Augsburg: 75.000 € Schmerzensgeld für HIV-Infektion

Ein 31jähriger Mann erhielt aufgrund seiner Zivilklage vom Augsburger Landgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro von seinem ehemaligen Partner zugesprochen. Strafrechtlich war dieser bereits im Juli 2010 verurteilt worden.

Die Zweite Zivilkammer des Augsburger Landgerichts betrat Neuland. Erstmals überhaupt wurde ein Urteil gefällt über Schmerzensgeld aufgrund einer HIV-Infektion innerhalb einer schwulen Beziehung. 75.000 € sprach sie am 16. November 2011 einem Kläger zu. Zudem muss der Beklagte zukünftige „materielle Schäden“ des Klägers übernehmen. Das Urteil erfolgte aufgrund eines Vergleichsangebots des Gerichts, auf das sich beide Parteien einigten.

Der 31jährige Kläger hatte zwei Jahre in einer Beziehung mit einem älteren Mann. Beide hatten Sex ohne Benutzung von Kondomen mit einander. Der Angeklagte wusste von seiner eigenen HIV-Infektion, teilte sie seinem damaligen Partner (dem jetzigen Kläger) jedoch nicht mit. Entsprechende Fragen danach verneinte er zudem.

Strafrechtlich war der Angeklagte, der inzwiswchen in der Nähe von München lebt, bereits im Juli 2010 vom Amtsgericht München zu einer Haftstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er ist mittellos, lebt von Sozialhilfe, hat Privatinsolvenz angemeldet.

Der Kläger, der inzwischen zu 70% schwerbehindert ist, hat seinen Arbeitsplatz verloren und lebt von einer Rente von 700 Euro monatlich. Zudem erhält er Mittel nach dem Opferentschädigungsgesetz.

 

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weitere Informationen:
SZ 16.11.2011: Urteil um HIV-Infektion – Wenn aus Liebe Hass wird
Augsburger Allgemeine 16.11.2011: Was ein Leben wert ist
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5 Gedanken zu „Augsburg: 75.000 € Schmerzensgeld für HIV-Infektion“

  1. tja da bleibt einem als hiv positiver nur eines übrig. vor jedem sex mit einem menschen sich schriftlich von seinem partner/in bestätigen zu lassen das man sie/ihn darüber in kenntnis gesetz hat das man

    1. hiv ist
    2. sich im falle einer einvernehmlichkeit – sex ohne kondom – sich eines restrisikos bewußt ist
    2a. und im fall des falles keine forderungen stellt
    3. sich darüber im klaren ist das unter verwendung eines kondoms dennoch ein restrisiko besteht und im fall des falles siehe 2a.

    natürlich muß der inhalt dieses papier von mindesten 2 zeugen bezeugt werden . . .

  2. Ganz genau so. Das gilt dann aber auch für den schnellen Sex im Darkroom, auf der Klappe, nachts im Park oder in der Sauna. Und das ganze notariell beglaubigt und bei Gericht vor dem Akt hinterlegt. 🙁

    Ich meine es war zu erwarten das einmal ein solches Urteil kommt. Ob es jetzt als typisch Bayrisch einzustufen ist, darüber mag man jetzt spekulieren. Man muss sich ja als „geschädigter“ nicht mehr daran erinnern, das man vorab darüber gesprochen hat. Ich will dem Kläger in diesem Fall solches nicht unterstellen sondern denke das eher vom Prinzip. Aber es macht deutlich das es sehr wohl wichtig ist mit seinem Partner offen über seinen Status zu reden.
    Nach der Doku „Aids-Krieg“ von gestern Abend fühle ich mich bei diesem Urteil an die restriktiven Forderungen von Peter Gauweiler erinnert. Dieses Urteil ist ein gewaltiger Schritt zurück.

    Wenn ich aber lese, der beklagte lebt eh von Hartz IV, wie will der das Schmerzensgeld jemals abzahlen, wenn das so bleibt, desgleichen gilt natürlich für die Folgekosten.

  3. Auch ich habe direkt an die doku von gestern Abend gedacht! Klar war es fast zu erwarten, dass solch ein Urteil irgendwann mal gefällt wird. Jedoch müssen wir aufpassen, dass es nicht wie in den letzten Jahren zu einer Häufung davon kommt und die HIV positiven als der Sündenbock der Nation dastehen. Das nutzt nämlich höchstens der weiteren Verbreitung von HIV und nicht der Prävention wie sie in den letzten Jahren geführt wurde. Die positiven werden entweder keinen Sex mehr haben oder aus Furcht nichts mehr sagen und die negativen (oder die es glauben zu sein) fühlen sich sicher, da sie ja keine Verantwortung tragen, nach dem Motto: „wenn was passiert kann ich ja klagen und bekomme Entschädigungen!“

  4. Tja, ich hatte heute Morgen das unmittelbare Vergnügen, da ich einen ländlichen Ableger der Augsburger Allgemeinen beziehe, den betreffenden Artikel im Orginal zu lesen.
    Zwei Männer, jetzt beide arbeitslos in gerichtlicher Auseinandersetzung und bei beiden eine dramatische Unfähigkeit mit einer Ansteckung und letztlich mit dem Leben klar zu kommen. Der jüngere Mann, dies sei ergänzend hinzugefügt mit Migrationshintergrund und demzufolge, auch dies erzählt der Artikel, erfährt er eine völlige Ablehnung durch die eigene Familie. Hier eröffnet sich nicht nur ein Drama, eine ganze Palette von Dramen tun sich da auf und ein Gericht beziffert in einem Zivilprozess 75.000.- Euro als Schaden, während der Journalist lamentiert, was denn ein Menschenleben wert sei?
    Ist denn, so fragte ich mich bei meiner Tasse Tee, jemand gestorben? Dass beide nicht klar kommen, das lese ich. Ich lese auch heraus, dass es sich irgendwie um einen Beziehungskrieg handelt zwischen einem älteren Mann, der wohl ein eigenes Geschäft hatte und einem jüngeren Mann, der sich in mehrfacher Hinsicht hintergangen fühlt. Der Journalist, der scheinbar an dem Prozess teilgenommen hat, schreibt wie folgt: „Das junge Leben des Opfers ist ruiniert. Das macht der Mann selbst deutlich, als es mit sich überschlagender Stimme aus ihm herausbrach: “ Der xxx hat mein Leben zerstört. Ich bin sehr allein. Meine Familie redet nicht mehr mit mir. Ich darf meine Nichte nicht mehr sehen und anfassen. Ich werde überall erniedrigt, habe öfters gedacht, ich bring mich um….“
    Der junge Mann ist heute zu 70 Prozent erwerbsunfähig. Er geht zwei Mal in der Woche zum Psychiater und muß täglich fünf Tabletten nehmen. Er lebt von einer Rente und Opferentschädigung. Soziale Kontakte hat er keine mehr. Ein ruiniertes Leben. Keine Perspektive. Wie viel Schmerzensgeld ist das wert.“

    Das war dann der Moment, wo ich dachte, nachdem ich meine Tasse Tee absetzte, wieviel Schmerzensgeld ist eigentlich ein verdorbener Tag wert? Unter dem Artikel noch die kleine „HIV in Deutschland“ Liste mit den vielen, vielen Toren und Prozenten – so das Übliche.
    Noch was aus dem Artikel: Der „Täter“ (immerhin in Anführungszeichen) sieht sich moralisch verpflichtet, zu zahlen – der vollstreckbare Titel über 75.000.- Euro ist ein Vergleich.
    Da dachte ich etwas unkonventionell, teuere Scheidung und das gemeinsame Kind heißt HIV, für das ist nun Sorge zu tragen (mit 5 Tabletten täglich?).
    Und der Artikel endet wie folgt: Der Kläger sagt: „Und wenn ich zwei Millionen Euro kriege, meine Gesundheit kriege ich nicht wieder.“
    Also, ich hatte Aids, lag drei Monate im Krankenhaus, mit ner Gehirnentzündung, jetzt geh ich erst mal in Sport, denn heute hab ich nen freien Tag, morgen arbeite ich wieder.
    „Doch Junge,“ würde ich gerne sagen, „Du bekommst Deine Gesundheit schon wieder, Du bist noch nicht mal krank! Ja seelisch krank, das bist Du, hast Familie und Freunde verloren. Ich habe auch Frende verloren und das so brutal, dass ich heute noch stocke – und zwar an eine Krankheit, die furchtbar war. Da sind die Menschen erblindet, verhungert und diese verdammten Flecken, erinnert ihr Euch noch an all die verfluchten Flecken – das war AIDS! Jeder von denen, die damals gestorben sind, hätte sich danach gesehnt, und zwar von Herzen gesehnt, dass es so kommen würde, wie es heute kam, dass wir mit HIV leben können, dass wir an Aids erkranken und wieder gesunden können, dass ich heute genau das wieder erlangt habe, was dieser Junge noch nicht mal verloren hat, meine Gesundheit!
    Ich setze mich umter anderem auch für Menschen ein, die wie ich positiv sind, deshalb möchte ich auf diesem Weg den beiden Streithähnen folgendes sagen. Erstens, zu Dir junger Mann, Dein Leben steht noch vor Dir, sieh zu, dass Du es wieder in den Griff bekommst. Wenn Du hier ne Adresse suchst: ZAS Augsburg, Schaetzlerstrasse. Das was Du als verloren glaubst, das hast Du noch, also beware es Dir, denn ich weiss, was es wirklich bedeutet, seine Gesundheit zu verlieren. Du hast noch nicht mal eine Ahnung davon. jetzt zu dem Älteren. Dumm gelaufen und irgenwie auch ok, dass Du Dich sogar auf diesen Titel geeinigt hast und dem jüngern ehemaligen Freund ein etwaiges Erbe zugesprochen hast. Euer gemeinsames Baby ist leider, naja, nicht wirklich menschlich, so ne Virussache, aber durchaus lebensfähig, leider arg parasitär und mehr so ein Alien, daher wäre es ganz gut, wenn die kleine Kröte sich eben nicht über uns als Wirt verbreitet, dies sei Dir noch mal ins Stammbuch geschrieben. Ein Tip von mir, halte die Medikation ein und achte darauf, dass Deine Viruslast unter Nachweisgrenze bleibt, dann bleibt Dir selbst bei glückloser Handhabe mit Kondomen ein weiterer juristischer Ärger erspart. Vielleicht schaffst Du es und zwar mit Deinem Beispiel, Dein Leben so zu führen, dass Du Deinem ehemaligen Liebhaber deutlich machst, dass man mit HIV durchaus gut und würdig leben kann. Da ist bei Euch unglaublich was schief gegangen und wir alle lesen von Euerem Drama aus der Zeitung. Liebe, Hass, Leidenschaft und auch noch HIV – ich vermag das nicht zu entwirren, aber eines können wir heute schon ermöglichen, Dir die Lebenszeit geben, dass Du eventuell selbst einiges davon aufdröseln kannst und eventuell irgendwann das werden kannst, wonach sich der jüngere Exlover so sehnt – ein Freund.“
    Und für einen Freund, dies sei abschließend erwähnt, zerreist jeder etwaige Forderungen nach den Wert seines Lebens, denn ein Freund ist auch unendlich viel wert und nicht zu bezahlen. Dem Journalisten Holger Sabinsky-Wolf möchte ich ans Herz legen, daß er, da er nun mal begonnen hat, über das Thema HIV zu schreiben, dass er mal weitermachen soll und auch mal recherchieren soll, wie sehr sich da etwas verändert hat. Das Sterben ist seit einiger Zeit vorbei und es gäbe viel Schönes zu berichten – eigentlich ist es ja sogar schön, daß die beiden sich da streiten vor Gericht – auch ein Fortschritt von Medizin und Wissenschaft oder um es mit einem orientalischen Sinnspruch zu sagen, den ich von Rafik Schami gehört hab: Geduld und Humor sind zwei Kamele mit denen man eine Wüste durchquert.

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