Verbeamtung von HIV-Positiven – ein Erfahrungsbericht

Als HIV-Positiver verbeamtet werden – geht das? Und wie? Wie umgehen mit dem Amtsarzt?
Diese Frage stellt sich immer wieder für HIV-positive Beamtenanwärter. Jörg K. hat mit Unterstützung des LSVD an den Amtsarzt gewandt, war erfolgreich und hat ondamaris freundlicherweise einen Erfahrungsbericht zur Verfügung gestellt.
Die Dokumentation:

Verbeamtung von HIV-Positiven – ein Erfahrungsbericht

Bei der Bewerbung um einen Referendariatsplatz (Schule) wird in den meisten Bundesländern ein amtsärztliches Zeugnis verlangt. Beim Amtsarzt wird häufig ein Fragebogen ausgegeben, der vergangene Infektionen und Medikamenteneinnahme abfragt. Als HIV Positiver muss man diese Fragen nicht ehrlich beantworten. Macht man dies doch, gibt es u.U. Schwierigkeiten wie meinem Fall:

Bei der Vorstellung beim Amtsarzt habe ich meine Infektion angegeben. Der Arzt war damit völlig überfordert und sagte mir, er kenne sich mit HIV nicht aus, sehe es aber kritisch für eine Verbeamtung. Er würde aber gerne mit meinen HIV‐Ärzten Rücksprache halten und mich ggf. zu einem Spezialisten schicken. Meine behandelnden Ärzte haben ihm beide mitgeteilt, dass sie keinen Grund sehen, mich nicht ins Beamtenverhältnis aufzunehmen, da meine Blutwerte seit Jahren stabil und unter der Nachweisgrenze sind (ich hatte in 4,5 Jahren nicht einen Blip). Der Amtsarzt teilte mir dann am Telefon mit, dass er persönlich der Meinung sei, dass Hausärzte so etwas ja immer schreiben und er deshalb nicht auf die Empfehlungen der Ärzte zurückgreifen wolle. Daraufhin habe ich mich an die Rechtsberatung des LSVD gewandt, um herauszufinden, wie die aktuelle Rechtslage im Fall einer Verbeamtung eines HIV Positiven ist.

Auf der Grundlage der Antwort des LSVD habe ich dem Amtsarzt also einen Brief aufgesetzt, in dem ich ihn aufforderte nach den Ausführungen des LSVD zu verfahren. Im Weiteren habe ich ihn noch an seine Schweigepflicht erinnert (v.a. gegenüber den Schulbehörden) sowie um eine zügige Bearbeitung gebeten.

Am Ende der Woche hatte ich ein Gesundheitszeugnis in Händen, das folgendes besagte: „XXX ist gesundheitlich geeignet für die vorgesehene Zulassung zum Vorbereitungsdienst. Für einen vorzeitigen Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit besteht kein Anhalt. Gegen die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf bzw. auf Lebenszeit bestehen keine gesundheitlichen Bedenken.“

Mein Brief an den Amtsarzt:

Sehr geehrter Herr XXX,
bezüglich des angeforderten Gesundheitszeugnisses zur Zulassung zum Vorbereitungsdienst und der aufgetretenen Schwierigkeiten habe ich mich beim Lesben‐ und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) erkundigt, inwiefern meine HIV‐Infektion einer Verbeamtung entgegensteht.
Folgende Antwort habe ich von der Rechtsberatung des LSVD erhalten:

Für die Verbeamtung von HIVPositiven gilt nach wie vor das, was in unserem Text: „Rechtliche Probleme von HIVInfizierten und AIDSKranken“ steht, siehe http://www.lsvd.de/573.0.html:
„Die für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder mit Ausnahme des bayerischen Vertreters haben sich schon 1988 dafür ausgesprochen, dass „eine HIVInfektion ohne Krankheitssymptomatik … einer auch auf Lebenszeit angelegten Verbeamtung nicht entgegensteht“. Beamtenbewerber werden deshalb nicht auf HIVAntikörper getestet. Das gilt inzwischen auch für Bayern. […]“.
Das ergibt sich inzwischen auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), siehe http://bundesrecht.juris.de/agg/, durch das die EU-Richtlinie 2000/78/EG siehe http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2000/l_303/l_30320001202de00160022.pdf in deutsches Recht umgesetzt worden ist.
„Das AGG ist auf Beamte und Beamtenanwärter entsprechend anzuwenden“, siehe §§ 24 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG „Die symptomlose HIV-Infizierung ist eine Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG“, siehe Rn 43 des Urteils des EuGH vom 11.07.2006 C‑13/05 in der Rechtssache Chacón Navas, http://curia.europa.eu/jurisp/cgibin/
gettext.pl?where=〈=de&num=79939288C19050013&doc=T&ouvert=T&sea
nce=ARRET Die Ablehnung der Verbeamtung ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn „die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist“ (Rn. 51 des Urteils Chacón Navas). Das trifft für symptomlose HIVInfizierte nicht zu.
Da Deine HIV‐Infizierung Deiner Verbeamtung nicht entgegensteht, darf der Amtsarzt die Tatsache, dass Du HIV‐infiziert bist, den Behörden, bei denen Du Dich beworben hast, nicht mitteilen.
Falls […] Deine Bewerbung deshalb scheitern sollte, raten wir Dir dringend, Dich dagegen mit einer Klage zu wehren. Dabei unterstützen wir Dich gern (Anfertigung der Schriftsätze, Begleitung als Beistand zu Gerichtsterminen usw.), so dass Dir außer dem Gerichtskostenvorschuss keine Kosten entstehen.
Druck diese eMail aus und zeig sie dem Amtsarzt. Wenn er Fragen hat, kann er sich gern an mich wenden. Ich war bis zu meiner Pensionierung Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und von 1988 bis 1991 Mitglied der Enquête‐Kommission AIDS des Deutschen Bundestages.
Beste Grüße,
Manfred Bruns
Lessingstrasse 37i
76135 Karlsruhe
Tel: 0721 831 79 53
Fax: 0721 831 79 55
Mobil: 0170 840 845 6
eMail: Bruns‐Karlsruhe@email.de
http://www.lsvd.de/
http://www.hirschfeld‐eddy‐stiftung.de/

Ich bitte Sie, entsprechend Herrn Bruns’ Ausführungen zu verfahren. Eine HIV‐Infektion ist keine Krankheit, die einer Verbeamtung als Referendar entgegensteht. Weiterhin möchte ich Sie an die ärztliche Schweigepflicht erinnern.
Bitte erstellen Sie das angeforderte Gutachten möglichst bald, da die Bewerbungsfristen bei den zuständigen Behörden näherrücken.
Mit freundlichen Grüßen,

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Vielen Dank an Jörg K. für die Informationen und Einwilligung der Wiedergabe!

siehe auch:
LSVD: Rechtliche Probleme von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken – 1. Arbeits- und Beamtenrecht
Jacob Hösl: Soziale und rechtliche Aspekte bei HIV – 4. Auflage (pdf) (Angebot eines Pharmakonzerns)
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Ein Gedanke zu „Verbeamtung von HIV-Positiven – ein Erfahrungsbericht“

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