44% Schutz vor HIV-Infektion – Aids-Medikamente reduzieren in Studie HIV-Infektionsrisiko bei HIV-Negativen

Bei HIV-negativen Männern, die vorbeugend einmal täglich eine Kombinationspille zweier Aids-Medikamente einnehmen, kann die Rate neuer HIV-Infektionen um 44 Prozent reduziert werden. Dies fand eine internationale Studie heraus. Bei höherer Einnahme-Treue sei eine weit höhere Wirksamkeit möglich, so die Forscher.

Die Studie iPrEx (Pre-exposure Prophylaxis Initiative) ist die erste klinische Studie weltweit, die Daten zur Frage der Wirksamkeit von PrEP liefert. Als Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) wird bezeichnet die Einnahme von gegen HIV wirksamen Medikamenten durch HIV-Negative, bevor es zu einem möglichen Kontakt mit HIV kommen kann.

Bei iPrEx wurden 2.499 HIV-negative Männer, die Sex mit Männern haben, in einer kontrollierten und randomisierten Studie untersucht. Die Studie fand in neun Städten auf vier Kontinenten statt. Die Männer wurden nach dem Zufallsprinzip (‚randomisiert‘) in zwei Gruppen eingeteilt. Die Männer beider Gruppen erhielten gleich aussehende Pillen – eine Gruppe ein wirkungsloses Plazebo, die andere eine Kombinationspille aus den beiden Aids-Medikamenten FTC und Tenofovir.

Allen Männern wurde zu den Pillen gesagt wurde, sie sollten täglich eine einnehmen, und es gebe ein 50%iges Risiko, dass sie nur ein wirkungsloses Plazebo erhielten. Alle wurden angewiesen, sich an die Regeln des „safer Sex“ zu halten. Während der zweijährigen Studiendauer (bis Dezember 2009) wurden sie alle vier Wochen untersucht.

Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 27 Jahren. 68 Prozent stammten aus Peru oder Ecuador (dort startete die Studie zuerst). 54% der Teilnehmer gaben an, mehr als 5 alkoholische Getränke täglich zu sich zu nehmen.

100 Männer infizierten sich während der Beobachtungszeit mit HIV – 64 aus der Plazebo-Gruppe und 36 in der PrEP-Gruppe. Bei keiner der Personen, die sich mit HIV infizierten, wurden HIV-Medikamenten-Resistenzen festgestellt.

Bei Studienteilnehmer, die eine Adhärenz (sich an die Vorschriften der Medikamenteneinnahme halten) von über 50% berichteten, lag die Wirksamkeit der PrEP bei 50%. Bei über 90% Adhärenz stieg die Wirksamkeit auf 73%. Bei Teilnehmern, die bei Studienbeginn ungeschützten passiven Analverkehr berichteten, lag die Wirksamkeit bei 58%. Bei Studienteilnehmern, die keinerlei rezeptive („aufnehmende“) Sex-Praktiken angaben, war die Wirksamkeit negativ.

Bei den sich im Verlauf der Studie mit HIV infizierenden Teilnehmern sowie einigen weiteren Teilnehmern untersuchten die Forscher die Wirkstoffspiegel im Blut – und stellten eine Überraschung fest: nur bei 9% der Infizierten stellten sie Wirkstoff im Blut fest – und auch nur bei 51% der HIV-Negativen. Werte, die mit der (von den Teilnehmern selbst berichteten) Adhärenz nicht überein stimmten.

Auf dieser Basis errechneten (!) die Forscher, dass die Wirksamkeit dieser PrEP bei 92 bis 95 Prozent liegen würde, wenn sich alle Teilnehmer genau an die Vorschriften zur Einnahme der Medikamente gehalten hätten.

Während der Studie wurden nur wenige auf die Studiensubstanzen zurück zu führende Nebenwirkungen berichtet (Übelkeit; erhöhte Kreatinin-Werte)

FTC (Emtricitabine) wird unter dem Handelsnamen Emtriva® vermarktet, TDF (Tenofovir) unter dem Handelsnamen Viread®. Beide Substanzen kombiniert in einer Pille werden unter dem Handelsnamen Truvada® vermarktet. Hersteller aller drei Produkte ist der Pharmakonzern Gilead.

Die in der Studie verwendeten Medikamente wurden vom Hersteller Gilead unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Studie wurde finanziert von der ‚Division of Acquired Immunodeficiency Syndrome‘ (DAIDS) der National Institute of Allergy and Infectious Diseases, dem National Institutes of Health sowie der Bill and Melinda Gates Foundation.

Nachtrag
23.11., 17:20: Eine Studie mit unterschiedlichem Design ist in Frankreich in Vorbereitung. In der französisch-quebecischen Studie unter Leitung von Prof. Jean-Michel Molina sollen die Teilnehmer statt einer kontinuierlichen Medikamenten-Einnahme nur zwei Stunden nach Sex mit potentiellem Infektionsrisiko sowie nochmals 24 Stunden später einnehmen (also eine Form von PEP, nicht PrEP). Ob das Studiendesign angesichts der iPrEx-Ergebnisse nun modifiziert wird, ist bisher unklar.

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siehe auch Kommentar „iPrEx: 44% wirksame PrEP – erfreulich, aber viele Fragen sind offen

weitere Informationen:
New England Journal of Medicine online 23.11.2010: Preexposure Chemoprophylaxis for HIV Prevention in Men Who Have Sex with Men
Internetseite der Studie iPrEx www.globaliprex.net
aidsmap 23.11.2010: Anti-HIV drugs prevent HIV infection, trial shows – if you take them
Yagg 23.11.2010: VIH: Résultats mitigés pour le premier essai de traitement pré-exposition chez les gays
LifeLube 23.11.2010: Trial Shows AIDS Pill Can Prevent HIV Among Gay Men
Minorités 23.11.2010: Essai clinique IPrEx : quand l’espoir capote
New York Times 23.11.2010: Daily Pill Greatly Lowers AIDS Risk, Study Finds
DAH 09.11.2010: Schafberger schreibt: PREP-PREP-Hurra?
Advocate 23.11.2010: White House Talks HIV Prevention
queer.de 24.11.2010: Medikament senkt Risiko einer HIV-Ansteckung
SpON 24.11.2010: Aids-Medikament soll Ansteckungsrisiko senken
SZ 24.11.2010: Eine Pille gegen HIV
Tetu 24.11.2010: Un médicament pour se protéger du VIH? Prudence!
DAH 25.11.2010: HIV-Medikamente für Nicht-Infizierte?
Eric Sawyer 29.11.2010: What’s All the Noise About PrEP For?
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6 Gedanken zu „44% Schutz vor HIV-Infektion – Aids-Medikamente reduzieren in Studie HIV-Infektionsrisiko bei HIV-Negativen“

  1. Hm, jeden Tag Truvada zu schlucken, weil ich nicht weiß, was der Abend so bringt, erscheint mir ja wenig attraktiv, von möglichen Nebenwirkungen und Spätfolgen ganz zu schweigen…

  2. “ Bei Studienteilnehmern, die keinerlei rezeptive (”aufnehmende”) Sex-Praktiken angaben, war die Wirksamkeit negativ.“

    Kann ich das so verstehen: „Blümchensex“ plus PrEP erhöhen das Infektionsrisiko ?

  3. @ Andreas B.:
    dieser Passus beruht auf Tabelle 3 der NEJM-Publikation (risk URAI / URAI = unprotected receptive anal intercourse). nur in dieser gruppe lag die „hazard ratio“ über 1 – also keine Schutz-Wirkung von PrEP. kein schutz bedeutet nicht zwingend, dass eine risikoerhöhung durch PrEP auftritt.

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