30. Januar 2012: vier Jahre EKAF-Statement

Am 30. Januar 2008 veröffentlichen Schweizer Forscher das EKAF-Statement – HIV-Positive seien unter erfolgreicher Therapie unter bestimmten Bedingungen sexuell nicht infektiös. Erregte Debatten folgten, heftiger Widerspruch und mühsame Kleinarbeit. Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt – vieles ist längst Alltag geworden rund um’s EKAF-Statement. Oder?

30. Januar 2008: die Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen (EKAF) veröffentlicht ihr Statement „HIV-infizierte Menschen ohne andere STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös“ (EKAF-Statement; siehe auch „keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„).

Darin stellt die EKAF fest

„Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie (im Folgenden: «wirksame ART») ist sexuell nicht infektiös, d. h., sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, solange folgende Bedingungen erfüllt sind:
– die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch den HIV-infizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert;
– die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze (d. h., die Virämie ist supprimiert);
– es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern (STD).“

HIV-Positive können, sofern diese Bedingungen erfüllt sind, ungeschützten (kondomfreien) Geschlechtsverkehr machen? Kann denn das wahr sein? Darf man das sagen? Vertragen die Menschen das denn, wenn man ihnen dies sagt? Verhalten sie sich nicht nur noch verantwortungsloser? Werden die bisherigen Präventions-Botschaften (Kondome schützen“) nicht nur unnötig verwässert?

Aufgeregte Debatten folgten, viele Diskussionen, sachgerechte wie auch polemische Beiträge, ungläubiges Staunen wie auch Aufatmen der Erleichterung.

Und inzwischen?

Die aufgeregten Debatten haben sich längst gelegt. Vieles rund um das EKAF-Statement ist längst anerkannt. Und in die Realität von Leben mit HIV wie auch Aids-Prävention eingeflossen. Und wurde weiter gedacht, entwickelt zu Konzepten wie der Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) oder dem Konzept „treatment als prevention“ (tasp), das ‚Time‘ erst jüngst zum dritt-bedeutendsten medizinsichen Durchbruch 2011 erklärte..

Die damaligen Reaktionen und Debatten hat ondamaris auf einer extra Seite gesammelt: „EKAF-Statement, Reaktionen und Folgen“ – viele ist noch heute lesenswert …

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Auch 2015 kann ‚Safer Sex ohne Kondom‚ noch Aufregungen verursachen …

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Wie war das 2008 und den den folgenden Monaten? Wie waren die ersten Reaktionen auf das EKAF-Statement?
Und – hat sich heute wirklich etwas verändert? Zum besseren – oder auch auf fragliche Weise? Was denkst du?

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siehe auch:
SF 10vor10 30. Januar 2008: Ungeschützter Sex trotz HIV (Video)

3 Gedanken zu „30. Januar 2012: vier Jahre EKAF-Statement“

  1. Vieles rund um das EKAF-Statement ist längst anerkannt. Und in die Realität von Leben mit HIV wie auch Aids-Prävention eingeflossen.

    Was die Realität betrifft – insbesondere unter juristischem Gesichtspunkt sehe ich das anders. Bei uns wie auch in anderen Ländern werden immer Menschen verurteilt wenn sie z.b. ihren Status dem/der PartnerIn vor dem Sex nicht mitgeteilt haben. Dies hat zwar auf den ersten Blick nichts mit EKAF zu tun, aber wenn Safer Sex=Kondom Pflicht ist schließt das ja NICHT die Information des PartnersIn ein. Zumindest nach unserer Gesetzeslage ist dies ja nicht der Fall. Sex unter EKAF Bedingungen so ist der Tenor in Deutschland entspricht dem Safer Sex Standard. Das ist noch lange nicht in der Poltik/Rechtssprechung angekommen. In den meisten Ländern auch nicht.

    Rechtssicherheit unter EKAF – keine Informationspflicht bei dem praktizieren von Safer Sex, das gilt ja dann auch für EKAF Bedingungen – da haperts es bei uns wie in fast allen Ländern noch ganz gewaltig. Und da Sex zur Realität unseres Altags gehört wie Essen und Trinken sehe ich da noch keine „Normalität“, sehe ich nichts von der Umsetzung im Sinne von „anerkannt“. Des würde nur durch eine explizite Aussage z.b. durch ein Gesetz zum Ausdruck gebracht werden.

    Die Frage nach einem „Roll Back?“ kommt ja nicht von ungefähr. Die Haltung in der Politik – unserer Politker ist „Schweigen im Walde“. Insofern ist der Roll Back auch nicht weiter verwunderlich.

  2. Pingback: „Eine wunderschöne Erleichterung“ | d@h_blog
  3. EKAF ist nach 4 Jahren noch nicht wirklich in der Realität angekommen. Kaum einer ist über EKAF wirklich informiert, am wenigsten HIV-negative, dazu gehöhrt auch die Politik und die Rechtsprechung.
    Solange EKAF aber nicht in der Rechtsprechung angekommen ist kann man niemanden wirklich dazu raten nach EKAF zu leben. Bleibt also trotz EKAF auch weiter hin die alten Safersex-Regeln zu empfehlen.
    Hier muss noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
    Das man sich mit Kondomen schützen kann weiß – dank Werbung – inzwischen selbst ein Grundschüler, wenn er auch noch nichts über Sex selber weiß. Trotz allem, das Wissen über HIV noch immer eher gering, die Stigmatisierung ist letztendlich darauf und auf halbwissen zurück zu führen. Warum sagt ‚denen da draußen‘ niemand wie und wann man sich nicht infizieren kann. Wer bringt der Masse bei das es etwas wie EKAF gibt. Hier sind die Organisationen wie BzgA und Aids-Einrichtungen genauso gefragt wie wir positiven selber.
    Es geht aber nicht nur darum EKAF der Algemeinheit zu erklären, auch den Medien, Politikern und Juristen haben noch einiges an Aufklärungsbedarf.

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