Am 1. November 2010 startete die neue Welt-Aids-Tags – Kampagne. Die unter dem Motto “Positiv zusammen leben – aber sicher!” stehende neue Kampagne ist eine Gemeinschaftsaktion der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) und der Deutschen AIDS-Stiftung (DAS). Einer der ‚Stars‘ der Kampagne: ICH WEISS WAS ICH TU Rollenmodel Markus.
Im Interview erzählt Markus unter anderem, wie er und seine Freunde Pascal und Sebastian zur Welt-Aids-Tags – Kampagne kamen, wie das Motiv ‚Kletterwand‘ entstand – und was ihm wichtig an dieser Kampagne ist.
Hallo Markus, auf dich kommt ein ziemlicher Medienrummel zu. Wie fühlst du dich?
Kribbelig! Wenn ich mir vorstelle, dass ich da ab sofort in ganz Deutschland auf riesigen Plakaten an Bushaltestellen hängen werde, wird mir schon ein bisschen mulmig. Aber das Schöne überwiegt.
Warum machst du mit?
Bei dieser Kampagne stehen endlich mal keine Prominenten vor der Kamera, sondern positive Menschen, die was zum Thema zu sagen haben. ICH WEISS WAS ICH TU hat ja damit angefangen, und jetzt gibt es das auch in größerem Rahmen zum Welt-Aids-Tag.
Was ist die Message?
Wir wollen zeigen, dass man keine Angst vor uns haben muss. Um Leuten die Angst zu nehmen, müssen Positive selbst an die Öffentlichkeit gehen. Denn wenn man etwas nicht sieht, kann man nicht darüber sprechen. Vielleicht sind ja irgendwann mal so viele Positive öffentlich, dass das total langweilig wird?
Wie findest du denn dein Plakatmotiv?
Mutig!
Mutig von dir oder von deinen Freunden?
Von uns allen. Ich war anfangs ziemlich erschrocken, dass da so fett „Ich habe HIV“ draufsteht. Das hatte ich mir so, ehrlich gesagt, nicht vorgestellt. Jetzt hoffe ich, dass das Plakat für andere Leute genauso schockierend ist wie für mich! (lacht) So in dem Sinne, dass es Bang macht und sie sagen: Da gehe ich mal auf die Webseite und informiere mich.
Für deine beiden Freunde Pascal und Sebastian ist es bestimmt besonders aufregend.
Absolut! Das einzige, was sie davon abhält durchzudrehen ist, dass sie nicht die Hauptfigur sind. (lacht)
Wie kam es, dass ihr vor einer Kletterwand fotografiert wurdet?
Das war Sebastians Idee. Die Kletterhalle soll das Thema Freundschaft zeigen: dass man etwas miteinander unternimmt und sich aufeinander verlassen kann. Beim Klettern muss ja einer den anderen halten. Und dann soll es natürlich auch zeigen, dass man auch als Positiver fit sein kann.
Auf dem Plakat steht: Du hast lange überlegt, wem du von deiner Infektion erzählen kannst. Wovor hattest du Angst?
Vor Ausgrenzung. Und es sind leider tatsächlich relativ viele Leute, die ich für Freunde gehalten hatte, abgesprungen – die haben einfach nicht mehr angerufen. Meine wahren Freunde sind aber natürlich geblieben. Die haben mich recht putzige Sachen gefragt: „Können wir deine Wäsche waschen?“ oder „Können wir dir ein Brot backen?“ Die wollten mich irgendwie unterstützen – das war cool.
Hast du auch in der schwulen Szene negative Reaktionen erlebt?
Leider ja. Nachdem ich bei ICH WEISS WAS ICH TU als Rollenmodell zu sehen war, gab es Leute, die mir nicht mehr die Hand geben wollten. Ich hab auch schon zu hören bekommen: „Du Aidsschwuchtel hast es ja nicht besser verdient.“ Sowas haben Schwule gesagt, das muss man sich mal vorstellen! Und es gab zwei Leute, die rumerzählt haben, ich hätte ungeschützt mit ihnen Sex gehabt, um sie zu infizieren. So können einige Wenige Hass auf Positive schüren.
Was steckt dahinter?
Die Leute werden aus Angst gemein. Die haben keine Ahnung, wie man sich anstecken kann. Manche glauben immer noch, dass man HIV über einen Strohhalm in einer Colaflasche bekommen kann. Sie lehnen also nicht mich als Mensch ab, sondern wollen HIV von sich wegschieben.
Wie oft erlebst du sowas?
Ich würde sagen: 80 Prozent der Reaktionen sind positiv, 20 Prozent negativ – was immer noch eine Menge ist. Aber davon darf man sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Durch meine öffentliche Präsenz will ich ja gerade helfen zu verhindern, dass Positive angeprangert werden.
Und jetzt erzählst du der ganzen Republik, dass du positiv bist!
Ja, das kriegt jetzt jeder Hanswurst mit. (lacht) Aber wenn man damit etwas erreichen kann, dann ist das richtig so. Neulich hat mir schon eine Supermarktkassiererin gesagt, sie hätte mich im Fernsehen gesehen und fände das ganz toll, was ich mache. Also, von mir aus kann’s losgehen.
Wissen deine Arbeitskollegen Bescheid?
Einige schon. Und ich hab einer Kollegin davon erzählt, von der ich weiß, dass sie es weitererzählen wird. Auf diese Weise ist es jetzt ein Gerücht – und wenn die Plakate hängen, wird es bestätigt. Das spart mir Arbeit.
Hast du eigentlich keine Angst davor, dass du jetzt in der Öffentlichkeit mit triefendem Mitleid überschüttet wirst?
Nein, denn ich lasse den Leuten gar nicht die Wahl. Wenn mir ein Reporter traurig in die Augen guckt, dann sage ich dem ganz schnell: „Passen Sie mal auf, das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen zeigen, dass wir stark sind!“ Und die, die nicht stark sind, wollen wir schützen.
Du hast damals im IWWIT-Interview gesagt: Mein Leben soll sich nicht hauptsächlich um HIV drehen. Hast du das mittlerweile aufgegeben?
(lacht) Die Aussage hab ich tatsächlich aufgegeben, denn sie wäre nicht mehr glaubwürdig. Aber meine Freunde holen mich auch immer wieder raus aus dem Thema und sorgen dafür, dass der Rest des Lebens nicht zu kurz kommt.
.
(Interview und Fotos: Holger Wicht)
Bravo Markus. Et merci.
Sei in Gedanken umarmt.