Homo-Demo in Moskau gewaltsam aufgelöst (akt.4)

Eine für heute geplante Demonstration russischer Homosexueller wurde gleich zu Beginn von der russischen Polizei gewaltsam aufgelöst. Zahlreiche Teilnehmer wurden verhaftet, darunter auch mindestens 3 Ausländer.

„Gleiche Rechte für alle“ – unter diesem Slogan wollten am Tag des Eurovision Song Contest etwa 30 (andere Medienberichte sprechen von 40) Homosexuelle in Moskau vor der Lomonossow-Universität friedlich demonstrieren für ihre Rechte. Die Polizei (auf Terrorbekämpfung spezialisierte Omon-Truppen) schritt sofort gewaltsam ein, verhaftete die Teilnehmer.

Deutsche Welle meldet

„Die russische Polizei hat gewaltsam eine Demonstration Homosexueller in der Hauptstadt aufgelöst. Die Kundgebung sollte nach Angaben der Veranstalter am Tag des in Moskau ausgetragenen europäischen „Song Contest“ auf die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Russland hinweisen. Augenzeugen berichteten, Polizisten der Spezialeinheit OMON hätten Demonstranten nahe der Lomonossow-Universität gejagt und in Gefängniswagen gesperrt.“

„Arrested. Shortest march I’ve ever been on“, twittert der ebenfalls inhaftierte britische Menschenrechts- und Schwulenaktivist Peter Tatchell. Er berichtet über die Kundgebung: „Well that didn’t take long. Within 5mn 20 activists arrested by riot police in front of world’s media, including organiser Nikolai Alekseev.“

Nach zwei Stunden wurde Tatchell nach eigenen Angaben (Twitter) wieder aus der Haft entlassen. Er zeigte sich tief besorgt über das Schicksal von Nikolai Alexejew, über dessen Verbleib auch drei Stunden nach dessen Verhaftung nichts zu hören gewesen sei.

Und das Schweizer Fernsehen ergänzt: „Augenzeugen berichteten, dass Polizisten der Spezialeinheit OMON die Demonstranten jagten und sie in Gefängniswagen sperrten. Auch der Vorsitzende des russischen Homosexuellen-Verbands, Nikolai Alexejew, wurde an Händen und Füßen in ein Polizei-Fahrzeug gezerrt.“

Nikolai Alexejew, Organisator der Kundgebung, forderte zum Protest des heutigen Eurovision Song Contest auf:

„I call upon all of the artists who are due to perform at tonight’s Eurovision to boycott tonight’s event and send a message that Russia’s state oppression of human rights is not acceptable.“

Journalist Jan Feddersen, der für den NDR vor Ort berichtet, beschriebt im NDR-ESC-Blog das Klima der Angst in Moskau:

„Angst! Das erste Mal seit 30 Jahren habe ich so etwas wie Angst vor rechtsradikalen, klerikalistischen oder nationalistischen Schlägern gehabt. Moskau am Vormittag des ESC-Finales.“

Verhaftet wurden bei der Aktion der russischen Polizei mindestens 20 russische und weissrussische Kundgebungs-Teilnehmer, sowie zudem der US-Aktivist Andy Thayer.

Aktuelle Berichte vom „Slavic Pride“ hatten auf Moscow Gay Pride and Eurovision Latest (von ukgaynews) erscheinen sollen [via Steven Milverton].

Am Abend des 16. Mai wurden immer noch 31 Aktivisten festgehalten. Vom Verbleib Alexejews ist weiterhin nichts bekannt. Andy Thayer hingegen war am späten Nachmittag freigelassen worden. Die Botschaft Weissrusslands bestätigte inzwischen, ihre inhaftierten Bürger nicht unterstützen zu wollen.

Am Sonntag Abend meldet die FR online:

„Nikolaj Alexejew, der gegen 14 Uhr als Letzter freigelassen wurde, steht ein Prozess wegen Organisation einer nicht genehmigten öffentlichen Aktion bevor.“

Freiheit à la russe. Russische und ausländische Homosexuelle werden verhaftet – und der Kongress? – tanzt.  Der Eurovision Song Contest ESC geht vermutlich heute Abend über die Bühne als wäre nichts gewesen…
Abzuwarten bliebt, ob die Ankündigungen einiger Künstler, im Fall der Verhinderung der Kundgebung mit Auftritts-Boykott zu reagieren, umgesetzt werden.

Das „Lied vom Eurovision Song Contest“ – nun ist es noch ekliger geworden …
Wie man heute Abend noch den ESC “feiern” kann als sei nichts geschehen, wie man darüber noch im deutschen Fernsehen berichten, in vielen Großstädten lustige Parties veranstalten kann, ist mir unverständlich.
Solidarität heißt für mich, spätestens an diesem Punkt zu sagen Schluss, das ist nicht hinnehmbar.
Ein ESC, der dennoch und als wäre nichts geschehen stattfindet und gefeiert wird, der macht sich gemein mit der desolaten Situation, mit diesem Bürgermeister, mit der Unterdrückung von Menschenrechten und Homorechten.

Der für die ARD zuständige NDR sollte sich hier seiner Verantwortung nicht nur für laue Unterhaltung, sondern auch seiner politischen Verantwortung bewusst werden …

Jetzt sind europäische Politiker und Diplomaten gefordert, unmissverständlich deutlich zu machen, dass solches Verhalten der russischen Behörden nicht hinnehmbar ist.

Und Schwule und Lesben sollten sich überlegen, ob nicht nur Eisdielen Orte des Protests sein können, sondern auch z.B. die russische Botschaft …

weitere Informationen:
Andy Thayer (der am 16.5. in Moskau verhaftet wurde) am 15.5.2009 auf indymedia: Threats Mount Against Gay Pride in Moscow
netpilot24.de 16.05.2009: Russische Polizei geht gewaltsam gegen Schwulen-Demo vor
NZZ 16.05.2009: Moskauer Polizei geht gegen Schwule vor
queer.de 16.05.2009: Moskau: Aktivisten verhaftet
gayswithoutborders 16.05.2009: 40 Arrested as Moscow Anti-Riot Police Use Violence to Break up Slavic Pride March – Pride Organisers Call on Performers to Boycott Eurovision
Tetu 16.05.2009: Gay Pride de Moscou: la police interpelle les militants
PinkNews 16.05.2009: 40 arrested at Slavic Pride in Moscow by ‚violent‘ anti-riot police
samstagisteingutertag 16.05.2009: Moskau schlägt zu: Schwule & Lesben verhaftet
SZ online 16.05.2009: Moskau: im Würgegriff abgeführt
Peter Tatchell auf guardian 16.05.2009: Moscow riot police violently break up gay pride rally
alivenkickin 16.05.2009: Quo Vadis … CSD in Deutschland
gaywest 16.05.2009: Mütterchen du machst mich krank
SpON 16.05.2009: Moskau vor dem Grand Prix: Polizei löst Schwulen-Demo gewaltsam auf
Handelsblatt 16.05.2009: Polizei in Moskau löst Schwulendemo auf
Zeit online 16.05.2009: Russland: Moskaus Polizei nimmt Schwule vor Song Contest fest
Clamix 16.05.2009: Moskau
Pinknews 16.05.2009: Tatchell released from custody
Box Turtle Bulletin 16.05.2009: Russian Riot Police Break Up Slavic Pride
lesenswerter Augenzeugenbericht auf dem Blog des Vorwärts 16.05.2009: Moskau – die verbotene Stadt am Tag des Slavic Prides
tetu 17.05.2009: Un reportage vidéo sur la Gay Pride réprimée à Moscou
Gays without borders 17.05.2009: Behind the Scenes Story Of 2009 Gay Pride in Moscow by Andy Thayer
Peter Tatchell im Guardian-Blog am 19.05.2009: Thank you Mayor Luzhkov
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13 Gedanken zu „Homo-Demo in Moskau gewaltsam aufgelöst (akt.4)“

  1. Das war abzusehen.

    Wie der britische Lesben- und Schwulenrechtsaktivist Peter Tatchell auf seinem Twitter-Account berichtet, wurden innerhalb von fünf Minuten vor den Augen der internationalen Medien zwanzig Aktivisten festgenommen, darunter auch der Organisator des „Slavic Pride“, Nikolai Alexejew, und Tatchell. Die Demonstranten entrollten zuvor Plakate, auf denen die Einhaltung der Menschenrechte für Schwule und Lesben gefordert wurde. Auch die Anwesenheit von Repräsentanten der französischen, deutschen, finnischen, niederländischen, amerikanischen und britischen Botschaft ließ die Polizei nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Die letzte Twitter-Statusmeldung, die Tatchell schreiben konnte, bevor er in Polizeigewahrsam genommen wurde, lautete „Arrested. Shortest march I’ve ever been on.“ – also „Verhaftet. Der kürzeste Marsch, auf dem ich jemals war“.

    http://www.ggg.at/index.php?id=62&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2032&cHash=e081311446

  2. @ alivenkickn: Ja, das war abzusehen – und trotzdem macht es mich sowas von wütend. Mal sehen, wann wir das nächste schöne Foto von Ex-Kanzler Schröder mit Putin Champus trinkend oder von Wowereit und dem Moskauer OB durchs Brandenburger Tor spazierend sehen.

  3. @ termabox:
    danke für den tageschau-hinweis.
    nun – man darf gespannt sein, ob sich irgendwer tatsächlich in der „gaudi“ heute abend stören lässt – und ob irgendeiner der beteiligten künstler/innen courage hat und tatsächlich boykottiert.
    ich bin gespannt!

  4. Tagesschau berichtet auch aktuell:

    http://www.tagesschau.de/ausland/eurovision104.html
    „Grand-Prix-Sänger drohten mit Boykott
    Aktivisten hatten im Vorfeld die in Russland verbreitete Homosexuellen-Feindlichkeit als eine Schande bezeichnet. So hatte der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow Homosexualität als „teuflisch“ bezeichnet. Schon oft wurden Kundgebungen von Homosexuellen von der Polizei mit Gewalt gestoppt.
    Zur Tradition des bei Homosexuellen beliebten Eurovision Song Contest gehört es, dass Schwule und Lesben auf den Straßen feiern. Einige Künstler hatten einen Auftrittsboykott angedroht, sollte die nun am Mittag aufgelöste Kundgebung nicht stattfinden.
    Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte Reaktionen der Grand-Prix-Beteiligten: „Alle Eurovisionsteilnehmer und die übertragenden Fernsehanstalten sind aufgerufen, jetzt ihren Protest zum Ausdruck zu bringen“, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion am Samstag in Berlin. „Man kann nicht einfach weggucken und nun zur Tagesordnung übergehen. Nun ist Zivilcourage gefragt.“

    Ob während des ESC wirklich Proteste erfolgen werden von denen, die da auftreten??

  5. Den ganzen Nachmittag höre ich mit einem Ohr hr3.Und – man möge mir meine Ausdrucksweise verzeihen – das HR3 Team dreht völlg am Rad alldieweil Tim fröhlcih – seines Zeichens Moderator beim hr3 Radio die Übertragung im TV moderieren wird. Der ganze Sender ist völlig „neber de Schpur“ wie man in Frankfurt zu sagen pflegt. Kein kritisches Wort zu dem Vorgehen der Polizei in Moskau. Es ist ein Trauerspiel . . .

  6. unterdessen wir nicht von zwanzig sondern von vierzig gesprochen! mehr aktivisten dürften es kaum gewesen sein–> die haben einfach alle eingesackt.
    kein aufschrei ist zu vernehmen. in zürich ist europride…auf der site ist keine aktuelle medienmitteilung, rein nichts zu finden. auch bei pink cross nichts. nur der hinweis der feierlichkeiten der stonewall-stiftung in basel. los bringt auch keine meldung, keine aktionen.
    warten alle auf morgen, oder warum bewegt sich nichts?

  7. Es macht mich regelrecht wütend. Wenn dann auch noch religöse Gruppen die Internierung (!) von Homosexuellen fordern. Russland hat seine Vergangenheit scheinbar noch immer nicht überwunden. 🙁

  8. „The Candidate Countries Turkey, Croatia* and the former Yugoslav Republic of Macedonia*, the Countries of the Stabilisation and Association Process and potential candidates Albania, Bosnia and Herzegovina, Montenegro, Serbia, as well as Ukraine, Armenia and Georgia align themselves with this declaration.“

    Na da hab ich so meine Bedenken. Imo sind dies mehr Absichtserklärungen um nicht zu sagen Lippenbekenntnisse mit dem Ziel vom „Kandidaten Status“ in den „Vollmitglied Status“ zu kommen. Politikern ist JEDES Mitte recht um ihr Ziel zu erreichen.

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