‚Achtung – erhöhte Aids-Gefahr‘ – aber bitte keine Panik in der Provinz …

„Gesundheitsamt Region Kassel warnt vor erhöhter Aids-Gefahr“.

Das Gesundheitsamt Region Kassel warnt die Bevölkerung, die Formulierung erinnert an schwere Unwetter-Warnungen, spricht es doch von „erhöhter Aids-Gefahr“ – und ergänzt „wir brauchen nicht in Panik geraten“.

Was ist da schon wieder los in der Provinz? Erst im Januar 2011  „400% Zuwachs an Neuinfizierungen“ in Oldenburg, und nun das große Desaster in der Region Kassel?

„Erhöhte Aids-Gefahr“? Für wen? Und – an wen richtet sich diese Warnung?

Zwar konzediert das Gesundheitsamt, bei der festgestellten Zunahme handele es sich „mehrheitlich um Übertragungen durch homosexuelle Kontakte unter Männern“, wendet sich  aber an die Allgemeinbevölkerung und Medien – mit der Formulierung einer „Warnung vor erhöhter Aids-Gefahr“.

Warum diese „erhöhte Aids-Gefahr“ für die (überwiegend vermutlich auch in Kassel heterosexuell verkehrende) Bevölkerung so dermaßen erhöht ist, dass es einer „Aids-Warnung“ über die Medien bedarf? Kein Wort davon.

Was das Gesundheitsamt unternimmt, um in schwulen Szenen der Region (die es vermutlich ja viel eher angehen dürfte) die Information über HIV, Prävention und Test- und Beratungsmöglichkeiten zu verbessern? Kein Wort davon.

Dass Leben mit HIV heute anders ist als vor 20 Jahren, dass es Veränderungen gegeben hat – kein Wort davon.

Und davon, dass antiretrovirale Behandlung auch die Infektiosität drastisch reduziert, auch davon – kein Wort.

Statt dessen:

‘Achtung – erhöhte Aids-Gefahr’ – aber bitte keine Panik …

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Die Information des Gesundheitsamts Region Kassel:

„Das Gesundheitsamt Region Kassel gibt eine Warnmeldung bezüglich einer erhöhten HIV-Infektionsgefahr für Kassel und die Region heraus. Die Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel, Frau Dr. Karin Müller, begründet dies mit einem alarmierenden Anstieg der Neuinfektionen in 2012. So seien im ersten Quartal 2012 dem Robert-Koch-Institut in Berlin sechs neue Fälle aus dem Postleitzahlbereich 341 gemeldet worden, hinzukommen noch einmal sechs Fälle allein aus dem Monat April. Damit sei, so die Amtsleiterin, bereits in den ersten vier Monaten des Jahres 2012 die Gesamtzahl der Meldungen aus 2011 erreicht worden. Im Jahre 2011 habe es nämlich 12 Fälle im gesamten Jahr gegeben.
In diesem Zusammenhang weist Frau Dr. Müller auch darauf hin, dass mit Rückblick auf die Jahre 2008 bis heute die Fallzahl im Postleitzahlbereich 341 langsam aber stetig zugenommen hat. So gab es 2008 drei Fälle, 2009 sieben Fälle, 2010 acht Fälle und im Jahre 2011 zwölf Fälle. Dies, so Frau Dr. Müller kann uns nicht gleichgültig lassen.
Wie die Auswertung der anonymisierten Meldebögen im Robert-Koch-Institut in Berlin ergeben hat, handele es sich mehrheitlich um Übertragungen durch homosexuelle Kontakte unter Männern. Das entbinde jedoch niemanden von der Verantwortung im Umgang mit seinem Partner/seiner Partnerin, ganz gleich, ob es sich um männliche homosexuelle Kontakte, heterosexuelle Kontakte oder lesbische Kontakte handele. „Wir brauchen nicht in Panik zu geraten“ so Frau Dr. Müller, „aber wir haben allen Grund die Bevölkerung an ihre Verantwortung im Umgang mit ihren jeweiligen Sexualpartnern/innen zu erinnern. Das heißt in erster Linie und vor allem, dass mit Ausnahme treuer Zweierbeziehungen beim Sex immer ein Kondom benutzt werden sollte“. Sie führt die steigenden Fallzahlen in der Region unter anderem auch darauf zurück, dass die zunehmend besseren Behandlungsmöglichkeiten für HIV-Infizierte zu einem gewissen Leichtsinn verleiten. Darüber hinaus könne speziell die junge Generation die Mitte der 80er Jahre erlebte Angst vor einer damals tödlich bedrohlichen Erkrankung wohl zum Teil nicht mehr nachvollziehen und handele deshalb unvorsichtig.
„Schützen Sie sich und Ihre/n Partner/in durch verantwortungsvollen Sex und die Benutzung von Kondomen“ so der abschließende Appell der Gesundheitsamtsleiterin.“

4 Gedanken zu „‚Achtung – erhöhte Aids-Gefahr‘ – aber bitte keine Panik in der Provinz …“

  1. Ich kriege gerade wieder einen allergischen Anfall… frage mich aber auch wie es da zu einem akademischen Titel gereicht hat.

  2. die Äußerungen von Frau Müller (den akademischen Grad lasse ich in diesen unsicheren Zeit besser weg) empfinde ich als kleine dummheit – oder gar große.

  3. Apart finde ich die gesundheitsamtliche Wendung „homosexuelle Kontakte unter Männern“. Nimmt man das nicht bloß als dümmlichen Pleonasmus, so impliziert es, dass es unter Männern auch heterosexuelle Kontakte gibt. Was man sich darunter wohl vorstellen darf?

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