Als Dokumentation die Rede von DAH-Vorstand Tino Henn aus Anlass des Welt-Aids-Tags-Empfangs der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Bildervielfalt prägen – Menschen mit HIV entstigmatisieren!“
Rede von Tino Henn
Mitglied des Bundesvorstands der Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH)
anlässlich der Veranstaltung
„Empfang zum Welt-AIDS-Tag 2009“
im
ATRIUM der Deutschen Bank AG, Unter den Linden, Berlin
5. November 2009
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin,
sehr geehrte Frau Prof. Dr. Pott,
sehr geehrter Herr Wiesniewski,
sehr geehrter Herr Schaub,
sehr geehrte Vertreter der Medien,
liebe Mitglieder, Kooperationspartner und Förderer,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
im Namen der Deutschen AIDS-Hilfe begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserem –inzwischen traditionellen – Welt-Aids-Tags-Empfang. Mein besonderer Dank gilt noch einmal den Sponsoren und Unterstützern dieses Abends, ohne die eine solche Veranstaltung nicht mehr möglich wäre. Und nicht zuletzt danke ich allen Helferinnen und Helfern, die im Vorfeld dieser Veranstaltung aktiv waren und heute hinter, vor und vor allem auf der Bühne mitwirken.
Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise und damit einhergehender sinkender Spendenmöglichkeiten vieler Bürgerinnen und Bürger sind wir Aidshilfen mehr denn je auf Sponsoren angewiesen: und dies sind nicht nur die Sponsoren aus der Wirtschaft, sondern Mäzene aus allen Teilen der Gesellschaft! Gut, dass so viele Menschen und Organisationen bereit sind, sich zu engagieren, um damit die Arbeit der Aidshilfen zu unterstützen. Das ist uns sehr wichtig, denn Prävention ist nicht alleine die Aufgabe von Gesundheitseinrichtungen und großen Institutionen, sondern fängt bei jedem Einzelnen an. „Ganz Deutschland zeigt Schleife“ lautet die Botschaften unserer diesjährigen Welt-Aids-Tags-Kampagne, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Deutsche AIDS-Stiftung gemeinsam veranstalten. Die Unterstützer des heutigen Abends zeigen Schleife – vielen Dank dafür!
Als gutes Beispiel, wie Sponsoren sich in der Prävention engagieren, möchte ich den Bielefelder Erotikprodukteanbieter Eis.de herausstellen. Die Eis.de GmbH hat der Deutschen AIDS-Hilfe im September zwei Millionen Kondome gespendet. Dies ist die größte Kondom-Spende, die wir je in unserer 26-jährigen Geschichte erhalten haben. Eis.de will mit dieser Auftaktspende „Zeichen setzen und eine langfristige, intensive Zusammenarbeit mit der Deutschen AIDS-Hilfe begründen“. Wir werden 2010 unsere Fundraising-Aktivitäten ausbauen, um weitere solche strategischen Partner zu gewinnen.
Wir brauchen auch in Zukunft starke Förderer, mit denen wir das bisher Erreichte sichern und gemeinsam unsere Strategien für die Prävention sowie gegen Diskriminierung und gegen Stigmatisierung durchsetzen können. Das vergangene Jahr hat uns auf das Schmerzlichste gezeigt, welche schlimmen Vorurteile von HIV und Aids bedrohten und betroffenen Menschen immer noch entgegengebracht werden: So haben viele Medien – aber auch einzelne Politiker – eine regelrechte Hetzjagd gegen die Künstlerin Nadja Benaissa geführt, als ihre HIV-Infektion bei ihrer Verhaftung gezielt öffentlich gemacht wurde. Viele Medien, die Darmstädter Staatsanwaltschaft und einige Politiker haben die Persönlichkeitsrechte von Frau Benaissa mit Füßen getreten und Sexismus und Rassismus erneut Vorschub geleistet. Die regelrechte Medienkampagne gegen Nadja Benaissa hat der weiteren Kriminalisierung von HIV-Positiven Vorschub geleistet. Erst die massiven, öffentlichkeitswirksamen Beschwerden der Deutschen AIDS-Hilfe gegen diese Form der Medienberichterstattung und gegen das Verhalten der hessischen Justiz haben einen Sinneswandel in der Bewertung des Umgangs mit Frau Benaissa und ihrer HIV-Infektion bewirkt. An dieser Stelle sage ich Ihnen ganz deutlich:
Wir lassen keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV und Aids zu! Und wir gehen gegen jede Form der Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-Positiven vor!
Dafür werben wir um Unterstützung: in den Medien, in Unternehmen, bei Gewerkschaften, Kirchen, in der Politik und bei allen Bürgerinnen und Bürgern.
Fast 30 Jahre nach dem Ausbruch der HIV-Epidemie sind die Medienbilder über HIV und Aids immer noch sehr einseitig. Der inzwischen in Berlin angesiedelte Verein „Regenbogen“ und die Hamburger Werbeagentur „das comitee“ wollten erst vor Wochen eine abscheuliche Hetzkampagne gegen HIV-Positive starten, die Adolf Hitler beim Sex mit einer Frau zeigt. Der Claim „Aids ist ein Massenmörder“ verunglimpft nicht nur die Opfer der Nazidiktatur, sondern setzt auch HIV-Positive mit Mördern gleich. Diese für die Prävention völlig ungeeignete und schädliche Kampagne konnte auf Druck der Deutschen AIDS-Hilfe verhindert werden. Einige Beispiele: YouTube nahm den Spot aus dem Internet, der Zentralrat der Juden sprach von einer „unerträglichen Entgleisung“, der Deutsche Werberat sowie die RTL-Mediengruppe distanzierten sich öffentlich, in vielen Leserbriefen dankten Menschen der Deutschen AIDS-Hilfe. Wir finden, dass solchen Institutionen wie dem Regenbogen e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen werden muss. Aufmerksamkeit durch übelste Effekthascherei erreichen zu wollen und dies auf dem Rücken von HIV-Positiven– das wird es mit uns nicht geben, und dagegen gehen wir mit allen rechtlichen Mitteln vor!
Wir sehen es vielmehr als einer unserer wichtigsten und ureigenen Aufgaben an, differenzierte Bilder von HIV zu zeigen, die den heutigen Lebensrealitäten von Menschen mit HIV und Aids gerecht werden. Unsere Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU ist ein Beispiel dafür. Sie bekommen hier im ATRIUM einen ersten Eindruck davon. Wir erhielten in den vergangenen Monaten viel Lob für diese vom Bundesministerium für Gesundheit und der BZgA finanzierte Kampagne, die moderne Gesundheitsförderung und zielgruppengerechte HIV-Prävention mit Maßnahmen zur Entstigmatisierung verbindet. Das Gesundheitswissen zu erhöhen und Menschen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken – das sind wichtige Ziele, damit Mann oder Frau individuelle Risiken besser wahrnehmen, einschätzen und das eigenen Verhalten gegebenenfalls anpassen kann.
Von den etwa 65.000 HIV-positiven Menschen in Deutschland weiß ein Drittel nichts von der eigenen HIV-Infektion. Die Infektion wird bei vielen von ihnen häufig erst dann erkannt, wenn schon schwere gesundheitliche Schäden aufgetreten sind. Wenn HIV-Positive aber weiterhin diskriminiert, ausgegrenzt und kriminalisiert werden, und wenn Mobbing und unbegründete Ängste der Familie, Freunden und Kollegen zu befürchten sind, wie sollen sie sich dann für einen HIV-Test entscheiden, und wie kann ihnen dann ein „positives Coming-out“ ermöglicht werden? Es ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für Verhältnisse zu sorgen, die ein solches Coming-out ermöglichen. Und daran werden wir mit all unserer Kraft und Kreativität arbeiten.
In den vergangenen zwölf Monaten haben wir erneut vertrauensvoll und erfolgreich mit dem Bundesministerium für Gesundheit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammen gearbeitet. An dieser Stelle danken wir insbesondere der Bundesgesundheitsministerin a.D. Ulla Schmidt für ihre Förderung in den vergangenen Legislaturperioden. Wir freuen uns zugleich darauf, diese bewährte Zusammenarbeit mit dem neuen Gesundheitsminister Herrn Dr. Philipp Rösler fortsetzen und weiter ausbauen zu können.
Wenn wir uns den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP zum Thema Gesundheit anschauen, so gibt es aber auch Gründe zur Sorge – z.B. bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung: Der Vertrag ist – so sieht es auch die Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE – an vielen Stellen unausgegoren und widersprüchlich. Wir sehen die Gefahr, dass viele chronisch kranke und behinderte Menschen zu Patienten zweiter Klasse werden. Eine höhere finanzielle Belastung chronisch Kranker werden wir nicht akzeptieren. Es darf keine Entsolidarisierung geben! Kernbestandteil des Zusammenhalts in der Gesellschaft muss das Solidaritätsprinzip in der Gesundheitsversorgung bleiben! Wir werden die weiteren Entwicklungen im Bundesgesundheitsministerium genau beobachten und uns einmischen, wenn die berechtigten Interessen von Menschen mit HIV und Aids bedroht sind!
Ein weiteres, wichtiges Thema ist die Integration chronisch Kranker in das Erwerbsleben: Viele HIV-Positive können wieder einer Arbeit nachgehen oder müssen – anders als noch vor wenigen Jahren – keine Frühverrentung mehr fürchten. Dennoch leiden sie darunter, dass sie ihre Infektion meist verleugnen und zusätzlich Diskriminierung erfahren müssen. Arbeitnehmer, die sich als HIV-positiv outen, müssen auch im Jahre 2009 noch um ihren Arbeitsplatz bangen und Ausgrenzung, Mobbing und Stigmatisierung ertragen. Daher verstecken viele ihre Krankheit. Im Schulterschluss mit anderen Verbänden, Gewerkschaften, der Politik und den Medien möchten wir daher das Thema versteckte Erkrankungen – die sogenannten „hidden diseases“ – in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Die DAH hat sich dieses Thema als Schwerpunkt für den diesjährigen Welt-Aids-Tag und das Jahr 2010 gesetzt, weil darin einiges deutlich wird:
Das Leben mit HIV hat sich verändert. Aber in den Köpfen herrschen immer noch die alten Bilder vor. Daher wollen und müssen wir eine neue Bildervielfalt prägen und Menschen mit HIV entstigmatisieren! Bitte unterstützen Sie uns auf diesem Weg!
Bevor ich schließe, gilt mein Dank den ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Aidshilfen, die im vergangenen Jahr wieder eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Stellvertretend für diese Frauen und Männer ehren wir heute Rainer Jarchow, der in den vergangenen 30 Jahren vorbildliche Arbeit sowohl als ehren- als auch als hauptamtlicher Mitarbeiter in zahlreichen Projekten und Institutionen innerhalb und außerhalb von Aidshilfe und in ganz Deutschland geleistet hat. Mein Vorstandskollege Winfried Holz wird ihn nachher in einer Laudatio würdigen. Ich wünsche Ihnen einen gesprächsreichen und unterhaltsamen Abend. Vielen Dank!
Wäre die DAH so fortschrittlich wie diese Website hier, auf der man auch durchaus unterschiedliche ja sogar widersprüchliche Ansichten/Meinungen zu HIV/Aids findet und diskutiert, dann könnte ich mir folgendes sparen.
Herr Henn behauptet:…“Wir sehen es vielmehr als einer unserer wichtigsten und ureigenen Aufgaben an, differenzierte Bilder von HIV zu zeigen, die den heutigen Lebensrealitäten von Menschen mit HIV und Aids gerecht werden.“…
jaja, Anspruch und Wirklichkeit klaffen doch bei der DAH meilenweit auseinander; wobei man eigentlich gehofft hatte, dass nach dem Vorstandswechsel vor einem Jahr in der DAH mal ein anderer Wind weht (an dieser Stelle, warum Frau Urban als Vertreterin des alten Vorstandes immer noch mitmischen darf, ist nicht nur mir ein Rätsel).
In ihrer Selbstherrlichkeit und Besserwisserei erscheint die DAH immer mehr wie eine Aussenstelle des Vatikans: nur wer ihr Gütesiegel bekommt, ist akzeptiert.
Das, was hier im Forum an anderer Stelle diskutiert wird („Kein Tabu mehr – kein Geld für Aidsprojekte in Rotterdam?“) , also die Hinterfragung der Notwendigkeit von finanzieller Unterstützung für Verbände, hätte schon längst mal mit der DAH stattfinden müssen.
Wer bitte schön – ausser den eigenen Mitarbeitern – braucht noch so einen aufgeblasenen Verein?
Das freigewordene Geld ist sinnvoller bei Schwerpunktpraxen und Initiativen vor Ort angelegt; die allgeimenen Themen/Diskussionen finden sowieso schon lange wesentlich fundierter auf solchen Websites wie z.b. dieser statt.
@ hans peter schröder:
nun, vielen dank für das kompliment.
allein, wenn ich mir anschaue, wie der (nicht nur inhaltiche) zustand so mancher initiative vor ort ist, wenn ich mir anschaue, wer zb bei fragen wie der kostenerstattung für loperamid aktiv wurde (dies nur als 2 beispiele) – dann bin ich (bei sicher gelegentlich auch berechtigter kritik) doch froh, dass wir die DAH und ihre bundesgeschäftsstelle haben …
Menschen mit HIV entstigmatisieren!
Tja da hoff ich doch mal das man auch gegen merkwürdige vereine die sich „der HIV Prävention und Aufklärung“ verschrieben haben entsprechend nicht nur stellung beziehen sondern ruhig mal n gang höher schaltem, direkter werden und ggf den worten auch mal taten folgen lassen.
wobei ich der meinung bin das in erster linie “ der hiv positive“ bzw mehr von ihnen um gehört – wahrgenommen zu werden selbst einen nicht unerheblichen teil dazu beitragen kann . . . und sollte . . . .
alles in allem – es gibt noch viel zu tun . . . .