Seine Vorgesetzte habe die Nacht mit einem Geschäftspartner verbracht, und der sei HIV-positiv. Sie wisse ja, was sie sich da eingefangen habe. Diese Behauptungen brachten einem 52jährigen Sachbearbeiter in einem Zulieferbetrieb der Automobil-Industrie Klagen wegen Verleumdung und die Kündigung.
Die Kündigung wurde Mitte Juni 2011 vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigt (5 Sa 509/10). Das Landesarbeitsgericht informierte in einer Pressemitteilung:
„Der 52-jährige Kläger war bei der Beklagten, einem Zuliefererbetrieb für die Automobilbranche, seit 1986 als Sachbearbeiter beschäftigt. Seit der Trennung von seiner Familie befand sich der Kläger kurzfristig Mitte 2008 in ambulanter psychologischer Behandlung. Von Ende 2008 bis Mitte 2009 war er aufgrund eines psychischen Zusammenbruchs arbeitsunfähig. Am 08.02.2010 ermahnte die Beklagte den Kläger, seine fortlaufenden anzüglichen Bemerkungen gegenüber dem weiblichen Personal zu unterlassen. Als der Kläger zwei Tage später die mit ihm im Großraumbüro zusammen tätige Vorgesetzte und weitere Arbeitnehmerinnen mit den Worten „Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen“ beleidigte, mahnte die Beklagte ihn ab. Am 25.02.2010 forderte der Kläger seine Kollegen und Kolleginnen trotz der Mittagspause auf, zu bleiben, da er gleich eine „Bombe platzen“ lassen würde. Als seine Vorgesetzte erschien, behauptete er, dass sie die Nacht bei einem Geschäftspartner verbracht habe. Er habe ihr Auto gesehen und sie, die Vorgesetzte, wisse ja, dass der Mann HIV positiv sei und was sie sich damit jetzt eingefangen habe. Sowohl die Vorgesetzte als auch der Mann stritten dies ab und stellten gegen den Kläger Strafanzeige wegen Verleumdung. Die Beklagte kündigte dem Kläger aufgrund dieses Vorfalles fristlos. Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Kündigungsschutzklage zurück. Im Berufungsverfahren wandte der mittlerweile unter Betreuung stehende Kläger lediglich ein, dass während eines Klinikaufenthalts im April und Mai 2010 festgestellt worden sei, dass er manisch-depressiv sei und auch am 25.02.2010 schuldlos gehandelt habe. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Vorgesetzte tatsächlich bei dem Geschäftspartner übernachtet hat, denn aufgrund der konkreten Umstände und der süffisanten Diktion der klägerischen Unterstellungen hat er seine Vorgesetzte grob beleidigt. Er hat nicht nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern wollte die Vorgesetzte gezielt bloßstellen, indem er vermeintliche Intimitäten in deren Anwesenheit den Kollegen gegenüber preisgibt. Der Kläger ist auch bereits einschlägig abgemahnt worden. Zwar setzt eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung in der Regel ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Indessen ist es der Beklagten nicht zumutbar, die durch den Kläger andauernd sexuell gefärbte grobe Beleidigungen verursachte erhebliche Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Ordnung auch künftig hinzunehmen, selbst wenn der Kläger am 25.02.2010 schuldlos gehandelt haben sollte.“
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weitere Informationen:
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 17.06.2011: Fristlose Kündigung trotz möglicher Schuldunfähigkeit
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Was mich immer wieder irritiert: Wenn jemand »HIV« als (angeblich) letztes Mittel der Diskriminierung nutzt, steht immer irgendwo auch, dass er (oder sie) bereits in psychologischer Behandlung war – aus welchem Grund auch immer. Gibt es da Korrelationen? Ist die psychische Instabilität Voraussetzung für Diskriminierung oder befördert sie sie »nur«? Welchen Nutzwert hat der Hintergrund (Trennung von der Familie) für die Diskriminierung/Beleidigung/Bloßstellung? Was die Bemerkungen Frauen gegenüber betrifft, schwingt da sicherlich viel verletzte Eitelkeit aufgrund der Trennung mit – was den Tatbestand aber auch nicht besser macht. Aber warum muss dann HIV ins Spiel kommen ….. *grübel*