Homo-Ehe in Kalifornien darf vom Wähler verboten werden (akt.4)

Die Homo-Ehe in Kalifornien bleibt verboten. Der oberste Gerichtshof Kaliforniens hat geurteilt. Die Klagen gegen die Proposition 8 wurden abgewiesen. Bestehende Homo-Ehen haben Bestand.

Der Supreme Court of California hat die Abstimmung zugunsten der Proposition 8 aufrecht erhalten. Die entsprechende Verfassungsergänzung, mit der die Eher als eine Verbindung zwischen Mann und Frau bezeichnet wird, und die Homo-Ehe verboten wird, bleibt bestehen. Homo-Ehen, die bis zur Abstimmung am 4. November 2008 geschlossen wurden, behalten Gültigkeit. Dies meldet um 10:02 Uhr Ortszeit in einer Eilmeldung der San Francisco Chronicle.

Sofort nach Urteilsverkündung kam es unter Rufen wie „shame on you“ oder „we all deserve the freedom to marry“ zu ersten spontanen Demonstrationen Hunderter entsetzter Homoehen-Befürworter (gut zu verfolgen u.a. über die Tweets der Reporter des San Francisco Chronicle).
Kurze Zeit später wurden erste Straßen-Blockaden berichtet. Die Polizei errichtete Sperren, um Homoehe-Befürworter und -Gegner von einander zu trennen. Hunderte Demonstranten blockierten eine wichtige Straßenkreuzung. Um 12:15 Ortszeit (21:15 deutscher Zeit) berichtete SFCityinsider via Twitter über beginnende Festnahmen von Demonstranten, die bis 14:10 Uhr Ortszeit, bis die Kreuzung nach der Festnahme von 175 Demonstranten wieder für den Verkehr frei war.

Auch in New York kam es zu spontanen Protesten Hunderter Schwuler und Lesben. Die Proteste der Homoehe-Befürworter werden koordiniert auf http://www.dayofdecision.com/.

Für Samstag 30. Mai 2009 ist inzwischen eine große Demonstration der Homo-Ehe – Befürworter geplant.

Supreme Court of California
Supreme Court of California

Um 10:00 Uhr Ortszeit (19:00 Uhr deutscher Zeit) am 26. Mai 2009 verkündete der Supreme Court of California seine Urteile zu drei Klagen gegen die „Proposition 8„. Bereits vorher hatten sich zahlreiche Menschen, Befürworter und Gegner der umstrittenen Proposition 8, vor dem Gerichtsgebäude versammelt.

Mit 6 zu 1 Stimmen urteilten die Richter, die Proposition 8 (die am 4. November bei einer Volksabstimmung die Mehrheit erhalten hatte) aufrecht zu erhalten. Der Ausschluss der Homo-Ehe sei legal, urteilte der Oberste Gerichtshof Kaliforniens.

Die Wähler hätten das Recht, die Ehe per Verfassungs-Ergänzung auf Mann-Frau-Beziehungen zu begrenzen, sagte der Richter Ronald George. Alle politische Macht liege gemäß Verfassung beim Volk. Auch diese Macht sei nicht unbegrenzt – Proposition 8 aber liege innerhalb dieser Grenzen.
Richter Carlos Moreno, der als einziger gegen die Zulässigkeit der Proposition 8 gestimmt hatte, sagte, einer Mehrheit sollte es nicht gestattet sein, einer Minderheit grundlegende Rechte mittels einer Initiative vorzuenthalten. Selbst wenn homosexuelle Paare alle Recht hätten wie heterosexuelle Paare, solange sie ihre Verbindung nicht Ehe nennen dürften, sei dies keine Gleichbehandlung.

Zugleich urteilten die Richter, dass die 18.000 Homoehen, die bis zur Abstimmung geschlossen wurden, Bestand haben. Proposition 8 habe keine rückwirkende Gültigkeit.

Kate Kendell vom National Center for Lesbian Rights NCLR (eine der gegen Proposition 8 klagenden Organisationen) kritisierte in ihrem Blog das Urteil in einer ersten Stellungnahme:

„the Court’s decision has undermined the central principle that all people are entitled to equal rights and has jeopardized every minority group in California“.

Auch Matt Coles von der Bürgerrechtsgruppe American Civil Liberties Union (ACLU), ebenfalls eine der klagenden Organisationen, bezeichnete das Urteil als „zutiefst enttäuschend“.

Das (gleiche) Verfassungsgericht Kaliforniens hatte die Homo-Ehe im Sommer 2008 mit 4 zu 3 Stimmen zugelassen. Damals war ein Gesetz aus dem Jahr 2000, das Homo-Ehen verbot, für diskriminierend  erklärt und außer Kraft gesetzt worden.
Am 4. November 2008 allerdings hatten die Bürger Kaliforniens in Form der Proposition 8 zu 52% Homo-Ehe gestimmt  (Proposition 8 definierte die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau). De facto wäre mit einer Umsetzung der Proposition 8 das Verbot der Homoehe per Verfassung fixiert.

Tausende protestierten bald gegen das Abstimmungsergebnis und seine Folgen; Nein zum Hass wurde einer der Slogans dieser Bewegung.
Vor dem Obersten Gerichtshof Kaliforniens wurden drei Klagen eingereicht, die Abstimmung für ungültig erklären zu lassen (Strauss v. Horton, S168047; Tyler v. State of California, S168066; City and County of San Francisco v. Horton, S168078).

Im Kern der Klagen stand die Frage, ob mit einem Mehrheitsbeschluss einer Minderheit Rechte genommen werden können, die diese vorher vom Verfassungsgericht eingeräumt und zuerkannt bekommen hat. Daneben galt es zu klären, wie mit denjenigen Homo-Ehen zu verfahren sei, die nach Anerkennung des Rechts auf Homo-Ehe und vor der Abstimmung zur Proposition 8 geschlossen worden waren. Ihre Zahl wird auf etwa 18.000 beziffert.

Im Vorfeld des Urteilsspruchs war es zu Drohungen einer neu gegründeten Gruppierung gegen Richter des Supreme Courts gekommen. Man halte Homosexualität in allen ihren Manifestationen für unglückliche Abnormalitäten, so die Gruppe. Sollten die Richter Proposition 8 widerrufen, so sei dies ihr eigenes Risiko, warnte die so genannte „American Civil Responsibilities Union“.

Der Supreme Court of California veröffentlichte die Urteile inzwischen auf seiner (zeitweise überlasteten) Internetseite (opinions).

Die unterlegenen Befürworter der Homo-Ehe in Kalifornien planen inzwischen eine erneute Volksabstimmung für das Jahr 2010 (zu den state elections am 2.11.2010). Mit ihr sollen die Wähler gefragt werden, ob sie Proposition 8 zurückziehen wollen. Die Initiative „Yes on Equality“, die diese neue Volksabstimmung vorantreiben will, hat nach Angaben des California Secretary of State bis zum 17. August 2009 Zeit, die annähernd 700.000 für die Durchführung der Volksabstimmung erforderlichen Unterschriften aufzubringen.
Die mitgliederstarke Organisation „Courage Campaign“ startete direkt nach dem Urteil ihre Kampagne „Equality“ mit Anzeigen, TV-Spots und einer Unterschriften-Aktion. Die Mitglieder der 70.000 Personen starken Organisation hatten in einer Abstimmung in der Woche vor dem Urteil zu 82,5% schon für eine erneute Volksabstimmung 2010 (und nicht erst 2012) gestimmt.

Zudem kündigten Anwälte an, auch vor dem höchsten Verfassungsgericht der USA gegen Proposition 8 zu klagen.

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Ein enttäuschendes, wenn auch von zahlreichen Beobachtern erwartetes Urteil. Schließlich, so hatten viele Kommentatoren schon vorab überlegt, sei die Bevölkerung (und nicht das Gericht) der Souverän, und wenn Volksabstimmungen zulässig und erwünscht seinen, sei auch das Wahlergebnis der Volksabstimmung zu respektieren.

Das Urteil schaft dabei einen irritierenden Zwischen-Zustand: einerseits sind Homo-Ehen in Kalifornien nun derzeit verboten – andererseits gibt es 18.000 homosexuelle Paare, die – verheiratet sind.

Angesichts des bestürzenden Urteils ist es um so bewundernswerter , wie schnell Schwulen- und Lesben-Aktivisten vor Ort umschalten, nicht in Depression und Lethargie verfallen, sondern direkt einen neuen Anlauf wagen.

Wenn die Homo-Ehe vom Wähler verboten werden darf, wie das Oberste Gericht Kaliforniens heute geurteilt hat – dann darf sie auch vom Wähler wieder erlaubt werden! Es ist nur konsequent, die Emotionen der Stunde als Impuls zu nutzen und direkt mit der Mobilisierung für eine erneute Volksabstimmung zu beginnen.

Weitere Informationen:
Informationen zu den drei eingereichten Klagen und den verhandelten Stellungnahmen auf den Internetseiten des Supreme Court of California (Proposition 8 Cases)
Die Urteile des Supreme Courts of California ebenfalls auf dessen Internetseiten (opinions)
das Urteil als pdf (Server zeitweise überlastet)
towleroad 26.05.2009: California Supreme Court uphoalds Proposition 8
365gay 26.05.2009: Prop8 upheld
PinkNews 26.05.2009: California Supreme Court upholds gay marriage ban
365gay 26.09.2009: Prop 8 protests tonight
queer.de 26.05.2009: Kalifornien: Eheverbot für Schwule und Lesben bleibt
advocate 26.05.2009: Schwarzenegger on Prop 8
SpON 26.05.2009: Homo-Ehe bleibt in Kalifornien verboten
thinkoutsideyourbox 26.05.2009: Homo-Ehe Entscheidung in Kalifornien
samstagisteingutertag 26.05.2009: Keine Homo-Ehe in Kalifornien und Heuchler Arnold Schwarzenegger und die Homo-Ehe
advocate 26.05.2009: Arrests at S.F. City Hall
Steven Milverton 26.09.2009: Ein schwarzer Tag, nicht nur für Kalifornien
365gay 26.05.2009: Anger, frustration over Prop 8 ruling
advocate 26.05.2009: Prop 8: the next move
advocate 26.05.2009: Melissa Etheridge reacts
advocate 26.05.2009: Arrest Photos From San Francisco
towleroad 26.05.2009: White House reacts to proposition 8 decision by not reacting
pinknews 27.05.2009: Gay marriage supporters aim to get Prop 8 back on the ballot next year
boxturtlebulletin 27.05.2009: What the Calif. Supreme Court said
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6 Gedanken zu „Homo-Ehe in Kalifornien darf vom Wähler verboten werden (akt.4)“

  1. @ Antiteilchen:
    wie wahr, ein herber rückschlag.
    bin gespannt, wie die communities in den usa nun kurzfristig und langfristig reagieren – ein erneuter anlauf in kalifornien in einigen jahren?

  2. Das ist in der Tat ein Schlag ins Gesicht. Ich bin mal gespannt ob, welche und wer möglicherweise irgendwelche Drähte gezogen hat . . . .

    Schaut man sich die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika an so kommt man nicht umhin festzustellen das sie teilweise sehr wiedersprüchlich sind. Und diesen Umstand haben die Richter mit ihrem Urteil Rechnung getragen:

    „es das Recht des Volkes ist, sie

    (i.e.diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.)

    zu verändern oder abzuschaffen,“

  3. Man hat doch diese Prop 8 mal analysiert. Aus den Ergebnissen sollte man Schlussfolgerungen ziehen und sich gerade um junge Menschen und die Zugewanderten kümmern. Sie aufrütteln und versuchen sie um zu stimmen. Es waren ja verrückter Weise gerade die junge Generation, auch viele Afro-Amerikaner, die für Prop 8 stimmten.

  4. Eine Anmerkungen zu den bereits geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen:

    Das Gericht hat nur deshalb dieser Frage Ausführungen widmen müssen, weil die Nebenintervenienten des Verfahren, zu denen unter Führung des Senators Dennis Hollingsworth The California Catholic Conference, The Seventh-Day Adventist Church State Council, The United States Conference of Catholic Bishops und The Union of Orthodox Jewish Congregations of America gehören, verlangt haben, dass Gericht müsse die bestehenden Ehen annullieren. Bemerkenswerter Weise hat sich hier das Gericht in der Lage gesehen, gegen den Wortlaut des Verfassungszusatzes zu entscheiden.

  5. @ Steven:
    danke für diese ergänzungen!
    nun – dann haben ja gerade der herr senator und co zu dem bemerkenserten urteils-spagat geführt – einer kuriosen situation, die vielleicht noch einmal hilfreich sein mag …
    sehr erstaunlich tatsächlich, dass das gericht an einer stelle passieren lässt, was es an (nur wenig) anderer stelle nicht tolerieren mag …

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