Neurokognitive Probleme: niedrigster CD4-Wert entscheidend

HIV-Positive, die jemals einen sehr niedrigen CD4-Wert hatten, haben ein erhöhtes Risiko für HIV-bedingte neurokognitive Störungen – unabhängig davon, ob ihre aktuelle HIV-Therapie gut wirksam ist.

Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, Demenz – Hirnprobleme und neurokognitive Störungen treten bei HIV-Positiven trotz Verfügbarkeit hochwirksamer Medikamente weiterhin vergleichsweise häufig auf. Warum – dies ist bisher weitgehend unklar. Die ‚Charter‘-Studie brachte weitere Ergebnisse.

Menschen, die jemals im Verlauf ihrer Infektion einen sehr niedrigen CD4-Wert hatten, haben den Ergebnissen der US-Studie an 1.525 HIV-Positiven zufolge ein erhöhtes Risiko, an neurokognitiven Störungen zu leiden. Dies gilt selbst, wenn sie antiretrovirale Therapie beginnen, und selbst wenn diese Therapie wirksam ist und ihr Immunstatus sich wieder verbessert hat.

‚Neurokognitiv‘ ist ein Begriff aus der Psychologie und beschriebt Vorgänge und Funktionen, die mit der menschlichen Erkenntnis- und Informationsverarbeitung (Wahrnehmung, Lernen, Erinnern, Denken) zusammenhängen.

Der jemals bei einem HIV-Positiven aufgetretene niedrigste CD4-Wert stand den Daten zufolge in einem starken Zusammenhang mit dem Risiko des Auftretens neurokognitiver Störungen.Unter denjenigen HIV-Positiven, die jemals einen CD4-Wetzt von unter 50 Zellen hatten, traten bei 60% Formen neurokognitiver Beeinträchtigungen auf. Selbst bei Positiven, die immer einen CD4-Wert über 350 Zellen hatten, lag die Rate noch bei 50%.

Ihre Studie zeige zudem, dass neurokognitive Störungen sich vermutlich auch durch wirksame Therapie nicht völlig zurückbilden, betonten die Forscher.

Auf eine Publikums-Frage während einer Präsentation der Studiendaten auf der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz in Wien im Juli 2010 sagte einer der Forscher, die Frage ob ein HIV-Positiver antiretrovirale Medikamente genommen habe, die in der Lage seien die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, habe auch nur eine  „mäßigen Einfluss“ auf die Ergebnisse gehabt.

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Psychische und neurokognitive Probleme treten bei Menschen mit HIV gehäuft auf, trotz hochwirksamer Therapien. Der unter HIV-Positiven gelegentlich zu hörende Begriff ‚HIV-Klatsche‘  lässt nur annähernd erahnen, welche Probleme, und welches Angst-Potential hinter diesem Problem stecken.

Aufgrund gut wirksamer Therapien erreichen Menschen mit HIV zunehmend ein höheres Lebensalter. Ihre Sorgen, durch HIV-bedingte Hirnstörungen zusätzlich beeinträchtigt zu werden, wachsen.

Die Schlussfolgerung der Forscher, früher mit der Therapie zu beginnen, mag ein Weg sein, Hirnschädigungen zu reduzieren. Insbesondere denjenigen HIV-Positiven, die bereits einmal in ihrem Infektionsverlauf einen sehr niedrigen CD4-Wert hatten, hilft diese Erkenntnis wenig. Die Erforschung möglicher, über Aids-Medikamente hinaus reichender Behandlungsansätze ist dringend erforderlich.

weitere Informationen:
Ellis R. et al.: Nadir CD4 is a predictor of HIV neurocognitive impairment (NCI) in the era of combination antiretroviral therapy (cART): results from the CHARTER study (abstract)
aidsmap 26.07.2010: Neurocognitive impairment linked to prior low CD4 cell count, even if on current suppressive HIV treatment
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