sechs Monate auf Bewährung – Ein Biss, ein Test und die Angst

Ein Polizist wurde im Dienst von einer Frau gebissen. Aufgrund eines falschen HIV-Tests lebte er wochenlang mit der Angst, sich mit HIV infiziert zu haben. Die Frau wurde zu 6 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Es sah im Mai 2011 alles nach einem Routine-Einsatzz aus für den Betzdorfer Polizisten. Eine Frau, die aufgrund eines nicht funktionierenden Fahrkarten-Automaten in Rage geraten war, nahm er mit auf die örtliche Polizeiwache. Diese allerdings wollte wieder gehen und wehrte sich, als der Polizist sie daran hindern wollte – sie biss ihm in den Unterarm. Ob es zuvor auch zu einer Ohrfeige des Polzisten gekommen ist, blieb vor Gericht zweifelhaft.

Die unter Alkoholeinfluß stehende Frau wurde abgeführt, willigte schließlich in eine Blutentnahme ein.

Das nach zwei Wochen vorliegende Ergebnis war für den Polizisten ein Schock: die Frau sei mit HIV infiziert, so der Bericht des Labors. Auch das Blut des Polizisten wurde nun untersucht. Erst im November (aufgrund möglicher Inkubationszeit) war für ihn klar: er ist nicht mit HIV infiziert. Die Frau ebenfalls nicht – ein Folgetest zeigte, dass das erste Testergebnis falsch war.

Das Gericht kam zu einem klaren Urteil: „Polizisten dürfen nicht gebissen werden.“ Die Frau wrude zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Bissverletzungen und die Frage einer HIV-Übertragung landen selten vor der Justiz. Anfang 2007 stand in Potsdam der HIV-positive Dennis M. vor Gericht. Im Verlauf einer gewalttätigen Auseinandersetzung im Jahr 2005 soll er sich gewehrt und einen der Angreifer gebissen haben. Professor Dieter Neumann-Haefelin (Uniklinik Freiburg) sagte dem Magazin ‚Stern‘ zufolge damals

„Uns ist kein Fall bekannt, bei dem es zu einer Infektion gekommen ist, nachdem der Speichel eines HIV-Infizierten auf eine offene Wunde getroffen ist. Nur in äußerst seltenen Fällen kommen HI-Viren im Speichel vor.“

Dennis M. wurde damals freigesprochen. Er habe aus Notwehr gehandelt, so das Gericht.

HIV-Tests dürfen auch seitens der Polizei i.d.R. nur mit Einwilligung des/der Betroffenen durchgeführt werden.

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weitere Informationen:
Siegener Zeitung 15.12.2011: Routine-Einsatz mit Nachspiel – Polizist von Frau gebissen
Stern 25.01.2007: Prozess gegen HIV-Infizierten „Bin ich etwa eine Biowaffe?“
gaybrandenburg 2007: Es war Notwehr: Dennis Milholland freigesprochen
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4 Gedanken zu „sechs Monate auf Bewährung – Ein Biss, ein Test und die Angst“

  1. ein ganz persönlicher kommentar dazu:
    danke ulli, das hat mich jahre zurückversetzt. da sass willi in basel auf dem marktplatz auf der telefonkabine angekettet und brüllte sein wissen um die rolle der grenzstadt im 2.weltkrieg durch ein megaphon. die polizei holte ihn natürlich runter. allerdings nicht ohne panik, denn er wollte nicht klein beigeben und droht zu beissen…wobei er es sich nicht nehmen liess, das unwissen und die angst auszunutzen und sich gleich noch als aids-krank bezeichnete. an das juristische nachspiel erinnere ich mich alledings nur vage…es reihte sich ein in übliches und gehabtes. willi war linksradikal, provokativ und nie kleinlaut, und-er hatte sich damals königlich amüsiert über das unwissen, was seinen ärger über das politische unwissen und den unwillen der mittäterschaft etwas entschädigte. RIP

  2. Na toll, der Polizist war geschockt, dass er eventuell durch einen Biss mit HIV infiziert worden sein könnte (wer hat denn diesen Verdacht, professionell begründet, geäußert?).
    Und die Frau, die man zu einem HIV-Test überredet hatte und eine Zeit lang in dem Glauben lebte, HIV-positiv zu sein, hat das Ganze ohne weitere Gefühlsregung hingenommen….????? Oder ist deren Lebensumstand nicht so wichtig, weil sie ja einen Polizisten gebissen hat (Strafe muss eben sein!)?

  3. Es wird Zeit, dass die Polizei Fortbildungen im Bereich Infektionsprophylaxe durchführt.

    Weder die berühmte „Aids-Spritze“ noch der Biss sind geeignet, eine HIV-Übertragung zustande zu bringen, es sei denn, der Beisser ist im Besitz von Giftzähnen, die Blut in die wunde injizieren.

    Der Tankstellenüberfall mit einer AIDS-Spritze könnte genauso wirkungsvoll mit einer Blutwurst (ungeräuchert, mindestens 200gr.) durchgeführt werden. Ich hoffe, dass ich da keine Phobiker auf neue Ideen bringe. AIDS im Gulasch hatten wir schon, als Beratungssituation.

    Irgendwie ist die Polizei immer 2 Jahrzehnte zurück. In der Ausstattung genauso, wie im Denken. Schade eigentlich!

  4. Die Stellungnahme des Herrn Neumann-Haefelin ist nicht mehr so aktuell. Es gibt durchaus einen Fallbericht, der eine Übertragung durch den Biß eines Mitmenschens wahrscheinlich erscheinen läßt: http://www.aidsrestherapy.com/content/8/1/16
    Da es aber recht wenig dokumentierte Fälle gibt, kann man wohl davon ausgehen, daß eine Transmission auf diesem Weg wohl doch recht selten ist und schon bestimmte Konstellationen gegeben sein müssen, damit es durch einen Biß zu einer Übertragung von HIV kommt.

    Auch die Aussage, daß nur „in äußerst seltenen Fällen“ HI-Viren im Speichel vorkämen, darf man anzweifeln: http://benthamscience.com/open/tovj/articles/V004/88TOVJ.pdf

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