Ein bedeutender Teil der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt auf Medikamente. Die Preise für neue Medikamente können die Hersteller in Deutschland bisher frei nach eigenem Ermessen festsetzen. Doch – rechtfertigt der Nutzen jeden Preis?
Gut ein Sechstel sämtlicher Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt allein auf Kosten für Arzneimittel (2008 nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 16,8%). „Noch immer ist Deutschland ein Paradies für die Arzneimittelindustrie: In keinem anderen europäischen Land kann sie die Preise so frei festsetzen“, schreibt SpON.
Noch deutlicher formuliert es Peter Sawicki, der erst jüngst geschaßte Chef des IQWIG:
„Für die Unternehmen [der Pharma-Industrie, d.Verf.] ist es in Deutschland paradiesisch: Alle Präparate werden sofort nach der Zulassung verordnet – zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu dem Preis, den die Industrie festlegt.“
Wenig erstaunlich, dass bei derartigen Markt-Strukturen die Kosten, die der Krankenversicherung (der gesetzlichen wie der privaten) für Arzneimittel entstehen, sehr hoch sind.
Doch entsprechende Instrumente stünden längst zur Verfügung. Schon seit längerem gibt es das Wirtschaftlichkeits-Gebot in der Krankenversicherung, und seit der Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG) ist es auch Aufgabe des IQWiG zu prüfen, ob die Preise für ein Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.
Damit ist neben die Nutzen-Bewertung eines Arzneimittels schon vor einigen Jahren auch die Kosten-Nutzen-Bewertung getreten. Vereinfacht gesagt bedeutet dies die Frage: steht der Preis eines Medikaments in einem vertretbaren Verhältnis zum gesteigerten Nutzen dieses Medikaments (im Verglich zu verfügbaren Standard-Therapien)? Eine solche Kosten-Nutzen-Bewertung kann dann Grundlage für die Festsetzung eines Höchstbetrages durch den GKV-Spitzenverband für nicht-festbetragsfähige Arzneimittel sein.
Das IQWIG erläutert
„Die Kosten-Nutzen-Bewertung berechnet die Kosten für die Behandlung eines einzelnen Patienten. Um diese Kosten abzuschätzen, wird in der Regel die Perspektive der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen gewählt. Dabei können neben den Ausgaben der Krankenkassen auch die Zuzahlungen der Versicherten einbezogen werden. Ebenso kann je nach Auftrag die Perspektive erweitert werden, um zum Beispiel Arbeitsausfallzeiten, Verrentungen und die finanzielle Belastung von Angehörigen zu berücksichtigen. Wenn es zum Beispiel um Krankheiten wie Demenz geht, spielen auch Pflege- kosten eine entscheidende Rolle und werden entsprechend berücksichtigt.“
Der Auftrag zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung eines Medikaments wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erteilt. Das IQWIG führt die Bewertung nach einem standardisierten Verfahren durch und erstellt Empfehlungen. Die Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit eines Medikaments werden i.d.R. vom G-BA (mit Überprüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit) getroffen. Die Zuständigkeit für die Festlegung eines Höchstbetrags eines Medikaments hingegen liegt laut Gesetz alleine in den Händen der Gesetzlichen Krankenkassen. Die Krankenkassen werden dabei vom GKV-Spitzenverband vertreten.
Das Instrumentarium der Kosten-Nutzen-Analyse wurde bisher nur in wenigen Fällen angewendet. Der Gemeinsame Bundesauschuß erteilte erst im Dezember 2009 die ersten Aufträge zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung (u.a. für bestimmte Medikamente zur Behandlung der Depression), mit dem Ergebnis wird frühestens im Winter 2010/11 gerechnet.
Wenn also Gesundheitsminister Rösler wie angekündigt „die Preisfindung der Arzneimittel kritisch prüfen“ will, wird er feststellen, dass mit der Kosten-Nutzen-Analyse ein potentiell sehr wirksames Instrumentarium bereits zur Verfügung steht. Eine Kostenbremse wäre möglich – vielleicht nicht ganz unter dem Beifall der Pharmaindustrie …
weitere Informationen:
FR 06.02.2010: Pharmakritiker Sawicki – Das Rezept der Profiteure
Ärzteblatt: Gemeinsamer Bundesausschuss: Mit Macht ins Zentrum
IQWIG: Methoden zur Kosten-Nutzen-Bewertung
Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste: Die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln (Januar 2009; pdf)
G-BA 18.12.2009: Gemeinsamer Bundesausschuss erteilt erste Aufträge zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
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