Die Frage sorgt immer wieder für Diskussionen: Wie hoch ist das Risiko beim Blasen? Und was tun, wenn Sperma in den Mund gerät? Spucken? Schlucken? Spülen? Der Medizinreferent der DAH, Armin Schafberger, kennt die Antworten.
Herr Schafberger, seit Jahren heißt es: „Beim Blasen raus bevor es kommt.“ Wie hoch ist das Risiko, wenn’s mal schief geht?
Die Infektionswahrscheinlichkeit beim Blasen ist sehr gering, deswegen lässt sich kaum bestimmen, wie viele Infektionen auf Oralverkehr zurückzuführen sind. Wenn es hoch kommt, ist es in Deutschland jede zwanzigste. Vielleicht auch nur jede hundertste. Der Löwenanteil der HIV-Infektionen bei schwulen Männern kommt durch Analverkehr zustande. Dann kommt eine ganze Weile gar nichts – und dann erst Oralverkehr.
Abspritzen im Mund ist also ungefährlich?
Nein. Natürlich besteht durch die Aufnahme des Spermas ein Infektionsrisiko. Deswegen gilt: Falls Sperma in den Mund gelangt, schnell ausspucken und mit Wasser oder einer anderen Flüssigkeit nachspülen.
Und das hilft?
Das entspricht virologischen Erkenntnissen und reduziert das Risiko. Zunächst gilt: weg von der Schleimhaut. Und dann: verdünnen, verdünnen, verdünnen!
Zusammengefasst: ausspucken und ausspülen, und das möglichst schnell.
Was sagen Virologen zu Alkohol als Mundspülung?
Alkohol kann das Virus tatsächlich deaktivieren. Entscheidend aber ist, dass man schnell reagiert. Ein Schluck Wasser aus der Blumenvase kann sinnvoller sein als etwas Hochprozentiges, das ich erst einmal in meiner Hausbar suchen muss.
Deshalb empfiehlt die Deutsche AIDS-Hilfe in ihren Broschüren keine bestimmten Getränke mehr – nicht dass die Leute erst noch beim Nachbarn klingeln und um Schnaps bitten. (lacht)
Eine andere Theorie lautet: Sperma sofort runterschlucken. Durch die Magensäure würde das Virus deaktiviert.
Dafür gibt es keine einzige Studie. Man könnte sie auch gar nicht seriös durchführen, weil es nur wenige Fälle gibt. Es macht keinen Sinn in Studien zu fragen, ob gespuckt oder geschluckt wurde. Was besser ist, können wir also nicht sicher sagen. Wir wissen noch nicht einmal, wo genau im Mund das Virus eindringt – ob vorne am Zahnfleisch oder eher im Rachenring, wo die Schleimhäute weitaus empfindlicher sind.
Also besser nicht schlucken?
Schlucken ist vermutlich sinnvoll, wenn beim Oralverkehr „deep throat“, also tief im Hals, ejakuliert wird. Sonst müsste man das Sperma ja wieder hochwürgen und quer durch den Mund bewegen. Manche Theorien gehen davon aus, dass deep throat prinzipiell gefährlicher ist als Oralverkehr im vorderen Mundbereich. Denn vorne ist die Schleimhaut derber, hinten um die Gaumenmandeln empfindlicher. Dort enthält sie Zellen, in die das Virus leichter eindringen kann.
Wie gefährlich ist der Lusttropfen?
Der ist beim Oralverkehr kein Thema. Das ist eine reine Mengenfrage. In der kleinen Menge des Lusttropfens sind kaum Viren, und die werden noch durch den Speichel verdünnt. Eine Infektion ist daher höchst unwahrscheinlich. Mit „Raus bevor‘s kommt!“ ist das Sperma gemeint. Der Lusttropfen ist nach den Safer-Sex-Regeln beim Oralverkehr kein Problem. Beim ungeschützten Analverkehr dagegen spielt er wahrscheinlich eine Rolle. Ein Tropfen im Rektum ist etwas anderes als ein Tropfen im Mund.
Interview: Philip Eicker