HIV-Zwangstest : Bundesregierung: kein Handlungsbedarf, präventiv-polizeiliche Befugnis nicht vorhanden (akt.)

„Eine zwangsweise durchgeführte Testung auf HIV und Hepatitis stellt einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und ggf. auch in die körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) dar. … Grundrechtseingriffe sind nur aufgrund eines Gesetezs und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig.“ Dies betont die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu HIV-Zwangstests.

Das Bundesland Sachsen-Anhalt plant die Einführung der Möglichkeit von Zwangstests auf HIV und Hepatitis (siehe ondamaris 13.7.2012: Bald HIV-Zwangstest in Sachsen-Anhalt möglich? und ondamaris 6.8.2012: Geplanter HIV Zwangstest in Sachsen-Anhalt – die Haltung der Parteien).

Die Bundesregeriung betont in ihrer (unter Federführung des Bundesinnenministeriums entstandenen) Antwort auf die Kleine Anfrage:

„Eine präventiv-polizeiliche Befugnis nach dem Bundespolizeigesetz zur zwangsweisen Testung von Infektionskrankheiten besteht nicht.“

Sie sehe zudem keinen seuchenrechtlichen Regelungsbedarf auf Bundesebene.

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Barbara Höll, Lesben – und Schwulenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, die die Kleine Anfrage auf den Weg gebracht hat: „Die Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage ist eine Ohrfeige für die Landesregierung Sachsen-Anhalts„.

Höll betont, die Bundesregierung sage eindeutig, dass sie „keinen Handlungsbedarf sieht für die Einführung von Zwangstest in das Polizeigesetz und argumentiert wohlweislich mit dem grundgesetzlichen Schutz der körperlichen Unversehrtheit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung„. Höll weist zudem darauf hin, dass „dem BKA [Bundeskriminalamt, d.Hg.] aus den letzten 10 Jahren kein Fall einer Infektion bekannt [ist]. Damit sollte der Gesetzgeber in Sachsen- Anhalt das Polizeigesetz in dieser Form nicht verabschieden.“

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Aktualisierung
18.10.2012, 17:00: Martin Pfarr; Landessprecher des LSVD Sachsen-Anhalt, erklärte angesichts der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage in einer Pressemitteilung: „Die Stellungnahme der Bundesregierung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie bringt damit die Grundgesetzwidrigkeit der in Sachsen-Anhalt geplanten Regelungen zum Ausdruck und rügt damit indirekt Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Der LSVD Sachsen-Anhalt bedankt sich bei Bundesregierung für diese notwendige Klarstellung. Den unmissverständlichen Worten des Bundesinnenministeriums ist nichts hinzuzufügen. Die Landesregierung hat nun keine andere Wahl als ihre Pläne fallen zu lassen.“

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weitere Informationen:
Kleine Anfrage „Zur Einschränkung der Selbstbestimmung bei HIV- und Hepatitis-C-Infektionen im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen“, Fraktion DIE LINKE, BT-Drs 17/10830 (Kleine Anfrage) (pdf)
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll u.a. der Fraktion DIE LINKE „Zur Einschränkung der Selbstbestimmung bei HIV- und Hepatitis-C-Infektionen im Rahmen vopn polizeilichen Maßnahmen“, BT-Drs 17/10971 (Antwort)
DAH 18.10.2012: Bundesregierung: HIV-Zwangstests verstoßen gegen Grundrechte
queer.de 18.10.2012: Bundesregierung: HIV-Zwangstests verfassungswidrig
LSVD Sachsen-Anhalt 18.10.2012: Bundesregierung zur geplanten HIV-Zwangstestung
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