HIV-Verhaftung: Hessens Justizminister unter Druck

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn habe die Rechte einer Sängerin, die wegen des Verdachts auf HIV-Infektion verhaftet worden war, nicht ausreichend geschützt. Die Grünen Hessen fordern ihn zur Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Landtags auf.

Am 10.4.2009 war eine Sängerin wegen des Verdachts auf HIV-Infektion verhaftet worden. Zahlreiche Details aus ihrem Privatleben gelangten an die Öffentlichkeit.Die Deutsche Aids-Hilfe kritisierte die Verhaftung als „unverhältnismäßige Aktion der hessischen Justiz“.

Nun gerät der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn unter Druck. Die hessischen Grünen haben einen „dringenden Berichtsantrag“ eingebracht, der am Mittwoch, 29.4.2009 im hessischen Landtag behandelt werden soll.

Jörg-Uwe Hahn, Justizminister Hessen
Jörg-Uwe Hahn, Justizminister Hessen

Der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, Andreas Jürgens, zum Berichtsantrag:

„Mit einem dringlichen Berichtsantrag für die Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags am Mittwoch kommender Woche wollen wir in Erfahrung bringen, ob und wann Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) Kenntnis davon hatte, dass die Staatsanwaltschaft die Verhaftung der Beschuldigten als öffentliche Inszenierung plante und danach sehr intime Einzelheiten aus dem Ermittlungsverfahren veröffentlichte. Außerdem wollen wir wissen, was er unternommen hat, um die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten zu wahren. Es kann nicht angehen, dass im Verantwortungsbereich des Justizministers eine Beschuldigte öffentlich zur Schau gestellt wird und der Minister dazu bis heute anhaltend schweigt.“

Jürgens begründet den Antrag u.a.

„Immerhin ist die Staatsanwaltschaft im Gegensatz zu den Gerichten weisungsgebunden. Letztendlich ist daher der Justizminister verantwortlich für alle Handlungen der Staatsanwaltschaft. Es kann nicht sein, dass eine Staatsanwaltschaft so mit den Persönlichkeitsrechten von Beschuldigten verfährt und der verantwortliche Justizminister so tut, als hätte er mit der ganzen Sache nichts zu tun.“

Der Antrag umfasst einen detaillierten Fragenkatalog aus 13 Punkten zum Verhalten der hessischen Justiz und des Justizministers.

Jörg-Uwe Hahn ist seit 5.2.2009 hessischer Justizminister und gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident Hessens. Seit 2005 ist er Landesvorsitzender der hessischen FDP.

weitere Informationen:
Grüne Hessen 22.04.2009: Umstände der Verhaftung von Nadja B. und die Rolle von Justizminister Hahn müssen dringend aufgeklärt werden
Grüne Hessen 22.04.2009: Dringlicher Berichtsantrag (pdf)
ad-hoc-news 29.04.2009: Rechtsausschuss des hessischen Landtags diskutiert Fall Benaissa
SPD Hessen 28.04.2009: Auch bei Ermittlungsverfahren gegen Prominente müssen die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden
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Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert Verhaftung von Sängerin

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) kritisiert die Verhaftung einer jungen Frau wegen angeblich bewussten Infizierens von Sexualpartnern mit dem HI-Virus.

Dazu erklärt Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.: „Die junge Frau sollte so schnell wie möglich freigelassen werden. Ihre Verhaftung ist nach Einschätzung der uns bisher vorliegenden Informationen eine unverhältnismäßige Aktion der hessischen Justiz. Wir fordern die Medien auf, sachlich über den Fall zu berichten und nicht vorzuverurteilen. Die Verantwortung für den angeblich ungeschützten Sexualverkehr wird allein der jungen Frau zugeschoben, ohne nach der Mitverantwortung ihrer Sexualpartner zu fragen. Die deutsche Politik der HIV- und Aidsbekämpfung wird aber gerade deshalb als beispielhaft betrachtet, weil sie von der Verantwortung jedes einzelnen, von der Solidarität und der Bekämpfung jeder Art von Stigmatisierung ausgeht. Die hessische Justiz will offenbar ein Exempel statuieren. Die Justiz ist und darf aber keine Akteurin der HIV-Prävention in Deutschland sein.“

Seit den 1990er Jahren haben die Verurteilungen im Zusammenhang mit HIV-Übertragungen zugenommen. Das ist nicht ohne Auswirkungen auf die Präventionsarbeit im HIV/Aids-Bereich geblieben. Die öffentlichkeitswirksame Bestrafung von Menschen mit HIV/Aids kann aber leicht die Illusion entstehen lassen, der Staat habe das Problem unter Kontrolle, und so Personen dazu veranlassen, ihr Schutzverhalten (Safer Sex) zu vernachlässigen. Strafrechtliche Prozesse haben in solchen Fällen keine abschreckende Wirkung. Denn nur eine Person, die weiß, dass sie HIV-positiv ist, kann strafrechtlich belangt werden. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung führt unter Umständen dazu, dass Menschen es vorziehen, sich aus Angst vor Repressionen nicht testen zu lassen. Die DAH geht weiterhin von gemeinsamer Verantwortung aller Beteiligten in einvernehmlichen sexuellen Kontakten aus. Das war und bleibt die Basis unserer Arbeit.

[Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe vom 14.04.2009]
[15.04.2009 abends: Namen und identifizierende Merkmale aus Text und Kommentaren entfernt]

weitere Informationen:
SpON 14.04.2009: Xxxxx in Haft – Xxxxx  soll Partner mit HIV infiziert haben
Stern 14.04.2009: Anwälte sprechen von Indiskretion
SZ 14.04.2009: Xxxxx  soll Partner mit HIV infiziert haben
kalle bloggt 14.04.2009: Todesengel
queer.de 14.04.2009: Xxxx verhaftet: Partner mit HIV infiziert?
POZ 14.04.2009: German Pop Star Accused of Exposing Her Partners to HIV
Advocate 14.04.2009: Pop Star Arrested for Infecting Partner With HIV
queer.de 15.04.2009: Aids-Hilfe verurteilt Verhaftung von Xxxxx-Sängerin
Deutsche AIDS-Stiftung 15.04.2009: Präventionserfolge nicht gefährden
alivenkickin 15.04.2009: Pressefreiheit und Klimawandel
NGZ 15.05.2009: Aids hat den Schrecken verloren
Welt 15.04.2009, 18:04: Xxxxxx – Über den Fall Xxxxxx darf nicht berichtet werden
Bildblog.de 15.04.2009: Was schützt am besten vor Aids? U-Haft!
Tetu 15.04.2009: Allemagne: une popstar en prison pour transmission du VIH
Tagesspiegel 16.04.2009: Sex wider die Vernunft
Tagesspiegel 18.04.2009: Das Dilemma der Aids-Hilfe
POZ 07.05.2009: Media Hysteria and HIV Criminalization
Bild 04.10.2009: Nadja Benaissa von den „No Angels“: Seht mich an und hört mir zu
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