Viel Empfängnis im E-Werk

Am vergangenen Donnerstag (23.11.) fand wieder einmal der Jahresempfang der DAH statt, diesmal unter dem Namen „Welt-Aids-Tags-Empfang“. Es wurde vieieiel geredet …

DAH-Empfang 2006 01

Reden Reden Reden
Abends irgendwann nach sieben. Der Saal ist gut besetzt bis in die hinteren Reihen.
Es tritt auf – Ulla Schmidt, Bundesgesundheitsministerin. Macht, was ihr Job ist. Hält eine Rede, die viel hinterher „toll“ oder „doch ganz gut“ finden. Wohl auch weil sie sich für das ‚unermüdliche Engagement der DAH‘ bedankt und für das Jahr 2007 eine Mittel-Aufstockung des Aids-Etats um 3 Mio. € ankündigt.DAH-Empfang 2006 02
Sie spricht viel über die tolle erfolgreiche Aids-Politik der Bundesregierung, der NGOs, über die anstehende Bremer Konferenz im März 2007 [die den innovativen Titel ‚Verantwortung und Partnerschaft – gemeinsam gegen Aids‘ tragen soll] und kommt zu dem Schluss, dass der ‚Kampf gegen HIV und Aids unvermindert fortgesetzt werden muss‘.

Irgendwie denke ich, bei mir wäre diese Rede nicht mal in den Briefkasten gekommen – der hat nämlich einen Aufkleber „keine Werbung“. Und ich werde angesichts all der ungesagten Themen und Fragen [nichts z.B. zum neuen Aids-Aktionsplan] den Gedanken nicht los, früher hätte sich irgend ein ACT UP protestierend eingemischt, heute hingegen sitzen alle brav im Anzug, klatschen und fühlen sich gebauchpinselt ob der ministeriellen Aufmerksamkeit.

Weiter geht’s schon mit Reden.
Ein Vorstandsmitglied der DAH kommt in seiner Rede zu der sicherlich bedeutenden Einschätzung einer „Solidarität, die – so meine ich – unteilbar ist“.

Frau Pott (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BzgA) schließt sich an mit einer Rede à la „wir sind gut und freuen uns darüber“. Den Zustand der Zusammenarbeit von BzgA und DAH beschreibt sie analog zum Heranwachsen eines Kindes, von Streits in Kindertagen über pubertäre Flegeljahre bis zu einer „jetzt erwachsenen Zusammenarbeit“ – Matthias und ich schauen uns belustigt an, na – dann ist die DAH ja wohl jetzt im Zustand handzahmer Banalität angekommen? Klingt so eine Ohrfeige? Ah ja, dann ist die Aufsässigkeit der DAH ihrer Ansicht nach ja anscheinend erfolgreich weg-subventioniert – auf gute Zusammenarbeit!

Die m.E. einzig bemerkenswerte Rede hält der Geschäftsführer der DAH, Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón, der über alles gegenseitige Lob hinweg auch kritische Gedanken und Worte findet. Endlich einmal darauf hinweist, dass die DAH nicht nur für die Primärprävention da sei, sondern ihre Rolle auch im Engagement für Menschen mit HIV und Aids sehe [z.B. ’negativ bleiben und positiv handeln ist für uns untrennbar‘], engagiert gegen Diskriminierung und Repression. Der auch auf das gerade nach Kabinettsbeschluss von Einstellung bedrohte Heroin-Modellprogramm hinweist und betont, dass die DAH hier protestieren und sich für die Fortsetzung der Heroin-Vergabe an Schwerstabhängige einsetzen werde.

Der DGB schläft
Lustig wird’s nochmal nach dem netten Buffet mit anregenden Plaudereien. Eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Chronisch versteckt – HIV am Arbeitsplatz“ (Walter Riester / SPD, Wolfgang Heller / ILO, Jürgen Sendler / DGB, Prof. Stephan Letzel / Dt. Ges. für Arbeitsmedizin, Benno Fürmann / Schauspieler und Stefan Jäkel / Pluspunkt).
DAH-Empfang 2006 03
Einige mehr oder weniger bekannte Positionen werden ausgetauscht. Stephan Jäkel (Pluspunkt) gelingt es, die Situation von Positiven im Arbeitsleben mehrfach gut auf den Punkt zu bringen. Klar zu machen, dass i.d.R. nicht Positive in der starken Position des ersten Schritts eines offenen Umgangs mit HIV am Arbeitsplatz sind, vielmehr die Arbeitgeber, Gewerkschaften und Betriebsräte hier (auch) in der Pflicht seien.

Überhaupt, die Gewerkschaften. Lustig war’s wieder mit ihnen. Immerhin, Herr Sendler (DGB Bundesvorstand) bekennt, das Thema HIV und Arbeit sei im DGB ‚bisher viel zu klein angegangen worden‘, kündigt an, der DGB habe sich vorgenommen, das nun zu ändern. „Nun“. Immerhin – wir schreiben nicht das Jahr 1986. Auch nicht das Jahr 1996. Sondern das Jahr 2006.

Anzuerkennen ist, dass der DGB angesichts dieser peinlichen Situation überhaupt kommt, und mit Bundesvorstand. Aber – wie lange wollen sie noch warten, um wach zu werden?

Nachtrag
Die ‚Promis‘ der Veranstaltung wie auch der Vorstand des Vereins sind, wie zu hören ist, in Maseratis vorgefahren worden. Irgendwie frage ich mich, Promis in Maseratis vor Blitzlicht-Gewitter karren lassen, ist es jetzt das, was die DAH unter Professionalisierung versteht?
Oder was soll mir das sagen? Aber vielleicht ist es der Deutschen AIDS-Hilfe auch nur gelungen, ihre Position zum Thema Selbsthilfe auf eindrückliche Weise zu verdeutlichen.
Mit ist plötzlich so seltsam zumute …

7 Gedanken zu „Viel Empfängnis im E-Werk“

  1. Danke für den Einblick in die Veranstaltung. Ich habe es ja schon vor Jahren aufgegeben mich auf solchen Treffen blicken zu lassen. Ich kann das alles nicht mehr hören. Eigentlich jedes Jahr das gleiche Geschwafel. Ich habe also mal wieder nichts verpasst.

  2. Hi Ulli,

    trotz der vielen Empfängnis ist der heilige Geist der wahren Prävention noch nicht in sie hineingefahren, und so beweihräuchern sie sich selbst und huldigen ihren Devotionalen, wie z.B. Maserati. Ist das nicht ein Relikt aus der NDW *fg.

    Stimmt, aber es geht ja auch back to the 80th *g.

    Schönen Totensonntag, Kalle

  3. @ antiteilchen:
    Na ich bin auch nur zufälliger Gast im Zirkus – andererseits, wenn mich Dinge stören (was sie, wie man ja hier lesen kann, derzeit tun), hab ich auch immer diesen Drang aktiv zu werden, was zu ändern …
    Aber stimmt, verpasst haste sicher nichts (außer zwei sehr schönen Malediva-Nummern) 😉
    lg Ulli

  4. @ kalle:
    klasse (lach): „der heilige geist der wahren prävention“ — hast recht, „mein apparat fährt zweihundertzehn – schwups die polizei hat’s nicht geseh’n“, zwar relikt aus den 80ern, nur spassig fand ich’s hier nicht 😉
    aber vielleicht finden sie ja noch den pilgerpfad zu selbsthilfe und ‚whrer prävention‘ 😉
    lg Ulli

  5. Ich finde den Maserati auch unpassend und es zeigt -krass gesagt-, dass Geld den Charakter verdirbt…und der Bezug zur Kirche passt gut *grins*

  6. @ Kalle:
    na die kirche beherrscht das ding mit der selbst-beweihräucherung doch auch ganz gut, das muss man ihr ja lassen 😉
    lg Ulli

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