Immer wieder hat die Polizei in den vergangenen Monaten in Ägypten Razzien gegen Schwule durchgeführt. Fünf Schwule wurden Anfang April zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Schwule Männer in Kairo reagieren zunehmend eingeschüchtert und zurückhaltend. Bisher beliebte Treffpunkte werden gemieden; einige wenige, nur Insidern bekannte Treffpunkte wie Hammams und Kinos sind geblieben. Auf öffentlichen Plätzen hingegen, einst beliebte Treffpunkte, geht immer ein prüfender Blick in die Runde, ist Polizei anwesend?
‚Ägypten – für (einheimische) Positive gefährlich‚, dies gilt schon länger. Im Oktober 2007 waren 12 Männer verhaftet worden; einige von ihnen wurden im Februar/März 2008 verurteilt.
Am 9. April nun verurteilte das Kairoer Gericht fünf Homosexuelle zu drei Jahren Gefängnis. Auch diese Männer waren im Oktober vergangenen Jahres in der ägyptischen Hauptstadt im Rahmen von gegen HIV-Positive gerichteten Razzien verhaftet worden. Alle wurden zwangsweisen körperlichen Untersuchungen unterzogen, die ‚ihre Homosexualität beweisen‘ sollten.
Die Verfolgungen geschehen scheinbar mit Wissen und auf Anlass höchster staatlicher Stellen. In den Akten eines der Verhafteten fand die Kairoer Menschenrechtsgruppe ‚Initiative for personal Rights‘ einen ‚Fragebogen für Patienten mit HIV/Aids‘. In diesem Fragebogen des ägyptischen Gesundheitsministeriums sollte durch die Ermittler mit ja/nein-Fragen das Sexualverhalten der Angeklagten erforscht werden.
Auch für die Aids-Prävention haben die Verfolgungswellen drastische Folgen. Statt für Prävention erreichbar zu sein, werden schwule Männer immer mehr in den Untergrund gedrängt. „Von Safer Sex haben die Leute noch nie gehört“, schreibt auch SpON.
117 Nichtregierungsorganisationen aus 41 Staaten unter Koordination von Amnesty International und Human Rights Watch protestierten gegen die Verhaftungen mit einem Brief an den ägyptischen Gesundheitsminister (Text des Briefes hier). Zudem kritisierten sie das Verhalten der beteiligten Ärzte. Mediziner sollten sich für ihre Patienten engagieren, und sich nicht an Treibjagden beteiligen, so die Kritik.
Homosexualität ist in Ägypten juristisch gesehen legal. Sie wird jedoch über Gummiparagraphen mit Begriffen wie „moralische Verwerflichkeit“ immer wieder als Anlass für Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen benutzt.
Kritiker sehen die jüngeren Verfolgungswellen gegen Homosexuelle im Land zudem im Kontext erstarkender islamistischer Gruppierungen: zahlreiche Regime im Nahen Osten sehen sich zunehmend veranlasst, sich selbst als ‚Wahrer der Sitten‘ zu profilieren, um etwaiger Kritik von Islamisten zuvor zu kommen.
Auch in weiteren Staaten des Nahen und Mittleren Ostens verschäft sich die Situation. Erst im Januar waren in Marokko sechs Männer angeklagt, denen ‚homosexuelles Verhalten‘ vorgeworfen wurde. Kuweit hat im Dezember 2007 ein Gesetz verabschiedet, das die ‚Imitation des anderen Geschlechts‘ unter Strafe stellt. Bahrein will auswärtigen Homosexuellen die Ansiedlung verweigern, ‚homosexuelle Kinder‚ bestrafen, am liebsten gleich ‚Homosexualität ausrotten‘. Und die Vorgänge in Dubai um die Vergewaltigung eines 15jährigen Schülers in Dubai haben auch nicht gerade homofreundliche Zustände an den Tag gebracht.
Zur bisher größten Verhaftungswelle gegen Homosexuelle in Ägypten war es 2002 gekommen, als 52 Männer auf einen Nil-Schiff (dem ‚Queen Boat‘, einer fahrenden Disco) verhaftet wurden. Ihnen wurde Homosexualität vorgeworfen, sie wurden medizinisch untersucht. 23 der Männer wurden zu Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren verurteilt. Im Mai 2002 hob der ägyptische Staatspräsident die Strafen auf – die Verhandlung habe ‚vor dem falschen Gerichtshof stattgefunden‘. Eine anschließende neue Verhandlung führte zu jeweils gleichen Strafbemessungen.
Nachtrag 26.5.2008: Dubai bleibt LGBT-feindlich – ‚Dubai geht gegen ‚unanständige Transvestiten vor‘, berichtet SpON
Enge Männerfreundschaften sind zwar üblich, nach offizieller Lesart aber eben nicht mehr. Bis heute wird das Thema Homosexualität im arabischen (und letzlich im gesamten afrikanischen Raum) als Tabu behandelt. Strafbar st es eigentlich auch in den meisten staaten Afrika, normalerweise mit Gefängnis, das ist nicht neu.
Neu ist jetzt die Dimension – vom Wegschauen zur direkten Verfolgung. Vielleicht hängt es tatsächlich mit den steigenden HIV-Infektionen in Ägypten zusammen, so hat man schon einmal einen Sündenbock, kann nicht schaden…
@ 1.
stimmt, die situation ist in teilen nicht neu – dennoch beklagenswert. und sollte vielleicht dem ein oder anderen touristen bewußt sein bei seiner reise ins / durch das land …
ja, sündeböcke werden gerne gesucht, auch für steigende hiv-zahlen, vor allem wenn man sündenböcke als ersatz für wirksame politik benötigt. ernüchternd, immer wieder das selbe „spiel“ beobachten zu müssen …