In einem ausführlichen Artikel befasst sich das Epidemiologische Bulletin mit der Situation der HIV-Infektion bei Migranten in Deutschland:
„Migranten aus Hochprävalenzregionen machen in Deutschland etwas mehr als die Hälfte der HIV-Neudiagnosen mit erkennbarem Migrationshintergrund aus. Die meisten dieser Infektionen wurden auf heterosexuellem Weg über tragen. Die große Mehrheit dieser Infektionen wurde wahrscheinlich in den Herkunftsländern erworben, die verfügbaren Daten sprechen aber dafür, dass ein Anteil von mindestens 10 % dieser Infektionen in Deutschland erworben wurde. Der Artikel im Epidemiologischen Bulletin 5/2010 gibt einen umfassenden Überblick der Situation.“
Das RKI verweist in dem Artikel u.a. auf den vergleichsweise hohen Anteil unbekannter HIV-Übertragungswege bei HIV-Positiven Migranten mit Herkunftsländern in Zentraleuropa und kommentiert:
„Als alternative Erklärung [zur zuvor geäußerten These eines Erwerbs der HIV-Infektion bei Reise durch Hochprävalenz-Länder, d.Verf.] wäre zu diskutieren, ob in Zentraleuropa homo- und bisexuelle Männer deutlich stärker als in der Statistik erkennbar von HIV betroffen sein könnten, dass das tat sächliche Infektionsrisiko aber auf Grund der ausgeprägten Stigmatisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Kontakte seltener angegeben wird.“
Auch bei in Deutschland diagnostizierten HIV-Infektionen von Migranten aus Ost- und Zentraleuropa verweist das RKI auf einen „relativ hoher Anteil angegebener heterosexueller Übertragungsrisiken bei Männern aus der Türkei und den Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens“ und verweist als mögliche Erklärung auf eine „stärkere Stigmatisierung homosexueller Kontakte“.
Das RKI weist auf Konsequenzen für die Prävention hin:
„Für die Prävention bei Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist zu beachten, dass gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte insbesondere für die Migrantenpopulation aus Ost- und Zentraleuropa tabubehaftet sind, so dass MSM aus diesen Bevölkerungsgruppen möglicherweise durch die auf deutsche homosexuelle Männer ausgerichteten Präventionskampagnen weniger gut erreicht werden. In Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern erworbene HIV-Infektionen könnten wesentlich zur Dynamik der HIV-Epidemie in Zentraleuropa beitragen. Daraus resultiert in einem zusammenwachsenden Europa eine Verantwortung der westeuropäischen Länder, durch ihre HIV-Präventionsstrategien für MSM auch Migranten aus Zentral- und Osteuropa anzusprechen.“
weitere Informationen:
HIV bei Migranten in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 5/2010