Irgendwie ist es immer noch etwas Besonderes, für die eigene HIV-Infektion demonstrieren zu gehen. Man sieht mir auf den ersten Blick nix an und mir ist auch nix Schlimmes bisher passiert – persönlich ist es für mich also eher ein abstrakter Grund, mich bei den Wolfsburgern zu beschweren. Trotzdem ist in mir das Gefühl es tun zu wollen. Wolfsburg ist ein guter Ort, dieser gefühlten Pflicht etwas nachzukommen.
Wir gehen sehr artig durch das mäßige Einkaufstreiben eines kleinstädtischen Samstagmittags. Die Menschen bleiben stehen, drehen sich um – und fragen sich was das ist was da durch ihre friedliche Innenstadt schreitet, und ein wenig auch worum es geht? Wie die meisten Menschen in Deutschland wissen die Wolfsburger nur wenig zu HIV. Die Lebenspraxis mit dieser chronischen Erkrankung ist für sie fremd.
Irgendwann spüren wir Demonstranten, daß wir nicht mit Steinen beworfen werden und auch keine offene Feindseligkeit aufkommt. Das Klima in mir entspannt sich. Der Auftritt der gutaussehenden Ortspolizei ist daher sehr unterhaltend.
Wir beginnen mit einzelnen Wolfsburgern zu reden und erklären ihnen unsere Anliegen, da diese oft nicht erkennen worum es uns überhaupt geht. Hier müssen wir noch Kommunikationsformen entwickeln, die auch am Samstag in einer deutschen Kleinstadt funktionieren. Auf beiden Seiten bleibt man meist höflich.
Für mich war es gut zu demonstrieren, weil es wieder einmal ein Schritt zur Überwindung meiner eigenen Ängste war – ich habe es ja überlebt…. und fühle mich etwas wie der junge Che.
Ich glaube das war das grösste „Problem“ der Wolfsburger oder der Demonstranten….Worum ging es überhaupt? Was wollen wir/die denn überhaupt? Was wollen die von mir als Unbeteiligter? Aber es wird!
Viva la Revolution Che!
Das Beste an der Demo war, dass so viele dabei waren und nicht nur eine Hand voll Leute die gar nicht auffallen. Ob man in einer Kleinstadt wie Wolfsburg wirklich das erreichen kann was mit einer solchen Demo bezweckt ist nur schwer zu beantworten.
Dennoch war es schön dabei gewesen zu sein.