Harry ist Rollenmodell der Kampagne „ich weiß was ich tu“, lebt in einer offenen Beziehung und macht diese auch zu seinem Thema. Mit „Ich liebe meinen Mann und mach’s auch mit anderen“ wurde Harry in Anzeigen und auf Postkarten abgedruckt. Mit diesen war er inzwischen ehrenamtlich auch auf mehreren CSDs in Deutschland unterwegs.
Harry, auf wievielen CSDs warst du dieses Jahr?
Das waren sieben CSDs von Hamburg bis Konstanz und von Köln bis Berlin, quer durch die Republik.
Hat’s Spaß gemacht?
Oh ja sehr, ich habe viele Menschen kennenlernen dürfen. Aber auch zu oft Lady Gagas Pokerface hören müssen.
Wie reagierten die Menschen? Gab es Unterschiede zwischen den Städten?
Die meisten Menschen reagierten sehr positiv auf diese Kampagne, die so viele Facetten schwulen Lebens darstellt. Wobei zwischen den einzelnen Bundesländern und Städten auch Unterschiede wahrnehmbar waren. Die Berliner lockt ja kaum noch was hinterm Ofen hervor, dafür trifft man in Berlin sehr viele Menschen, die nicht aus Berlin sind. Die Süddeutschen nehmen einen schnell in den Arm, zieren sich aber auf offener Straße die Cruising Packs anzunehmen. Die Hamburger hatten eine ganz tolle eigene Graswurzel-CSD-Aktion-T-Shirt um den Demonstrationsstatus wieder mehr zu stärken. Die Kölner, naja, nachdem selbst die drei schwulen Oberbürgermeisterkandidaten sogar im Fernsehen sagten, sie seien nur wegen der Party dabei… In Hannover herrschte mit diesem ersten CSD Aufbruchstimmung. Und Braunschweiger erlebten ich den stärksten und besten Zuspruch zu dieser Kampagne. Außerdem ist der Burgplatz mit Burg und Dom ein unschlagbar gutes Ambiente!
Negative Rückmeldungen?
Ja, das auch. Mit meinem Inhalt provoziere ich ja durchaus bei den Menschen mit konservativen, romantisch verklärten Beziehungsideen. Die fanden mich nicht so klasse. Die heftigste negative Rückmeldung erhielt von jemanden, der war so hysterisch empört… der ist zugeschnappt wie so ne Auster wenn sie Gefahr wittert.
Hast du einen Unterschied bemerkt, wie hiv-positive und hiv-negative die Kampagne bewerten?
Wenn ich das so einfach sagen könnte. Die wenigsten geben in so einem Gespräch auf einem CSD-Straßenfest ihren Serostatus einfach mal so bekannt. Die Kampagne wird in der Regel als ganzes gelobt, wobei Einzelheiten gerne kritisiert werden.
Du sagst, einige hätten dein Motto als provozierend empfunden. Dein Motto als Rollenmodell der Kampagne „ich weiss was ich tu!“ war „Ich liebe meinen Mann – und mach’s auch mit anderen“. Welche Reaktionen kamen da genauer?
Nun, ich wurde schon öfter gefragt, warum ich in einer offenen Beziehung lebe. In der Regel antworte ich darauf: „Weil wir das so wollen.“ Darauf folgt nur allzuoft die Frage nach der Eifersucht, und die gibt es in meiner Beziehung glücklicherweise nicht.
Viele glauben ja, dass wenn sie voller Eifersucht ihre Beziehung gegen andere Menschen abschirmen, sie somit unbeschwerter miteinander Sex haben können. Sie bilden sich ein, sexuelle Monotonie mit einem Partner sei ein Garant für ein Leben ohne sexuell übertragbare Krankheiten.
Doch ich denke, dass ist ein Trugschluss. Viele ach so treue Lebenspartner vögeln trotzdem rum. Dann gibt es Streit, sie trennen sich und sind wieder Single. Und dann? Haben sie dann wieder hundertprozentigen vorbildlichen Safer Sex wie aus dem Bilderbuch? Bestimmt nicht. Ob man nun als Single Sex hat, in und um einer offenen Beziehung oder in und um einer verschlossenen Beziehung, jedes mal birgt der Sex Risiken.
Egal welche Single- oder Beziehungsform man nun lebt, jeder wird sich bei der Offenbarung eines positiven Testergebnisses wundern. In der Regel versucht man ja gesund zu bleiben. Keiner zieht sich wissentlich und beabsichtigt Krankheiten zu (Ausnahmen bestätigen die Regel, und für die gibt es dann spezielle Ärzte).
Vielen Dank für das Interview!
„Die Kölner, naja, nachdem selbst die drei schwulen Oberbürgermeisterkandidaten sogar im Fernsehen sagten, sie seien nur wegen der Party dabei…“
Interesssant. Da weiß das Rollenmodell wohl mehr als Frau Roters.
@ Steven:
(lach) – frag doch mal harry 😉
So gut wie ich diese Aktion finde aber jeder sollte auch den anderen respektieren. Wenn ich lese:
„Negative Rückmeldungen?
Ja, das auch. Mit meinem Inhalt provoziere ich ja durchaus bei den Menschen mit konservativen, romantisch verklärten Beziehungsideen.“
Ich halte die Einstellung, monogam in einer Beziehung zu sein, nicht für eine konservativ, romantisch verklärte Beziehungsidee. So wie ich Harry respektiere wie er in seiner Beziehung lebt, so sollte er auch Beziehungen respektieren, die monogam sein wollen.