Auf dem polnischen Positiventreffen widmete sich ein Vortrag der Frage der Bedeutung von HIV im polnischen Strafrecht.
Wer von seiner HIV-Infektion weiß und eine andere Person mit HIV infiziert, kann gemäß Art 161 § 1 KK mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Die Beweispflicht (der HIV-Übertragung) liegt bei der Person, die angibt infiziert worden zu sein. Genetische Untersuchungen (phylogenetische Tests) werden zur Beweiserhebung angewendet.
Das polnische Strafrecht kennt darüber hinaus den Tatbestand der Gefährdungshaftung: wenn ein HIV-Positiver Sex mit anderen Personen hat und diese vorher nicht über seine Infektion informiert, droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – unabhängig davon, ob konkret eine HIV-Übertragung stattgefunden hat.
Allerdings besteht nach den Ausführungen der Referentin (J. Plichtowicz-Rudnicka) eine gewisse Rechtsunsicherheit darin, dass der Gesetzestext von HIV spricht, nicht jedoch von Aids. Zudem biete das polnische Strafrecht eine Möglichkeit der Strafreduzierung: wer schwer erkrankt ist (hier: Aids hat), wird statt mit bis zu drei Jahren maximal mit einem Jahr Haft bestraft.
Mehrere Straftaten (HIV-Übertragungen oder mögliche Übertragungen) können zu einer höheren Gesamtstrafe akkumuliert werden. Andererseits kann das Gericht ein Verfahren auch für „schwebend“ erklären – in diesem Fall wird kein Urteil gesprochen, keine Strafe verhängt. Sollte es allerdings zu einem weiteren Verfahren kommen, werden beide Tatbestände im Urteil berücksichtigt.
Strafen können zur Bewährung ausgesetzt werden (i.d.R. Bewährungszeit von zwei bis fünf Jahren).
Die drastische Reduzierung der Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie („EKAF-Statement„) wird bisher in der Rechtsprechung und Strafbemessung nach Wissen der Referentin nicht berücksichtigt.
Niemand ist (u.a. gemäß Art. 360 Strafprozessordnung) verpflichtet, seine HIV-Infektion offen zu legen (Ausnahme Sexpartner, siehe oben). Allerdings ist es häufige Praxis, dass z.B. Piloten, Gerichts-Bedienstete oder Polizisten ihre Anstellung verlieren, sobald ihre HIV-Infektion bekannt wird.
Innerhalb der polnischen Kriminalstatistik wird nicht getrennt erhoben, wie viele Ermittlungen, Verfahren oder Urteile aufgrund von HIV-Übertragungen erfolgen. Die Referentin konnte insofern auch keine Rückmeldungen geben, wie hoch die Zahl der Ermittlungen, Prozesse oder Verurteilungen ist.
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Anmerkung: Schon aufgrund der Sprach-Probleme (im Workshop des polnischen Positiventreffens) kann dieser Artikel nur unverbindliche Anhaltspunkte liefern, keinesfalls verbindlichen juristischen Informationen.