Ein Hersteller alkoholischer Getränke hat sich den Begriff „Ficken“ markenrechtlich schützen lassen. Eine ‚Schnaps-Idee‘ mit weitreichenden Folgen, womöglich auch im Aids-Bereich?
„Ficken“ – dieses Wort ist nun eine geschützte Marke. Ein Hersteller alkoholischer Getränke (die EFAG Trade Mark Company) hat sich den Begriff als Marke schützen lassen – für alle alkoholischen Getränke außer Bier, Mineralwasser, Fruchtgetränke und Kleidung (Klasse 25). Das Bundespatentgericht hat der Klage des Herstellers gegen eine vorherige Ablehnung des Markenschutzes durch das Patentamt stattgegeben.
Das Bundespatentgericht (26. Senat) stellte nun fest
„Die angemeldete Marke verstößt nicht gegen die guten Sitten.“
Das Bundespatentgericht machte sich in seinem Urteil weitläufig Gedanken über die heutige Verwendung des Begriffes ‚Ficken‘, vom ‚Duden‘ bis zum neueren Film („Fickende Fische“) und Theater („Shoppen & Ficken“). Auf seine etwaige Verwendung im Kontext von (z.B. HIV-/Aids-) Prävention wird im Urteil kein Bezug genommen.
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Man mag trefflich darüber streiten, ob ein markenrechtlicher Schutz für einen Begriff der Umgangssprache sinnvoll, im Interesse der Gesellschaft ist. Diese (notwendigen) Debatten sollen andere an anderen Orten führen.
So absurd es zunächst scheinen mag – es ist jedoch auch zu überlegen, ob die Marke „Ficken“ schon bald auch mit Aidshilfe kollidieren könnte, mit Aids-Prävention, mit safer-sex-Kampagnen und Kondom-Botschaften.
Ein Beispiel nur:
Man nehme die gelegentlich tatsächlich, gelegentlich bemüht frech wirkenden Sprüche der HIV-Präventionskampagne für schwule Männer „ich weiß was ich tu“ (iwwit) der Deutschen Aids-Hilfe. Sind T-Shirts für Präventions-Kampagnen mit einem Schriftzug wie zum Beispiel
„Ficken? … aber nur mit …“
bald ein Verstoß gegen eine geschützte Marke eines Schnaps-Produzenten? Weil das „F-Wort“ in Kombination mit einem Kleidungsstück benutzt wird?
Oder das (auch auf ondamaris in der rechten Leiste präsente) ‚ich weiss was ich tu“ – Motiv „Ich hätte nie gedacht mal mit ’nem Positiven zu ficken“ – wird es bald als T-Shirt nicht mehr möglich sein? Weil möglicherweise Verstoß gegen die Markenanmeldung in Klasse 25?
Auch die Bundeszentrale für Gesundheit hat mehrere Produkte im Angebot, die mit dem Wort „Ficken“ aufwarten – wohl zu ihrer Beruhigung bisher nur Print-Medien, für die die Marken-Anmeldung nicht gilt. Basecaps oder T-Shirts könnten bald auch für die BZgA schwieriger werden …
Der Hersteller, der nun den Markenschutz erreicht hat, hat jedenfalls bereits diverse Kleidungsstücke mit dem Aufdruck im Angebot. Darunter auch T-Shirts, beworben mit den Worten „FICKEN Party T-Shirt zum Verfesten auf diversen Veranstaltungen. Super strapazierfähig und hält problemlos FICKEN-Flecken aus“.
Fragen über Fragen … und mehr als eine Schnaps-Idee …
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weitere Informationen:
Bundespatentgericht: Beschluss in der Beschwerdesache betreffend die Markenanmeldung 30 2009 018 699.5 ((AZ 26 W (pat) 116/10), pdf)
Werben&Verkaufen 13.09.2011: „Kein Verstoß gegen die guten Sitten“: Das F-Wort ist jetzt eine Marke
SpON 13.09.2011: Patentstreit – Getränkehersteller schützt „Ficken“ als Marke
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Eine Möglichkeit dieses Patentrecht ad absurdum zu führen wäre eine „negative WerbeKampagne“ zu starten. Eine Comocsequence „Ficken bis der Arzt kommt – unseren Gesundheitsminister/Gesundheitssystem wird´s freuen“ mit Personen (über deren Köpfen Sterne kreisen) die betrunken am Boden liegen umgeben von leeren Flaschen auf denen „45 % Ficken“ steht. . . . . . .
Na, der Gesundheitsminister fickt ja auch. In welchem Zustand? Das weiss ich nicht. Heisst das „Ficken 3000“ demnächst vielleicht nur noch „3000“? Ich finde das Urteil der Sachverständigen Patentficker eher ermutigend. Probleme für die Prävention sehe ich nicht. ICH WEISS WAS ICH TU ist als Marke auch eingetragen. Trotzdem darf jeder wissen was er tut… 🙂
. . . . kann prävention durch markenrecht behindert werden?
Um diese frage aufzugreifen. Das kann durchaus der fall sein wenn der patenteigner sich jetzt z.b. durch das bedrucken von t-shirts der iwwit kampagne „Ich hätte nie gedacht mal mit ‘nem Positiven zu ficken” auf den schlips getreten fühlt und dies als eine markenrechtsverletzung beanstanden würde. (nach meinem laienhaften verständnis) andererseits könnte dies auch eine möglichkeit sein das genau dadurch eine verstärkte öffentliche auseinandersetzung und dadurch das thema HIV in einem maß öffentlich thematisiert und somit ins öffentliche bewußtsein transportiert wird, wie man – wir es uns nicht besser wünschen können.
@ Dirk:
dass probleme durchaus denkbar sind, zeigt ein beispiel eines kommentars auf facebook, der davon berichtete, dass eine aidshilfe anscheinend einen präventions- (safer-) “Fistkurs” so nicht nennen durfte weil markenrechtlich geschützt
Jepp, die hiesige AIDS-Hilfe wollte einen „Fistkurs“ anbieten und wurde prompt vom Markeninhaber abgemahnt…
Ich habe damals empfohlen, dagegen vorzugehen, weil nach meinem Verständnis die Benennung einer Marke über den bloßen Inhalt des Angebotes hinausgehen muss. Das tut „Fistkurs“ nicht… Mit genau der gleichen Begründung könnte man sich „Kochkurs“ oder „Sprachkurs“ schützen lassen… absurd.
Beim „Fistkurs“ geht es anscheinend (auch? in erster Linie?) darum, den eigenen Club vollzubekommen…
Anstatt wirklich das Thema ernsthaft angehen zu wollen und „Fistunterricht in Theorie und Praxis“ weiterzuverbreiten (und das nicht nur in Karlsruhe) hackt man auf die ein, die Prävention und Unfallverhütung weiterverbreiten…
Ich würde der DAH empfehlen, an das Patentgericht zu schreiben, um die Situation zu klären…
Auch ficken ist nämlich erst einmal nichts weiter als eine Tätigkeit… wenn auch eine sehr geile…
Oder käme irgendjemand auf die Idee „Gehen“, „Schlafen“ oder „Party“ zu schützen…???
Insofern hat das Gericht sich m.E. zwar mit der Frage auseinandergesetzt, ob „Ficken“ anstößig sei und inwieweit das die Ablehnung rechtfertigt, aber die Frage inwieweit hier ein simples Verb mit Wortmarkenschutz versehen wird außer Acht gelassen…
„Das ganze Konzept, nach dem kulturelle Zeichen Gegenstand privaten Eigentums sein können, ist fehlerhaft. Kulturelle Zeichen bilden unser kulturelles Erbe. Sie spiegeln die sozialen Werte und Konventionen wider. Diese Werte und Konventionen sollten sich nicht unter der Kontrolle der Markeninhaber entwickeln. (..). Die Gesellschaft soll geeignet sein, die Bedeutung ihrer kulturellen Zeichen in einem freien und unkontrollierten Diskurs zu gestalten. Die allgemeine Auffassung des deutschen und U.S.-amerikanischen Rechtssystems, nach der kulturelle Zeichen allgemein nicht vor der Veränderung ihrer Bedeutung geschützt werden, ist die einzige akzeptable Position in einer demokratischen Gesellschaft. Diese Position soll sich nicht ändern, wenn das besprochene Zeichen eine Marke darstellt. Die Bedeutung kultureller Zeichen soll stets als Allgemeingut betrachtet werden. Insofern als sich die Marken zu kulturellen Symbolen gewandelt haben, soll das Rechtssystem in die Entwicklung ihrer Bedeutung nicht eingreifen.“
Aus: „Der Markenschutz und seine kulturelle Bedeutung“ von Katya Assaf in GRUR Int 2009, 1-14
…. mon Dieu !
Es gibt Dinge, die man wirklich nicht gelesen haben möchte ……….
Mon cher ! Es tut mir leid – aber da kommt bei mir immer die Fachfrau durch……und das ist für die GRUR nun wirklich beachtlich, ehrlich…….im Grunde ist das geradezu revolutionär (für verstaubte JuristInnen jedenfalls)
@ Meinulf Krön
Mein Kommentar betraf keineswegs nur das von Ihnen gesagte: das Gesamte oben ist mir unangenehm.
Als ich ihnr gerade abgeschickt hatt, fiel mir eine Studie über moderne Kunst, ein, die Hans Sedlmayr in den achtziger Jahren unter dem Titel: „Verlust der Mitte“ veröffentlichte.
Selbst wenn er diese Mitte unter einem ganz anderen Gesichtspunkt versteht – ich meine, wir, die Homosexuellen, haben unsere seit geraumer Zeit schon verloren. Und so lange wir das obige – und so lange das unter der Gürtellinie überhaupt zum Zentralen einer Grosszahl von uns gehört – wird es nur wenig zufriedenstellende Entwicklungen im Verhältnis Gesellschaft-Homosexualität geben.
Wir leben in einer ungesunden Zeit, mit ungesundem Denken. (Hab ich hier wohl schon einmal gesagt.)
Eine Frage an Ulli: muss man jeden Kram (um höflich zu bleiben) veröffentlichen, der einem vor die Augen springt?
Da ich schon beim Zitieren bin, hier ein Satz von Goethe: “ … und was die Mitte bringt, ist offenbar das, was zu Ende bleibt, und anfangs war.“