Hoffnung, Teil 2

Unsere Geschichte – Geschichten vom alten und vom neuen Aids, Geschichten vom Leben mit HIV.

Heute: der zweite Teil einer zweiteiligen Geschichte von Michael Hemming, zu der er selbst anmerkt „zum Teil Fiktion, zum Teil sicher auch Realität“:

Ja er hatte auch schon einige Frauen kennen gelernt, die hatte er auf von den Datingseiten angeschrieben und hin und wieder kam es dann auch mal zu einem Kontakt. Er bevorzugte Datingseiten für Positive, da konnte er sich das erklären und das drum rum reden ersparen. Das was er immer irgend wie lustig fand waren die Namen die sich die Ladys gaben, Oceanqueen, Angel, She, Blueeye, Sonnenmeer usw. manchmal versuchte er aus den Namen Rückschlüsse auf die Person zu ziehen. Was ja seine Fantasie anregte aber was nicht wirklich irgendetwas über den Menschen hinter dem Namen aussagte. Es waren einige Kontakte dabei da stellte man sehr schnell fest dass das nie was geben würde weil man war so verschieden, es trennten einen Welten andere Kontakte waren einfach nur gut man konnte miteinander reden über alles was einem bedrückte und wieder andere das waren nach kurzer Zeit sehr intensive Gespräche, die vieles in einem auslösten und wieder Hoffnung machten dass da doch noch mehr ist als das was er bisher erlebt hatte. Nein bis jetzt hatte er die Hoffnung noch nicht verloren dass da draußen ein Mensch ist der zu ihm passte, mit dem er glücklich werden könnte, trotz all dem was er bisher an Tiefschlägen und Enttäuschungen erlebt hatte. Aber meistens blieben die Kontakte die er hatte nur eine virtuelle Vision. Also doch nur Träume. Und immer wieder musste er feststellen dass vorher alles viel viel einfacher war. Er ging raus, lernte jemanden kennen und man kam sich ab und zu mal näher, keine Gerede über irgendwelche Infektionen oder so was. Einfach nur Spaß haben und vielleicht auch mehr. Aber das hatte sich alles geändert, alles war neu und anders. Sogar die Frauen waren das. Viel komplizierter, nichts war mehr unbefangen, es gab da immer einen Haken. Dadurch dass diese Frauen auch sehr schlechte Erfahrung gemacht hatten fehlte ihnen das Vertrauen, was eigentlich notwendig ist um sich auf mehr als nur Gerede einzulassen. Das machte es nicht gerade leicht um ans Ziel seiner Träume zu kommen und das war nur ein Punkt von so vielen. Jeder wird vorsichtiger und sicher läuft man auch schneller weg, weil man will ja kein Risiko eingehen und wiedermal auf die Nase fallen. Also doch besser allein und sich sein Glück erträumen. Diese Selbstzweifel die immer wieder auf kamen, eine Ungewissheit, ein Wunsch, ein Traum aber bisher ist es immer nur ein Traum geblieben. Wie viele hatte er schon kennen gelernt die alle das gleiche suchten aber warum fragte er sich immer wieder wagte es keiner mal einen Schritt weiter zu gehen. Worauf warteten die denn alle, auf den Jungen auf dem weißen Pferd aber das hat Marius ja schon seiner Zeit gesungen der kommt nicht mehr da musst du schon selber gehen. Also geht doch auch endlich mal den ersten Schritt und sucht nicht immer nach Ausreden warum und wieso nicht. Aber eigentlich ist auch er nicht besser, er hat auch schon die unwahrscheinlichsten Ausreden benutzt um sich wieder mal zu verstecken um ja nicht mehr daraus werden zu lassen. Er war also auch nicht anders als all die anderen die sich da aufhielten um ihr Glück zu finden. Und doch zog es ihn immer wieder dort hin mit der Hoffnung doch mal das große Los zu ziehen, um das zu finden wovon er immer in der Zeit träumte wenn er wie so oft schon nur da lag und den Tag an sich vorbei ziehen ließ. Der Fernseher war eingeschaltet damit da eine Geräuschkulisse ist, dass vor lauter Stille nicht sein Kopf explodiert, was da gerade lief, war nicht wirklich wichtig für ihn, bunte Bilder und Geräusche halt. Und das war sein Leben, wenn er darüber mal so nachdachte, langweilig nicht wirklich prickelnd, es war eher so dass das Leben an ihm vorbei zog ohne dass er es eigentlich mitbekam geschweige denn überhaupt lebte. Sollte es etwa jetzt so bleiben bis zum Ende all seiner Tage, das war die Frage die er sich ständig stellte.
Und wieder saß er vor dem Rechner klickt sich auf irgendwelche Seiten, nur um seiner Einsamkeit zu entfliehen, um alte Bekannte zu treffen, um vielleicht neue Leute kennen zu lernen, um ein wenig zu reden, um das Gefühl zu haben das er doch nicht so allein ist. Obwohl er wusste das ist nur Augenwischerei, eine andere Art vor der Realität weg zu rennen. Aber was hatte er sonst noch, nichts. Das war das einzige was ihm noch geblieben ist. Und er stellte sich auch oft die Frage wen er dafür verantwortlich machen könnte, der Schuldige nein das wollte er nicht sein aber wen denn. Er war derjenige dem er das zu verdanken hatte, leider gab es da keinen anderen. Hätte er mal besser aufgepasst, sich geschützt dann würde sein Leben ganz normal weiter gehen, er hat es aber nicht und jetzt muss er dafür zahlen, so nannte er das dann. Das einzige was ihm da manchmal tröstete, es konnte jeden treffen auch wenn er es keinem wünschen würde aber warum gerade ihn. Immer wieder die gleichen Fragen, die gleichen Gedanken und immer wieder führten sie nur ins nichts. So verbrachte er seine Tage, alle liefen nach dem selben Schema ab, es gab keinen Tag was wirklich neues, aufregendes. Manchmal wünschte er sich das das alles vorbei wäre, einfach sterben und alles hat ein Ende. Danach dachte er kann es ja nur besser werden auch wenn er nicht wusste was danach eigentlich kommt oder ob da überhaupt was kommt. Einen Neuanfang das wäre es ohne Altlasten, alles hinschmeißen können und wieder ganz von vorne anfangen, Jungfräulich, das wäre es. Und was machte er, er lag auf seinem Sofa bis spät in die Nacht, damit er dann müde genug war um endlich schlafen zu können, ein paar Stunden ohne Gedanken oder Träume, einfach den Kopf leer zu haben. Und am nächsten Tag begann das gleiche Spiel wieder von vorne, jeder Tag war mehr oder weniger nur eine Wiederholung des vorherigen Tages und das schon jetzt sehr lange. Sein Tag beginnt jeden Tag gleich, Kaffee kochen und eine Zigarette, sein Frühstück und dann auf an den Rechner und da weiter machen wo er gestern aufgehört hat. Sein derzeitiges Leben und immer wieder die Hoffnung dass er es mal schafft aus diesem Leben auszubrechen.

Copyright dieses Textes: Michael Hemming
Vielen Dank an Michael Hemming für sein Einverständnis, diesen Text hier wiederzugeben!

Michael Hemmings Geschichte:
Hoffnung (Teil 1)
Hoffnung (Teil 2)