Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon.

„Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon.“ Zu diesem Schluss kommt Richard Kämmerlings, Literarturkritiker der FAZ, in einem lesenswerten Artikel über „Krebsliteratur“.

Schlingensief, Diez – Literatur über Krebs und den eigenen oder bei nahen Menschen erlebten Krebs-Tod erfreut sich gerade wieder einer bemerkenswerten Aufmerksamkeit.
„Lasst mich damit in Ruhe“, meint der FAZ-Literatur-Kritiker Richard Kämmerlings, und erläutert warum.Das Werk des Künstlers, das leben des Menschen gerate in den Hintergrund angesichts einer ‚Kontamination mit dem Boulevard‘, die auch durch vermeintliche Tabubrüche nicht (mehr) gerechtfertigt sei.

Kämmerlings vergleicht die heutige „Krebs-Literatur“ auch wegen dieser Frage des Tabu-Bruchs mit der „Aids-Literatur“ der 1990er Jahre:

„Hier ist ein Vergleich mit anderen Krankheiten lehrreich. Die Aids-Literatur der neunziger Jahre, die Filme von Derek Jarman oder die „Geschichte meines Todes“ von Harold Brodkey standen tatsächlich gegen ein soziales Tabu, und insofern hatte der aufklärerische Impetus seine Berechtigung. Aids war keine Volkskrankheit, sondern ein Stigma, eine vermeintliche Minderheitenangelegenheit, mit deren genauen Ursachen und Folgen man sich nicht befassen wollte – und nicht musste, denn das war eine Sache bestimmter „Schichten“.“

Kämmerling bezieht sich auch auf Susan Sontags „Aids als Metapher“ – und konstatiert auch hier einen Wechsel:

„Schon Susan Sontag hatte in ihrer Fortsetzung „Aids und seine Metaphern“ Ende der Achtziger festgestellt, dass die einstige Tabuisierung und Metaphorisierung von Krebs durch Aids abgelöst worden war. Heute wäre es vielleicht angebracht, „Demenz als Metapher“ zu beschreiben.“

Sein klares Resümee: „Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon.“

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Richard Kämmerlings: „Krebsliteratur – Der Schleier über den letzten Dingen„, FAZ 14.08.2009

2 Gedanken zu „Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon.“

  1. Ich kann mich dem inhaltlich nur voll anschließen. Mitlerweile schäme ich mich schon femd wenn irgendwelche “ Firmen oder Organisationen“ Wettbewerbe ausschreiben die das Thema HIV zum Inhalt haben. Zu 99% werden dann Bilder – Gemälde oder Fotografien eingereicht die den Krankheitsaspekt von HIV in irgendeiner Form zum Asdruck bringen.

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