MSM dürfen kein Blut spenden: Spenderselektion nachvollziehbar machen
Männer, die in den letzten sechs Monaten Sex mit Männern hatten, sind von einer Blutspende ausgeschlossen. Frage ist, ob es sich bei diesem Ausschluss um eine Form offensichtlicher Diskriminierung schwuler Männer oder um eine gerechtfertigte Präventionsmaßnahme handelt.
Transfusionsgesetz
Die Zulassung von Spender(inne)n ist im Transfusionsgesetz geregelt. Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut zeichnen in Rücksprache mit dem Robert Koch-Institut für die Regelungen verantwortlich. Zwar werden heute Blutspenden mit den sensibelsten Testverfahren auf Infektionen untersucht, aber die diagnostische Fensterphase bleibt ein Problem. So ist es in den ersten zehn Tagen ein Infektion mit HIV vollkommen unmöglich, eine frische HIV-Infektion nachzuweisen. Danach steigt die Sicherheit des Nachweises von Tag zu Tag, aber erst nach 90 Tagen liefern HIV-Tests absolut sichere Ergebnisse.
Um noch nicht nachweisbare HIV-Infektionen von einer Blutspende und damit einer sicheren HIV-Übertragung auszuschließen, werden Gruppen mit einer erhöhten HIV-Neuinfektionsrate (= Inzidenz) nicht zur Spende zugelassen. Das Robert Koch-Institut stellt die epidemiologischen Daten zu HIV zur Verfügung, die besagen, dass MSM ein erhöhtes Risiko haben, sich mit HIV zu infizieren.
Zusätzliche Ausschlusskriterien sind mögliche Infektionen mit anderen Erregern, z.B. Malaria, Gelbfieber, Leishmaniose, Hepatitis oder BSE. Ausgeschlossen sind daher u.a. Personen,
-die in den letzten sechs Monaten in den Tropen gewesen sind,
– die von 1980 bis 1996 in Großbritannien gelebt haben,
– die Organ-, Gewebe, Hornhaut oder Gehirnhaut-Transplantate erhalten haben,
– die sich in den letzten vier Monaten tätowieren oder piercen ließen,
– die in den letzten vier Monaten Blutkonserven erhalten haben,
– die Drogen gespritzt oder geschnupft haben.
Die seit 1985 immer wieder verbesserten Maßnahmen zur Sicherheit von Blutprodukten haben dazu geführt, dass heute statistisch gesehen in Deutschland weniger als ein Mensch pro Jahr auf diesem Weg mit HIV infiziert wird. Würde man auf die sorgfältige Spenderauswahl verzichten, müsste man mit mehreren HIV-Infektionen pro Jahr rechnen.
Epidemiologie ausschlaggebend
Der Ausschluss schwuler Männer von der Blutspende wurde in der Vergangenheit immer mal wieder als diskriminierende Praxis verurteilt, weil jahrzehntelang monogam lebende homosexuelle Paare von der Blutspende ausgeschlossen werden, wohingegen promiske Heterosexuelle spenden dürften. Kritisiert wird, dass hier „normale schwule Männer“ mit anderen „Risikoträgern“ wie Drogengebraucher(inne)n, Haftinsassen und Prostituierten in einen Topf geworfen würden. Leider wird dabei übersehen, dass man sich mit der englischen Queen und dem deutschen Außenminister, die aufgrund von BSE und anderen guten Gründen von einer Blutspende ausgeschlossen sind, eigentlich in sehr vornehmer Gesellschaft befindet.
Schwule Männer werden schlicht aufgrund von Zahlen, Daten, Fakten ausgeschlossen. Die epidemiologischen Daten des Robert-Koch-Instituts bescheinigen ihnen als „Gruppe“ eine bis zu hundertfach erhöhte statistische Wahrscheinlichkeit, auf einen HIV-infizierten Sexualpartner treffen zu können. Diskriminierend (im Sinne von ´einen Unterschied machend´) ist demnach die HIV-Verbreitung unter Schwulen und nicht der Blutspendedienst, der sich an diesen Zahlen orientiert.
Nach Recherchen der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) entspricht die Praxis der Spenderauswahl in den Nachbarländer Österreich und Schweiz, aber auch in Großbritannien dem deutschen Umgang mit der Blutspendeerlaubnis. Allein Italien und Spanien verzichten auf den Ausschluss schwuler Blutspender. Hintergrund ist, dass sie über keine vergleichbaren epidemiologischen Daten verfügen, die einen einen Ausschluss bestimmter Gruppen rechtfertigen könnten. Würde man die Praxis dieser „epidemiologisch blinden Länder“ zum Vorbild nehmen, wäre man schlecht beraten!
Aufklärung notwendig
Als Fachverband und Interessenvertretung sieht sich die DAH gefordert, die Kriterien für eine Spenderselektion nachvollziehbar zu machen. Dies erfordert verstärkte Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen der HIV-Testung unter besonderer Berücksichtigung der diagnostischen Fensterphase und der Rolle der vergleichenden HIV-Inzidenz. Den Versuch einer Unterscheidung schwuler Männer in vermeintlich „normale“ und promiske Männer hält die DAH für problematisch. Orientiert man sich an aktuellen sozialwissenschaftlichen Daten, so haben auch lang andauernd monogam lebende schwule Paare ein nicht zu vernachlässigendes HIV-Risiko. Wenn man den „normalen Homosexuellen“ nicht mit Fixern, Strafgefangenen und Sexarbeiter(inne)n in einem Atemzug genannt wissen will, muss man sich von den Zahlen eines besseren belehren lassen: so wurden 2008 in Berlin 89 Prozent der HIV-Übertragungen dem Übertragungsweg MSM zugerechnet, nur 1 Prozent entfällt auf den Übertragungsweg Drogengebrauch (www.rki.de ).
[Text: www.aidshilfe.de]
Die Frage ist halt nur, warum nach MSM und nicht nach „ungeschütztem Geschlechtsverkehr“ gefragt wird?
Sicher, wir sind eine Risikogruppe. Aber man kann sich schützen. Und wenn ich sehe, daß der Arzt bei meiner letzten versuchten Blutspende (kurz nach meinem ersten Sex mit einem Mann) mir fast schon eine Lüge aufdrängte, bin ich mir sicher, daß das die bessere, weil ehrlichere Lösung wäre. So wie es jetzt ist wird nur Unehrlichkeit gefördert.
Nebenbei: Ich habe nicht gelogen und bin (damals waren es nicht in den letzten 6 Monate sondern seit 19xx) jetzt dauerhaft von der Blutspende zurückgestellt. Ich würde gerne spenden, hab die wertvolle Blutgruppe 0 neg. und bin (laut letztem Test) HIV-neg. Aber wenn die mich nicht wollen wie ich bin, dann sollen sie sich auch nicht beschweren.
1. Zunächst eine Frage:
„Männer, die in den letzten sechs Monaten Sex mit Männern hatten, sind von einer Blutspende ausgeschlossen“
Wo genau hat die DAH das her? Ich habe das so explizit nirgendwo anders gefunden und kenne nur die Pauschalverdammung:
„Personen, deren Sexualverhalten oder Lebensumstände ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten (HBV, HCV oder HIV) bergen, z. B. homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte, Häftlinge“
Danach sind homosexuelle Männern, nicht aber, wie in der Postüberschrift genannt, MSM, von der Blutspende ausgeschlossen.
Hat sich diese Sichweise neuerdings geändert? Dann müsste man die Bundesärztekammer um Korrektur ihrer Blutspenderichtlinien bitten.
2.
„Schwule Männer werden schlicht aufgrund von Zahlen, Daten, Fakten ausgeschlossen. Die epidemiologischen Daten des Robert-Koch-Instituts bescheinigen ihnen als “Gruppe” eine bis zu hundertfach erhöhte statistische Wahrscheinlichkeit, auf einen HIV-infizierten Sexualpartner treffen zu können.“
Es stellt sich die Frage, ob für Zwecke des Ausschlusses von der Blutspende eine Gruppenbildung überhaupt zweckmäßig ist. Zweifel bestehen schon deshalb, weil die Gruppenzugehörigkeit nicht zuverlässig ermittelt werden kann. Hält man jedoch eine Gruppenbildung für erforderlich, um Menschen unterschiedlich zu behandeln, dann ist so eine Gruppenbildung nur dann diskriminierungsfrei zulässig, wenn es sachliche Differenzierungskriterien gibt, nach denen die Menschen in Gruppen eingeteilt werden. Diese sachlichen Differenzierungskriterien fehlen hier; homosexuell oder schwul ist jedenfalls im Hinblick auf das verfolgte Ziel kein sachliches Differenzierungskriterium. Deshalb ist der pauschale Ausschluss diskriminierend und kann schon gar nicht mit einem Rückgriff auf die Zahlen des RKI gerechtfertigt werden. Das RKI pflegt eine uneinheitliche Terminologie und nicht zuletzt deshalb gibt das dortige Zahlenmaterial nicht viel für die Gruppe ’schwule Männer‘ oder die Gruppe ‚homosexuelle Männer‘ her, falls man überhaupt solche Gruppendefinitionen zulassen will.
Ich bin irritiert, dass die DAH so einen merkwürdig zusammengebrauten Beitrag auf ihrer Homopage veröffentlicht und sich mangels folgerichtiger Argumentation zur Stützung ihrer Haltung irgendeinen dramatisch wirkenden %-Satz schnappt, ich meine den von 89. Wenn hier irgendeine Quote von Belang ist, dann die, wie viele a) schwule Männer b) homosexuelle Männer c) MSM HIVpositiv sind.
„Schwule Männer werden schlicht aufgrund von Zahlen, Daten, Fakten ausgeschlossen.“
Zahlen, Daten, Fakten? Wo? Wo bitte werden in dem Text die relevanten Fakten genannt?