Warum werden HIV-Positive von Hepatitis C-Studien ausgeschlossen?

Die Therapie der Hepatitis C steht vor großen Umbrüchen – große Wirksamkeit bei wesentlich weniger Nebenwirkungen als bisherige Therapien. Doch – HIV-Positive sind meist immer noch ausgeschlossen.

Gleich mehrere neuen Substanzen werden derzeit in Phase-III-Studien gegen Hepatitis C getestet. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr erfolgversprechend. Sie lassen hoffen, dass letztlich nicht nur bestehende Therapien gravierend verbessert werden können – sie lassen schon bald möglich erscheinen, dass eine Behandlung der Hepatitis C ganz ohne das (nicht eben nebenwirkungsarme) Interferon auskommen könnte (siehe entsprechende Investoren-‚Befürchtungen‘, (3)).

HIV-Positive haben ein erhöhtes Risiko, sich mit Hepatitis C zu infizieren. Und bei HIV-Positiven, die mit Hepatitis C ko-infiziert sind, besteht ein Risiko, dass die Hepatitis-C-Infektion schneller fortschreitet als bei einer singulären HCV-Infektion.

Doch – genau diese Menschen mit HIV sind aus Studien mit neuen Medikamenten gegen Hepatitis C derzeit meist prinzipiell ausgeschlossen.

So zeigt eine Suche im neuen ‚EU Clinical Trials Register‚ beispielhaft an einer Phase-III-Studie des Hepatitis-C-Proteasehemmers Telaprevir Studie (EudraCT Number: 2010-021628-84):

„Principal exclusion criteria:

18. Subject has human immunodeficiency virus (HIV) or hepatitis B virus (HBV) co-infection.“

Zwar gibt es inzwischen Studien, die HCV-Proteasehemmer bei HIV-Positiven untersuchen (erste Daten wurden auf der CROI 2011 vorgestellt, siehe (1)) – aber nur vereinzelt. Und erste Studien zeigen, dass dieser Medikamente auch bei HIV-Positiven gut wirken – ein Grund weniger, HIV-Positive zukünftig weiterhin aus Studien auszuschließen. Zudem wurden erste Daten zu Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten vorgestellt (2). Ein weiterer Grund weniger.

Dieser Ausschluss ist mit Gründen erfolgt – und sicher nicht mit diskriminierender Absicht.

So ist eine Behandlung beider Infektionen (Hepatitis C und HIV) komplizierter als die Behandlung einer einzigen Infektion. Und die Interpretation von Studien-Ergebnissen könnte sich als komplizierter erweisen. Über Wechselwirkungen zwischen HIV-Therapie und den neuen Hepatitis-C-Substanzen ist (naturgemäß) noch wenig bekannt.

Doch – rechtfertigt all dieses tatsächlich, Menschen mit HIV generell von Studien mit erfolgversprechenden Hepatitis-C-Medikamenten auszuschließen ?

Rechtfertigt dies, ihnen dadurch – für sie besonders wichtige – Behandlungs – Optionen weiter vorzuenthalten ?

Rechtfertigt dies einen prinzipiellen Ausschluss bei einer ganzen Gruppe, die ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit Hepatitis C hat? Und die zudem ein erhöhtes Risiko einer schneller fortschreitenden Erkrankung hat ?

Forscher und Sponsoren müssen sich fragen lassen, ob dieser prinzipielle Ausschluss noch zu verantworten ist.

Zulassungsbehörden wie auch Ethik-Kommissionen müssen sich fragen lassen, ob dieser prinzipielle Ausschluss noch vertretbar ist.

Doch – letztlich wird sich vermutlich hieran nichts ändern, solange HIV-Positive, die auch mit Hepatitis C ko-infiziert sind, nicht selbst „den Arsch hoch bekommen“, Druck machen, sich selbst engagieren und für ihre Rechte und Gesundheit kämpfen …

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Danke an Armin Schafberger (DAH) und Kees Rümke (Hiv Vereniging Nederland) für Hinweise!
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(1) siehe z.B. aidsmap 02.03.2011: Telaprevir works well for people with HIV/HCV co-infection
(2) POZ 03.03.2011: Hep C Protease Inhibitor Telaprevir Interacts With HIV Drugs
(3) The Street 08.03.2011: Pharmasset Hep C Data Wows Investors
Hiv Vereniging Nederland 18.03.2011: HCV-remmers op komst
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16 Gedanken zu „Warum werden HIV-Positive von Hepatitis C-Studien ausgeschlossen?“

  1. „nicht selbst den arsch hochbekommen“….???
    wessen aussage ist dies?
    von?Danke an Armin Schafberger (DAH) und Kees Rümke (Hiv Vereniging Nederland) für Hinweise!
    oder eine formulierung von ondamaris?

    ich selbst hatte mich bemüht,in die HIDIT II – studie von prof manns (hannover) zu kommen.
    (studie zur behandlung der hep D )
    natürlich wurde ich wg. HIV abgelehnt.
    selbst fragen zur therapie wurden mir von seinen mitarbeitern nicht beantwortet–>“mein arzt könne sich gerne mit ihm in verbindung setzen“)

    von prof. rockstroh habe ich die info,dass die erfolgschanchen der therapie mit interferon u. tenofovir bei 15 – 25 % liegen.—>bei HIV co-infizierten eher im unteren bereich.

    damit ist die antwort klar.
    die forscher wollen sich ihre ergebnisse nicht vermiesen lassen.

    lg orlando
    (by the way:ich mache die therapie trotzdem—>danke an meinem SPA—> sie scheint zu wirken)

  2. Ulli a draft EMA guideline on HCV antivirals is open for comment. The current guideline states:

    „HCV/HIV co-infected patients: The primary aims of exploratory studies in co-infected patients include safety and confirmation that doses predicted from interaction studies result in proper exposure to the experimental compound and interacting HIV medicinal products. If not otherwise justified, these data should be available at time of drug approval.“

    So MSD might have something to explain of justify about boceprevir and HIV.

    The concept guideline is less clear to me:
    „Regarding special populations, the need to start trials as early as can safely be done for groups with an important unmet medical need (e.g., patients with decompensated liver disease or HCV/HIV coinfection) is emphasised,“

    In other words: as soon as possible

    „As the development of cirrhosis is accelerated in patients with co-infection, expanded access programs are encouraged for co-infected patients, particularly those with more advanced fibrosis.“

    „Depending on the characteristics of the particular drug and the extent of available data on the relevant drug combination, inclusion in exploratory and confirmatory trials in co-infected patients may be limited in varying ways, and no general rule for appropriate inclusion and exclusion
    criteria can be given.“

    „Presently, single arm trials are foreseen in this population, but this may be subject to change as treatment options are licensed.”

    EMA encourages expanded access and clinical trials for the co-infected don’t need a control group. For telaprevir and boceprevir it is too late for expanded access. On named patient basis access might be possible though. MSD has such a program for boceprevir, very limited in seize and co-infected people are excluded. If interaction data are coming, that exclusion should change.

    Lg,
    Kees

    Current guideline
    http://www.ema.europa.eu/ema/pages/includes/document/open_document.jsp?webContentId=WC500003461

    Draft guideline: http://www.ema.europa.eu/ema/doc_index.jsp?curl=pages/includes/document/document_detail.jsp?webContentId=WC500102109&murl=menus/document_library/document_library.jsp&mid=0b01ac058009a3dc

  3. @ orlando:

    dies war meine kommentierende Aussage.

    ich weiß, und mir berichten auch gelegentlich Ärzte, dass einzelne Patient/innen nachgefragt, sich beschwert haben.
    was m.e. fehlt ist ein gemeinsames handeln von menschen mit hcv bzw, von menschen mit hiv und hcv. einfluss z.b. auf studiendesigns zu nehmen ist für den einzelnen (patienten) kaum möglich – wohl aber, wenn man als gruppe aktiv wird, seine interessen formuliertt und für sie eintritt.

    lg

  4. Ich hörte dass das Named Patiend Program mit Boceprevir jetz auch offen is für HIV-Positieven. Also auch in Deutschland!
    Kees

  5. . . schaut man sich die Mitglieder des neuen Nationalen AIDS Beirat an so greift man sich

    1. an den kopf
    und man wird
    2. zu der Aussage verleitet: Na das kann ja lustig werden

  6. lieber ondamaris,
    du hast recht.
    durch meine hep D habe ich ja auch mittlerweile kontakt zu vielen hepC-patienten,ich versuche mal in „unserem“ forum einen thread zu starten.
    ob leute bereit sind mit namen die firmen anzuschreiben.
    zu lesen dann im lhivingforum
    lg orlando

  7. Gähn …
    Wie immer recht kurz gesprungen und am eigenen Tellerand gescheitert…
    Noch ausgeschlossen:
    Menschen mit dekompensierterZirrose (die – nur ganz am Rande – ein erheblch höheres Sterberisiko haben, als HIV/HCV-Ko-Infizierte);
    schwangere Frauen.
    Hat sich mal jemand Gedanken über den Anteil der Studienpopulation über 65 Jahren gemacht?
    Wie seieht das Design unter gewichts- und geschlechtsspezifisachen Gesichtspunkten aus?

    Bevor Menschen mit HIV/HCV unter erfolgreicher HAART eine experimentelleHCV-Therapie beginnt (und da ist Boceprevir nur eine von etlichen (!) Substanzen und sicherlich keineswegs die interessanteste), sollte man voher zumindest einen blassen Schimmer von den Wechselwirkungen haben. Und an der Front sieht es recht gruselig aus. Auch ein schön altes Problem, dass Interaktionsstudien erst dann gemacht werden, wenn die experimentellen Substanzen vorhersehbar auch zugelassen werden können – also eher spät im Prozess. Und bis dahin werden auch wenig bis keine Studien mit Ko-Infizierten laufen.

    Wer sich mal die Nebenwirkungsdias auf den letzten beiden Konferenzen (CROI und EASL) ansieht, der wird sich ohnehin fragen, ob die Industrie noch alle Tassen im Schrank hat. Aber die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

    Kees hat es schon geschrieben. Die Jahrestherapiekosten in Frankreich sind schlappe 31 Tausend USD! Auch das hätten AIDS-Aktivisten nicht widerstandslos hingenommen.

    Es sind derzeit über 30 Substanzen in der Entwicklung. Die Ansatzpunkte bei der HCV-Therapie sind vielfältiger und komplexer, als bei HIV. eine Herausforderung für die HCV-Selbsthilfe . 🙂
    Bernd

  8. richtig die hep C therapie ist ein sehr komplexes thema,sehr NW-reich und deshalb müssen neue substanzen her.

    es ist nicht lustig mit 150 cd4 auf interferon zu sein und entscheiden zu müssen…absetzen? oder weiter?(zumal die therapie zu funktionieren scheint)
    dann kommt noch ´ne lungenenetzündung dazu und du fragst dich,liegt´s an den niedrigen cd4 oder anden niedrigen leukos…usw.
    darum muss da was geschehen…natürlich nicht nur wg. mir,sonder wg. tausender denen es so geht

  9. @Bernd
    was wäre den die alternative? Aus Angst vor möglicherweise nicht auszuhaltenden NW sich auf keine Peg Inf Therapie einlassen?

    welche NW man hat wird sich erst dann rausstellen wenn man sich auf die therapie einläßt.

    2002 habe ich nach 2 Monaten abgebrochen weil es nicht ging.

    in2003 dann den 2. Anlauf gestartet. da wurde erts mal AZT weggelassen und durch viread ersetzt: das ist kontraproduktiv zu den substanzen der HEP C therapie. nach 30 wochen erstmals unter der vl, 15 monate gesamt dauer. n zuckerschlecken war s nicht. aber und das war nicht voraussehbar ich bin setdem hep c virenfrei.

    die alternative wäre nach deinem verstädnnis keine theapie zu machen. ya auch ne lösung . . eine mit sicherheit die der leber alles andere als gut tut um es mal vorsichtig zu formulieren.

    ob – welche und wie heftig NW s sind weiß du danwenn du mit der therpie anfängst. gleiches gilt analog für ne HIV theapie. klar man kann sich von den NW s beeindrucken lassen . . . . und keine theapie machen . . DAS ergebnis solltest du ja kennen . . .das war ja der standard bis 1995. keine medikamente . . . .

  10. versuchskaninchen…jaja. ich habe x-fach versucht pharmas und ärzte auf wechselwirkungen von art und parkinson-medis zu sensibilisieren. no way. oftmals nicht mal eine antwort erhalten. zwar gibts studien zu rls und hiv, aber wenn ich konkret frage, keine antwort.
    nein, ich glaube es müsste wieder druck aufgebaut werden. nicht nur druck auf möglichst schnelle zulassungen, wie es gang und gäbe ist. sondern andere neue studien verlangen. nicht-attraktive, vielleicht…

  11. liebe michéle,
    da bin ich ganz deiner meinung.
    du kannst mir gerne ein paar ideen zukommen lassen….entweder im lhiving oder im forumhiv,von mir aus auch hier.
    wir wollen da nämlich was starten…
    lg O.

  12. @ondamaris,
    klar halte ich dich auf dem laufenden.
    denis hat ein interview gemacht (wird noch ein paar tage dauern bis er es online stellt),
    wir suchen adressen u. links zu mögl. kontaktpersonen,ethikkommissionen und „studienmachern“
    lg orlando

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