Laxer Umgang mit Patienten-Daten ?

Das Kompetenznetz HIV möchte an internationalen Studien teilnehmen, hier auch Daten und Biomaterial deutscher PatientInnen einbringen. Da die bisherige Einverständnis-Erklärung dies nicht zulässt, scheint man sich mit Tricksereien behelfen zu wollen.

Das Kompetenznetz HIV (1) plant, an internationalen Studien teilzunehmen. Hierzu sollen nun auch die Daten der Teilnehmer der HIV-Kohorten-Studie [immerhin etwa 14.000 Positive mit bis zu 400 Einzeldaten je Person, (3)] an ausländische Forscher und Studiengruppen weitergegeben werden – die Daten sollen in eine europäische Kohorte einfließen.
Allerdings – der Daten- (und Biomaterial-) Übermittlung ins Ausland haben bisher die Patienten (die ja für die Teilnahme und die Verwendung ihrer Daten und Biomaterialien eine Einverständnis-Erklärung unterschreiben müssen) nicht zugestimmt (in der derzeitigen Einverständniserklärung wird dezidiert von ‚deutschen Praxen und Kliniken‘ gesprochen).

Ärgerlich, dachte sich wohl das Netzwerk. Das jetzt bei jedem einzelnen der 14.000 PatientInnen nachzuholen, wird wohl recht zeit- und kostenaufwendig. Hätte man vorher dran denken können (an die Möglichkeit, auch mit ausländischen Forschern kooperieren zu wollen), hat man aber anscheinend nicht.
Wie bekommen wir das wieder hin, hat man wohl überlegt. Und ist Ende November auf einen ganz einfachen Trick verfallen – man nimmt den/die ausländischen Forscher, mit denen kooperiert werden soll, einfach in den Verein Kompetenznetz auf – dann müsste das doch gehen.

Nun ersetzt eine Aufnahme ausländischer Mitglieder keine Einverständniserklärung der Patienten, und ändert auch nichts daran, dass Daten und Bio-Material im Ausland verwendet werden sollen.

Nach der Deutschen Aids-Hilfe hat am Wochenende auch „Positiv e.V.“ (der Veranstalter der bundesweiten Positiventreffen) sich mit einem Protest an das Kompetenznetz gewendet. Darin wurde um Bestätigung gebeten, dass bisher keine Daten oder Biomaterialien ins Ausland geliefert wurden (2) und dies auch zukünftig nur mit Einverständnis der Patienten erfolgen wird. Notfalls müsse man, wissend um die mögliche Bedeutung einer Kohortenstudie, betroffenen Patienten den Rückzug aus der Studie empfehlen.

Wohlgemerkt, es geht nicht darum, eine an sich sicher sinnvolle deutsche Kohorten-Studie zu torpedieren. Auch nicht darum, ebenso sinnvolle internationale Forschungs-Kooperationen zu verhindern.

Wohl aber geht es um die Frage, wie hierzulande mit den sensiblen Daten von Tausenden HIV-Positiven (die Kohorte umfasst Daten zu einem Viertel aller Positiven in Deutschland) umgegangen wird. Es geht um die Frage, welche Bedeutung die Verantwortlichen den Einverständniserklärungen beimessen. Und um die Frage, welche Bedeutung für sie Datenschutz und das Recht der beteiligten Patienten auf informationelle Selbstbestimmung haben.

Es scheint, dass die Verantwortlichen des Kompetenznetzes mit ihrem trickreichen Umgehen der fehlenden Einverständnisse deutlich gezeigt haben, welche Bedeutung sie der Patienteninformation und -einverständniserklärung zumessen: eine äußerst niedrige. Eine lästige, leider wohl erforderliche Pflichtübung, die bei nächstbestem Anlass, und sei es mit umstrittenen Verfahrenstricks, ausgehebelt wird.

Bravo, mag man da nur noch zynisch sagen.
Wie soll man/frau da noch glauben, dass der Datenschutz funktioniert? Dass die Daten der Positiven beim Kompetenznetz gut aufgehoben sind? Dass die Daten als HIV-Patient sicher sind, wenn erst (statt „nur“ anderen Forschern) der Staatsanwalt vor der Tür steht?

Nachtrag: wer mehr über das Kompetenznetz, die Kohortenstudie und die derzeitigen Vorgänge erfahren möchte, kann sich informieren auf einer Veranstaltung in der Berliner Aids-Hilfe am 13.12.2006 um 18:30 Uhr.

Anmerkungen:
1) Das Kompetenznetz HIV ist eines von 18 deutschen Kompetenznetzen in der Medizin. In ihm sind Forscher, die in klinischer und praxisnaher Grundlagen-Forschung zu HIV/Aids arbeiten, zu einem Verbund zuzsammengeschlossen. Das Kompetenznetz HIV wird in bedeutendem Umfang vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.
2) Für die Bitte um die Bestätigung, dass bisher noch keine Daten ins Ausland geliefert wurden, gibt es konkreten Anlass. Nämlich die gelegentlich kolportierte Befürchtung, dies könnte längst passiert sein. Wir anders ließe sich erklären, dass die Teilnahme der deutschen Kohorte an einer internationalen Studie (COHERE) von ausländischen Forschern abgelehnt wurde, wie zu hören ist wohl auch mit Hinweis auf die Qualität der Daten? (Wer die Qualität der Daten beurteilen kann, muss ja doch wohl Einblick gehabt haben, könnte man vermuten?)
3) In der Kohortenstudie werden die Daten von derzeit ca. 14.000 HIV-positiven Patienten erfasst, die hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Erfasst werden u.a. „soziodemographische sowie fortlaufend detaillierte medizinische Daten“ (Newsletter 01/2006 des Kompetenznetzes).

10 Gedanken zu „Laxer Umgang mit Patienten-Daten ?“

  1. ist ja kaum zu glauben, scheint aber langsam methode zu sein. nur dumm, dass ich damals nach langem hin und her (genau aus diesem grunde) doch kleinbei gab und meine unterschrift unter die erklärung setzte. sollte es hier keine klaren signale geben kann man nur jedem raten sofort aus der studie auszusteigen, denn im gegensatz zu deutschland gelten in anderen ländern ganz andere datenschutzbestimmungen. was die dann aus den daten machen kann mit auch kein kompnet garantieren.

    ist das nicht traurig. was waren wir früher froh über einen funktionierenden und starken datenschutz. in den letzten 10 jahren ist dieser zu einem mickrigen etwas verkommen. wer sich noch an die volkszählungsproteste erinnern mag, weiß wovon ich spreche. im gegensatz dazu ist es mehr als unverschämt patientendaten von positiven weiterzugeben. da sollte sich das kompnet auf klagen einrichten.

  2. @ stefan:
    das mit der unterschrift sollte man/frau sich nach dem derzeitigen stand wohl überlegen. und – man/frau kann die unterschrift bzw. das einverständnis auch jederzeit zurückziehen.

    GUT, der hinweis auf die (oft niedrigeren) datenschutzbestimmungen in anderen ländern, danke – det hatte ich vergessen zu schreiben!

    oh ja – an VoBo kann ich mich gut erinnern 😉

    lg ulli

  3. Was wird erst passieren, wenn die elektronische Gesundheitskarte kommt. Dann kann man überhaupt nicht mehr kontrollieren, was über einem gespeichert ist…

  4. @ kalle:
    na zunächts hat die gesundheitskarte nichts mit der weitergabe von studien-daten der patienten zu tun, das wird auch zukünftig eine gertennte einwilligung sein

    und – bei der gesundheitskarte kann patient kontrollieren, was über ihn drauf steht (oder andernorts gespeichert ist, denn die karte ist ja auch zugangsschlüssel) – aber wohl kaum, wohin das dann geht und weiterverwendet wird … insofern teil ich deine bedenken …

    lg ulli

  5. @Ulli,

    natürlich kann man kontrollieren, was über einem gespeichert ist; aber ich denke an geheime Verschlüsselungen, die nicht jedem ersichtlich sind, und nur von Insidern ausgewertet werden können. Hier kommt wieder meine Skepsis zum tragen, und die Möglichkeiten der modernen Technik mittels RFID-Chips usw.. Wenn ich mir überlege, was heute schon möglich ist, bezweifle ich einen absolute Kontrolle durch die Patienten…

    Lg Kalle

  6. @ kalle:
    deine skepsis kann ich nur zu gut verstehen …
    wie eine „vertrauenbildende massnahme“ wirken die aktuellen vorgänge ja auch nicht …
    lg ulli

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