Mittelalter à la grecque ? – griechische Polizei stellt HIV-positive Frauen öffentlich an den Pranger

Hat Athen mitten in der Krise nun den Pranger wieder entdeckt? Diesmal in der ‚modernen‘ Kombination Aids, Prostitution – und Internet und Polizei?

Elf Frauen, jede mit Namen, Geburtsdaten und Photos – öffentlich als an Aids erkrankt bezeichnet, im Internet, auf einer offiziellen Seite, einer Seite der griechischen Polizei …

Was ist geschehen?

„Aids-Angst in Athen“ oder „Aids: Behörden suchen Freier“ titeln die Medien. Den Hintergrund, ja Anlass für aktuelle Berichte liefert – die griechische Polizei und Staatsanwaltschaft.

Etwa einhundert nicht registrierte Prostituierte haben die Behörden in Athen festgenommen, auf dem Straßenstrich und in illegalen Bordellen. Sie wurden auf  Veranlassung der griechischen Gesundheitsbehörden (KEEL.PNO) mit mobilen Tests auf HIV untersucht – ob freiwillig, darüber sagen die Medienberichte nichts. Elf von ihnen wurden HIV-positiv getestet.

Und  nun sucht die Staatsanwaltschaft Athen nach Freiern, die Sex mit diesen Frauen hatten. Dazu ordnete sie an (!), Bilder dieser Frauen zu veröffentlichen (!) – im Internet (!).

Um ‚die Kunden zu warnen‘, wie es heißt – und vielleicht auch, um etwaige Kunden nicht nur zu einem HIV-Test zu bewegen, sondern auch zu einer Anzeige zu motivieren. Die Frauen hatten den Berichten zufolge gestanden, Sex ohne Kondome gehabt zu haben.

So finden sich seit dem 1. Mai 2012 nun auf einer offiziellen Internetseite der Athener Polizei (hier; ergänzt um eine Pressemitteilung) 22 Fotos – jede der elf Frauen ist in einer Ganzaufnahme sowie einer Gesichts-Aufnahme zu sehen. Alle elf Frauen werden nicht nur in je 2 Photos gezeigt, auch ihr voller Name sowie Geburtsort und Geburtsdatum werden genannt. Das Ganze unter dem Titel „Bekanntmachung der Veröffentlichung von Photos von elf Frauen, die einer Gesundheitskontrolle zufolge AIDS haben“.

Griechische Medien berichten seit einigen Tagen breit über die Verhaftungen und HIV-Tests – und auch deutsche Medien greifen das Thema inzwischen auf.

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Erschüttert sehe ich erste Meldungen. Recherchiere ein wenig [danke, A.!]. Stoße bald auf die Internetseite der griechischen Polizei, die die Photos von elf Personen mit Namen und Geburtsdaten veröffentlicht.

Bin erschüttert, fassungslos.

Geht’s noch?

Mittelalter in Zeichen des Internets?

Pranger à la grecque?

Haben die Frauen keinerlei Persönlichkeitsrechte?

Gibt es keinen Datenschutz?

Oder waren sie etwa mit der Veröffentlichung ihrer Photos  und Daten einverstanden?

Hat irgend jemand die Freier gezwungen, beim Sex auf die Benutzung von Kondomen zu verzichten?

Oder haben die Freier – und nicht die Prostituierten – vielleicht eher selbst nach „Sex ohne“ (Kondom) verlangt?

Werden die Freier jetzt eigentlich auch öffentlich an den Pranger gestellt? Mit Foto und Geburtsdaten? Weil sie ohne Kondome zu benutzen Sex mit Prostituierten hatten?

Niemand darf wegen seiner HIV-Infektion an den Pranger gestellt werden.

Dies gilt für jeden Menschen – unabhängig u.a. auch von seiner Tätigkeit, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus.

Im Umgang mit Medien erleben Menschen mit HIV schon seit Jahren oft genug keinen Respekt – und erwarten ihn doch, selbstverständlich.

Respekt, Sensibilität –  gerade von staatlichen Stellen sollte ihn jeder Mensch  mit HIV erwarten dürfen. Und nicht das Gegenteil – öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.

Oder rechtfertigt Aids hier – wieder einmal – jedes Mittel?

Wenn wir dies ohne Protest hinnehmen – befinden wir uns bald wieder im Mittelalter.

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Pranger im Folter-Museum Freiburg (Foto: Flominator)
Pranger im Folter-Museum Freiburg (Foto: Flominator)

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siehe auch
The Times That Belong To Us 03.05.2012: Greek brothel arrests
DAH 06.05.2012: Hilflos gefangen in den Netzen der Huren?

3 Gedanken zu „Mittelalter à la grecque ? – griechische Polizei stellt HIV-positive Frauen öffentlich an den Pranger“

  1. Aids ist in diesem Fall nicht der zentrale Punkt und wenn man sich nur mit HIV in der gesellschaft beschäftigt, hat man keine Chance zu verstehen was hier geschieht. Die Krise hat die ganze Gesellschaft Griechenlands ins Mittelalter geschleudert. Die Mehrheit der Bevölkerung weiß kaum noch wie überleben nach den durch die EU erzwungenen Kürzungen und Entlassungen. Genau wie im Deutschland der Dreissiger führt Verelendung zum Abrutschen der Menschen in Extreme. Die Nazis haben bei Umfragen statt traditionel 5% plötzlich 20% Zuspruch. Die Kürzungen und Entlassungen unter Kanzler Brüning haben zum Aufstieg der NSDAP geführt. Genau das gleiche Programm haben EU und vorallem Frau Merkel in Griechenland ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen. Huch, welche Überraschung, Nazis und ihr Weltbild gewinnen in Griechenland die Meinungshoheit. Ausläner, Arme, Prostituierte, Asylanden, alle sind zur Zielscheibe der Rechtsextremen geworden. es geht darum im eigenen Elend auf andere einzudreschen, die niedriger in der hackordnung stehen. Typisch Nazi-Denkweise. Um ihnen zu kontern versuchen nun Politiker der etablierten Parteien mit eklig, populistischen Ideen die Wähler bei der Stange zu halten, so kam es zu dieser widerlichen Aktion. Wahlen stehen vor der Tür in Griechenland, es geht um die Wurst für die alten Parteien…. es handelt sich um eine plötzliche und massive Verrohung der Gesellschaft, zu der aber EU, EZB, IWF und vorallem auch die Bundesregierung und Frau Merkel massiv beigetragen haben. Nicht aus Bosheit natürlich, Frau Merkel ist nicht böse, sie will nur eben wie die griechischen Politiker auch, Wahlen gewinnen und die öffentliche Meinung an ihrer Seite haben.

  2. Vor einigen Monaten hat ein Wirtschaftsfachmann gesagt das die Situation in der sich Griechenland befindet nur mit einem Instrument wie des „Marshallplanes“ beigekommen werden kann. Sparen und Investieren. Unsere dumpfbackige wortführende Mutti hat dies natürlich nicht verstanden. Wie sollte sie auch mit ihrer Sozialisation. Damals haben Viele schon gewarnt das Sparen um jeden presi ein Schuß sein wird der nach hinten losgeht. q.e.d.

    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/griechenland-unheilvolle-morgendaemmerung-11736252.html

    Ungarn, Frankreich – Marie Le Pen, Griechenland, Spanien, Italien . . . da braut sich in der Tat eine unheilvolle Allianz zusammen die nicht ohne Wirkung – Auswirkung auf uns bleiben wird

    http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/arbeitslosigkeit-in-euro-laendern-steigt-auf-rekordhoehe_1.16713860.html

    gez Kassandra

  3. Pingback: Gedenken an homosexuelle Nazi-Opfer: Schwarz-Grün in Frankfurt verbietet Kranzniederlegung ­ DIE LINKE.queer Nordrhein-Westfalen

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