Laudatio zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. an Rainer Jarchow

Als Dokumentation die Rede von DAH-Vorstand Winfried Holz aus Anlass der Verleihung der DAH-Ehrenmitgliedschaft an Rainer Jarchow, gehalten auf dem Welt-Aids-Tags-Empfang der Deutschen AIDS-Hilfe am 05.11.2009 in Berlin:

Laudatio zur Verleihung der
Ehrenmitgliedschaft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.
an
Rainer Jarchow
Berlin, 5. November 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Rainer,

es ist für mich eine ganz besondere Ehre, die Laudatio zur Verleihung unserer Ehrenmitgliedschaft an Rainer Jarchow halten zu dürfen:

Wir ehren heute einen Mann, der als Aktivist der ersten Stunde in der Emanzipations- und Antidiskriminierungs-Arbeit und in der Aidshilfe-Bewegung in Deutschland tätig ist: Rainer Jarchow, 1941 in Hamburg geboren und seit 1970 Pfarrer an der Dreifaltigkeitskirche in Hamburg-Sankt Georg. Er outete sich gegenüber dem Bischof als schwul, und als seine Frau sich deswegen scheiden lassen wollte, wechselte er als Pastor nach Heiligenhafen. Danach wirkte Rainer Jarchow fünf Jahre als Schulpastor im Rheinland. 1980 kündigte er, um sich einer „Aussteiger-Kommune“ anzuschließen. 1983 eröffnete Rainer mit einem Freund eine Praxis für Psychotherapie in Köln.

Winfried Holz, DAH-Vorstand
Winfried Holz, DAH-Vorstand

In den 1980er Jahren zählte Rainer Jarchow zu den Initiatoren des Kölner Schwulen- und Lesben-Zentrums SchuLZ. Diese Einrichtung wuchs zu einer starken Kraft heran und konnte dadurch die politische Durchsetzungskraft der Community bündeln. Sein politisches Engagement führte Rainer auch zur Gründung der AIDS-Hilfe Köln. Erinnern wir uns, dass vor 25 Jahren in Deutschland zu befürchten war, dass Aids zu neuer Repression gegen schwule Männer und heftigster Ausgrenzung von HIV-Positiven führen würde. Dass es dazu nicht kam und dass die HIV-Prävention in Deutschland unter Einbeziehung der Hauptbedrohten und -betroffenen und ihrer Lebensweisen ausgebaut wurde, ist – neben vielen anderen Frauen und Männern – auch Rainer Jarchow zu verdanken.

An der Gründung des späteren DAH-Landesverbandes – der AIDS-Hilfe NRW e.V. – war Rainer Jarchow ebenfalls beteiligt. So konnte das Ziel der Bündelung von Know-how und Ressourcen sowie der Vernetzung zu einer wirkungsvollen politischen Interessenvertretung erreicht werden. Ein weiterer Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit HIV und Aids war 1987 die Gründung der Deutschen AIDS-Stiftung „positiv leben“ durch Rainer Jarchow, die später in der Deutschen AIDS-Stiftung aufging. Rainer ist bis heute ehrenamtlicher Vorsitzender des Fachbeirates von „positiv leben“.

Zu seinem ehrenamtlichen Engagement kam ab 1986 die hauptamtliche Tätigkeit hinzu: Mit Rainer Jarchow wurde erstmals ein Berater für Menschen mit HIV und Aids und ein Koordinator für HIV/Aids im Gesundheitsamt der Stadt Köln angestellt. Er war maßgeblich an der Umsetzung einer liberalen Gesundheitspolitik der sog. „Kölner Linie“ beteiligt. In der Folgezeit wurde Rainer zu einem bundesweit anerkannten Experten und Aktivisten für die Rechte und Integration HIV-positiver Menschen.

Nach der Wiedervereinigung ging Rainer Jarchow in die neuen Bundesländer, um sein Wissen und seine Erfahrungen in den Aufbau der Beratung und der Ausbildung im Bereich der HIV-Prävention einzubringen.

Von 1994 bis 2004 führte Rainer wieder eine Pfarrstelle in Hamburg – eine ganz besondere: die bundesweit erste Pfarrstelle für die Seelsorge von Menschen mit HIV und AIDS. Er unterstütze als Pastor die Kranken und ihre Angehörigen. Dies bedeutete konkret Sterbebegleitung, Hilfe in sozialen Fragen und jedwede Art von Seelsorge. 1996 segnete er erstmals ein schwules Paar in einem Gottesdienst.

In diese Zeit fiel der Wandel von HIV/Aids von einer unausweichlich zum Tode führenden hin zu einer chronischen Erkrankung. Rainer schreibt dazu im aktuellen Jahrbuch der Deutschen AIDS-Hilfe: „Es ist für mich unmöglich, einen objektiven Bericht darüber zu geben, wie sich das Sterben von Menschen mit Aids im Laufe der letzten Jahre geändert hat. Deutlich ist nur, dass es sich geändert hat. Und deutlich ist auch, dass ich mich in diesen Zeiten gewandelt habe, der ich von Aids und damit auch vom Sterben an Aids geprägt wurde.“

Rainer Jarchow gehörte von 2003 bis 2004 dem Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe an. Durch sein über 30-jährges, vielfältiges Engagement hat er immer wieder neue Entwicklungen angestoßen. Sein Wirken dient bis heute den Interessen der Menschen, die von HIV und Aids bedroht oder betroffen sind.

Rainer Jarchow wurde vielfach ausgezeichnet: 1989 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand 2004 würdigte ihn Bischöfin Maria Jepsen mit den Worten: „Ihre Arbeit hat die Kirche verändert“. Und 2005 wurde Rainer „in Anerkennung seines unermüdlichen und selbstlosen Einsatzes für die an Aids erkrankten Menschen“ mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse aus der Hand der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ausgezeichnet.

Die Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Hilfe beschloss am 17. Oktober 2009 in München einstimmig, Rainer Jarchow die Ehrenmitgliedschaft anzutragen. Sein Engagement, sein Mut, seine Menschlichkeit und sein Können werden mit dieser Ehrenmitgliedschaft gewürdigt.

Wir sind Rainer zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir wünschen ihm Gesundheit, weiterhin viel Schaffenskraft und Lebensfreude an seinem Wohnort in Hamburg.

Die Deutsche AIDS-Hilfe verleiht nun dem von uns hochgeschätzten Rainer Jarchow die Ehrenmitgliedschaft des Verbandes.

Winfried Holz
Mitglied des Bundesvorstands der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.

Verleihung der DAH-Ehrenmitgliedschaft an Rainer Jarchow
Verleihung der DAH-Ehrenmitgliedschaft an Rainer Jarchow

Ein Gedanke zu „Laudatio zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. an Rainer Jarchow“

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