Kurz notiert … März 2012

23. März 2012: US-Präsident Obama nominiert Jim Yong Kim, Präsident der Elite-Universität Dartmouth und früher Direktor für Aids-Bekämpfung bei der Weltgesundheitsorganisation WHO, als neuen Chef der Weltbank.

21. März 2012: Die Aids-Hilfe Mannheim stellte 2010 ihre Arbeit ein, befindet sich in Insolvenz. Nun gründete sich neu das „Kompetenzzentrum zu sexuell übertragbaren Infektionen. Mannheim“ KOSI.MA

19. März 2012: „“Man muss auch mal ein Risiko eingehen“, sagt Michael Stich – in Zusammenhang mit Geldanlage..

14. März 2012: In mehreren Studien wurden Wechselwirkungen zwischen HIV-Medikamenten und neuen Medikamenten gegen Hepatitis C untersucht.

10. März 2012: Die Zertifizierungsstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen in der Schweiz entscheidet am 19. März über einen etwaigen Entzug des ZEWO-Gütesiegels für die Aids-Hilfe Schweiz. Fiala erklärt am 17.3., sie sei bereit auf ihr Salär zu verzichten. ZEWO und AHS erzielten am 19.3.2012 eine Einigung unter Reduzierung des Gehalts von Fiala auf 30.000 sFr. Kommentatoren konstatieren denoch einen „Reputationsschaden für die Aids-Hilfe“ Schweiz.

09. März 2012: HIV-Infizierte sollen in der Schweiz nicht mehr wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit“ angeklagt werden können, dies sieht ein Entwurf zum neuen Schweizer Epidemiegesetz vor.

Nach einem Führungswechsel beim GFATM gibt Entwicklungsminmister Niebel einen Teil der Mittel frei.

07. März 2012: In den USA ist das Early Access Program für den experimentellen Integrasehememr Dolutegravir gestartet.

Richard Lugner ist nach dessen Aussagen zu Homosexualität und HIV von Keszler vom Life Ball 2012 ausgeladen worden.

05. März 2012: Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ihre Richtlinien für die Verwendung von Statinen bei gleichzeitger Einnahme von HIV- oder HCV- Proteasehemmern aktualisiert.

01. März 2012: Das Amt des Präsidenten der Aids-Hilfe Schweiz war einst ehrenamtlich. Die neue Präsidentin Fiala trat das Amt unter der Bedingung einer ‚Entschädigung‘ von 50.000 Franken an – und gerät in die Kritik. Ihre Vorgängerin erhielt 15.000 sFr. Die Aids-Hilfe Schweiz reagierte mit einer Pressemitteilung.

Myanmar: Ärzte ohne Grenzen ruft zum Handeln auf – 85.000 Menschen brauchen dringend lebenswichtige antiretrovirale Medikamente

Ärzte ohne Grenzen weist in dem heute veröffentlichten Bericht „Lives in the Balance“ auf den dringenden Bedarf an HIV- und Tuberkulose-Medikamenten in Myanmar hin. Dem Bericht zufolge haben in Myanmar derzeit 85.000 HIV-Infizierte, die dringend lebensverlängernde antiretrovirale Medikamente benötigen, dazu keinen Zugang. Von den geschätzten 9.300 neuinfizierten Tuberkulosepatienten jährlich haben bisher etwas mehr als 300 Menschen eine Therapie gegen multiresistente Tuberkulose (TB) erhalten. Ärzte ohne Grenzen ist der größte Anbieter von HIV/Aids-Therapien in Myanmar.

Der Bericht „Lives in the Balance“ zeigt die verheerenden Auswirkungen, die die Streichung einer Finanzierungsrunde des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, TB und Malaria auf den Kampf gegen HIV und TB in Myanmar haben wird. Die Streichung der „Runde 11“ bedeutet, dass keine Finanzierung für die Ausweitung von HIV- und TB-Therapien sowie ihrer medikamentenresistenten Formen bis 2014 vorgesehen ist. „Wieder einmal haben die Geberländer HIV- und TB-Kranke in Myanmar im Stich gelassen“, erklärt Peter Paul de Groote, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Myanmar. „Wir sind täglich mit den tragischen Auswirkungen dieser Entscheidungen konfrontiert, mit Schwerkranken und unnötigen Todesfällen.“

15.000 bis 20.000 Menschen, die mit HIV leben, sterben jährlich in Myanmar, weil sie keinen Zugang zu antiretroviralen Medikamenten haben. Die Prävalenzrate von TB ist dreimal höher als der weltweite Durchschnitt. Myanmar ist weltweit unter den 27 Ländern mit der höchsten Rate an multiresistenter TB, deren Behandlung komplex und langwierig ist. Auch vollkommen gesunde Menschen können sich sehr leicht anstecken. „Ohne neue Therapiemöglichkeiten wird sich HIV/Aids und TB weiterhin ungehindert ausbreiten“, betont Dr. Hin Nyein Chan von Ärzte ohne Grenzen. „Diese Gelegenheit darf nicht verpasst werden, denn die HIV-Raten in Myanmar sind relativ niedrig. Der fehlende Zugang zu einer Behandlung macht die Erkrankung zu einer der schwersten Epidemien in Asien.“

Myanmar ist das am wenigsten entwickelte Land Südostasiens und zählt zu den Ländern, die weltweit am wenigsten offizielle Entwicklungshilfe erhalten. Da es aufgrund des Engagements der internationalen Gemeinschaft zu politischen Reformen kommt, ist jetzt die Gelegenheit, den Zugang zu HIV- und TB-Therapien auf die Prioritätenliste der Geberländer zu setzen. Myanmar leidet unter einem unterfinanzierten staatlichen Gesundheitssystem. Trotz vielversprechender Bemühungen, das Gesundheitsbudget zu erhöhen, werden Jahre vergehen, bis das Land über ein umfassendes Gesundheitssystem verfügt. „Ich möchte, dass die Behandlung für jeden Patienten in Myanmar zugänglich wird. Ich möchte, dass die Menschen am Leben bleiben und wie wir eine Therapie bekommen“, sagt Zaw Zaw, eine 30-jährige Patientin, deren Mann und jüngstes Kind auch HIV-positiv sind und in einer Klinik von Ärzte ohne Grenzen behandelt werden.

„Wenn HIV- und TB-Behandlungsprogramme jetzt erweitert werden, können weitere Ansteckungen vermieden werden. Leben können gerettet und Geld gespart werden. Weniger infizierte Menschen bedeuten weniger verlorene Leben und weniger Menschen, die eine Behandlung brauchen“, betont de Groote. „Die Geber müssen Myanmar dabei helfen sicherzustellen, dass mehr Patienten im ganzen Land Therapien gegen HIV und multiresistente TB erhalten.“

(Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen)

10 Jahre Globaler Fonds – ein erfolgreicher Kampf gegen Hiv/Aids, Tuberkulose und Malaria mit ungewisser Zukunft?

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria kann zu seinem Gründungsjubiläum am 28. Januar 2012 auf ein Jahrzehnt erfolgreicherArbeit zurückblicken. Die inzwischen in 150 Ländern finanzierten Präventions- und Behandlungsprogramme des Fonds konnten bisher fast 8 Millionen Menschenleben retten. Doch diese erfolgreiche Arbeit ist gefährdet!

Vor zehn Jahren hatten nur etwa 250.000 Menschen in benachteiligten Ländern Zugang zu einer lebensrettenden HIV/Aids-Therapie. Schon Ende 2010 lag diese Zahl bei 6,6 Millionen Menschen. Einer der Hauptantriebskräfte für diese positive Entwicklung ist zweifellos der Globale Fonds. Seine Programme konnten bisher 3,3 Millionen Menschen mit HIV-Medikamenten versorgen, insgesamt 8,6 Millionen Tuberkulose-Fälle behandeln sowie 230 Millionen insektizid-behandelte Mückenschutznetze verteilen. „Die Erfolge des Fonds sind beispiellos und sprechen eine klare Sprache: Sie müssen ausgeweitet werden! Stattdessen droht allerdings Stillstand“, sagt Astrid Berner-Rodoreda, Sprecherin des Aktionsbündnis gegen AIDS.

Der Fonds ist auf die Finanzierung durch Geber angewiesen. „Die Geber des Fonds haben für 2011 – 2013 nur etwa die Hälfte des eigentlichen Finanzbedarfs zugesagt. Auch ist es bei einigen wichtigen Zusagen unklar, wann und ob sie überhaupt eingelöst werden“, kritisiert Joachim Rüppel, Sprecher des Aktionsbündnis gegen AIDS. Daher war der Fonds gezwungen, die bereits angelaufene Finanzierungsrunde zu streichen, ohne dass alternative Möglichkeiten für die Ausweitung der Bemühungen geschaffen wurden. Dies bedeutet, dass frühestens 2014 zusätzliche Präventions- und Behandlungsprogramme begonnen werden können. „Dies ist eine Katastrophe für die mehr als 7 Mio. Menschen, die immer noch auf eine lebensrettende HIV-Behandlung warten“, sagt Gisela Schneider, Mitglied im SprecherInnenkreis des Aktionsbündnis gegen AIDS. „Erst im Juni 2011 haben die Vereinten Nationen das Ziel vereinbart, bis 2015 insgesamt 15 Mio. Menschen Zugang zu HIV-Behandlung zu gewährleisten. Dies rückt nun in weite Ferne“, so Schneider weiter. Auch Deutschland wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Schon die Finanzierungszusage von 200 Mio. Euro pro Jahr entspricht weniger als der Hälfte des angemessenen Beitragsniveaus. Dazu kommt, dass es dem Ermessen des zuständigen Ministers überlassen ist, bis zu welcher Höhe die vorgesehenen Mittel tatsächlich ausgezahlt werden.

Das Aktionsbündnis gegen AIDS und die Kindernothilfe haben daher die Kampagne „Versprechen halten!“ ins Leben gerufen. Damit wird die Bundesregierung aufgefordert, den Globalen Fonds konsequent zu unterstützen. „Konkret bedeutet das, mindestens die jährlich zugesagten 200 Mio. € in einen eigenen Titel in den Bundeshaushalt einzustellen. Spätestens für 2013 müsste der Beitrag auf das angemessene Niveau auf mind. 400 Mio. € aufgestockt werden“, so Rüppel. Nur so kann Deutschland seiner Verantwortung für die globale Gesundheit nachkommen.

(Pressemitteilung Aktionsbündnis gegen Aids)

Was hat Priorität in der globalen Aids-Bekämpfung? Oder: warum geht Michel Kazatchkine ?

Der Chef des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM)  Michel Kazatchkine, geht. Und ein neuer, Gabriel Jaramillo, kommt. Ein Wechsel an der Spitze. Nichts weiter – kurze Notiz, kaum weitere Fragen, übergehen zum Tagesbetrieb. Oder?

Man könnte auch Fragen stellen.
Denn – viele Fragen sind derzeit offen.
Wir sollten Fragen stellen – schließlich: beim Globalen Fonds handelt es sich um die international bedeutendste und finanzstärkste Organisation auf dem Gebiet der Aids-Bekämpfung. Dass Bundesentwicklungsminister Niebel keine Fragen stellt, sich (im Gegensatz zur französischen Regierung) eher erfreut über die Demission Kazatchkines zu zeigen scheint, überrascht nicht. Aber: die Beantwortung der Frage, warum ein Chef geht, und welche Hintergründe dazu führten, sollte also auch Aids-Organisationen und Menschen mit HIV / Aids interessieren – gerade beim Globalen Fonds.

Michel Kazatchkine selbst verhält sich diplomatisch, sagt nicht viel zu den Beweggründen seines Rücktritts (nachdem sein Vertrag erst vor einem Jahr um weitere drei Jahre verlängert worden war). Er respektiere die Entscheidung des Fonds, einen Direktor für die Transformation einzusetzen. Er habe lange über die Konsequenzen für sich und für die Organisation nachgedacht und sei zu dem Schluss gekommen, dass es für ihn angesichts dieser Situation unmöglich sei, auf seinem Posten zu bleiben.

„En novembre, le Conseil d’administration a décidé de nommer, sous son autorité directe, un Directeur général chargé de superviser la mise en œuvre du Plan de transformation. Je respecte cette décision et je ne doute pas qu’elle ait été prise dans l’intérêt du Fonds mondial. J’ai longuement réfléchi à ses conséquences pour moi et pour l’organisation. Je  suis venu à la conclusion qu’il m’était impossible, dans ces circonstances, de rester à mon poste.“

Einzig ein Rücktritt weil er sich übergangen fühlt, brüskiert gar davon, einen Supervisions-Manager der ‚Transformation‘ zur Seite gestellt zu bekommen?

Geht er – oder wurde er gegangen?
Letzteres wurde von der französischen Zeitschrift ‚Marianne‘ angedeutet, im Kontext der ‚Carlagate‘-Vorwürfe um die zweifelhafte Verwendung von Aids-Geldern. Hillary Clinton selbst solle seinen Rücktritt gefordert haben. Der Fonds dementiert einen Zusammenhang.

Geht er – weil der Globale Fonds mehrfach ins Gerede gekommen ist wegen unklarer Mittelverwendung? Weil Deutschland und Schweden Zahlungen stoppten? Weil eine Fonds-interne Arbeitsgruppe eine Verschärfung interner Kontrollen forderte?

Oder liegt ein Hintergrund in dem, was sowohl Kazatchkine als auch der Fonds selbst (in seiner Pressemeldung zur Benennung Jaramillos) als „Transformation“ bezeichnen? Der Fonds spricht von einem „Consolidated Transformation Plan“ und

„changes to risk-management, governance and oversight to ensure the institution manages donor resources as efficiently and safely as possible“.

Und der neue Direktor Jaramillo beschreibt seine Aufgaben bei dieser ‚Transformation‘ selbst mit den Worten

„My priorities at the Global Fund are to achieve maximum efficiency, accountability and concrete results that save lives. … In essence, we will start with a reorganization that emphasizes simplicity, discipline and rigor, with grant-management as the core activity of the institution.“

Effizienz, Zurechenbarkeit, Haftungsfragen, Zuwendungs-Management – Begriffe, die Minister Niebel sicher gerne hört.

Begriffe die auf eine weitere Frage weisen:
Steht im Hintergrund ein beabsichtigter Wechsel der Strategie des Fonds? Kazatchkine selbst soll derlei angedeutet haben, Anfang diesen Jahres auf einer Veranstaltung des französischen außenpolitischen Monats-Magazins ‚Le Monde diplomatique‘. Er warnte einem Pressebericht zufolge  vor einer „zu amerikanischen Strategie des Fonds, ausgerichtet auf die Wünsche und Bedürfnisse der Geberländer“. Wohlgemerkt, Interessen der Geberländer – nicht der Empfängerländer, der Staaten, in denen Aids bekämpft, Menschen mit HIV unterstützt werden sollen.

Könnte dieser Wechsel seinen Ausdruck auch darin finden, dass statt des klinischen Immunologen Kazatchkine nun – ausgerechnet ein Mann der Finanzwelt, ein jahrzehntelanger Banker benannt wurde?

Ist ein Mann der Finanzwelt – wie ACT UP Paris fragt – gerade jetzt der richtige an der Spitze der mittelstärksten Aids-Hilfsorganisation weltweit? Sind Management-Praktiken wie verbessertes Risikomanagement oder Zuwendungsmanagement tatsächlich die Kern-Aufgaben und zentralen Kompetenzen, die derzeit benötigt werden, und die an der Spitze des Globalen Fonds benötigt werden, um den internationalen Kampf gegen Aids (der beginnt erste deutlich sichtbare Früchte zu tragen) erfolgreich fortzusetzen?

Oder bräuchte der Kampf gegen Aids, bräuchten die Millionen Menschen mit HIV weltweit nicht gerade jetzt einen Fonds, der – auch und gerade in der Position seines Direktors – ihre Interessen und Lebensbedingungen in den Vordergrund stellt?
Bräuchten die Millionen HIV-Infizierten, Malaria-Kranken, Tuberkulose-Kranken nicht einen Direktor des ‚Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose‘, der bereit ist, statt Rentabilität, Patenten, Pharmaindustrie und Geberländer-Interessen die Priorität auf der Verbesserung der Qualität der Maßnahmen des Fonds zu setzen, auf den Nutzen für die Menschen – die Millionen Menschen, die mit HIV leben oder davon bedroht sind, mit/von Malaria oder Tuberkulose?

Der Rücktritt Kazatchkines wirft Fragen auf, weit mehr als eine.
Wir täten gut daran, nachzuforschen, nachzufragen.
Nach dem Warum, nach den Hintergründen des Rücktritts.

Fragen danach, was hat zukünftig Priorität im weltweiten Kampf gegen Aids?
Interessen der Geberländer oder der Empfängerländer?
Rentabilität der Mittel oder Nutzen für möglichst viele Infizierte und Erkrankte?
Wir sollten nachfragen.
Im Interesse der Menschen mit HIV, Malaria und Tuberkulose – hier und weltweit.

 

Globaler Fonds: Kazatchkine kündigt Rückzug an, Jaramillo neuer General Manager (akt.2)

Michel Kazatchkine, bisher Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, wird Mitte März 2012 von seinem Amt zurück treten. Dies berichteten am späten Montag Dienstag Abend französische Medien.

Der französische Immunologe Kazatchkine ist seit Februar 2007 Direktor des Fonds. Über seinen Rücktritt war im Rahmen  der ‚Carlagate‘-Affäre um vermeintliche veruntreute Aids-Gelder bereits spekuliert worden. Erst im Januar 2011 war Kazatchkine für drei weitere Jahre im Amt bestätigt worden. Er gilt als enger persönlicher Freund der französischen Präsidenten-Gattin Carla Bruni-Sarkozy.

zurückgetreten: Michel Kazatchkine, Direktor des Globalen Fonds (Foto: Global Fund)
zurückgetreten: Michel Kazatchkine, Direktor des Globalen Fonds (Foto: Global Fund)

Gleichzeitig kündigte der Globale Fonds die Nominierung von Gabriel Jaramillo als General Manager an. Die Position des General Manager wurde in der Organisation in dieser Form neu geschaffen, um „den Fonds in einer Periode des Übergangs bei der Fokussierung seines Risiko- und Zuwendungs-Managements zu unterstützen“.

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siehe auch Kommentar „Was hat Priorität in der globalen Aids-Bekämpfung? Oder: warum geht Michel Kazatchkine ?

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Aktualisierung
25.01.2012, 14:00: Auf seinem Blog auf Le Monde begründet Kazatchkine seinen Rücktritt. Er respektiere die Entscheidung des Fonds, einen Direktor für die Transformation einzusetzen. Er habe lange über die Konsequenzen für sich und für die Organisation nachgedacht und sei zu dem Schluß gekommen, dass es für ihn angesichts dieser Situation unmöglich sei, auf seinem Posten zu bleiben.
Das französische Homo-Internet-Portal Yagg weist in einem Bericht darauf hin, Hintergrund könnten zwei unterscheidliche Visionen von der zukünftigen Ausrichtung des Globalen Fonds sei., Kazatchkine habe bereits auf einer Veranstaltung von ‚Le Monde diplomatique‘ im Januar 2012 darauf hingewiesen, es drohe eine zu sehr amerikanische Vision beim Fonds dominierend zu werden, die zu sehr an den Interessen der Geberländer orientiert sei.

25.01.2012, 20:00: ACT UP Paris kritisiert die Nominierung von Gabriel Jaramillo und fordert seine sofortige Demission. Man wolle keinen Banker an der Spitze des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose.

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weitere Informationen:
GFATM 24.01.2012: The Global Fund appoints Gabriel Jaramillo as general mnager
Le Monde 24.01.2012: Démission de Michel Kazatchkine, patron du Fonds mondial contre le sida
Michel Kazatchkines Blog auf Le Monde 24.01.2012: Pourquoi je démissionne…
Yagg 25.01.2012: Pourquoi Michel Kazatchkine a-t-il démissionné du Fonds mondial?
ACT UP Paris 25.01.2012: Act Up-Paris exige la démission immédiate de Gabriel Jaramillo
DAH 25.01.2012: Führungswechsel beim Globalen Fonds
SpON 25.01.2012: Nach Korruptionsgerüchten: Chef von Aids-Fonds tritt zurück
allafrica.com 24.01.2012: Global Fund Executive Director Michel Kazatchkine to Resign
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Frankreich: Stiftung von Carla Bruni-Sarkozy in Skandal um Aids-Gelder verwickelt ? (akt.2)

Steht die Stiftung der französischen Präsidenten-Gattin Carla Bruni-Sarkozy im Mittelpunkt eines internationalen Finanzskandals? Ein enger Freund Carla Brunis soll auf ihre Veranlassung Millionenbeträge des Globalen Aids-Fonds erhalten haben, so das französische Wochenblatt ‚Marianne‘. Die Stiftung weist alle Vorwürfe zurück. Auch der Globale Fonds dementiert.

Die französische Wochenschrift ‚Marianne‘ (Ausgabe 7. – 13. Januar 2012) wirft der Stiftung von Carla Bruni-Sarkozy, Ehefrau des französischen Staatspräsidenten Sarkozy, vor, Mittel in Millionenhöhe an Firmen eines engen Freundes von Carla Bruni weitergeleitet zu haben:

„3,5 Millionen $ wurden durch den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids bezahlt, am Rande der Legalität und ohne jegliche Ausschreibung, auf Anforderung der First Lady an mehrere Firmen eines ihrer Freude überwiesen. Der Musiker und Unternehmer Julien Civange ist der wichtigste Berater von Carla Bruni-Sarkozy, er wird offiziell im Organigramm der Stiftung geführt und hat ein Büro im Elysee-Palast (…). Er war Trauzeuge der Hochzeit von Carla Bruni-Sarkozy.“

Den Vorwürfen liegen mehrmonatige Untersuchungen bei den Vereinten Nationen zugrunde, die ‚Marianne‘ verwendet. Bekannt geworden sei der Skandal Ende November 2011 bei einer Vorstandssitzung des Globalen Fonds in Ghana. Politiker höchster Ebene sollen sich dem Blatt zufolge mit dem Skandal bereits befasst haben. Die Abberufung des Botschafters Frankreichs in Ghana soll damit in Zusammenhang stehen, ebenso wie die geplante Demission des Generaldirektors des Globalen Fonds, Michel Kazatchkine. Der französische Immunologe Kazatchkine ist seit Februar 2007 Direktor des Fonds; er gilt als enger Freund Carla Bruni-Sarkozys. Hillary Clinton solle seinen Rücktritt gefordert haben, dieser solle am 21./22. Mai erfolgen – kurz nach der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Präsident Sarkozy solle in diesem Sinne auf höchster Ebene in Washington interveniert haben.

Die Stiftung befinde sich nun in einer „Sackgasse“. Konkrete Maßnahme der Stiftung gegen Aids seien rar.

Die Carla Bruni-Sarkozy Stiftung dementierte die Vorwürfe. Der Vorwurf, die Stiftung habe öffentliche Gelder [Mittel öffentlicher Partner] erhalten, entbehre jeglicher Grundlage. 2.2 Millionen $ des Globalen Fonds seien im Rahmen seines normalen Budgets verwendet worden, um 2010 eine HIV-Informationskampagne unter Einbeziehung von Frau Bruni-Sarkozy durchzuführen, bestätigte der Globale Fonds einem Bericht von ‚Le Monde‘ zufolge. Alle Regeln und Prozeduren des Fonds seien bei Verträgen mit mehreren Firmen im Rahmen dieser Kampagne eingehalten worden. Kein Centime sei direkt an die Stiftung Carla Bruni-Sarkozy geflossen. Die Demission des Direktors des Globalen Fonds stehe in keinem Zusammenhang mit den Vorwürfen von ‚Marianne‘.

Carla Bruni-Sarkozy 2008 (Foto: Remi Jouan)
Carla Bruni-Sarkozy 2008 (Foto: Remi Jouan)

Carla Bruni-Sarkozy, deren Bruder Virginio 2006 im Alter von 46 Jahren an den Folgen von Aids gestorben ist, wurde 2008 Botschafterin des Globalen Aids-Fonds GFATM. Und sie gründete im April 2009 die Carla Bruni- Sarkozy Stiftung unter dem Dach der Fondation de France. Diese Stiftung hat zum Ziel, ökonomisch benachteiligten Menschen Zugang zu Kultur zu verschaffen sowie die Analphabetenrate zu senken. Zudem engagiert sie sich u.a. für Sidaction, eine französische Aids-Organisation.

Gegenüber der FAZ erläuterte sie 2009 ihr Engagement

„Ich widme mich besonders der Aids-Vorsorge für Frauen und Kinder, weil es da noch viel auszurichten gibt. Die Kommunikation, ja, die Aufklärungsarbeit ist besonders entscheidend, damit schwangere Frauen sich einem HIV-Test unterziehen. Ungeborene Kinder können noch im Mutterleib vor einer Übertragung geschützt werden. Der Globale Fonds verfügt über die Medikamente, aber vielen Schwangeren, gerade in Afrika, fehlt noch der Reflex, sich testen und im Bedarfsfall behandeln zu lassen. Wenn ich dank meiner Rolle, vielleicht auch dank meiner Bekanntheit, dazu beitragen kann, dass sich das ändert, dann habe ich viel erreicht.“

In Frankreich findet derzeit der Präsidentschafts-Wahlkampf statt. Nicolas Sarkozy, Ehemann von Carla Bruni-Sarkozy bewirbt sich um die erneute Wahl als Präsident.

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Aktualisierung
07.01.2012, 17:00: ‚Marianne‘ entgegnet den Äußerungen Bruni-Sarkozys, das Blatt habe nie behauptet, ihre Stiftung habe Gelder des Globalen Fonds erhalten [Marianne hatte im ersten Artikel behauptet, Bruni-Sarkozy habe Zahlungen des Fonds an Firmen eines ihr sehr nahe stehenden Freundes veranlasst, s.o.]. Der Globale Fonds hingegen bestätige in seiner Stellungnahme die von ‚Marianne‘ genannten Zahlungen, wenn auch ein Unterschied des Betrages bleibe [Marianne nennt 3,5 Mio. $, GFATM spricht von 2,8 Mio. $]. Man erwarte vom GFATM transparent Aufschluss über die Zahlungen.
Radio France Internationale bemerkt in einem Bericht, der Globale Fonds habe Zahlungen in Höhe von 580.000 € an Civange und vier Kollegen, die die Kampagne gemeinsam durchführten, bestätigt.
11.01.2012, 06:00: „Bombe oder Rohrkrepierer“, fragen französische Medien sich und ihre Leser/innen angesichts der brisanten Vorwürfe, die ‚Marianne‘ drei Monate vor den französichen Präsidentschaftswahlen äußerte. Andere Medien sprechen bereits von ‚Carlagate‘.

25.01.2012, 08:45: Am 24. Januar 2012 kündigte GFATM-Direktor Katzachkine seinen Rückzug für Mitte März 2012 an.

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weitere Informationen:
Marianne 06.01.2012: Exclusif : Carla Bruni au coeur d’un scandale international
Marianne 7 Frédéric Martel: Une longue investigation dans plusieurs pays (pdf)
Le Monde 07.01.2012: Carla Bruni-Sarkozy dément que sa fondation ait touché de l’argent public
Reuters 06.01.2012: AIDS group rejects allegations against France’s Bruni
Fondation Carla Bruni-Sarkozy und Droit de réponse par Carla Bruni-Sarkozy
FAZ 01.12.2009: Carla Bruni im Gespräch – „Die Verteufelung von Aids führt zur Nichtbehandlung“
GFATM 06.01.2011: Global Fund says french magazine report is inaccurate and misleading
Marianne 07.01.212: Carla Bruni-Sarkozy et le Fonds mondial de lutte contre le sida répondent à l’enquête de Marianne
Radio France Internationale 07.01.2012: Carla Bruni-Sarkozy charity accused of handing Aids fight funds to friends
Liberation 06.01.2012: Carla Bruni-Sarkozy se défend de toute malversation
SonntagsZeitung 08.01.2012: Affäre Carla Bruni: Die Première Dame Frankreichs soll einen engen Vertrauten begünstigt haben
Mirror 08.01.2012: France’s first lady Carla Bruni in £2m Aids donation sleaze allegation
Tagesschau 10.01.2012: Präsidentengattin in der Kritik – Stolpert Sarkozy über Carlagate?
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Kurz notiert … November 2011

28. November 2011: Der Phamakonzern Gilead hat von der EU-Kommission die Zulassung für eine Kombinationspille aus den Wirkstoffen Emtricitabine, Rilpivirine und Tenofovir erhalten. Sie soll unter dem Handelsnamen Eviplera® vermarktet werden.

22. November 2011: Danielle Mitterand, Ehefrau des früheren französischen Präsidenten Francois Mitterand (und sein „linkes Gewissen“), ist tot. Über ihre Stiftung setzte sie sich immer wieder auch für HIV-Infizierte, insbesondere in Afrika, ein.

Das Robert-Koch-Institut RKI informiert über seine Geschichte zwsichen 1933 und 1945.

21. November 12011: Gilead baut seine Marktmacht weiter aus und erwirbt Pharmaset – ein hierzulande weitgehend unbekanntes Unternehmen, das zahlreiche neue Substanzen gegen Hepatitis C in der Entwicklung hat.

20. November 2011: Aids sei „in erster Linie ein ethisches Problem“, meint ein von Papst Benedikt XVI. unterzeichnetes Abschlussdokument der vatikanischen Bischofssynode zu Afrika. Nötig seien sexuelle Enthaltsamkeit und Treue in der Ehe.

15. November 2011: In Kasachstan sind offiziellen Angaben zufolge insgesamt 17.266 Menschen mit HIV infiziert, 1.432 von ihnen sind an Aids erkrankt.

Das CHMP der europäischen Arzneimittelbehörde EMA hat bereits am 20. Oktober 2011 die Zulassung einer ersten generischen Version von Efavirenz empfohlen. Efavirenz wird bisher unter den Handelsnamen Sustiva® und  Stocrin®vermarktet.

Die krankenkasse KKH hat einen Rabattvertrag über 5 HIV-Medikamente mit einem Pharmakonzern abgeschlossen.

14. November 2011: Prof. Gabriele Arent (Düsseldorf) fasst in einem Artikel für SpON die Suituation und aktelle Forschugn zum Thema „HIV und Gehirn“ zusammen.

11. November 2011: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat die für 2012 ursprünglich vorgesehenen Kürzungen bei der Prävention im Bereich HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen teilweise zurückgenommen.

10. Nobvember 2011: Dänemark entfernt HIV aus Artikel 252 des Strafgesetzbuches – scheint aber andere die HIV-Übertragung kriminalisierende Regelungen vorzubereiten.

8. November 2011: Für ihre Verdienste wird Gaby Wirz mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

7. November 2011: Die US-Arzneimittelbehörde FDA warnt vor (vermutlich seltenen) schweren Hautreaktionen bei Anwendung von Raltegravir (Handelsname Isentress®).

5. November 2011: Vier von fünf HIV-Patienten weltweit werden mit Aids-Medikamenten des Pharmakonzerns Gilead Sciences behandelt, berichten Finanz-Analysten.

4. November 2011: Der Conseil national du sida (CNS), das 1989 gegründete höchste Beratungsgremium der französischen Politik in Aids-Fragen, unterstützt Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer. Diese sei geeignet, Mittel für die weltweite Aids-Bekämpfung zu generieren.

3. November 2011: Jeff Crowley, Director of the Office of National AIDS Policy and Senior Advisor on Disability Policy im Weißen Haus und „Aids-Zar“ von US-Präsident Obama, hat seinen Rückzug erklärt.

Bundesentwicklungsminister Niebel sieht sich durch jüngst vorgelegte Prüfberichte des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) bestätigt und fordert Reformen.

2. November 2011: Eine neue Regelung untersagt HIV-Positiven in Swasiland, als Pilot zu arbeiten. HIV-Aktivisten in dem afrikanischen Binnenstaat protestieren.

„Anfangs wurden wir für verrückt erklärt“

Der Psychologe Veriano Terto Jr. der Brasilianischen Interdisziplinären Aids Assoziation ABIA aus Rio de Janeiro und Andreas Wulf, medizinischer Leiter bei der Hilfsorganisation medico international im gemeinsamen Gespräch über HIV/ Aids und Patientenbeteiligung im deutschen und brasilianischen Gesundheitssystem.

Die Aidsbewegung in Brasilien ist sehr stark. Sie gilt weltweit als Vorbild. Der Zugang zu den lebenswichtigen Medikamenten zur Behandlung von HIV/ Aids wird in Brasilien staatlich gewährleistet. Wie kommt das?

Veriano: Aktivisten der Schwulenbewegung schlossen sich früh solidarisch zusammen. Wir haben Aids von Beginn an als Krise verstanden, die soziale und politische Antworten erfordert. In den 1990er Jahren gab es in Brasilien eine neue Regierung nach Jahrzehnten der Militärdiktatur. Viele soziale Bewegungen engagierten sich für eine neue demokratische Verfassung. Die Gesundheitsbewegung trat auch für das Recht auf Gesundheit ein. Das Recht wurde anerkannt und steht jetzt als solches in der Verfassung. Andererseits ist es auch heute noch eine große Herausforderung, dieses Recht auch tatsächlich für alle umzusetzen.

Wie hat die Aidsbewegung zur Demokratisierung des Rechtes auf Gesundheit beigetragen?

Veriano: Wir klagten gegen die Regierung, damit sie den Zugang zu Medikamenten gewährleistet. Dabei verstanden wir uns nicht als hilflose Patienten, sondern als Bürger, die sich aktiv für ihr Recht einsetzen, das ja auch so in der Verfassung festgeschrieben ist. Die Gerichte erkannten unsere Bedürfnisse an. Das Verfassungsrecht steht über Regierungs- oder Konzerninteressen und gilt als universeller Maßstab für Gerechtigkeit. Daher beziehen wir uns darauf.

.]Veriano Terto Jr. (ABIA) und Andreas Wulf (medico international) 2010 [Foto: Anna Weber]Das klingt ideal. Hängt die Umsetzung von Rechten nicht auch davon ab, wie stark die Bevölkerung sie einfordert?

Andreas: Ganz klar müssen Rechte erstritten werden. Du kannst allerdings niemanden dazu zwingen. Ob jemand den Kampf für das Recht auf die eigene Gesundheit politisch aufnimmt oder sich anders mit der eigenen Krankheit auseinandersetzt ist individuell unterschiedlich. Dabei spielt die Persönlichkeit oder der Grad der Reflektion eine Rolle. Auch im Fall einer Krebserkrankung ermächtigen sich einige Menschen und treten aktiv ein für gesunde Lebensbedingungen und für die eigene Gesundung. Es ist aber genauso legitim, sich nicht permanent mit der Krankheit auseinandersetzen zu wollen. Viele verstehen eine Behandlung als Dienstleistung, ohne sich über den Krebs identifizieren zu wollen.

Veriano: Für uns ist das Teil der politischen Bewusstseinsbildung. Durch den Streit um Zugang zu Medikamenten und um eine Einbeziehung aller entsteht ein Selbstverständnis als Bürger. Dabei geht die Beteiligung am staatlichen Gesundheitswesen weiter. In Brasilien entscheiden wir über die öffentliche Geldvergabe mit und üben Einfluss auf die Bildungs-, Gesundheits- und sogar auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik aus. Unser Druck auf die Regierung greift auch hinein in die internationale Handelspolitik.

Brasilien produziert als Vorbild für viele Länder Generikamedikamente in öffentlichen Unternehmen. Wie kam es dazu?

Veriano: Die Medikamente der zweiten Generation wurden patentiert, durch die Patente stiegen die Preise ab dem Jahr 2000 extrem an. Somit wurde der internationale Handel und Patentrechte zum Thema der Aidsbewegung. Aktuell werden also acht von achtzehn Medikamenten in öffentlicher Hand in Brasilien kostengünstig produziert. Das ist wenig, aber ein Erfolg. Für ein Schlüsselmedikament konnte eine Zwangslizenz durchgesetzt werden, die Preise sanken auf die Hälfte des Marktpreises. Jetzt arbeitet ABIA mit Partnern aus Indien, Thailand oder Südafrika zusammen, um gemeinsam gegen Patente und die Folgen in Form von tödlichen Preisen zu kämpfen. Medico international unterstützt unsere Arbeit und finanziert eine Internetplattform für die Vernetzung.

Andreas: Viele Länder nutzen die Flexibilitäten nicht, die das internationale Patentrechtsabkommen über die Rechte an geistigem Eigentum gewährt (TRIPS-Abkommen). Sie beugen sich internationalem Druck, der aus anderen Ländern kommt.

Wie vermittelt sich dieser internationale Druck?

Andreas: Über multilaterale oder bilaterale Handelsabkommen, über die diese Länder mit den USA oder der EU verhandeln, um im Gegenzug Zugang zu Märkten zu bekommen und ihre Produkte absetzen zu können. Diese Verhandlungen sind nicht transparent und für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Wenn etwa die EU über ein Abkommen mit Indien verhandelt streitet das Netzwerk Health Action International für mehr Transparenz. Medico international ist Mitglied in diesem Aktionsnetzwerk.

Weltweit bekommen fast 60% der HIV/ Aids-Infizierten noch immer keinen Zugang zu den überlebenswichtigen Medikamenten. Was sollte getan werden?

Veriano: Das ist einfach: Mehr Medikamente produzieren, um mehr Menschen versorgen zu können. Mehr Fabriken bauen und das Angebot von kostengünstigen Medikamenten ausweiten. Es ist wichtig, den Aufbau von lokalen und nationalen Gesundheitssystemen dadurch zu stärken.

Andreas: Der Entwicklungsminister Niebel von der FDP will deutsche Entwicklungsgelder verstärkt bilateral vergeben , das heißt in direkten Programmen mit einzelnen Ländern. Damit löst er sich aus den internationalen Vereinbarungen über den Global Fund to Fight Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) und orientiert sich an vermeintlichen deutschen Interessen. Diese sind, aus Sicht der FDP, vorrangig Unternehmensinteressen. Dagegen steckt hinter dem GFATM ein gemeinsamer Abstimmungsprozesse, der gestärkt und nicht geschwächt werden muss. Niebel macht eine dramatische Rolle rückwärts, wenn wir ihn nicht aufhalten.

In Brasilien wird das Gesundheitswesen kollektiv verwaltet und nicht auf den Markt vertraut. Gibt es Streit zwischen den verschiedenen beteiligten Gruppen?

Veriano: Es gibt komplizierte, weniger komplexe und einfache Krankheiten. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, wie viel Ressourcen für was ausgegeben werden. Die verfassungsgemäßen Prinzipien von Universalität und Gleichheit im Zugang zu Medikamenten stehen aber über allem. Sie dürfen nicht gebrochen werden und dienen bei allen Entscheidungen als Orientierung .

Andreas: Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, wie das Recht auf Gesundheit umgesetzt wird. Soll eine Physiotherapie bezahlt werden oder die Ausgaben für chronisch kranke Patienten, damit diese besser leben können? Wichtig ist, dass Gesundheit nicht zu einer Ware wird, die nur noch die Kranken mit ausreichend Kaufkraft bekommen. Mit Gesundheit dürfen keine Profite gemacht werden; Gesundheit ist ein öffentliches Gut, das von allen getragen wird und allen zu Gute kommen muss.

Veriano: Anfangs wurden wir für verrückt erklärt, als wir Aids und HIV den Kampf in Brasilien ansagten. Die Leute fragten, wie wir einen universellen Zugang zu Prävention und Behandlung fordern könnten, wenn es nicht einmal genug Aspirin, Antibiotika und Toilettenpapier in Brasilien gibt. Wir haben gezeigt, dass es geht. Wir wollen alles und zwar jetzt.

Wie kann man eure Erfahrungen der Aidsbewegung im Kampf um einen universellen Zugang zu Gesundheit weltweit übertragen?

Veriano: Das hängt von einer Stärkung des öffentlichen Systems und seiner Gestaltung ab. In Brasilien kommt das Gesundheitssystem durch die soziale Kontrolle der Allgemeinheit zu Gute. Gesundheitsräte und Konferenzen koordinieren auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene eine öffentliche Beteiligung und Kontrolle am Gesundheitssystem. Die Menschen, die daran teilnehmen sind Experten in eigener Sache. Sie erfahren täglich das Gesundheitssystem und kennen die Stärken und Schwächen des Systems. Sie sind Gemeindeaktivisten, vor allem aus den armen Stadtgebieten, Betroffene, wie die Aids-Aktivisten, aber auch Dienstleistende. Sie arbeiten branchenübergreifend zusammen, auch von Praxen, Klinken, Vertreter verschiedener Forschungsrichtungen, öffentliche und private Unternehmen.

Wie kann eine Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen funktionieren? Wie kann ich die individuelle Sorge um mich selbst mit dem Gemeinsamen verbinden?

Andreas: Gesundheit betrifft jeden und sollte nicht den Experten überlassen werden. Eine wichtige Voraussetzung für gemeinsame Partizipation ist ein funktionierender und gut ausgestatteter öffentlicher Sektor, in dem sich verschiedene Stimmen gleichberechtigt artikulieren können. Der Bedeutungsverlust des öffentlichen Sektors angesichts einer globalen Politik von Privatisierung, Kommerzialisierung und Korruption stellt sich als massives Problem dar.

Andreas, du bist ausgebildeter Arzt. Was heißt Partizipation für dich?

Andreas: Im praktischen Alltag eines Gesundheitsprofessionellen geht es mir darum, die eigene Professionalität zu entmystifizieren und das eigene Wissen zu teilen und nutzbar zu machen. Auch hier haben Menschen mit HIV und Aids wichtige Impulse gesetzt, für einen partnerschaftlichen Umgang in dem traditionell extrem hierarchischen Gesundheitsbereich.

Interview und Foto: Anna Weber

Medico International: www.medico.de, Brasilianischen Interdisziplinären Aids Assoziation ABIA: www.abiaids.org.br, Health Action International: www.haiweb.org.

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Herzlichen Dank an Anna Weber, die dieses Interview und Foto www.ondamaris.de unentgeltlich zur Verfügung stellte!

Globaler Fonds gegen Aids in Not: Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Minister Niebel zum Handeln auf

Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) befindet sich zurzeit durch die Nichteinhaltung von Geberzusagen in einer schweren Finanznot. Damit stehen Leben und Gesundheit von Millionen Menschen auf dem Spiel.

Angesichts dieser dramatischen Situation fordern das Aktionsbündnis gegen AIDS, Ärzte ohne Grenzen und die Deutsche AIDS-Hilfe Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) auf, seine zögerliche Haltung bei der Freigabe der Mittel für den GFATM aufzugeben und damit ein international unübersehbares Zeichen zu setzen. Die Freigabe der restlichen 100 Millionen für das Jahr 2011, die Niebel letzten Mittwoch verkündet hat, reiche bei weitem nicht aus. Deutschland sei zwar unschuldig an der aktuellen Verschlechterung der Finanzlage, habe aber eine Schlüsselrolle bei der Überwindung.

Dazu sagt Sylvia Urban, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe: „Der Globale Fonds braucht in der Not keine Nörgler, sondern starke Freunde! Deutschland muss umgehend die bereits zugesagten 400 Millionen für die nächsten zwei Jahre garantieren. Darüber hinaus muss die Bundesregierung die deutschen Mittel deutlich erhöhen. Um sich in angemessener Höhe an der Deckung des dringlichen Finanzbedarfs zu beteiligen, müsste der Beitrag mindestens verdoppelt werden. Es ist absolut inakzeptabel, dass auf lebenswichtige Medikamente angewiesene Menschen von Jahr zu Jahr zittern müssen, ob die Behandlung fortgesetzt wird.“

Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, erklärt: „Bereits heute ist in manchen Ländern wie Kamerun und Simbabwe die Versorgung mit den lebensnotwendigen HIV-Therapien gefährdet. Neue Patienten können in vielen Ländern nicht aufgenommen werden. In der aktuellen Krise des Globalen Fonds muss Deutschland ein positives Zeichen setzen.“

Der GFATM ist in die finanzielle Krise geraten, weil immer mehr Einzahlungen durch die Geberländer wegbrechen. Diese finanzielle Unsicherheit hat nun dazu geführt, dass der GFATM die geplante neue Finanzierungsrunde für die Länder gestrichen hat. „Das bedeutet, dass die dringlichen Behandlungs- und Präventionsprogramme nicht ausgeweitet werden können. Damit stehen Menschenleben auf dem Spiel, denn immer noch warten bis 8 Millionen Menschen auf lebensrettende HIV/Aids-Medikamente“, sagt Dr. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für ärztliche Mission e.V., das Rechtsträger des „Aktionsbündnis gegen AIDS“ ist.

Entwicklungsminister Niebel hatte die deutschen Beiträge Anfang 2011 auf Eis gelegt, nachdem der GFATM selbst die Unterschlagung von Fördermitteln in vier Ländern öffentlich gemacht hatte. Inzwischen hat eine unabhängige Expertenkommission die Vorgänge untersucht und dem GFATM empfohlen, eine Reihe von organisatorischen Weiterentwicklungen durchzuführen. Sie hat ausdrücklich bekräftigt, dass der Fonds ein unverzichtbares und wirksames Finanzierungsinstrument ist. Daraufhin hat der Verwaltungsrat des Fonds einen Aktionsplan beschlossen, der diese und weitere Vorschläge aufnimmt. Für eine erfolgreiche Umsetzung wird es verlässliche Partner brauchen, die der Bekämpfung der verheerendsten Epidemien die oberste Priorität beimessen.

Niebel, der in der Entwicklungshilfe bekanntlich verstärkt auf bilaterale Maßnahmen setzen möchte, beharrt darauf, die Mittel für 2012 und 2013 nur dann auszuzahlen, wenn die beschlossenen Reformmaßnahmen im nächsten Jahr umgesetzt werden. Deutschland darf aber nicht die Rolle des Beobachters und Kontrolleurs einnehmen, sondern muss die Arbeit des Fonds als gemeinsame Verantwortung begreifen. Eine feste Zusage der zugesagten Beiträge für die kommenden Jahre wäre ein erster Schritt. Deutschland sollte den eigenen Beitrag in dieser schwierigen Situation aufstocken und damit ein überzeugendes Zeichen für die anderen Geberländer setzen, das ihre zu tun.

Das Aktionsbündnis gegen AIDS vertritt über 100 Nichtregierungsorganisationen der HIV/Aids- und Entwicklungszusammenarbeit sowie über 280 Basisgruppen in Deutschland.

Die Deutsche AIDS-Hilfe ist der Dachverband von rund 120 HIV/Aids-Organisationen und -Einrichtungen in Deutschland.

Ärzte ohne Grenzen ist eine weltweit tätige Nothilfeorganisation, die in zahlreichen Ländern Menschen mit HIV-Therapien versorgt. 1999 wurde Ärzte ohne Grenzen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

(Pressemitteilung DAH)

Kurz notiert … Oktober 2011 / 2

28. Oktrober 2011: Die Pharmakonzerne BMS und Gilead haben angekündigt, an einer mit Gileads Cobicistat geboosteten Version des BMS- Proteasehemmers Atazanavir zu arbeiten. Dies würde ein Boosten mit Ritonavir nicht mehr erforderlich machen.

26. Oktober 2011: Bedenken, eine antiretrovirale Therapie gegen HIV sie bei Viren, die einem anderen Subtypen als B angehören, weniger wirksam, sind unbegründet, zeigt eine Schweizer Studie.

In Ohio (USA) wurde bei einem HIV-positiven Mann Mycobacterium Leprae diagnostitziert, der Lepra auslösende Erreger.

Weniger als die Hälfte der französischen HIV-Positiven hat einen Arbeitsplatz, berichtet Tetu über eine Umfrage von Aids.

25. Oktober 2011: HIV-positiv zu sein bedeutet auch für Chirurgen nicht das Karriere-Ende.

20. Oktober 2011: Der Globale Fonds hat Zahlungen an Mali wegen Zweckentfremdung gestoppt.

19. Oktober 2011: Dass „Fisch Pediküre“ („Knabberfische„) zu einer Übertragung von HIV oder Hepatitis C führt, ist sehr unwahrscheinlich, sagt HPA.

Die Europäischen HIV-Therapie-Richtlinien wurden aktualisiert.

18. Oktober 2011: In den USA wurde ein 24-jähriger schwuler Mann wegen HIV-Übertragung verurteilt, obwohl er seinen Partner vorher über seine HIV-Infektion informiert hatte. Dies sei unerheblich, er habe keine Kondome benutzt.

London: ein evangelikaler Prediger empfiehlt, die Medikamente nicht weiter einzunehmen – die Folge: drei Tote an Aids, laut Bericht der BBC

17. Oktober 2011: In Basel wurde eine ACT UP Gruppe neu gegründet, um gegen den Pharmakonzern Novartis zu protestieren. Novartis klagt gegen Indien und indische Generika-Hersteller.

15. Oktober 2011: „Gare à tes fesses“ (etwa: Pass auf deinen Arsch auf), unter diesem Titel hat die Gruppe ‚Chrysalide‘ aus Lyon eine Gesundheits-Broschüre für Trans* herausgegeben.

Der ‚Osservatore‘ (die ‚offizielle‘ Vatikan-Zeitung) kritisiert die UNO für ihre Aids-Prävention.

Abschlussbericht des Globalen Fonds: Der Fonds soll nachhaltiger werden – Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten

Am 19.9.2011 hat eine unabhängige hochrangige Expertenkommission zur Überprüfung der Finanzaufsichts- und Kontrollmechanismen des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Kernaussage des Berichts ist die Anpassung der Arbeitsweise des Globalen Fonds von schneller Nothilfe in Richtung auf mehr Nachhaltigkeit und verstärkte Kontrollmechanismen.

Der Abschlussbericht bestätigt die zentrale Rolle des Globalen Fonds für die Rettung von Millionen Menschenleben: „Ein Scheitern des Fonds käme einer globalen Gesundheitskatastrophe gleich.“ (S.8 Abschlussbericht)

Der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Globalen Fonds begrüßt die Empfehlungen sehr und verspricht, die notwendigen Maßnahmen in dem bereits laufenden Reformprozess umzusetzen. Zu diesem Zweck wird der Verwaltungsrat am 26.9.2011 auf einer Sondersitzung einen Aktionsplan beschließen.

„Dieser Report liefert maßgebliche Vorschläge für die begonnenen Reformbestrebungen des Globalen Fonds. Diese sind zentral für die Menschen mit HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Die Offenheit der Diskussion wird Ergebnisse hervorbringen, die für die ganze Entwicklungszusammenarbeit ausschlaggebend werden“, begrüßt Joachim Rüppel, Sprecher des Aktionsbündnis gegen AIDS den Report. „Es ist wichtig, sich die Analysen und Schlussfolgerungen im Einzelnen anzusehen und den Reformprozess so schnell wie möglich voranzutreiben. Die Weiterentwicklung des Fonds muss eine gemeinschaftliche Aufgabe sein von Industrie- und Entwicklungsländern. Dabei ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung sich engagiert: inhaltlich und finanziell. Die noch ausstehenden deutschen Fonds-Beiträge für 2011 in Höhe von 100 Mio. Euro müssen endlich ausgezahlt werden und im Haushalt 2012 müssen mindestens die schon zugesagten 200 Mio. für den Fonds eingestellt werden. Jetzt kommt es darauf an, dass die Bundesregierung deutlich macht, dass sie in Zukunft wieder ein verlässlicher Partner des Globalen Fonds sein werden“, fordert Rüppel auf. „Wenn man die Forderung der Kommission nach mehr Nachhaltigkeit ernst nimmt, bedeutet dies auch eine langfristige und erhöhte Finanzierung des Fonds.“

Das Aktionsbündnis gegen AIDS stellt heute zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Stiftung Weltbevölkerung und one sein Anliegen direkt vor dem Entwicklungsministerium in Berlin vor. Vor einem Banner „Versprechen halten“ wird Dr. Sandy Harnisch vom Aktionsbündnis die Einschätzung des Reports aus der Sicht der Zivilgesellschaft erläutern.

Seit seiner Gründung vor neun Jahren ist der Globaler Fonds das weltweit wichtigste multilaterale Finanzierungsinstrument im Gesundheitsbereich geworden. Er ermöglichte ca. 3,2 Millionen Menschen Behandlung mit Aids-Medikamenten und 8,2 Millionen Menschen die Behandlung von Tuberkulose. Außerdem konnte der Globale Fonds 190 Millionen Moskitonetze zur Malariaprävention verteilen. Nicht gezahlte Gelder an den GFTAM bedeuten Planungsunsicherheit und gefährden den Fortbestand wichtiger Programme

(Pressemitteilung Aktionsbündnis gegen Aids)

SPD: Kanzleramt widerspricht Niebel – „keine Anhaltspunkte für Korruption“

Zu den jetzt veröffentlichten Einzelansätzen des Haushaltsplans 2012 und zur Nicht-Einstellung von Mitteln an den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, erklärt die zuständige Berichterstatterin in der SPD-Bundestagsfraktion Karin Roth:

Bundesentwicklungsminister Niebel hält am Wortbruch fest und korrigiert auch in den jetzt veröffentlichten Einzelansätzen zum Haushalt 2012 nicht seinen Fehler. Es werden keine 200 Millionen Euro jährlich bis 2013 für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM) im Haushalt des Ministeriums (Einzelplan 23) eingestellt. Dahinter steckt Methode. Der Minister verweist auf nicht aufgeklärte Fehlverwendungen von Geldern internationaler Geber, die jedoch – ausser Deutschland – ihren finanziellen Verpflichtungen weiter nachkommen.

Selbst die Bundeskanzlerin sieht alle von Dirk Niebel vorgeschobenen Begründungen gegen den Globalen Fonds als entkräftet. So schreibt Kanzleramtsminister Pofalla in der Antwort auf das Schreiben von der SPD-Fraktion an die Kanzlerin, Zitat: „Der Zwischenbericht der internationalen Expertenkommission sieht keine Anhaltspunkte für Korruption in den Strukturen des GFATM. […] Damit bestehen keine Anhaltspunkte, wonach Korruption beim GFATM selbst lebensrettende Hilfe für Bedürftige verhindert habe.“

Damit widerspricht das Kanzleramt den bisherigen Aussagen des Ministers. Es bleibt unverständlich, dass die für 2011 vom Bundestag verabschiedeten Mittel für den Globalen Fonds in Höhe von 100 Millionen Euro noch immer zurück gehalten werden. Dadurch werden allein in diesem Jahr 28.000 Menschenleben gefährdet.

Da alle Appelle an den Minister und die FDP an der persönlichen Abneigung des Ministers gegen den Globalen Fonds scheitern, fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Kanzlerin und die CDU/CSU-Fraktion auf, sowohl für die Freigabe der Mittel für das Jahr 2011 zu sorgen, als auch die entsprechenden Summen in den Haushalt für 2012 und 2013 einzustellen. Die Koalitionsfraktionen hatten dies bereits im vergangenen Jahr im Entwicklungsausschuss beschlossen und die Kanzlerin hat die Unterstützung auf dem UN-Millenniumsgipfel 2010 fest zugesagt.

(Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion)

Bundesregierung gefährdet Arbeit des Globalen Fonds

Im Entwurf des entwicklungspolitischen Einzelplans zum Bundeshaushalt 2012 wurden im vorgesehenen Titel zunächst keine Mittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria (Globaler Fonds) eingestellt. Es wird lediglich in einer Fußnote erwähnt, dass Mittel für den Globalen Fonds nachträglich noch in den Haushalt aufgenommen werden könnten. Während andere Länder ihre Verpflichtungen erfüllen, legt Deutschland die zugesagten Mittel für den Fonds weiter auf Eis und behindert damit dessen Arbeit durch mangelnde Planungssicherheit. „Mit ihrer zögerlichen Haltung schadet die Bundesregierung dem Fonds und damit dem wichtigsten Instrument im globalen Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose“, so die Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr.

Nachdem der Fonds zu Beginn des Jahres durch eigene Kontrollmechanismen Unregelmäßigkeiten bei der eigenen Mittelverwendung aufgedeckt hatte, wurde eine Kommission einberufen, um die Ursachen des Missbrauchs zu untersuchen. Ein Zwischenbericht der Kommission lässt bisher keine Rückschlüsse auf Korruption in den Strukturen des Fonds zu. Deutschland unterstützt die Arbeit des Globalen Fonds seit 2007 mit 200 Millionen Euro pro Jahr. Die Mittel für das zweite Halbjahr 2011, die im laufenden Haushalt vorgesehen sind, wurden noch nicht an den Fonds überwiesen.

Daneben sieht der Haushaltsentwurf auch Kürzungen bei den Vereinten Nationen und insbesondere beim Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) vor. Dazu Bähr: „Obwohl die Bundesregierung noch im Mai eine Familienplanungsinitiative ins Leben gerufen hat, setzt sie mit Kürzungen um 1,4 Millionen Euro bei genau der UN-Organisation an, die sich seit Jahren weltweit erfolgreich für Familienplanung einsetzt.“

(Pressemitteilung Stiftung Weltbevölkerung)

Kurz notiert … Juli 2011

26. Juli 2011: Alexander McQueen, am 11. Februar 2011 verstorbener britischer Modedesigner, hat aus seinem 16 Millionen Pfund umfassenden Nachlass 100.000 Pfund der britischen Aids-Organisation Terrence Higgins Trust vermacht.

25. Juli 2011: Dem Kondom-Hersteller Durex werden die Kondome knapp, aufgrund einer bereits seit Mai 2011 andauernden Auseinandersetzung mit einem indischen Lieferanten.

20. Juli 2011: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat dem Hepatitis-C- Proteasehemmer Boceprevir (Handelsname Victrelis®) die Zulassung erteilt.

18. Juli 2011: Der Pharmakonzern Abbott kündigt an, eine Kombi-Pille aus Kaletra® und 3TC zu entwickeln.

14. Juli 2011: Die Regionen in den USA mit den höchsten HIV-Infektionsraten zählen zugleich zu den ärmsten Regionen der USA, berichten US-Medien. In den am meisten von HIV betroffenen Regionen im Süden der USA lebe einer von fünf HIV-Positiven unterhalb der Armutsgrenze.

13. Juli 2011: Zwei große Studien zur Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) haben gezeigt, dass Tenofovir bzw. Tenofovir plus Emtricitabine das Risiko einer sexuellen HIV-Übertragung bei heterosexuellen Paaren um 62 bzw. 73% reduzieren können.

12. Juli 2011: Liza Minelli wurde zum ‚Offizier‘ der französischen Ehrenlegion ernannt, u.a. wegen ihrer Verdienste um die Aids-Bekämpfung. Die Ehrenlegion ist die höchste Auszeichnung Frankreichs.

11. Juli 2011: Australien: HIV-positiver Mann zu 3 Jahren Haft verurteilt wegen Gefährdung von 3 Frauen durch ungeschützten Sex. Keine der Frauen wurde mit HIV infiziert.

Wissenschaftler haben in Japan einen Gonorrhoe- (auch: Tripper) Stamm entdeckt, der gegen die eingesetzten Antibiotika resistent ist.

Jerry Herman, offen HIV-positiver Hollywood-Erfolgs-Komponist u.a. der Musicals „Hello Dolly“ oder „La Cage Aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren) wurde am 10. Juli 80 Jahre alt.

08. Juli 2011: Schweiz: eine 32jährige Frau aus Ostafrika wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer „teilbedingten Freiheitsstrafe“ von drei Jahren verurteilt. Falls das Urteil rechtskräftig wird, droht der Frau die Abschiebung aus der Schweiz.

05. Juli 2011: Millionen HIV-Positive, die auf günstige Aids-Medikamente angewiesen sind, werden sterben, falls Indien aufgrund des Handelsabkommens mit der EU aufhören muss, generische Aids-Medikamente herzustellen. Dies betont UNAIDS-Direktor Michel Sidibé.

04. Juli 2011: Eine Gruppe von 55 US-Ärzten fordert die US-Arzneimittelbehörde FDA auf, Truvada® nicht als ‚Präventions-Pille‚ zuzulassen.

03. Juli 2011: „Will Karel De Gucht be responsible for millions deaths ?“ EU-Handelskommissar Karel de Gucht wurde am frühen Sonntag Morgen von Aktivisten von ACT UP Paris geweckt (Video), die gegen die (von de Gucht vertretene) Position der EU in Handelsabkommen protestierten. Die Haltung der EU gefährde die Versorgung von Millionen HIV-Positiven mit preiswerten Generika.

02. Juli 2011: „Die gestoppten Gelder für den Globalen Fonds schnellstens freigeben“, fordert (nicht nur) die Deutsche Aids-Hilfe von Bundesentwicklungsminister Niebel.

01. Juli 2011: Der Schmuck der am 23. März 2011 verstorbenen Filmschauspielerin Elizabeth Taylor soll im Dezember 2011 versteigert werden. Der Erlös soll der Elizabeth Taylor Aids Foundation zugute kommen.

Einige Aids-Medikamente der Klasse der NRTIs können bei HIV-Positiven zu vorzeitiger Alterung beitragen. Die durch sie verursachten Veränderungen an den Mitochondrien könnten irreversibel sein, so Wissenschaftler.

Entwicklungsminister Niebel mahnt Globalen Fonds zur Eile

Bundes­ent­wick­lungs­minister Dirk Niebel begrüßte die Beru­fung eines unab­hängi­gen Panels zur Auf­klä­rung der gegen den Glo­ba­len Fonds zur Be­kämpfung von AIDS, Tuber­kulose und Mala­ria (GFATM) erhobe­nen Fehl­verwen­dungs- und Kor­ruptions­vor­würfe. Vertre­ten sein wird darin auch der von der Bundes­regie­rung vorge­schla­gene Vize­präsi­dent des Bundes­rech­nungs­hofs, Norbert Hauser.

Dirk Niebel sagte dazu heute in Pristina im Rah­men seiner Süd­ost­euro­pa­reise: „Der GFATM hatte bereits im Februar die Ein­richtung eines solchen inter­natio­nalen, hoch­rangig besetzten und unab­hängi­gen Panels zur Über­prü­fung der Finanz- und Kon­troll­mechanis­men ange­kündigt. Nun sind die Mit­glieder berufen, und der GFATM darf nicht weiter wert­volle Zeit verlieren. Die Unter­suchung muss unverzüg­lich beginnen. Die Vorwürfe müssen endlich aufge­klärt werden, denn Kor­rup­tion tötet!“

Niebel hatte aufgrund des lang­wieri­gen Verfahrens zur Auf­nahme der Prüfung in einem Brief an GFATM-Exe­kutiv­direk­tor Michel Kazatchkine und den Vor­sitzen­den des Ver­waltungs­rates, Tedros Adhanom Ghebreyesus, gefordert, dass bis Ende Juni ein Bericht des Panels mit belastbaren Aussagen zur derzeitigen und künftigen Gesamt­dimension der Mittel­fehl­verwendung vorliegen müsse.

„Ich werde nicht akzeptieren, dass Kranke unter einer schleppen­den Unter­suchung durch das Panel leiden. Deshalb muss ich mir ausdrücklich vorbehalten, bei einer weiteren Verzöge­rung die bisher für die Umsetzung über den Globalen Fonds eingeplan­ten Mittel über andere, weniger kor­ruptions­gefährdete Instru­mente zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuber­ku­lose einzusetzen“, sagte der Bundes­ent­wicklungs­minister.

Nach Bekannt­werden der Fehl­verwen­dungs- und Kor­ruptions­vorwürfe hatte Minister Niebel alle Aus­zahlungen an den GFATM bis zur voll­ständi­gen Aufklä­rung gestoppt. In der Zwischen­zeit hatte er mehrfach ein zügiges Vorgehen angemahnt, denn „selbstverständlich können wir keine Auszahlungen vornehmen, wenn nicht sicher­gestellt ist, dass alles unter­nommen wird, um zu verhindern, dass Gelder fehlgeleitet werden.“

(Pressemitteilung BMZ)

Globaler Fonds gibt Gremium zur Aufklärung von Korruptionsfällen bekannt

Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) begrüßt, dass der Globale Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria (Globaler Fonds) die Besetzung des Gremiums für die Aufklärung von Korruption bekannt gegeben hat. Die Kommission wird nach Aussagen des Fonds bis September die Missbrauchsfälle, die durch seine eigenen Kontrollmechanismen entdeckt und offen gelegt wurden, untersuchen. Deutschland hat nach Bekanntwerden dieser Fälle weitere Mittelauszahlungen sofort gestoppt und rechtliche Schritte zur Wiedererlangung der veruntreuten Gelder eingeleitet.

„Das unabhängige Gremium ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung maximaler Transparenz, denn Korruption ist nicht hinnehmbar“, so DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr. Auch der Bundesrechnungshof ist in dem Gremium vertreten. „Durch die aktive deutsche Beteiligung am Aufklärungsprozess hoffen wir, dass Deutschland als derzeit drittgrößter Geber des Globalen Fonds anschließend die Zahlungen wieder aufnimmt und damit seiner Verantwortung gerecht wird. Es gibt Millionen von Menschen, deren Leben auf die Gelder angewiesen ist. Deshalb ist es so wichtig, dass die Mittel vollständig dort ankommen, wo sie gebraucht werden.“

Derzeit erhalten 2,5 Millionen Menschen eine Behandlung durch Programme des Globalen Fonds. Die Korruptionsfälle betreffen Programme in vier der 145 Länder, die vom Globalen Fonds gefördert werden. Der Globale Fonds ist ein nachweislich effizientes Instrument zur Erreichung des UN-Millennium-Entwicklungsziels 6, indem er wichtige Aktivitäten im Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose ermöglicht. Der Haushalt des Globalen Fonds setzt sich aus Beiträgen der Geberländer und des privaten Sektors zusammen.

(Pressemitteilung DSW)