Josef Hecken seit 1.7.2012 neuer unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses

Josef Hecken , bisher Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), übernimmt ab 1. Juli 2012 das Amt des unparteiischen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA.

Josef Hecken, seit 1.7.2012 unparteiischer Vorsitzender des G-BA
Josef Hecken, seit 1.7.2012 unparteiischer Vorsitzender des G-BA

Josef Hecken, geboren am 2. August 1959 in Neuwied, war u.a. von 2004 bis 2008 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses und Stv. Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundesrates und 2008/09 Präsident des Bundesversicherungsamtes.

Der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) ist das oberste Beschluss­g­re­mium der gemein­samen Selbst­ver­wal­tung der Ärzte, Zahn­ärzte, Psycho­the­ra­peuten, Kran­ken­häuser und Kran­ken­kassen in Deut­sch­land. Er bestimmt in Form von Richt­li­nien den Leis­tungs­ka­talog der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versi­cherte und legt damit fest, welche Leis­tungen der medi­zi­ni­schen Versor­gung von der GKV erstattet werden.

Hecken deutete in einem Interview mit SpON Veränderungen beim G-BA an:

„Schneller können wir sicherlich werden, etwa wenn es darum geht, Richtlinien zu verabschieden, in denen festgelegt ist, wie chronisch kranke Menschen behandelt werden. Oder in der Frage, nach welchen Qualitätsstandards in Zukunft der Kampf gegen die Krankenhauskeime geführt werden soll.“

Er äußerte sich auch zu den Nutzenbewertungen von Arzneimitteln:

„Wir können uns nicht an den vorhergesehenen Umsatzerwartungen eines Herstellers orientieren, wenn wir den Nutzen eines Arzneimittels bewerten. Da geht es allein darum, ob es den Patienten überhaupt oder besser nützt. Und diese Bewertung erfolgt in einem wissenschaftlichen Prozess.“

.

weitere Infiormationen:
GBA: Josef Hecken Lebenslauf (pdf)
SPON 24.07.20ß12: Interview mit Josef Hecken
.

Kurz notiert … Januar 2011

29. Januar 2011: ‚Ärzte ohne Grenzen‚ kritisiert die Vereinbarung zwischen der Johnson & Johnson-Tochter Tibotec und drei Generika-Herstellern über ein neues HIV-Medikament des Konzerns (Rilpivirine)  für unzureichend. Viele HIV-Positive blieben von der Regelung ausgeschlossen.

28. Januar 2011: In den USA ist Tesamorelin (Handelsname Egrifta®) nach der US-Zulassung inzwischen verfügbar – die Jahres-Kosten (wholesale acquisition cost, etwa Großhandelseinkaufspreis) sollen bei 23.900 US-$ liegen.

27. Januar 2011: Die US-Medikamentenbehörde FDA hat eine Zulassungsantrag des Pharmaunternehmens Gilead für eine Dreier-Kombipille aus Tenofovir und Emtricitabin (bisher schon vermarktet unter dem Hhandelsnamen Truvada®) sowie dem experimentelle NNRTI Rilpivirin vorläufig nicht angenommen. Das Unternehmen kündigte an, kurzfristig weitere Daten zur Verfügung zu stellen.

24. Januar 2011: Die Medikamenten-.Behörde der EU hat Darunavir (Handelsname Prezista®) für die einmal tägliche Anwendung (mit Ritonavir als Booster) bei Therapie-erfahrenen Erwachsenen ohne Hinweise auf potentielle Resistenzen gegen die Substanz zugelassen.

23. Januar 2011: Die US-Regierung ist beunruhigt, dass die Pharma-Industrie zu langsam und zu wenige neue Substanzen entwickelt – und reagiert, indem sie ein eigenes Bundes-Forschungszentrum ins Leben ruft.

22. Januar 2011: US-Forscher haben erstmals die Struktur der Protein-Hülle von HIV entschlüsselt. Sie hoffen, dass sich daraus neue Ansätze für Medikamente gegen HIV entwickeln lassen.

In Tschetschenien müssen zukünftige Eheleute seit Mitte Januar 2011 einen HIV-Test machen, nur HIV-Negative werden vermählt. Dies erklärte der Großmufti des islamischen Landes. Zwar ist Heirat auch in Tschetschenien gesetzlich geregelt, Anordnungen des Muftis werden aber von vielen Bürgern befolgt.

20. Januar 2011: Bei HIV-Positiven ist möglicherweise das Risiko für Schlaganfälle erhöht, berichten US-Forscher.

Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln: Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat sich eine neue Verfahrensordnung gegeben.

19. Januar 2011: Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen Hartz-IV-Empfängern die Beiträge zur privaten Krankenversicherung voll bezahlen, berichtet die DAH über ein Urteil des Bundesozialgerichts.

Ein 41jähriger heterosexueller Mann wurde im US-Bundesstaat Virginia zu 50 Jahren Haft verurteilt. Der HIV-positive Mann hatte Sex mit einem 14-jährigen Mädchen, ohne sie über seine HIV-Infektion zu informieren. Das Mädchen ist HIV-infiziert.

Einem HIV-positiven Sergeant der US-Air-Force drohen bis zu 53 Jahre Haft. Er soll mehrfach Sex ohne Verwendung von Kondomen Sex gehabt haben, ohne seinen HIV-Status offen zu legen – entgegen einer schriftlichen Anordnung seines Kommandeurs, Sexpartnerinnen über seinen HIV-Status zu informieren.
Aktualisierung 22.01.2011: Der Sergeant wurde inzwischen zu acht Jahren Haft verurteilt.

14. Januar 2011:Im Verfahren gegen einen 65-jährigen HIV-positiven Mann aus Celle, dem Missbrauch in 403 Fällen in Thailand vorgeworfen wird, fordert die Staatsanwaltschaft Lüneburg 9 Jahre Haft. Das Urteil soll am 21. Februar 2011 verkündet werden.

Bei Farbigen, Hispanics und amerikanischen Indianern sind unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung die HIV-Neuinfektionsraten höher als bei Weissen; bei Farbigen und Hispanics verschlechtert die Situation sich weiter. Dies betont der erste Bericht zu ethnischen Unterschieden der Gesundheitssituation in den USA, den die CDC jemals erstellt haben.

13. Januar 2011: Das Pharmaunternehmen Gilead warnt in einem ‚Rote Hand Brief‘ (pdf), dass die nicht sachgemäße Anwendung von Cidofovir (Handelsname Vistide®) außerhalb der Zulassung zu schweren Nebenwirkungen führen kann. Die Substanz ist nur zugelassen zur Behandlung der CMV-Retinitis bei Erwachsenen mit Aids.

12. Januar 2011: State Representative Larry Brown, Republikaner und Mitglied der General Assembly des US-Bundesstaats North Carolina, redet Klartext: Erwachsene mit HIV sollten ihre Therapien nicht vom Staat bezahlt bekommen, wenn sie „es durch ihren Lebensstil verursacht haben“ sowie für Menschen, die „in perversen Lebensstilen leben“. Er meine damit u.a. Erwachsene, die sich durch Sex oder Drogen mit HIV infizieren.

11. Januar 2011: Zwei Proteasehemmer gegen das Hepatitis C Virus befinden sich in beschleunigten Zulassungsverfahren: Boceprevir in den USA und Telaprevir in Europa.

In den USA wurden die Richtlinien für HIV-Therapie aktualisiert. U.a. sind Kontrollen der CD4-Werte in vielen Fällen seltener als bisher erforderlich, zudem wurde virologisches Versagen der Therapie neu definiert.

07. Januar 2010: Die Empfehlung, dass HIV-Positive eine Grippeschutz-Impfung machen sollten, ist gerechtfertigt, folgert ein US-Forscher aufgrund aktueller Daten dreier Studien.

„Immun gegen AIDS?“ – Werbung für Gentest führt in die Irre“, warnt die DAH.

Atorvastatin und Rosuvastatin sind besser geeignet als Pravastatin, um bei HIV-Positiven erhöhte Blutfettwerte zu senken, stellen US-Forscher in einer Studie an 700 HIV-Positiven fest. Alle drei Substanzen der Gruppe der Statine hatten in der Studie vergleichbare Raten an Nebenwirkungen.

05. Januar 2011: Das Patentamt im indischen Mumbai hat einen Patentantrag des Pharmakonzerns Abbott auf die Kombination von Ritonavir und Lopinavir (vermarktet unter dem Handelsnamen Kaletra®) für Indien abgelehnt. Damit ist die Herstellung generischer Versionen in Indien möglich.

Der Baseballspieler Roberto Alomar wird in die „Hall of Fame“ des US-Baseball aufgenommen. Alomar sieht sich mit einer Anzeige seiner Ehefrau konfrontiert, er habe mit ihr ungeschützten Sex gehabt, obwohl er von seinem positiven HIV-Status wisse.

Plastiktüten seien kein brauchbarer Ersatz für Kondome, warnt das Gesundheitsministerium in Thailand die Teenager des Landes.

04. Januar 2011: Erstmals seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Todesfälle mit Bezug zu HIV und Aids pro Jahr in New York im Jahr 2010 unter 1.000 gefallen (auf 933).

Mangel an Vitamin D kann für HIV-Positive das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, berichten Forscher.

01. Januar 2011: Annie Lennox wird für ihren Einsatz gegen Armut und Aids in Afrika von der britischen Queen als ‚Offizierin‘ in den Orden des britischen Empire aufgenommen.

Anspruch auf künstliche Befruchtung als GKV-Leistung auch für von HIV betroffene Paare

Auch Paare, bei denen einer oder beide Partner HIV-positiv sind, haben künftig die Möglichkeit, die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch zu nehmen, wenn die gesetzlich geregelten Voraussetzungen (§ 27a SGB V) erfüllt sind. Dies sieht eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor, die am 16. September 2010 in Berlin getroffen wurde.

Bisher galt, dass beide Ehepartner zum Zeitpunkt einer künstlichen Befruchtung HIV-negativ sein mussten. Damit konnten von HIV betroffene Ehepartner diese GKV-Leistung nicht in Anspruch nehmen. Eine Ausschlussklausel für andere Erkrankungen gab es allerdings nicht.

Die Patientenvertretung im G-BA hatte den Beratungsantrag vor allem damit begründet, dass HIV-positiven Versicherten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit Blick auf die Gleichbehandlung gegenüber Versicherten mit anderen Erkrankungen zur Verfügung stehen müssten.

In der Begründung des Beschlusses wird dargelegt, dass schwerwiegende Erkrankungen bei einem oder bei beiden Partnern ohnehin eine medizinische Bewertung des individuellen Risikos einer Schwangerschaft oder deren Herbeiführung durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung erfordern. Dies gilt bei einer HIV-Infektion ebenso wie bei einer Vielzahl von anderen Erkrankungen. „Ein Sonderstatus der HIV-Infektion lässt sich in diesem Zusammenhang medizinisch nicht begründen“, sagte Dr. Harald Deisler, Unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Methodenbewertung.

Beim Robert Koch-Institut wurden für das Jahr 2009 insgesamt 2.856 neu diagnostizierte HIV-Infektionen gemeldet. Insgesamt leben derzeit etwa 55.000 HIV-positive Menschen in Deutschland.

Der Beschluss des G-BA wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt und tritt nach erfolgter Nichtbeanstandung nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft

(Pressemitteilung G-BA)

Beschlusstext (pdf)
tragende Gründe (pdf)

Kurz notiert … September 2010

29. September 2010: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria lässt seinen neuen Verwaltungssitz in Genf bauen, für 92 Mio. sFr. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Langwierige und kostspielige Bürokratie behindert in China eine adäquate medizinische Versorgung und Betreuung HIV-Positiver, so US-Forscher David Ho.

28. September 2010: Mit dem ‚Positive Justice Projectwendet sich erstmals ein landesweites Projekt in den USA gegen HIV-Positive kriminalisierende Gesetze. Das Projekt wurde gegründet vom ‚Center for HIV Law and Policy‚.

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreis-Trägerin und Mit-Entdeckerin des HIV, fordert in ‚Le Monde‘ für Frankreich Druckräume für Drogengebraucher: „Il est urgent d’ouvrir des centres d’injection supervisée de drogues“

27. September 2010: Mit dem Pharmahersteller Gilead hat erstmals ein Medikamenten-Hersteller im Aids-Bereich für noch Patent-geschützte Medikamente (hier: Atripla®, Truvada®) einen Rabattvertrag abgeschlossen, mit der AOK Berlin (gültig seit Juli 2010).

Robert Mugabe, diktatorischer Staatschef von Simbabwe, beabsichtigt die Einführung von HIV-Zwangstests im Land.

26. September 2010: Zukünftig soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kostenübernahme für ein neues Medikament nur noch ablehnen können, wenn er dessen Unzweckmäßigkeit beweisen kann. Eine entsprechende als pharmafreundlich betrachtete Änderung plant die Bundesregierung.

20. September 2010: Das Mikrobizid ‚Pro2000‘, ein vaginal anzuwendendes Gel, hat in einer Studie keine Wirkung gezeigt.

18. September 2010: In Russland wurden Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen Versorgungsprobleme bei Aids-Medikamenten protestiert. Die Versorgungsprobleme haben bereits zu Therapie-Unterbrechungen geführt.

In einem Film über den an den Folgen von Aids verstorbenen Sänger der Gruppe ‚Queen‘  Freddy Mercury soll Sascha Baron Cohen (bekannt u.a. aus ‚Borat‘) die Hauptrolle übernehmen.

16. September 2010: HIV-positive Patienten hatten einen ähnlichen Verlauf wie HIV-Negative bei Infektionen mit H1N1 („Schweinegrippe„), berichten spanische Forscher.

US-Forscher berichten, dass inzwischen über ein Drittel der Fälle von Kaposi Sarkom bei HIV-Positiven mit mehr als 250 CD4-Zellen auftreten.

Die HIV-Prävention bei schwulen Männern in Frankreich benötigt neue Ansätze – die Neu-Diagnosezahlen sind hoch. Wissenschaftler des französischen Public Health Instituts behaupten, die HIV-Infektion sei bei schwulen Männern in Frankreich „außer Kontrolle“.

14. September 2010: Das Durchfallmittel Loperamid ist unter bestimmten Voraussetzungen wieder verordnungsfähig.

10. September 2010: Apotheken dürfen ihren Kunden in geringem Umfang Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 193/07, 72/08 u.a.). Über die Frage, ob die deutscher Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für im Ausland sitzende Internetapotheken gilt, wird der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe später befinden.

9. September: Die Bundesregierung plant offenbar, sich aus dem Global Fonds zur Bekämpfung von Aids. Tuberkulose und Malaria zurückzuziehen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

8. September 2010:  Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erwirbt die Biotech-Firma Zymo Genetics für 885 Mio. US-Dollar. BMS will damit u.a. sein Portfolio an Substanzen gegen Hepatitis C stärken.

7. September: Bei der Entlassung des IQWIG-Chefs Peter Sawicki spielte auch das Bundeskanzleramt eine Rolle, berichtet SpON.

6. September 2010: Ein Drittel aller HIV-Positiven haben posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Darauf weisen britische Forscher hin.
Im Epidemiologischen Bulletin 35/2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden Ergebnisse zur Erarbeitung von Standards in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) durch die Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle Gesundheit“ vorgestellt.

4. September 2010: Dürfen Kliniken HIV-Patienten ambulant behandeln? Nein, sagt das Sozialgericht Hannover – und setzt damit einen Streit fort, der seit langem zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken entbrannt ist.

2. September 2010: „Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich das.“ Der Staatspräsident Kubas Fidel Castro bedauert die Hetze gegen Schwule in Kuba und übernimmt die Verantwortung. Zu einer etwaigen Entschädigung äußert er sich nicht.

DAH: Substitution in Gefahr

Diamorphingestützte Substitution: Deutsche AIDS-Hilfe sieht bedarfsgerechte Versorgung durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss in Gefahr

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) teilt die Einschätzung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Mechthild Dyckmans, dass sich erst auf der Basis von Praxiserfahrungen zeigen wird, ob die „Richtlinien zur diamorphingestützten Behandlung Opiatabhängiger“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gegebenenfalls nachjustiert werden müssen. Dennoch sieht die DAH die bedarfsgerechte Versorgung Opiatabhängiger in Gefahr.

Dazu erklärt Sylvia Urban, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe: „Mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18.03.2010 wird die Erstattungsfähigkeit der diamorphingestützten Substitutionsbehandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung an hohe Hürden geknüpft, die so vom Gesetzgeber nicht intendiert waren. Das für die Deutsche Aids Hilfe geltende Prinzip, dass eine sichere und qualitativ hochwertige Behandlung mit einem hohen Maß an Praxiskompatibilität zu vereinen ist, wurde mit diesen Richtlinien nur zum Teil erreicht. So knüpft der GBA die diamorphingestützte Behandlung an die Bedingung, dass Arztstellen im Umfang von grundsätzlich drei Vollzeitstellen vorzuhalten sind – und dies unabhängig von der Patientenzahl. Diese Regelung ist fachlich nicht zu begründen und kann die Realisierung neuer Standorte für die Diamorphinbehandlung erheblich erschweren oder sogar verhindern.“

„Selbstverständlich freuen wir uns, dass wir einer Substitution mit Diamorphin ein Stück näher gekommen sind und von HIV und Hepatitis betroffene oder bedrohte Heroinkonsumenten eine Alternative zur Substitution mit bisher zugelassenen Medikamenten erhalten. Getrübt wird diese Freude allerdings durch das teilweise hochschwellige Regelwerk des GBA, das in einigen Punkten über die hohen Hürden der Modellphase hinausgeht“, so Dirk Schaeffer, DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe)

Medikamentenpreise: rechtfertigt der Nutzen den Preis?

Ein bedeutender Teil der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt auf Medikamente. Die Preise für neue Medikamente können die Hersteller in Deutschland bisher frei nach eigenem Ermessen festsetzen. Doch – rechtfertigt der Nutzen jeden Preis?

Gut ein Sechstel sämtlicher Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt allein auf Kosten für Arzneimittel (2008 nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 16,8%). „Noch immer ist Deutschland ein Paradies für die Arzneimittelindustrie: In keinem anderen europäischen Land kann sie die Preise so frei festsetzen“, schreibt SpON.

Noch deutlicher formuliert es Peter Sawicki, der erst jüngst geschaßte Chef des IQWIG:

„Für die Unternehmen [der Pharma-Industrie, d.Verf.] ist es in Deutschland paradiesisch: Alle Präparate werden sofort nach der Zulassung verordnet – zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu dem Preis, den die Industrie festlegt.“

Wenig erstaunlich, dass bei derartigen Markt-Strukturen die Kosten, die der Krankenversicherung (der gesetzlichen wie der privaten) für Arzneimittel entstehen, sehr hoch sind.

Doch entsprechende Instrumente stünden längst zur Verfügung. Schon seit längerem gibt es das Wirtschaftlichkeits-Gebot in der Krankenversicherung, und seit der Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG) ist es auch Aufgabe des IQWiG zu prüfen, ob die Preise für ein Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.

Damit ist neben die Nutzen-Bewertung eines Arzneimittels schon vor einigen Jahren auch die Kosten-Nutzen-Bewertung getreten. Vereinfacht gesagt bedeutet dies die Frage: steht der Preis eines Medikaments in einem vertretbaren Verhältnis zum gesteigerten Nutzen dieses Medikaments (im Verglich zu verfügbaren Standard-Therapien)? Eine solche Kosten-Nutzen-Bewertung kann dann Grundlage für die Festsetzung eines Höchstbetrages durch den GKV-Spitzenverband für nicht-festbetragsfähige Arzneimittel sein.

Das IQWIG erläutert

„Die Kosten-Nutzen-Bewertung berechnet die Kosten für die Behandlung eines einzelnen Patienten. Um diese Kosten abzuschätzen, wird in der Regel die Perspektive der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen gewählt. Dabei können neben den Ausgaben der Krankenkassen auch die Zuzahlungen der Versicherten einbezogen werden. Ebenso kann je nach Auftrag die Perspektive erweitert werden, um zum Beispiel Arbeitsausfallzeiten, Verrentungen und die finanzielle Belastung von Angehörigen zu berücksichtigen. Wenn es zum Beispiel um Krankheiten wie Demenz geht, spielen auch Pflege- kosten eine entscheidende Rolle und werden entsprechend berücksichtigt.“

Der Auftrag zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung eines Medikaments wird vom Gemeinsamen  Bundesausschuss (G-BA) erteilt. Das IQWIG führt die Bewertung nach einem standardisierten Verfahren durch und erstellt Empfehlungen. Die Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit eines Medikaments werden i.d.R. vom G-BA (mit Überprüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit) getroffen. Die Zuständigkeit für die Festlegung eines Höchstbetrags eines Medikaments hingegen liegt laut Gesetz alleine in den Händen der Gesetzlichen Krankenkassen. Die Krankenkassen werden dabei vom GKV-Spitzenverband vertreten.

Das Instrumentarium der Kosten-Nutzen-Analyse wurde bisher nur in wenigen Fällen angewendet. Der Gemeinsame Bundesauschuß erteilte erst im Dezember 2009 die ersten Aufträge zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung (u.a. für bestimmte Medikamente zur Behandlung der Depression), mit dem Ergebnis wird frühestens im Winter 2010/11 gerechnet.

Wenn also Gesundheitsminister Rösler wie angekündigt „die Preisfindung der Arzneimittel kritisch prüfen“ will, wird er feststellen, dass mit der Kosten-Nutzen-Analyse ein potentiell sehr wirksames Instrumentarium bereits zur Verfügung steht. Eine Kostenbremse wäre möglich – vielleicht nicht ganz unter dem Beifall der Pharmaindustrie …

weitere Informationen:
FR 06.02.2010: Pharmakritiker Sawicki – Das Rezept der Profiteure
Ärzteblatt: Gemeinsamer Bundesausschuss: Mit Macht ins Zentrum
IQWIG: Methoden zur Kosten-Nutzen-Bewertung
Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste: Die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln (Januar 2009; pdf)
G-BA 18.12.2009: Gemeinsamer Bundesausschuss erteilt erste Aufträge zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
.

Durchfall-Mittel wieder erstattungsfähig

Antidiarrhoika (Mittel gegen Durchfall-Erkrankungen) sind ab 2010 wieder erstattungfähig. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf seiner Sitzung am 15.10.2009 beschlossen.

Nach der Neu-Regelung sind Antidiarrhoika nun verordnungfähig u.a.

„bei schweren und länger andauernden Diarrhöen, auch wenn diese therapie-induziert sind, sofern eine kausale oder spezifische Therapie nicht ausreichend ist.“

Zu einer längeren Anwendung merkt der G-BA an

„Eine längerfristige Anwendung (über 4 Wochen) bedarf der besonderen Dokumentation und Verlaufsbeobachtung.“

Die Neu-Regelung tritt mit ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in kraft (voraussichtlich Anfang 2010).

weitere Informationen:
Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie in Anlage III Nummer 12: Antidiarrhoika Vom 15. Oktober 2009 (pdf)
DAH-Blog 02.11.2009: Ende des Trauerspiels: Loperamid wieder verordnungsfähig
.

Gemeinsamer Bundesausschuß: Patientenvertreter abgeblitzt mit Forderung nach mehr Mitsprache

Die Patientenvertreter im gemeinsamen Bundesausschuß haben mehr Mitspracherecht gefordert – und stoßen auf taube Ohren.

Der Gemeinsame Bundesausschuß (G-BA) ist ein Spitzengremium der Krankenversicherung – und entgegen seiner weitgehenden Unbekanntheit ein sehr wichtiges: er entscheidet über den Leistungs-Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung. Was Gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten erstatten, was nicht – der G-BA entscheidet’s.

Seit der Gesundheitsreform 2003 besteht der Gemeinsame Bundesauschuss nicht nur aus Vertretern der Leistungserbringer (z.B. Ärzte, Krankenhäuser) sowie der Krankenkassen, sondern auch aus Patientenvertretern. Bisher jedoch haben Patientenvertreter im G-BA und seinen Gremien zwar Antrags- und Mitsprache-Rechte, jedoch kein Stimmrecht.

Dies fehlende Stimmrecht ist ein wesentliches Manko einer ernstzunehmenden und wirkungsvollen Mitarbeit der Patientenvertreter.

Der Gemeinsame Bundesausschuß jedoch steht dem Ansinnen von Patientenvertretern, ihnen mehr Mitwirkung, auch Stimmrechte zuzugestehen, auch weiterhin ablehnend gegenüber.

weitere Informationen:
focus.de: Patientenverbände: Mitspracherechte im Bundesausschuß gefordert
Ärztezeitung: Mehr Einfluß für Patienten im G-BA?
Ärztezeitung: Patientenvertreter stoßen mit Forderung nach Stimmrecht im GBA auf taube Ohren (Zugang zu diesem Artikel leider nur mit DocCheck o.ä.)

Pillen-Kosten zumutbar

Es ist zumutbar, dass Patienten die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst tragen müssen. Dies entschied das Bundessozialgericht.

Seit dem sogenannten GKV-Modernisierungs-Gesetz (Text pdf; GKV = Gesetzliche Krankenversicherung) sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen.

Die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, auch ‚over-the-counter-Artikel‘ (OTC) genannt, müssen seitdem in der Regel die Versicherten selbst tragen. Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn ein OTC-Arzneimittel ein Standardmittel zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung ist. Es wird in diesem Fall ausnahmsweise durch den gemeinsamen Bundesausschuß (G-BA) in die sog. ‚OTC-Ausnahmeliste‘ oder auch ‚OTC-Übersicht‘ der Arzneimittel-Richtlinie (jeweiliger Text sowie Hinweise zum Antragsverfahren hier) aufgenommen – nur für hier aufgenommenen nicht verschreibungspflichtige Medikamente tragen die gesetzlichen Krankenversicherungen auch weiterhin die Kosten.

Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung verstoße gegen das Grundgesetz sowie gegen europäisches Recht, meinte ein Kläger.

Nein, dem ist nicht so, entschied vor kurzem das Bundessozialgericht in Kassel (Az. B1 KR 6/08 R).
Der Preis derartiger Arzneimittel belaufe sich im Durchschnitt auf ca. elf Euro. Dies sei eine zumutbare Belastung, urteilten die Richter (siehe Medieninformation des Bundessozialgerichts). Zudem verstoße der Ausschluss nicht gegen europäisches Recht, dies habe der Europäische Gerichtshof bereits entschieden.

Im konkreten Fall ging es um den Ausschluss des Arzneimittels „Gelomyrtol forte®“. Der Kläger leidet an einer chronischen Emphysem-Bronchitis. Er wollte die Kosten für dieses Arzneimittel auch weiterhin von der Techniker Krankenkasse erstattet bekommen.

Der Kläger erwägt Presseberichten zufolge eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Evidenzbasierte Medizin

Evidenz, evidenzbasierte Medizin (EBM) – diese Schlagworte dürfte binnen Kürze zu einem der wichtigsten Begriffe im Krankenversicherungs-System werden (bzw. schon geworden sein). Evidenzbasierte Medizin ist u.a. eine der Arbeits- und Entscheidungsgrundlagen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Warum ist Evidenz so wichtig? Und – was ist Evidenz?

Gemäß §12 SGB V (Sozialgesetzbuch 5) müssen die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wirtschaftlich sein. Der Gesetzgeber hat einen genauen Rahmen der GKV-Leistungen vorgegeben:
„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

Um dieses Wirtschaftlichkeitsgebot in die Praxis umzusetzen, ist es erforderlich, die einzelnen Maßnahmen zu bewerten hinsichtlich ihres Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit sowie ihrer Wirtschaftlichkeit.

Diese Bewertung erfolgt mit Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EBM). Insbesondere werden verschiedene Verfahren, Methoden oder auch Wirkstoffe gemäß Verfahrensordnung untersucht. Hierbei wird die sogenannte Evidenz-Treppe angewandt:

Bei der Beurteilung von Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens, einer Methode oder eines Arzneimittels gemäß dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB wird nach einer Literaturrecherche und Literaturbewertung eine zusammenfassende Nutzenbewertung erstellt.

Die einzelnen verfügbaren Publikationen werden dabei entsprechend folgender Evidenz-Treppe eingestuft (höchste Stufe = 1 = höchster Grad an Evidenz):

I a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib
I b Randomisierte klinische Studien

II a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe IIb
II b Prospektiv vergleichende Kohortenstudien

III Retrospektiv vergleichende Studien

IV Fallserien und andere nicht vergleichende Studien

V Physiologische Überlegungen, Expertenmeinungen usw.

Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird immer mehr zu einem der zentralen Entscheidungsgremien der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Doch – wie funktioniert die Einbeziehung von Patienten-Interessen?

Bis zur Gesundheitsreform 2004 waren die Interessen von Patienten in den Entscheidungen des Bundesausschusses nicht vertreten, Einflussnahme kaum möglich (wenn man einmal davon absieht, dass sicher sowohl Ärzte als auch Kassen der Ansicht sind, sie vertreten Patienten-Interessen). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Methadon-Beschlüsse, Viagra) fand die Arbeit des Bundesausschusses weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt.

Die Zeit vor dem G-BA
Schon bald nach Einführung der Gesetzlichen Krankenversicherung (1884) wurde deutlich, dass Regelungen und Strategien der Konfliktbewältigung erforderlich werden. Um die Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen zu regeln, wurde deswegen 1913 durch das ‚Berliner Abkommen‘ ein paritätisch von Kassen und Ärzten besetzter Ausschuss gegründet. Dieser konstituierte sich 1923 als öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaft unter dem Namen ‚Reichsausschuss‘. Nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland und Gründung der Bundesrepublik wurde (mit ähnlichen Aufgaben) 1956 der ‚Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen‘ (BAK) gegründet. Im Laufe der Zeit wurden seine Aufgaben zunehmend erweitert; zudem wurde mit der Gesundheitsreform 2000 ein Ausschuss Krankenhaus sowie ein Koordinierungsausschuss gegründet. In Folge der Gesundheitsreform 2003 wurde 2004 der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gegründet, in dem die ehemaligen Bundesausschüsse aufgegangen sind. Erstmals sind nun auch Patientenvertreter beteiligt.

Mit der Gesundheitsreform 2003 sollte auch die Patientenorientierung im Gesundheitswesen verbessert werden. Dabei war Ziel die Vertretung kollektiver (nicht individueller) Patientenrechte. Im Ergebnis der Gesundheitsreform 2003 arbeiten erstmals seit Beginn 2004 auch Patientenvertreter in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit.

Wer in welcher Weise als Patientenvertreter im G-BA mitwirken kann, ist in einem Benennungsverfahren geregelt.
Die Patientenbeteiligung soll dabei auf allen Ebenen des G-BA erfolgen:
Spruchkörper
Unterausschüsse
– Arbeitsgruppen
– Themengruppen

Die Mitarbeit der Patientenvertreter erfolgt ehren- oder nebenamtlich. Sie erhalten für ihre Mitarbeit Reisekosten sowie ein Tagegeld und einen Pauschbetrag (Aufwandentschädigung) in Höhe von derzeit 49,-€ erstattet. Beschäftigte Patientenvertreter erhalten auf Antrag einen etwaigen Verdienstausfall erstattet.

Die Mitarbeit von
Patientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss legt die Frage nahe, wer denn ‚die‘ Interessen ‚der‘ Patienten vertreten kann bzw. soll.

Die Frage der Benennung von Patientenvertretern ist im Sozialgesetzbuch 5 (SGB-V) sowie in der ‚Patientenbeteiligungsverordnung‚ (PatBeteiligungsV vom 19. Dezember 2003) geregelt.

Im Sozialgesetzbuch V (SGB V) §140f Abs. 2 wird hierzu gesprochen von „Organisationen, die auf Bundesebene maßgeblich sind für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen“. Diese sollen demnach einvernehmlich „sachkundige Personen“ (Patientenvertreter) benennen.

Bisher sind als solche gem. §140(2) SGB-V und PatBeteiligungsV maßgebliche Organisationen anerkannt
für den Bereich der ‚Betroffenenverbände‘:
– der Deutsche Behindertenrat (DBR)
(Im DBR sind vertreten die BAG Selbsthilfe und ihre Mitgliedsorganisationen, die Sozialverbände (SoVD, VdK) sowie die freie Selbsthilfe (IG selbstbestimmtes Leben, Weibernetzwerk).

für den Bereich der ‚Beraterverbände‘:
– die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen BAGP),
– die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), und
– der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv).

Diese vier Verbände sind per se als maßgeblich im Sinne des §140f anerkannt. Doch der Kreis der die Patienteninteressen vertretenden Verbände ist damit nicht abschließend festgelegt.
Der etwaigen Anerkennung aller weiteren Organisationen liegen nach PatBeteiligungsV folgende Kriterien zugrunde:
– Ziel & Aufgabe der Organisation
– Innere Ordnung (z.B. demokratischer innerer Aufbau)
– Mitgliederkreis
– Dauer des Bestehens und (bundesweiter) Wirkungskreis
– Neutralität und Unabhängigkeit
– Gemeinnützigkeit

Anerkannte Organisationen können Patientenvertreter benennen.

Diese Patientenvertreter müssen gem. PatBeteiligungsV von den Organisationen als
– sachkundigen Personen
– gemeinsam und
– einvernehmlich benannt werden.
Die Benennung erfolgt im Koordinationskreis. Dabei ist festgelegt, dass mehr als die Hälfte der sachkundigen Personen aus dem Bereich der Selbsthilfe kommen muss.
Für jedes Gremium des G-BA können dabei maximal so viele Patientenvertreter benannt werden, wie Kassenvertreter benannt sind.
Derzeit sind über 200 Personen als PatientenvertreterInnen benannt.

Wichtige Dokumente:
Patientenbeteiligungsverordnung als pdf hier

Gemeinsamer Bundesausschuss neu konstituiert

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich in seiner ersten öffentlichen Sitzung neu konstituiert.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist für den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verantwortlich. Er ist paritätisch mit Vertretern der Gesetzlichen Krankenkassen und der Ärzte besetzt. Patientenvertreter haben Mitberatungs- und Antragsrechte.

Die konkrete Arbeit des G-BA erfolgt weitgehend in Unterausschüssen. Neben dem Finanzausschuss sind derzeit folgende acht Unterausschüsse eingesetzt: Arzneimittel, Qualitätssicherung, sektorübergreifende Versorgung, Methodenbewertung, veranlasste Leistungen, Bedarfsplanung, Psychotherapie, sowie zahnäztliche Behandlung.

Der G-BA regelt die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt, was (auch welche Arzneimittel) von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Er hat die Kompetenz, Leistungen einzuschränken oder auszuschließen. De facto wird der G-BA also zunehmend zu einer der zentralen Schaltstellen im deutschen Gesundheitswesen.
Die privaten Krankenversicherungen (PKV) regeln ihren Leistungsumfang im privatrechtlichen Verhältnis Versicherer – Versicherter. De facto lehnen sich einige PKV jedoch in Teilen auch an Beschlüsse des G-BA an (z.B. sog. ‚Lifestyle-Präparate‘).

Formal ist der G-BA ‚untergesetzlicher Normgeber‘ (nicht nach eigener Legitimation, sondern aufgrund des gesetzlichen Auftrags im SGB V). Er ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Er untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).
Der genaue Leistungskatalog des G-BA ist im SGB V §12 (1,1) und §2 (1,3) konkretisiert (Normprogramm).

Um die Rechtsstaatlichkeit der Arbeit des G-BA sicherzustellen, müssen seine Arbeitsgrundlagen (die Geschäftsordnung, GO sowie die Verfahrensordnung, VO) vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden. Die Arbeit des G-BA wird durch einen sogenannten Systemzuschlag finanziert.

Die Verfahrensordung des G-BA (VO) regelt, nach welchem Prozedere Beschlüsse des G-BA zustande kommen. Die Arbeitsebenen des G-BA sind auf erster Ebene der ‚Gemeinsame Bundesausschuss‘ (für die Beschlussfassung), und auf zweiter Ebene die Unterausschüssse (zur Beschlussvorbereitung). Bei Bedarf können Arbeitsgruppen und Themengruppen eingerichtet werden.

In der Geschäftsordnung (GO) des G-BA gemäß §91 (3,1) SGB-V ist insbesondere geregelt, wie Sitzungen der Gremien des G-BA abzuhalten sind und wie Beschlüsse gefällt werden. Die GO regelt auch in wie weit die Sitzungen der Gremien des G-BA der Vertraulichkeit unterliegen.
In der GO sind auch die Rechte der Patientenvertreter im Entscheidungsverfahren geregelt:
* Antragsrecht anerkannter Organisationen
* Teilnahme- und Mitberatungsrecht auf allen Ebenen
* Recht auf Unterbrechung der Sitzung
* Recht auf Vorschläge für Sachverständige
* Einwendungen gegen die Niederschrift

Die jetzige Neu-Konstituierung des G-BA wurde erforderlich aufgrund des GKV-WSG (GKV = Gesetzliche Krankenversicherung, GKV-WSG = GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz), das eine veränderte Struktur des G-BA ab Juli 2008 vorsieht. Mehr dazu in einer Pressemitteilung des G-BA „Gemeinsamer Bundesausschuss in erster öffentlicher Sitzung neu konstituiert“ vom 17.07.2008.

Wichtige Dokumente:
Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses
neugefasste Geschäftsordnung vom 17.07.2008
Geschäftsordnung des gemeinsamen Bundesausschusses

Trockener Stoff? Warum erzählt der das?
Ja, trockener Stoff, aber einer, der für jeden in der Gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zunehmend bedeutend wird. Denn dieser Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regelt in großem Umfang, was GKV-Versicherte von ihrer Krankenkasse erstattet bekommen – und was nicht. Gerade wegen dieser großen Bedeutung des G-BA ist es besonders wichtig, dass hier auch Patientenvertreter beteiligt sind (wenn auch derzeit noch ohne Stimme). Einer dieser Patientenvertreter bin ich seit 2007.

G-BA verweigert Herausgabe von Qualitätsberichten

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Herausgabe von Qualitätsberichten der Krankenhäuser verweigert. Eine patientenorientierte Aufbereitung der Daten ist damit in Frage gestellt.

Seit 2004 arbeiten Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit. Der G-BA ist eines der wichtigsten Gremien im deutschen Gesundheitswesen.

Einige Patientenorganisationen hatten die Bertelsmann-Stiftung dafür gewonnen, die Qualitätsberichte der Krankenhäuser, die dem G-BA vorliegen, patientenorientiert aufzubereiten. Geplant war, ein für jedermann/frau zugängliches Internetportal aufzubauen, das ermöglichen sollte, Krankenhäuser anhand ihrer offiziellen Qualitätsberichte auszuwählen.

Wie die BAG Selbsthilfe (die die Arbeit der Patientenvertreter im G-BA koordiniert) meldet, hat der G-BA die Herausgabe der Krankenhaus-Qualitätsberichte jedoch verweigert. Eine neutrale und patientenfreundliche Nutzung werde damit vereitelt, so die BAG.

EBM

Heut lern ich was über EBM.

EBM, das scheint eine vielfältige Welt zu sein. Eine Welt, in der sich Ärzte und Pop, klinische Studien und Baptisten munter umeinander tummeln.

Nein, ich geh nicht in einen Kurs über Electronic Body Music … ich mag zwar 80er-Pop, aber …

Und mit der Europäischen Baptisten-Mission hab ich auch nichts am Hut …

Der Erzgebirge-Bike-Marathon, das würd vielleicht mehr Spaß machen …
… während Marathon-Laufen mir zu viel wär …

EBM heißt auch Einheitlicher Bewertungs-Maßstab. Der regelt die Honorare der Ärzte. Aber Honorar bekomm ich heute nicht, und vergnügungssteuer-pflichtig wird die heutige Veranstaltung wohl auch nicht …

Und EBM steht auch für die evidenzbasierte Medizin

Und warum das Ganze?
Das wird demnächst vielleicht verraten … 😉

Hilfe für die Selbsthilfe ?

Ist Selbsthilfe, aktives Engagement und Interessen- Vertretung von Positiven noch erwünscht? Warum scheint sie immer schwieriger, sowohl in der Arbeit vor Ort als auch der politischen Interessenvertretung auf Bundesebene? Eine der Frage wurde am Samstag ausgiebig diskutiert, die andere blieb offen im Raum stehen.

Bereits seit einiger Zeit tobt unter einigen Positiven, in Netzwerken, Selbst- und Aids-Hilfen eine Diskussion über ‚Aids-Hilfe und Selbsthilfe‘. Fragen, die dabei diskutiert werden sind z.B.: wie weit ist Aids-Hilfe noch Selbst-Hilfe? Wie weit ’nur noch‘ Service-Einrichtung? Welche Rolle spielen Sekundär- und Primär-Prävention? Welche Rolle haben Positive überhaupt noch in Aids-Hilfen?

Hintergrund dieser Fragen ist u.a., dass so manche Aids-Hilfe nicht gerade ein Hort positiver Selbsthilfe zu sein scheint. Dass es Aids-Hilfen gibt, in denen es beim Thema Selbsthilfe mehr auf Schein als auf Sein, mehr auf den (billigen) Effekt als auf die (langfristige) Wirkung ankommt, auch das wird des öfteren als Befürchtung geäußert.

In diesem Spannungsfeld möglicher Fragen und Herausforderungen an und durch Selbsthilfe veranstaltete das Netzwerk plus am 9.12.2006 in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Mehr Schein als Sein? – Beteiligungsmöglichkeiten von HIV-Positiven in Selbsthilfestrukturen“.

Netzwerk 02
Deutlich wird schon zu Beginn der Veranstaltung, mit welcher Bescheidenheit Selbsthilfe zurecht zu kommen, manchmal zu kämpfen hat. Da werden z.B. Selbstverständlichkeiten (wie die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen) als großzügiges Entgegenkommen verkauft. Wenn Verantwortliche sich tatsächlich Fragen stellen, auch kritischen Fragen, ist man/frau schon vorab dankbar allein für die Bereitschaft – und sieht sich, je kritischer die Fragen werden, doch mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei doch nicht ‚Rechenschaft schuldig‘. Oder da da wird die Entsendung von Selbsthilfe-Vertretern in Entscheidungsgremien von der Zustimmung von Vorständen abhängig gemacht.

Viel Enttäuschung, viel an Zugangshemmnissen ist zu erahnen, wenn des öfteren unterschwellig der verzweifelte Ruf herauszuhören ist ‚wir machen hier nun so mühevoll Selbsthilfe – warum kommt denn kaum jemand?‘.

Etwas anders die Beteiligung von PatientInnen- Vertretern auf Bundesebene, die als Ergebnis der letzten Gesundheitsreform inzwischen ihre Anfänge nimmt (insbesondere, wenn auch noch ohne Stimmrecht, im ‚Gemeinsamen Bundesausschuß‘ G-BA). Hier ist ganz klar – die Hürden sind hoch, haben Namen wie ‚Vertretung politischer Gruppeninteressen, nicht von Einzelschicksalen‘ oder ‚viel Gremien-Arbeit, viel Frustrationstoleranz sind gefragt‘.

Diese beiden Ebenen in der Diskussion um Selbsthilfe zu unterscheiden – ‚wie kann ich mich in der Selbsthilfe engagieren‘, und die Frage, ‚wie kann Selbsthilfe sich an (politischen) Prozessen beteiligen‘ (also der Innen- und der Aussenwirkung) – bleibt im Verlauf der Diskussion immer wieder Herausforderung.

Einigkeit besteht hingegen bald, dass auf beiden Feldern eine wesentliche Herausforderung die Vermittlung von Kompetenzen ist. Kompetenzen, die in der praktischen Selbsthilfe vor Ort ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, die aber auch für die Gremienarbeit auf Bundesebene erforderlich sind. Die Patientenbeauftragte für Berlin sowie anwesende Aids-Hilfe-Vertreter sehen hier Möglichkeiten konkreter Unterstützung, die sie bieten könnten – eine baldige Umsetzung wäre im Sinne effektiver Selbsthilfe-Arbeit wünschenswert.

Und es wird im Verlauf der Diskussion deutlich, wie wichtig es -gerade für die politische Interessenvertretung auf Bundesebene- ist, eine breite Basis aufzubauen. Eine Basis, die die vorhandenen Strukturen (insbes. von Netzwerken und Aids-Hilfen) nutzt, die auf Probleme aufmerksam macht. Eine Struktur, die einerseits eine Bündelung von Themen, Interessen und anstehenden Fragen ermöglicht und eine Kondensierung für die bundespolitische Arbeit bietet, diese andererseits auch ‚erdet‘ und am ‚Abheben‘ hindert.

Die letztlich entscheidende, das Spannungsfeld (s.o.) treffend auf den Punkt bringende Frage wird erst ganz gegen Schluss gestellt: welches Interesse haben Aids-Hilfen überhaupt noch, dass Positive sich befähigen, sich engagieren, aktiv einbringen und beteiligen?

Diese Frage bleibt gen Ende der Veranstaltung im Raum stehen – verbunden mit dem Hinweis, die Leitbild-Diskussion der DAH beschäftige sich ja genau damit.