Im Jahr 2009 kamen nach Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung 1.331 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben. Dies ist zwar ein Rückgang um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1.449), doch die Zahl der Drogentodesfälle befindet sich weiterhin auf einem extrem hohen und nicht akzeptablen Niveau.
„Um diese hohe Zahl zu verringern müssen die Risikofaktoren identifiziert werden, damit Präventionsmaßnahmen zielgruppenspezifisch und passgenau entwickelt werden können“, erläutert Prof. Dr. Heino Stöver, Vorsitzender des Bundesverbandes für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, akzept e.V.
Temporäre Abstinenz als Faktor für Notfälle – nach der Entlassung versterben viele Drogengebraucher an einer Überdosis
Kriminalpolizeiliche Daten und Daten aus Drogenkonsumräumen zeigen deutlich, dass Drogengebraucher nach Haftentlassung besonders gefährdet sind, an einer Überdosis zu sterben. Die WHO geht von einem mehr als 100fach erhöhten Sterberisiko für drogenabhängige, rückfällige gewordene Haftentlassene in den ersten Wochen nach Haftentlassung aus. Diese Sterbefälle kommen durch unbeabsichtigte Überdosierungen zustande – tödliche Unfälle, die vermeidbar sind.
Prof. Dr. Heino Stöver: „Ausschlaggebend für die deutlich erhöhten Drogentodesfallrisiken von Haftentlassenen sind die gesunkene Toleranz des Körpers nach temporärer Abstinenz, die Unkenntnis über den Reinheitsgrad der verwendeten Droge sowie ein verändertes Drogenkonsumverhalten. Hinzu kommen soziale Stressfaktoren infolge des Haftaufenthaltes wie Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Bezüge.“
Prävention von Drogentodesfällen nach Haftentlassung
Die Standards der medizinischen Versorgung in Haft sollen mit denen außerhalb der Haft vergleichbar sein. Dies ist gesetzlich verankert und in vielen internationalen Leitlinien festge-schrieben (u.a. WHO, EU). „Die Bundesländer sind in der Verantwortung – nicht nur moralisch sondern auch gesetzlich“, sagt Bärbel Knorr, Mitarbeiterin des Fachbereichs Drogen und Haft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.
Deutsche AIDS-Hilfe und Akzept. e.V. fordern:
Bedarfsgerechte Substitutionsbehandlung im Gefängnis!
Die Substitution mit Ersatzstoffen reduziert die Wahrscheinlichkeit der Überdosierung nach Haftentlassung drastisch, auch die Infektionsgefahren während der Haftzeit können dadurch minimiert werden. „Die Substitutionsbehandlung im Gefängnis ist eine stabilisierende und überlebenssichernde Maßnahme“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Haft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. Auch die Bundesärztekammer vertritt diese Haltung in ihren Richtlinien.
Erweiterung des Drogenhilfe- und Aidshilfe-Angebots in Haft.
Wegsperren ist keine Lösung, Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen benötigen Beratungsangebote.
Drogennotfalltrainings
In einigen Berliner Justizvollzugsanstalten wurden Drogennotfalltrainings durchgeführt.
„Die Trainings beschränken sich nicht nur auf das Trainieren des angemessenen Verhaltens im Drogennotfall, sondern thematisieren auch besondere Risiken wie den Konsum nach Abstinenz. Auch die Vergabe von Naloxon (Opiatantagonist), eingebettet in ein Drogennotfalltraining, kann eine sinnvolle lebensrettende Maßnahme sein“, erklärt Kerstin Dettmer von Fixpunkt e.V.
„Diese präventiven Maßnahmen sind in den bestehenden Strukturen des Justizvollzugs ohne erhebliche finanzielle Mehrkosten umsetzbar. Hier geht es um Menschenleben, die nicht leichtfertig auf Spiel gesetzt werden dürfen. Wir fordern daher die Justizministerien der Länder zum Handeln auf“, erklären Prof. Stöver und Dirk Schäffer.
(Pressemitteilung der DAH)