Viruslast-Methode im realen Leben angekommen

Gleich drei jüngst vorgestellte Studien zeigen, dass das EKAF-Statement und die Viruslast-Methode in mehrfacher Weise im realen Leben angekommen sind.

“Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie … ist sexuell nicht infektiös” – dies ist die Kern-Botschaft eines Statements, das die Eidgenössische Aids-Kommission EKAF im Januar 2008 veröffentlichte. Lange löste das Statement heftigste Diskussionen aus, unter HIV-Positiven, Aidshilfen wie auch in der Ärzteschaft. Als ‚Viruslast-Methode‘ übersetzte die Deutsche Aids-Hilfe das EKAF-Statement in ihrem Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention – Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe“ für die Prävention. Inzwischen sind EKAF-Statement und Viruslast-Methode in der Realität HIV-Positiver angekommen, wie Studien erneut zeigen.

Eine Studie aus den Niederlanden (Van den Boom, Amsterdam Public Health Service) an 212 Schwulen (aus einem Online-Forum rekrutiert) zeigt, dass HIV-positive Schwule ihre Viruslast zunehmend mit in Betracht ziehen bei der Entscheidung, ob sie ein Kondom benutzen. Unter den Teilnehmern, die Analverkehr ohne Kondom mit einem HIV-positiven Sexpartner hatten, bezogen bei der Entscheidung, das Kondom wegzulassen, 20% derer mit Gelegenheits-Sexpartnern, 58% derer mit Sex-Buddies sowie 45% derer mit einem festen Partner ihre Viruslast in die Entscheidung mit ein. Van den Boom kommentierte, die Ergebnisse zeigten dass ‚viral sorting‘ eine inzwischen recht verbreitete Strategie der Risiko-Reduzierung sei.

Eine US-Studie (Horvath) an 326 schwulen US-Amerikanern kam zu dem Ergebnis, dass HIV-negative Männer bei Sex mit Männern, von deren Status HIV-positiv sie wissen, zunehmend auch über die Viruslast sprechen. Allerdings kam diese Studie auch zu dem Ergebnis, dass ein offener Umgang mit dem positiven HIV-Status immer noch selten ist (7%). Das größte Hindernis beim Einbeziehen der Viruslast in die Entscheidung über die Art des Risikomanagements beim Sex liege immer noch in der geringen Bereitschaft, seinen HIV-positiven Status offen zu legen.

Eine französische Studie (Rojas Castro / durchgeführt von der französischen Aidshilfe-Organisation Aides) an 2.356 Teilnehmern, davon 977 (42%) HIV-positiv, kam zu dem Schluss,  dass die Mehrzahl der HIV-positiven Teilnehmer vom EKAF-Statement weiß. Das Wissen um das EKAF-Statement war assoziiert mit besserer Gesundheit, geringeren Problemen im offenen Umgang mit der eigenen HIV-Infektion (55%) und einem besseren Sexleben (14%). 13% berichteten, seitdem sie vom EKAF-Statement wissen habe sich ihr Kondomgebrauch vermindert, 11% hingehen berichteten von erhöhter Kondom-Verwendung.

Eine Studie in der Schweiz (Barbara Hasse / Universitätsspital Zürich) hatte schon zuvor gezeigt, dass dort der Kondom-Gebrauch bei HIV-Positiven sinkt – jedoch keine Zunahme der HIV-Fälle in der Schweiz zu beobachten sei.

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weitere Informationen:
Van den Boom W et al. Frequent use of viral sorting by HIV-positive MSM: the consideration of viral load when deciding to engage in unprotected anal intercourse with HIV-positive, HIV-negative and status unknown partners. Tenth AIDS Impact conference, Santa Fe, New Mexico. Abstract 172. 2011.
Horvath K et al. Discussions of viral load in negotiating sexual episodes with primary and casual partners among men who have sex with men. Tenth AIDS Impact Conference, Santa Fe, New Mexico. Abstract 111. 2011.
Rojas Castro D et al. The Swiss Statement, who knows about it and what are its effects on PLWHIV? Results from the “VIH, Hépatites et vous” Survey.Tenth AIDS Impact Conference, Santa Fe, New Mexico. Abstract 359. 2011.
Vernazza P et al. Les personnes séropositives ne souffrant d’aucune autre MST et suivant un traitment antirétroviral efficace ne transmettent pas le VIH par voie sexuelle (‚The Swiss Statement‘). Bulletin des Médecins Suisses 89 (5), 2008.
aidsmap 15.09.2011: Viral load increasingly features in safer-sex discussion and decisions by HIV-positive gay men and their partners
Tagesanzeiger 23.08.2011: HIV-Positive verzichten häufiger aufs Kondom
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4 Gedanken zu „Viruslast-Methode im realen Leben angekommen“

  1. In der Praxis angekommen? In welcher Praxis? Der Praxis eines HIV Arztes d.h. haben es HIV Ärzte angenommen? Das stimmt zum größten Teil.

    In der Praxis im Kontext zum Verständnis von „Im Alltag“? Ja unter aufgeklärten Menschen die HIV + sind. D.h. aber auch das es ne ganze Menge gibt die HIV + und dies nicht „so ganz“ sehen.

    In der Praxis – im Alltag der Justiz? Der Politik? Davon sind wir noch weit davon entfernt.

    In der Praxis im Alltag der Gesellschaft? Davon sind wir noch weiter davon enfernt . . . . .

  2. @ alivnkickin:
    wegen dieses potentiellen Missverständnisses habe ich den Titel ja direkt abgeändert in „im realen Leben angekommen“

    und – im realen leben von justiz und allgemeinbevökerung, ja – da haben wir noch grosse aufgaben vor uns …

  3. Jetzt seh ich jetzt schon den Angstschweiss blühen auf den Stirnen vieler vernagelter HIV-Präventionisten, die ihre Arbeitsmethoden immer noch auf der Angst vor HIV-positiven MENSCHEN aufbauen. Ihr Verrat am Lernprinzip in der HIV-Prävention ist himmelschreiend. Und sie selber sehen den Beton-Balken in ihren Augen nicht und sind auch noch stolz, dass sie doch auch so solidarisch mit Menschen mit HIV sind!

    Das ist 3 1/2 Jahre nach Veröffentlichung der EKAF-Stellungnahmein meinen Augen der allergrößte Skandal! Sie werden es noch mit ihrer Scham zu tun bekommen! Da kommen sie nicht drumrum, aber in dieses Dilemma haben sie sich selber reingeritten und müssen da durch!

  4. Vielleicht sehen sie es ja wirklich so, die „vernagelten HiV Präventionisten“, von den Du sprichst, @terabox? Vielleicht glauben sie selbst an das, was sie predigen und trauen den „neuen Studien“ einfach noch nicht so ganz;
    oder warum glaubst du, weshalb sie weiterhin den „Balken in ihren Augen“ pflegen, wie Du es formulierst Welche Vorteile hätten sie dadurch, angenommen sie wüßten es „besser“ und würden dennoch ihrer alten Linie der Präventtion treu bleiben.
    Ich habe diesbezüglich nur eine Antsort: Sie glauben an das, was sie den Menschen als Prävention „verkaufen“ und daraus kann man doch niemandem einen Vorwurf machen, oder?

    Schließlich gibt es immer und überall unterschiedliche Auffassungen und gerade wenn sich Erkenntnisse ändern, haben einige Probleme, dem Ganzen zu trauen.
    Wer weiß was die Zukunft bringt.
    Sicher ist sich weder die eine noch die andere Seite, dass ihre Aussagen unumstößlich richtig sind, soviel steht für mich persönlich jedenfalls fest.

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