Die Kriminalisierung HIV-Positiver in Österreich wurde mit Weisung der österreichischen Justizministerin an die Staatsanwaltschaft beendet.
In Österreich konnten Menschen mit HIV bisher besonders scharf strafrechtlich verfolgt werden. Selbst bei Befolgung der Safer Sex Regeln war eine Verurteilung möglich – und erfolgte in den 1980er und 90er Jahren auch mehrfach. Grundlage war die Regelung „Gefährdung durch übertragbare Krankheiten“ (§§ 178 & 179 Strafgesetzbuch).
Diese Kriminalisierung HIV-Positiver wurde nun im Vorfeld der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz beendet, wie der Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner (Rechtskomitee Lambda) in einem Artikel für das österreichische Szenemagazin ‚Xtra!‘ berichtet.
Graupner erläutert:
„Hochoffiziell hat die Justizministerin in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage letzten Mai mitgeteilt, sie habe die Staatsanwaltschaften unterrichtet, dass Anklagen bei Befolgung der Safer Sex Regeln unzulässig sind.“
Die Entkriminalisierung HIV-Positiver in Österreich reicht aber noch weiter – das EKAF-Statement („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„) ist in Östereich bei der Justiz angekommen. Graupner weiter:
„Darüber hinaus hat sie auch jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen, wonach HIV-positive Personen unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie (Viruslast seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze) nicht infektiös sind. Auch in diesen Fällen besteht keine ernsthafte Ansteckungsgefahr. Sie ist weit geringer als bei Safer Sex von HIV-Positiven mit nachweisbarer Viruslast. Auch bei ungeschützten Kontakten darf es, so die Ministerin erfreulicherweise, keine Anklagen mehr geben, wenn die Viruslast der HIV-positiven Person auf Grund einer erfolgreichen Therapie Null ist.“
Das Österreichische Justizministerium erläutert in einem Schreiben an die Österreichische Aids-Gesellschaft:
„Nach den neuesten Forschungsergebnissen soll selbst mit dem ungeschützten Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person dann keine Ansteckungsgefahr verbunden sein, wenn sich die infizierte Person konsequent einer wirksamen antiretroviralen Therapie unterzieht; unter dieser Voraussetzung wäre auch mit einem ungeschützten Geschlechtsverkehr kein sozial inadäquates Risiko mehr verbunden.“
Die Österreichische Aids-Gesellschaft kommentiert
„Die Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz ist ein weiterer Schritt zur Entkriminalisierung und Entstigmatisierung von HIV-Positiven.“
weitere Informationen:
Schreiben des Österreichischen Justizministeriums an die Österreichische Aids-Gesellschaft (pdf)
Antwort des Österreichischen Bundesministeriums für Justiz auf eine Kleine Anfrage (pdf)
Parlamentarische Anfrage (pdf)
Dr. Helmut Graupner: „Justizministerin beendet Kriminalisierung HIV-Positiver“, in: Xtra! Nr. 08/2010, S. 16
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Das ist ja eine freude. Also östterreich mal fortschrittlicher als deutschland, kann nicht schaden.
Sehr gut. Wieder einen dominostein umgefallen in dieser verderbliche kette von stigmatisierung und diskrimination.
Peter
endlich wird ekaf-sex auch ganz offiziell als safer sex anerkannt!!
würde man sich diesbezüglich auch in unseren fachgremien und verbänden, die positive vertreten, mal mehr engagieren, könnte man sich auch anderswo einige gerichtsverfahren ersparen! wir sollten endlich davon loskommen nur kondom-sex als geschützten (safer) sex zu bezeichnen! wie sollte sonst ein bewusstseinswandel erzielt werden, wenn wir selber nur mit angezogener handbremse fahren?!
Die Kriminalisierung HIV-positiver Betroffener wurde in Österreich definitiv nicht beendet – insofern ist die Überschrift des Artikels irreführend. Es finden aber nach einem wissenschaftlichen Gutachten wissenschaftlich-medizinische Erkenntnisse in den Umgang mit dem bestehenden § 178 StGB Eingang. D.h. die Rechtsprechung hat nun z.B. die EKAF-Erkenntnisse zu berücksichtigen.
Das stellt in Österreich insofern einen Fortschritt dar, als vor einigen Jahren HIV-positive Menschen noch einzig und allein deshalb verurteilt wurden, weil sie (geschützten Sex) mit HIV-negativen Sexualpartnern haben.
Ich zitiere mich selbst aus meinem Artikel auf unserer HP:
„Der § 178 StGB wurde in den vergangenen Jahrzehnten oftmals sehr restriktiv angewendet und nicht wenige Betroffene wurden dabei verurteilt. Sogar der kondomgeschützte Sexualkontakt wurde zum Teil aufgrund des möglichen Restrisikos (z.B. bei einer Kondompanne) als gefährlicher Tatbestand eingestuft, d.h. HIV-positiven Menschen wurde – je nach Richter – ein erfülltes Sexualleben abgesprochen.“
Link: http://www.aidshilfe-salzburg.at/inhalt/%C3%A4nderungen-im-sexualstrafrecht-mit-konsequenzen-f%C3%BCr-hiv-positive-menschen-0
Liebe Grüße!
Florian
@ Florian:
danke für deine Hinwiese!