Die Zahl der der Hepatitis-C-Erkrankungen bei schwulen Männern mit HIV steigt seit Jahren an. Die Übertragungswege sind bisher nur unzureichend erforscht.
Mit Hepatitis C ist nicht zu spaßen. Je nach Virusvariante kann die Behandlung der Leberentzündung bis zu einem Jahr dauern. Eine vollständige Heilung ist selbst dann nicht garantiert. Derzeit ist Hepatitis C wieder auf dem Vormarsch. Seit etwa zehn Jahren registrieren Kliniken und HIV-Schwerpunktpraxen einen Anstieg der Infektionen. Besonders stark betroffen sind schwule Männer mit HIV. Sie scheinen ein höheres Risiko zu haben, sich beim Sex mit Hepatitis C zu infizieren.
ANSTECKUNGSGEFAHR NUR BEI BLUTKONTAKT
Eigentlich ist Hepatitis-C keine Krankheit, die beim Sex übertragen wird. Unverletzte Haut ist weder Austritts- noch Eintrittspforte für das Hepatitis-C-Virus (HCV). Nur wenn Blut im Spiel ist, besteht Ansteckungsgefahr. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) unter HIV-positiven Männern lenkte 2011 den Blick auf zwei mögliche Risikofaktoren: Gruppensex und Fisten.
Studienteilnehmer, die sowohl mit HIV als auch mit Hepatitis C waren, berichteten häufiger von Blutungen nach dem Analverkehr als die Männer ohne Hepatitis C aus einer Vergleichsgruppe. Eine weitere Auffälligkeit: Koinfektionen von HIV und HCV traten öfter bei Männern auf, die beim Fisten passiv sind. Bei dieser Sexualpraktik führt der eine Sexpartner Hand oder Unterarm in den Enddarm des anderen ein. Auch dabei kann es zu Blutungen kommen, wobei die Beteiligten das oft gar nicht bemerken.
Eine wichtiger Hinweis der RKI-Studie: Der Überträger des Hepatitis-C-Virus muss selbst gar nicht infiziert sein. Wenn dieser mit Handschuh, Faust oder Penis zwischen mehreren passiven Sexpartner wechselt, wenn Handschuh beziehungsweise Kondom nicht gewechselt werden, lassen sich die langlebigen HC-Viren relativ einfach von einer Person auf die nächste übertragen.
ÜBERTRAGUNGSWEGE UNZUREICHEND ERFORSCHT
„Gruppensex wurde in mehreren Studien als Risikofaktor identifiziert“, erläutert Armin Schafberger, Medizin-Referent der Deutschen AIDS-Hilfe. „Beim Gruppensex kann blutiger Schleim vom ersten passiven Partner auf den zweiten übertragen werden, egal ob ein Kondom eingesetzt wird oder nicht. Gleiches gilt für das Fisten – mit oder ohne Handschuh.“
Auch andere Übertragungswege sind denkbar – sofern Blut freigesetzt wird. Dann aber reichen schon kleinste Mengen, um das Hepatitis-C-Virus weiterzugeben. Der bekannteste Übertragungsweg für Hepatitis-C ist gemeinsam benutztes Drogenbesteck, vor allem beim intravenösen Konsum. Winzige Blutpartikel auf den Spritzen reichen für eine Ansteckung. Doch diese Art von Drogengebrauch spielt beim Sex zwischen Männern keine größere Rolle als bei Heteros. Oder doch?
Ein Erklärungsversuch: Manche Drogen, die beim schwulen Sex zum Einsatz kommen, kann man sich auch intramuskulär spritzen; Ketamin zum Beispiel, ein Schmerzmittel der Notfallmedizin. Es kann sogar Pferde ruhigstellen. Auf manchen schwulen Sexpartys ist der Stoff beliebt, da es den Schmerz beim stark dehnenden Analverkehr oder beim Fisten lindert.
Verkauft wird Ketamin oft als Pulver. Auch beim Schnupfen könnte eine Hepatitis-C-Gefahr schlummern. Wer ein weitergereichtes Röhrchen nutzt, um sich Ketamin (oder andere Drogen) in die Nase zu ziehen, könnte mit Blutpartikeln aus dem Nasensekret seines Vorgängers in Kontakt kommen. In der Schweizerische HIV-Kohorten-Studie (www.shcs.ch) war diese Art von Drogenkonsum allerdings kein Risikofaktor. „Das sagt aber noch nicht allzu viel“, relativiert Armin Schafberger. „Wir kennen das von der Hepatitis C: Mal erscheint ein Übertragungsweg in einer Studie relevant zu sein, in der nächsten Studie ist er dann wieder bedeutungslos.“
KONDOME SENKEN AUCH DAS HEPATITIS-C-RISIKO
Die Schweizerische Studie hat zudem gezeigt, dass Kondomverzicht das Hepatitis-C-Risiko verdoppelt. „Bei Analverkehr kann es zu Blutkontakt kommen, und deshalb hat das Kondom eine wichtige Schutzfunktion“, erläutert Armin Schafberger. „Aber es scheint auch Übertragungen trotz Kondom zu geben.“ In künftigen Forschungsstudien müsse man noch genauer erfragen, was im jeweiligen Fall beim Sex passiert sei.
Eines hat die RKI-Studie schon jetzt deutlich gezeigt: Einfache Botschaften für die Hepatitis-C-Prävention gibt es nicht. Weder Gruppensex noch Fisten ist an sich riskant – es kommt ganz darauf an, wie man beides praktiziert. Selbst Dinge, die einen Hygienevorteil bieten, können bei falscher Handhabung die Verbreitung von Hepatitis-C begünstigen. So gibt es in vielen schwulen Saunen Spülschläuche, mit denen Gäste ihren Anus vor und nach dem Analverkehr reinigen können. Der Haken daran: Benutzer, die keinen eigenen Aufsatz verwenden, laufen Gefahr sich auf diesem Wege mit Hepatitis-C zu infizieren.
CHECKLISTE – SO SCHÜTZT DU DICH!
- Kondome schützen. Für jeden Sexpartner ein neues Kondom.
- Beim Fisten schützen Handschuhe – für jeden Partner neue.
- Wenn Drogen gespritzt werden: Nadeln und Zubehör nicht gemeinsam verwenden. Das gilt auch fürs Röhrchen beim Sniefen.
- Sex-Utensilien wie Dildos, Anal-Spülstäbe oder Gleitmitteltöpfe nicht gemeinsam verwenden. Hier kann sich das Hepatitis-C-Virus lange halten.
- Wichtig: Eine Impfung gegen Hepatitis C ist nicht möglich, gegen Hepatitis A und B hingegen ist sie möglich und empfehlenswert!
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Die Studie über Hepatitis-C-Risiken beim schwulen Sex ist kostenlos verfügbar über plosone.org: Axel J. Schmidt et al., Trouble with Bleeding: Risk Factors for Acute Hepatitis C among HIV-Positive Gay Men from Germany—A Case-Control Study (März 2011)
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Pressetext DAH/iwwit
Was auch nicht außer Acht gelassen werden darf: das gemeinsam gebrauchte Criscotöpfchen. Das halte ich persönlich für die größte Gefahrenquelle beim Fisten zu zweit oder gar zu mehreren. Deshalb sollte jeder sein eigenes Schmiermittel verwenden. Und nur das.