Kondomautomat an Schulen

Sollen an staatlichen Schulen Kondom-Automaten aufgestellt werden? Ja, meint der brasilianische Gesundheitsminister.

Brasilien zeigt, wie Prävention pragmatisch gestaltet werden kann: der brasilianische Gesundheitsminister Jose Gomes Temporao kündigte an, 400 Kondom-Automaten an staatlichen Schulen installieren zu lassen.
Bereits seit 2003 werden Kondome an Brasiliens Schulen verteilt. Das brasilianische Präventions-Motto „faca com camisinha – Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ kommt so auch in die schulische Praxis …

Kondom-Automaten an staatlichen Schulen sind in Deutschland immer wieder Gegenstand leidenschaftlicher Debatten:
2003 z.B. protestierte die katholische Kirche, als an allen Oberschulen im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (als erstem und einzigem Bezirk in Berlin) Kondom-Automaten aufgehängt wurden, das sei „ein falsches Signal“.
In Hamburg hingegen hatten 2004 Schulleiter und Lehrer (!) massiv gegen den Vorschlag protestiert,  Kondomautomaten an Schulen aufzustellen. Begründung damals: dann gebe es ja für die Schüler keine Hemmschwelle (!) mehr, Kondome zu kaufen.

In Bayern hingegen gilt ganz klar: keine Kondom-Automaten an Schulen. „Ein verzerrtes Bild menschlicher Sexualität wie auch eine einseitige mechanische Darstellung menschlichen Sexualverhaltens sind zu vermeiden. Auch deshalb hat das Aufstellen von Kondomautomaten in den Schulen zu unterbleiben.“ („Richtlinien für die AIDS-Prävention an bayrischen Schulen“, 15.03.1989; als pdf hier)

9 Gedanken zu „Kondomautomat an Schulen“

  1. D.h. also, dass sich in Bayern seit 20 Jahren nichts bewegt hat. Das war ja auch nicht zu erwarten.

  2. @ Hans-Georg:
    ich bin mir nicht ganz sicher, ob die 1998er-Richtlinie heute unverändert gilt und so angewandt wird – aber mir ist nichts gegenteiliges bekannt.
    spannend finde ich, das brasilien uns da ganz pragmatisch überholt …

  3. Kleine Geschichte aus meiner Heimatstadt Dorsten – wenn ich sie erzählen darf – :

    Vor kanpp zwanzig Jahren etwa wollte der Caritasverband am Hintereingang seines am Rand der Innenstadt gelegen Gebäude einen Kondomautomaten anbringen. Sofort brach ein riesiges Gebrüll los. Das ach so anständige und katholische Dorsten wollte das nicht, der Stadtrat verfasste eine Resolution gegen das Anbringen des Automaten und drohte die städtischen Zuschüsse zu streichen. Der Pfarrer der Stadtpfarrkirche informierte den Bischof.

    Zwei Wochen tobte der Streit, dann verkündete der damalige Vorsteher des Dorstener Franziskanerklosters, Pater Heribert, in seiner Sonntagspredigt, wenn der Kondomautomat nicht am Caritasgebäude angebracht würde, würde er höchstpersönlich den Kondomautomaten an der Außenwand der Klosterkirche anbringen. Die Klosterkirche befindet sich mitten in der Fußgängerzone.

    Danach war Ruhe. Der Automat wurde ohne weiteres Aufheben am Caritasgebäude angebracht.

  4. Es ist interessant zu hören, dass damals -und sicher heute auch noch – Politik, und sei es nur in Lokalbereich, von der Kanzel aus gemacht wird.

  5. @ TheGayDissenter:
    es ist ja schon spannend, das (eben selbst ein katholischer hilfsverband) einen kondom-automaten anbringen wollte – und dann von den eigenen glaubensgenossen und der stadt gehindert werden sollte …
    immerhin, ein pater mit rückgrat …

    @ Hans-Georg:
    politik von der kanzel – ja klar, (nicht nur) jeden sonntag im (nicht nur) kölner dom zb

  6. Löst euch doch bitte von der Vorstellung, daß wir hier ein sonderlich fortschrittliches Land, was Schwulenrechte betrifft, sind. Schon vor Jahren hat uns selbst das katholische Spanien bei der Rechtslage bezüglich Ehe überholt während wir hier an unserem diskriminierenden „Pseudo-Ehe“-Gesetz basteln.

    Wir sind halt immernoch ein Land welches durch christliche Lobbygruppen in dieser Hinsicht ausgebremst wird. Aber was soll man erwarten wenn eine große Regierungspartei das C groß im Namen trägt und so den Einfluss dieser Lobby zementiert.

  7. @ Mithars X:
    ich fürchte du hast recht.
    gerade in spanien war die entwicklung in den letzten jahren erstaunlich – und der widerstand seitens der kath. kirche gleichzeitig beachtlich. um so bemerkenswerter die veränderungen.
    die frage ist, wie sehr „wir“ uns ausbremsen lassen. bzw ob seitens der schwulen und lesben überhaupt genug druck vorhanden ist, dass reformen angegangen werden – ich befürchte (auch) daran scheitert es derzeit

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