Berlin: Straße zum Gedenken an Karl-Heinrich Ulrichs gefordert (akt.2)

Die Einemstraße in Berlin soll in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße umbenannt werden. Dies fordern die ’schwulen Juristen‘ sowie die SPD. Auf Antrag der CDU soll zunächst ein Gutachten Klarheit verschaffen.

Magnus Hirschfeld hat in Berlin einen ganzen Uferweg, das Magnus-Hirschfeld-Ufer, und eine Gedenk-Stele für das Institut für Sexualwissenschaften. Kurt Hiller hat einen ‚Park‘ (de facto mehr ein Plätzchen) – den Kurt-Hiller-Park. An Karl-Heinrich Ulrichs erinnert bisher in Berlin – nichts.

Dies zu ändern versucht nun eine Initiative schwuler Juristen mit Unterstützung der SPD Berlin Tempelhof-Schöneberg. Sie fordern, dass die Einemstraße in Berlin-Schöneberg in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße umbenannt wird.

Karl Heinrich Ulrichs
Karl Heinrich Ulrichs

Karl Heinrich Ulrichs (der auch unter dem Pseudonym Numa Numantius schrieb) ist einer der Vorkämpfer für die Rechte der Homosexuellen in Deutschland (Karl-Heinrich Ulrichs: Biographie). Der am 28. August 1825 in Westerfeld (heute zu Aurich gehörend) geborene Jurist stellte die Hypothese auf, bei manchen Menschen wohne eine weibliche Seele in einem männlichen Körper. Dies sei nicht krankhaft, sondern natürlich – und dürfe nicht bestraft werden.

Ulrichs sprach damals noch nicht von ‚Homosexuellen‘ – diesen Begriff prägte erst Jahre später 1869 der österreichisch-ungarische Schriftsteller Karl Maria Kertbeny (Karl Maria Benkert). Ulrichs selbst bezeichnete sich und seinesgleichen als ‚Urninge‘.

Der preußische Offizier, Kriegsminister (1903 – 1909), fanatische Monarchist und Hitler-Bewunderer Karl von Einem (1853 – 1934) gilt nach Angabe der ’schwulen Juristen‘ als Wegbereiter des Faschismus und wünschte in seiner Funktion als Kriegsminister in einer Reichstagsrede 1907 die Vernichtung homosexueller Männer.

Karl von Einem 1907:

„Ein Eindringen jüdischer Elemente in das aktive Offizierskorps [ist] nicht nur schädlich, sondern für direkt verderblich zu erachten“. (zit. nach Volker Ullrich „Die nervöse Großmacht: Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs 1871-1918“)

Ein Teil der Maaßenstrasse in Berlin Schöneberg (von Nollendorfplatz bis Lützowplatz) wurde am 13. Juni 1934 in Einemstrasse umbenannt. Die schwulen Juristen fordern nun, diesen Abschnitt in ‚Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße‘ umzubenennen. Melanie Kühnemann, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin Tempelhof-Schöneberg, brachte am 11. Januar 2010 einen entsprechenden Antrag in die BVV ein. Sie begründete

„Karl von Einem war ein aktiver Gegner der Demokratie. In seiner Funktion als Kriegsminister rief er zum Kampf gegen die Sozialdemokratie auf und forderte im Reichstag explizit die Vernichtung homosexueller Männer.“

Kühnemann sieht gute Chancen für die Umbenennung:

„Das Berliner Straßengesetz vom 29.11.2005 sieht Umbenennungen zur Beseitigung von Straßennamen aus der Zeit von 1933 bis 1945 vor, insofern diese nach aktiven Gegnern der Demokratie und zugleich Wegbereitern bzw. Verfechtern der nationalsozialistischen Ideologie benannt wurden.“

In einigen Städten wird Karl-Heinrich Ulrichs bereits geehrt. So wurde 1998 in München der Platz an der Ecke Holzstraße / Am Glockenbach im Glockenbachviertel Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz benannt. In Bremen wurde 2002 im Stadtteil Ostertor der Platz im Mündungsbereich von Wulwestraße und Hohenpfad Ulrichsplatz genannt, zeitgleich wurde eine nahegelegene Straßenbahn-Haltestelle entsprechend umbenannt. Und in Hannover-Mitte erhielt 2006 ein Verkehrsweg den Namen Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße.

Aktualisierung 19.03.2010:
Melanie Kühnemann (SPD, BVV Berlin Tempelhof-Schöneberg) teilt auf Anfrage zum aktuellen Stand mit: „Der Antrag wurde im Kulturausschuss am beraten. Die CDU-Fraktion hat einen Änderungsantrag gestellt, nach dem zunächst ein wissenschaftliches Gutachten erstellt werden soll. Dieses soll prüfen, ob Herr von Einem nicht nur als Feind der Demokratie, sondern auch als Wegbereiter des Nationalsozialismus gelten kann. Letzteres wurde von den anderen Fraktionen angezweifelt. Der Antrag ist nun am vergangenen Mittwoch, den 17. März in der BVV in der veränderten Fassung einstimmig beschlossen worden.“
Der einstimmige Beschluss der BVV vom 17.03.2010 (Drucks. Nr: 1300/XVIII) lautet „Die BVV ersucht das Bezirksamt zu prüfen, ob die Einemstraße umbenannt werden kann, ob die Voraussetzungen der AV Benennung vorliegen. Hierzu ist ein wissenschaftliches Gutachten einzuholen.“
Ergo: zunächst muss auf Drängen der CDU ein Gutachten beauftragt, erstellt und das Ergebnis diskutiert und politisch bewertet werden. Auf die Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße muss noch gewartet werden.

siehe auch:
Detlev Grumbach: „Der erste Schwule der Weltgeschichte“
SPD Berlin BVV-Fraktion Tempelhof-Schöneberg 11.01.2010: Umbenennung der Einemstraße
Berliner Zeitung 22.08.2003: Herrenrunde – Schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten beschäftigte ein schwuler Politiker die Medien
LSVD 24.03.2010: „Von Karl zu Karl!“ – Straße zum Gedenken an Karl Heinrich Ulrichs gefordert
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5 Gedanken zu „Berlin: Straße zum Gedenken an Karl-Heinrich Ulrichs gefordert (akt.2)“

  1. Bitte aktualisiert eure Informationen bez. Karl Heinrich Ulrichs, das wäre super. Ich war bei der Umbenennung der Einem- in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße am 25.6.2011 dabei und fand dies im Rahmen des CSD sehr passend. Leider war vom CSD e.V. akustisch nicht viel dazu zu verstehen. Nichtsdestotrotz: Gut, dass Berlin nun diese Straße hat!

  2. @ Chris:

    die Umbenennung anläßlich des Berliner CSDs war eine symbolische – die Unterschriftenaktion für die ‚echte‘ Umbenennung geht m.W. weiter … damit die einemstrasse bald auch offitziell ulrichs-strasse heisst

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