sich die Pop-Sängerin vor Gericht verantworten, am 16. August beginnt ihr Verfahren wegen des Vorwurfs gefährlicher Körperverletzung.
Die Einwohner von St. Petersburg (und der Rest der Welt) staunen über die Penis-Brücke.

12. Juni 2010: schwule Feuerwehrleute willkommen? – „Deutscher Feuerwehrtag Leipzig – Feuerwehr weltoffen und tolerant – Homosexualität als Thema auf der Interschutz“

10. Juni 2010: In Frankreich häufen sich Probleme mit der Medikamenten-Versorgung bei anti-HIV-Therapien. „Antirétroviraux: des ruptures de stocks en France“
Deutschland blockiere immer noch die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie der EU, klagen (nicht nur) EU-Vertreter: „Brussels keen for Berlin to unblock EU gay rights law“.

9. Juni 2010: Kleinkrieg in der Aids-Arbeit in Brandenburg? „Kontrovers – Krieg im Präventionsmilieu“, berichtet blu.

8. Juni 2010: Steiermark: Mutter vor Gericht. Sie hatte ihr HIV-positives Kind nicht behandeln lassen wollen, trotz lebensbedrohlicher Lungenentzündung. Heute steht die ‚Anhängerin eines bekannten Wunderheilers‘ in Graz vor Gericht: „Körperverletzung – Mutter von HIV-Baby heute vor Gericht“
Reifungs-Inhibitoren sind eine neue Substanzklasse mit einem völlig neuen Ansatz gegen HIV – dich der einzig verbleibende Hersteller hat nun die Entwicklung vorerst gestoppt. man wolle für die weitere Entwicklung der Substanzklasse einen Partner suchen. „Myriad halts HIV maturation inhibitor drug programme“

7. Juni 2010: Muss Chemotherapie bei HIV-Positiven unter HAART mit Krebs-Erkrankungen anders dosiert werden? „People on HIV Meds Might Need Different Chemo Doses for Cancer“, berichtet POZ vorab über ein Poster auf der Jahreskonferenz der American Society of Clinical Oncology (ASCO).

5. Juni: Infizierte ein Akupunkteur in der Schweiz zahlreiche Menschen mit HIV, womöglich mit Absicht? Was bisher ein Verdacht ist, formuliert die Boulevard-Presse als vermeintliche Tatsache: „Heiler steckte 18 Menschen mit Aids an“.

4. Juni 2010: Anlässlich der Fußball-WM in Südafrika: Philipp Lahm ruft Fans zu Schutz vor HIV/Aids auf

3. Juni 2010: Bio-Terrorismus-Vorwürfe gegen HIV-Positive auch in den USA, nicht nur in Deutschland. Vorwürfe, die gegen einen HIV-Positiven unter Verwendung eines staatlichen Bioterrorismus-Gesetzes erhoben wurden, wurden nun niedergerschlagen. „Activists, advocates applaud dismissal of bio-terrorism charges“, berichtet The Michigan Messenger.

2. Juni 2010: Annie Lennox wird zum International UNAIDS Goodwill Ambassador ernannt.

1. Juni 2010: Outing oder nicht Outing? Mit der „Ethik und Etikette des Outing“ beschäftigt sich aus aktuellem Anlass Timothy Kincaid auf Box Turtle Bulletin: „The ethics and etiquette of outing

Droht eine Rückkehr des Problems der Resistenzen, falls HIV-Medikamente in großem Umfang zur ‚Prä-Expositions-Prophylaxe‘ (PrEP) eingesetzt werden? „Treatment and PrEP could be on a ‘collision course’, warns resistance expert“, berichtet aidsmap.

Kurz notiert … Mai 2010

31. Mai 2010: Im Jahr 2011 soll nach 24 Jahren erstmals wieder eine Volkszählung stattfinden. Die Vorbereitungen laufen bisher eher im Stillen. „Aktivisten planen Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung 2011,“, berichtet Spreeblick.

28. Mai: Kommen EKAF-Statement und die Viruslast-Methode langsam auch international in der Forscher-Realität an? „Antiretroviral Treatment Cuts HIV Transmission Rate by 92 Percent„, berichtet POZ über eine US-Studie (Original-Publikation auf The Lancet).

27. Mai 2010: Tesamorelin: Zulassung empfohlen. Das zuständige Beratungs-Gremium „Endocrinologic and Metabolic Drugs Advisory Committee“ der FDA hat am 27. Mai 2010 die Zulassung von Tesamorelin empfohlen. Die Entscheidung der FDA wird innerhalb der nächsten 2 Monate erwartet. POZ berichtet am 27.05.2010: FDA Committee Unanimously Recommends Egrifta for Lipodystrophy

27. Mai 2010: Frauen-Kondom: „Kampf gegen Aids: Washington fördert Frauenkondome“, berichtet SpON.

26. Mai 2010: Kann anal verwendetes Gleitgel das Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen erhöhen? aidsmap berichtet „Rectal lubricants may enhance the risk of STIs

20. Mai 2010: Usbekistan – Maskerade: Präsident Karimow regiert ein Land, in dem jüngst der Aids-Aktivist Maxim Popov zu 7 Jahren Haft verurteilt wurde – und seine Tochter gibt bei einer Aids-Gala in Cannes die Wohltäterin.  Die taz berichtet über „Die Tochter des Despoten“.
Ex-Boygroup bei CSD:  „Backstreet Boys to Perform at S.F. Pride“ meldet advocate.

18. Mai 2010: Denkmal-Debatte: den aktuellen Streit um die Wahl des nächsten Films (und de facto um die Rolle überhaupt) des im Mai 2008 eingeweihten ‚Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen‘ kommentiert Stephan Speicher in der SZ als „Wendepunkt in unserem Verhältnis zum Nationalsozialismus“ und „Entwertung der Geschichte“: „Homosexuellen-Denkmal: Entwertung der Geschichte

18. Mai 2010: Verhandlung N. B. in Darmstadt – das Amtsgericht Darmstadt teilt mit „In der Strafsache gegen die Sängerin N. B. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung hat der zuständige Richter des Amtsgerichts Darmstadt mit Beschluss vom 17.05.2010 die von der Staatsanwaltschaft Darmstadt erhobene Anklage vom 04.02.2010 zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Darmstadt eröffnet.“ Als Termine für die Hauptverhandlung wurden bestimmt: 16.08., 19.08., 23.08., 25.08. und 26.08.2010, jeweils um 09.00 Uhr bestimmt.

18. Mai 2010: Liegt’s an den Pocken? „Ende der Pockenimpfung könnte HIV-Ausbreitung ermöglicht haben“, berichtet SpON (Originalmeldung: BMC Immunology: Significantly reduced CCR5-tropic HIV-1 replication in vitro in cells from subjects previously immunized with Vaccinia Virus)

17. Mai 2010: Wie geht es Nadja Benaissa? ‚No Angels‘ – Sängerin Nadja Benaissa muss aus gesundheitlichen Gründen alle Termine plötzlich absagen, Tour-Auftakt geplatzt, berichten viele Medien (u.a. die Salzburger Nachrichten)

16. Mai 2010: Gedenken an Magnus Hirschfeld: Tetu berichtet über eine Gedenkveranstaltung am Grab von Magnus Hirschfeld in Nizza anlässlich des 75. Todestags von Magnus Hirschfeld

14. Mai 2010: „ultra-schwul und einzigartig“ – Tetu berichtet über das „erste Zentrum für sexuelle Gesundheit“ in Paris

13. Mai 2010: „He HAS manipulated us into invisibility.“ Larry Kramer kritisiert mit deutlichen Worten die Aids-Politik von US-Präsident Obama.

7. Mai 2010: Ärger um den GMHC-Umzug:  In New York tobt eine Auseinandersetzung um eine der ältesten und wichtigsten Aids-Organisationen der USA: GMHC Gay Mens Health Crisis, Debatten um Bunkermentalität, Betroffenennähe und Ignoranz. Meinungsstark wie immer äußert sich Larry Kramer zum anstehenden Umzug von GMHC