Wie geht ein Pharmakonzern, und wie ein Referent auf einer bedeutenden Aids-Konferenz damit um, dass es in einer Studie mit einem experimentellen Aids-Medikament zu einer nennenswerten Zahl an Todesfällen kam? Ein lehrreiches Beispiel …
Vicirviroc ist eine Substanz der neuen Klasse der CCR5-Hemmer, die derzeit in klinischen Studien untersucht wird. Vicriviroc ist bisher nicht zugelassen.
Neue Studiendaten zu Vicriviroc wurden jüngst auf der 17. CROI Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections 2010 vorgestellt. Siegfried Schwarze berichtet in der März/April-Ausgabe von ‚Projekt Information‚ über die Daten und dabei über eine bemerkenswerte Begebenheit:
„Interessant wurde es dann, als nach dem Vortrag ein Zuhörer im Auditorium die Frage stellte, ob es denn Todesfälle in der Studie gegeben hätte – in der Präsentation hatte es keine Anhaltspunkte dazu gegeben. Der Referent Joseph Gathe antwortete (zunächst im Brustton der Überzeugung) „Es gab einen Todesfall!“; dann, nach einer kurzen Pause: „nein, Moment, mir wird gerade signalisiert, es gab sieben Todesfälle, diese traten gleich verteilt in beiden Gruppen auf.“ Daraufhin ging Lisa Dunkle von Schering-Plough ans Mikrofon und stellte klar: „Es gab sieben Todesfälle, alle in der Vicriviroc-Gruppe. Aber das war statistisch nicht signifikant. Einer wurde ermordet.“
Bei einer solchen Vorgehensweise fragt man sich als Zuhörer schon, ob hier etwas bewusst verschwiegen werden sollte.“
Tim Horn berichtet ähnlich über den Vorfall (auf aidsmeds.com, s.u.):
„Interestingly, Gathe didn’t discuss deaths seen in the study during his presentation. When asked about this during the question-and-answer period, one of Gathe’s colleagues answered that there were seven deaths among those receiving vicriviroc, compared with zero deaths among those receiving optimized therapy alone. No clear explanations for these deaths—notably their causes—were provided.“
Auch im Abstract der Präsentation (auf der Konferenz-Internetseite, s.u.) werden die Todesfälle nicht erwähnt.
Hersteller Schering-Plough beschloss unterdessen, eine Zulassung von Vicriviroc für bereits vorbehandelte HIV-Positive nicht mehr anzustreben. Klinische Studien zur Anwendung bei bisher nicht antiretroviral behandelten Positiven werden fortgesetzt.
Referent Gathe wirbt auf seiner eigenen Internetseite mit dem Motto „Taking care of AIDS patients is the most gratifying thing I have ever done in my life.“
weitere Informationen:
Joseph Gathe: Phase 3 Trials of Vicriviroc in Treatment-experienced Subjects Demonstrate Safety but Not Significantly Superior Efficacy over Potent Background Regimens Alone. 17. CROI 2010, paper #54LB
Siegfried Schwarze: ‚Neue Substanzen (und neues von bekannten Substanzen) auf der CROI‘, Projekt Information Jg. 18 Nr. 2 März/April 2010
aidsmeds.com 18.02.2010: Vicriviroc Falls Short in Treatment-Experienced HIV Studies
The Body 17.02.2010: Why Vicriviroc Failed in Its Phase 3 Trials — and What It May Mean for Future Studies in HIV Treatment-Experienced People
aidsmap 21.02.2010: Merck will not seek vicriviroc licenses in treatment-experienced
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Ein Gedanke zu „Todesfälle … aber nicht signifikant. Oder: zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie …“
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