unsichere 20 Prozent

Einer von fünf Positiven, sprich 20% verwende nie Kondome, heißt es aufmerksamkeitsheischend in einem Bericht. Allein, die Schlagzeile bewegt sich auf dünnem Eis …

Wie mit Studien, der Interpretation ihrer Ergebnisse und der Berichterstattung darüber Manipulation betrieben werden kann, hat gerade TheGayDissenter aufgezeigt in seinen Artikeln über multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), der bei Schwulen angeblich 13mal häufiger auftrete.

20% der Positiven immer unsafe? – auch die meist um Seriosität bemühte Site NAM titelte „einer von 5 HIV-positiven Patienten in New York gibt an, nie ein Kondom zu verwenden“ (Artikel in englischer Sprache).

20% aller Positiven verwendet nie ein Kondom – tut sich da ein neuer Skandal auf? Ein Fünftel? Aller New Yorker Positiven? Nie mit Gummi?

Wie kommen solche Zahlen zustande?
Blickt man ein wenig tiefer in die Veröffentlichung, relativiert sich das Bild schnell: interviewt wurden 198 (!) Patienten zweier (!) Kliniken im Rahmen einer Studie im Jahr 2004. Drei Viertel (!) der Teilnehmer waren Latinos; 36% (!) waren Männer, die Sex mit Männern haben (MSM).

Von diesen 198 Teilnehmern berichteten 65%, sie seien in den vier Wochen vor der Befragung sexuell aktiv gewesen. Von diesen (mit sexueller Aktivität in den vergangenen 4 Wochen) gaben insgesamt 19% an, sie würden niemals ein Kondom benutzen.
19%, tatsächlich beinahe ein Fünftel. Doch – was heißt das? 65% von 198 ergibt 129 Personen. Von diesen wiederum 19% = 24,5.

Die Zahlen bedeuten also: von 198 Studienteilnehmern gaben absolut 25 Männer und Frauen an, niemals beim Sex ein Kondom zu verwenden.

Schätzungen der CDC gehen für Ende 2005 von über 100.000 Menschen aus, die in New York mit HIV oder Aids leben.
Ob 198 bzw. 129 Personen für alle New Yorker HIV-Positiven repräsentativ sein können, ob diese zwei Kliniken (an denen die Befragung ja nur stattfand) tatsächlich ein Abbild der Situation in ganz New York sind, ob Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen, Altersverteilung, Geschlecht oder sexuelle Orientierung repräsentativ sind, all diese Fragen werden nicht einmal angesprochen.
Geschweige denn, dass hinterfragt wird, ob ein Interview mithilfe eines Computers denn tragbare Ergebnisse liefert, zumal wenn den Teilnehmern gesagt wird, die Ergebnisse würden ihrem Arzt mitgeteilt …

Aus diesen 25 Personen wird dann auf über Hunderttausend Positive geschlossen und die Schlagzeile gemacht, einer von fünf Positiven New Yorks verwende nie Komdome … wahrlich eine Schlagzeile auf dünnem Eis … die sicher nicht für weitere Argumentationen taugt. Und dennoch die Gefahr heraufbeschwört, genau hierfür benutzt zu werden.

Gerade in Zeiten in denen über neue Wege in der Prävention nachgedacht wird, sollte sorgsam mit Zahlen umgegangen werden. Und immer einmal wieder gerade bei sensationsheischenden Schlagzeilen geprüft werden, wie mit welchen Zahlen umgegangen wird.
Irgendwie erinnert mich das an den alten Satz, der mir schon in Statistik-Vorlesungen ständig um die Ohren flog. Sie wissen schon, „traue niemals einer Statistik, die du nicht selbst …“

7 Gedanken zu „unsichere 20 Prozent“

  1. Dass 20% keine/nie Kondome benutzen, kann auch aussagen, dass diese Leute ihre Risiken ohne Kondome managen; sehr fantasievoll! Leider ist das in Kondomdiktaturen schlecht zu vermitteln. In Österreich wird jetzt sogar das Ganzkörperkondom empfohlen. Nett der Stülpi. Man sollte Kondome aber bei Bedarf über den Schwanz streifen, nicht über den Kopf! Das vernebelt die Sinne. In Deutschland geben in unterschiedlichen Studien ca. 70% an, immer safer sex zu machen. Die Dussel lesen daraus, dass 30% unsafe sind. Dieser Irrtum ist nicht auszurotten.

  2. @ Alf:
    ‚kondomdiktaturen‘ ist eine hübsche wortschöpfung 🙂
    ja, der herr amort und die österreicher, immer eine überraschung wert …
    danke für den hinweis auch an dieser stelle, dass „kein kondom“ auch bedeuten kann risiken ohne kondom gemanagt zu bekommen!

  3. @ ondamaris

    Ja. Wirklich. Überraschung. Gebracht hats aber nix. „Dramatischer“ Anstieg der Neudiagnosen wird für Ö gemeldet. Nun wird Stülpi wohl bald noch ein paar Brüder kriegen: Obendraufzihi und Langsamnachuntenabrolli. Köstlich. Immer mehr von dem alten Kram. Der Bürger muss doch endlich mal verstehen. Der rührende und freilaufende Herr Präventionsoberrat Amort glaubt sicher auch, dass die Wurst von glücklichen Schweinen kommt. Oder?

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