LesBiSchwule Tour in der Diaspora

Brandenburg ist was offen lesbisches und offen schwules Leben angeht weitgehend eher ‚Diaspora‘. Dies ein Stück weit zu ändern bemüht sich seit zehn Jahren die ‚LesBiSchwule Tour‘, die vom 6. bis 12. September 2008 wieder durch Brandenburg zieht.

Die Veranstalter bezeichnen ihre Tour unter dem Motto ‚Vielfalt ohne Grenzen‘ als „Akzeptanz-Kampagne“ und sehen sie als „festen Kern unserer Emanzipationsarbeit im großen Flächenland Brandenburg“. „Wie in jedem Jahr, hissen wir in den Städten in denen wir halt machen, als sichtbares Zeichen zusammen mit den Stadtoberen die Regenbogenfahne als sichtbares Zeichen für Toleranz und Akzeptanz und das friedliche Zusammenleben von Heteros, Homos und Transgendern.“

Partner der LesBiSchwulen Tour sind AndersArtig (die Koordinierungsstelle für lesbischwule Belange in Brandenburg), das Jugendnetzwerk Lambda Berlin Brandenburg, der Verein lesbischwuler Polizeibediensteter Berlin-Brandenburg sowie die Aidshilfe Potsdam. Unterstützt wird die Aktion durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg.

Die Regenbogenfahne hissen als Zeichen der Vielfalt – ein Vorhaben, das sich in Brandenburg als nicht so einfach erweist.

Wie wichtig die Tour und das öffentliche Auftreten von Schwulen und Lesben in der Öffentlichkeit gerade auch in Brandenburg sind, zeigen Vorfälle um den Tour-Start:
– So weigerte sich der Bürgermeister der Stadt Prenzlau, Hans-Peter Moser (Linke), die am Rathaus die Regenbogenflagge zu hissen (auch wenn die Site der Veranstalter immer noch ‚angefragt‘ anzeigt). In Prenzlau hat diese Verweigerung Tradition, auch 2004 weigerte sich Herr Moser bereits, im Gegensatz zu Bad Freienwalde.
– Auch ein Ausweichen auf Templin löste das Problem nicht. Bürgermeister Ulrich Schöneich (parteilos) weigerte sich ebenfalls, die Regenbogenflagge am Rathaus zu hissen. Begründung beider Bürgermeister: der Mast sei für Staatsflaggen vorbehalten. Der Regionalvorsitzende Ost der LSU (Lesben und schwule in der Union) hingegen findet die Absagen laut queer.de „in gewisser Weise nachvollziehbar“.
– Schwierigkeiten besonderer Art gab es in Templin: Presseberichten zufolge wollte der Leiter eines regionalen Schwulennetzwerks (die seit 2005 bestehende Initiative UM queer, die auf ihrer Website werben sie „kämpfen seit Frühjahr 2005 mit unserem Projekt UM-QUEER / Schwule und Lesben in der Uckermark erfolgreich für den Erhalt der „bunten Vielfalt in der Provinz“) zunächst möglichst überhaupt keine öffentlichen Aktionen. Seine Begründung: die rechte Szene in Templin sei in letzter Zeit immer gewaltbereiter geworden, er wolle seine Mitglieder schützen. Er wolle keine Angriffe auf dem Marktplatz riskieren. Zudem wollten viele Homosexuelle in Templin ‚lieber im Verborgenen leben‘.
– „Es weht ein immer schärferer Wind“, kommentiert die Leiterin der Aktion die Lage und berichtet über Schmierereien und Gewaltangriffe auf die Tour.

Die LesBiSchwule Tour Brandenburg startete an diesem Wochenende in Potsdam und Königs-Wusterhausen (dem diesjährigen Austragungsort des ‚Brandenburg-Fests‘).

Die ‚Tour-Daten‘:
6./7. September: Potsdam
8. September: Prenzlau
9. September: Angermünde
10. September: Schwedt/Oder
11. September: Eberswalde
12. September: Bad Freienwalde
Weitere Informationen zur LesBiSchwulen Tour durch Brandenburg auf www.brandenburg-bleibt-bunt.de

Ob ‚rechter Schwulenhass in Rostock‚ oder Angst vor rechter Gewalt in Templin – schwules und lesbisches Leben in der Provinz ist alles andere als leicht. „Back to the closet“, scheint hier eher die Devise zu sein. Umso begrüßenswerter sind Initiativen wie die der LesBiSchwulen Tour durch Brandenburg.

Immer mehr scheint mir, statt (nur) bunter Glamour-CSDs in den Party-Hochburgen des Landes sollte der CSD (auch) dorthin gehen, wo Schwule und Lesben noch echte Probleme haben. Diese Regionen liegen nicht nur ‚irgendwo in Osteuropa‘, sie liegen auch vor der Haustür, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel.

17 Gedanken zu „LesBiSchwule Tour in der Diaspora“

  1. ……… und genau so liegen sie z.B. in Frankreich, in Spanien, in Italien, und immer da, wo die fehlende Grosstadt das „Untergehen“
    so gut wie unmöglich macht.
    Hélàs.
    U …

  2. aus der sicheren distanz eines heterosexuellen und – was gewalt gegen schwule betrifft – dazu noch im „friedlichen hessen“ lebenden ziehe ich vor dem mut der an der tour beteiligen meinen hut. ich bin mir nicht sicher ob ich unter den derzeitigen vorzeichen – haltung vieler bei solch einer tour in dieser diaspora teilnehmen würde. noch weniger würde ich in solch einer gegend leben wollen . . .

    „Zudem wollten viele Homosexuelle in Templin ‘lieber im Verborgenen leben’.“

  3. @ Ulysse:
    ja, ich kenne auch das problem der provinz in frankreich … allein, eine derartige homophobie wie (besonders) in den ostdeutschen bundesländern habe ich auf dem platten (oder bergigen) land in frankreich nie wahrgenommen

    @ Dennis:
    ja ja – die sichere distanz eines heteros ;-))

  4. Wir fühlten uns selbst vor zwölf Jahren in manchen Stadtteilen in Halle abends nicht wohl, doch es hat sich seither viel verändert. In manchen Städten zum Guten, in der Provinz (nicht überall) eher zum Schlechten. Respekt für diese Tour!

  5. ich zolle dem projekt auch grossen respekt und das ausgerechnet die linke hier ihre masken fallen lässt, ist dann leider nix neues.
    ich mag deine seite und habe sie bei mir verlinkt.

    lg dieter

  6. @ulli

    ich sach ja nicht das ich nix tun würde . . . ich weiß es nur nicht . . . . dazu müßt ich schwul sein . . . so wie ich hiv + bin. und mit meinem hiv status sein habe ich heute kein problem mehr was das „gesicht zeigen – farbe bekennen“ betrifft. 😉

    über vieles ist sehr viel leichter geschrieben als das man das worüber man schreibt selbst leben würde. . . . . . . know yourself . . . 😉

  7. @ Dennis:
    was den hiv-status angeht, ich kenne viele die der ansicht sind, das sei in brandenburg oder meckpomm noch gefährlicher als das chwulsein zu zeigen …

  8. Sorry, diejenigen, die am lautesten gegen Schwule, Lesben und Bisexuelle schreien, haben nur Angst davor, selbst als solche „enttarnt“ zu werden. Sie täuschen oft ein bürgerliches Leben vor, wünschen sich dennoch eine/n gleichgeschlechtliche/n Partner/in. Während Privatsphäre und ein bischen Diskretion manchmal gut sind, gehörte und gehört Homoseuxalität stets zum Leben. Tiere können schwul sein, Menschen können es sein und die Pflanzenwelt wird auch dem einen oder anderen Exoten ein Streich in Richtung Geschlechtstrieb gespielt haben. – Was ist daran schlimm?
    Es ist eher das Gruppenverhalten Gleichgesinnter, die ein Feindbild brauchen. Es gibt viele Menschen, die unbedingt Feinde haben wollen. Natürlich suchen sie sich schwächere Gruppierungen aus. Da sind Homos und Lesben ein reichliches Betätigungsfeld.
    Berlin hat den schwulsten Bürgermeister Deutschlands – und das finde ich gut…

  9. @ Rainer:
    nun, ich denke der wunsch eines menschen nach privatheit und diskretion ist erst einmal zu respektieren.
    kritisch finde ich es wenn dies als grund genommen wird, ja nicht andere schwule offen in der stadt auftreten zu lassen – sie könnten ja das sorgsma gemalte bild zerstören. das erinnert mich frappierend an frühere ‚tunten-diskussionen‘ …

    wie weit herr w. „der schwulste …“ ist, vermag ich nicht zu beurteilen. schwulenpolitisch hat er sich nicht besonders hervor getan …

  10. @dieter

    so einfach ist es dann auch nicht. in berlin gehörten die von der pds regierten bezirke mit zu den ersten, die regenbogen geflaggt haben. und die von der cdu regierten waren die letzten…
    als mitglied der linken schäme ich mich für den bürgermeister von prenzlau.

  11. @carsten

    ja, aber solltest du die mail nicht dem bürgermeister von prenzlau zukommen lassen?
    und was heisst einfach, im westen berlins (ausser reinickendorf) wurde schon lange geflaggt, ist also keine pds-erfindung, wie auch der csd und vieles andere nicht.

  12. @ all:
    der bürgermeister von prenzlau ist tatsächlich (nicht nur für die linke) eine beschämende geschichte

    die situation in templin allerdings scheint mir noch wesentlich bedenklicher, dort ist massive rechte präsenz und gewalt fast schon an der tagesordnung – und kaum einer schreit auf … die reaktion der templiner schwulen (so bedenklich sie mir scheint) ist da vielleicht nur zu verständlich

  13. na, wir wollen bei der wahrheit bleiben. im westen berlins wurde nicht schon lange geflaggt. in berlin kenn ich mich mit dieser geschichte gut aus, weil ich hier lebe und arbeite. und keine angst: niemand erhebt den anspruch, dass die pds den csd erfunden hätte. 😉

    meine meinung zu diesem thema habe ich übrigens auch meinen brandenburger genoss/inn/en zukommen lassen.

  14. von seiten des landesvorsitzenden und der landtagsabgeordneten der uckermark wurde interveniert. leider ohne ergebnis.

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