Späte HIV-Diagnose kein wesentlicher Faktor der HIV-Übertragung laut dänischer Studie

Menschen, die eine späte HIV-Diagnose haben (‚late diagnosis‘), tragen entgegen anderslautenden Vermutungen nur marginal zur HIV-Epidemie bei. Zu diesem Schluss kommt eine dänische Untersuchung.

Menschen mit einer ‚late diagnosis‘, einer erst spät im Infektionsverlauf erfolgenden HIV-Diagnose seien ein wesentlicher Faktor, womöglich gar der ‚Motor‘ der HIV-Ausbreitung, diese These wuird oft aufgestellt. Eine dänische Untersuchung stellt diese These nun in Frage – mit potentiell weitreichenden Folgen für die HIV-Prävention.

Die Forscher untersuchten mit Hilfe phylogenetischerAnalysen (Untersuchungen der ‚Abstammung‘ verschiedener HIV-Proben, bzw. ihrer ‚Verwandtschaft‘ untereinander) HIV von 1.515 Menschen in Dänemark (davon 696 schwule Männer), bei denen ab 2001 jüngst eine HIV-Infektion neu diagnostiziert worden war. Sie suchten nach Netzwerken und Gruppen (Cluster) von HIV-Übertragungen, um herauszufinden, welche Faktoren zu einer HIV-Ausbreitung beitragen.

Unter den 1.515 HIV-Positiven befanden sich 260 mit einer primären (‚frischen‘) HIV-Infektion, sowie 460 mit einer späten Diagnose. Die Forscher konnten 46 HIV-Übertragungs-Cluster identifizieren, an denen insgesamt 502 Personen beteiligt waren.

Überraschende Ergebnisse:

  • die Hälfte aller HIV-Positiven (in dieser Studie) mit primärer HIV-Infektion bewegten sich in diesen Clustern,
  • doch nur 20% der HIV-Positiven mit einer späten HIV-Diagnose bewegten sich in diesen Clustern.

An den zwei größten Clustern von HIV-Übertragungen waren insgesamt die Hälfte aller Personen mit primärer HIV-Infektion beteiligt.

Die Forscher stellten fest, dass Personen mit niedrigen CD4-Werten weniger zur HIV-Epidemie beitragen als Personen mit hohen CD4-Werten:

„Individuals presenting with low CD4 T-cell counts contribute less to the epidemic than individuals with higher CD4 T-cell counts.“

Die Tatsache, in einem der Cluster von HIV-Übertragungen zu sein, war deutlich assoziiert mit einem Lebensalter unter 30 Jahren, injizierendem Drogengebrauch, primärer HIV-Infektion sowie Sex mit Männern.

Resumee der Forscher:

„Danish HIV epidemic is driven mainly by younger homosexual men diagnosed during primary HIV infection. VLP’s [very late presenters, d.Hg.] appear more frequently in smaller clusters or as single branches in the phylogeny. The VLP contribution is not of significant importance from a transmission standpoint.“

Sie schlußfolgern, HIV-Prävention solle sich gezielt an junge schwule Männer wenden, besonders an jene mit hohem Risiko einer primären HIV-Infektion.

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weitere Informationen:
Audelin AM et al. Phylogenetics of the Danish HIV epidemic: the role of very late presenters in sustaining the epidemic. J Acquir Immune Defic Syndr, online edition, DOI: 10.1097/QAI.0b013e318276becc, 2012. (abstract auf PubMed)
aidsmap 05.11.2012: Denmark: Late HIV diagnosis not a major factor in continued spread of HIV
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HIV, Hepatitis : Daten des RKI zu Infektionen bei Blutspenden und Plasmaspendern

Blutspenden werden in Deutschland nach § 22 Transfusionsgesetz auf HIV und andere Infektionskrankheiten untersucht. Wie oft werden Infektionen mit HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C bei Blutspendern festgestellt? Das Robert-Koch-Institut hat aktuelle Zahlen der Jahre 2008, 2009 und 2010 veröffentlicht:

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Robert-Koch-Institut:
Tabellarische Übersicht der übermittelten Infektionen bei Blut- und Plasmaspendern inklusive Gesamtzahl der Spenden und Spender
– HIV, HCV-, HBV- und Syphilis-Infektionen unter Blut- und Plasmaspendern 2008 (pdf)
– HIV, HCV-, HBV- und Syphilis-Infektionen unter Blut- und Plasmaspendern 2009 (pdf)
– HIV, HCV-, HBV- und Syphilis-Infektionen unter Blut- und Plasmaspendern 2010(pdf)

RKI: neue Publikation zu Sicherheit von Blut

Das Robert-Koch-Institut RKI hat eine neue Publikation zum Thema Sicherheit und sichere Versorgung mit Blut heraus gegeben. Das Heft „Blut – aber sicher!“ ist im Internet verfügbar. Einer der fünf Beiträge beschäftigt sich unter dem Titel „HIV-, HCV-, HBV- und Syphilissurveillance unter Blutspendern in Deutschland 2008–2010“ mit infektiologischen Daten auch zu HIV:

„Für die Jahre 2008-2010 lag die Prävalenz bezogen auf 100.000 Untersuchungen von Neuspendern für HIV zwischen 6,6 und 7,0 … Die Serokonversionen bezogen auf 100.000 Mehrfachspenden lagen für HIV zwischen 0,8 und 0,9 … Die inzidenten HIV-Infektionen hingegen erreichten sowohl 2008 als auch 2010 Höchstwerte bei insgesamt leicht steigendem Trend seit 2001.“

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RKI 30.07.2012: Blut – aber sicher! (pdf)
RKI 30.07.2012: HIV-, HCV-, HBV- und Syphilissurveillance unter Blutspendern in Deutschland 2008–2010 (pdf)

HIV-Neudiagnosen: erstmals seit 10 Jahren in Deutschland gesunken

Weniger HIV-Neudiagnosen: die Zahl der HIV-Neudiagnosen ist in Deutschland 2011 erstmals seit zehn Jahren wieder gesunken. Besonders deutlich war der Rückgang der HIV-Neudiagnosen bei Schwulen.

In seinem heute veröffentlichten „Bericht zur Entwicklung von HIV und AIDS im Jahr 2011“ meldet das Robert-Koch-Institut RKI:

„Dem RKI wurden für das Jahr 2011 insgesamt 2.889 neu diagnostizierte HIV-Infektionen gemeldet. Gegenüber dem Jahr 2010 (2.939 Neudiagnosen) bedeutet dies eine – allerdings nur geringfügige (1,7 %) – Abnahme der Gesamtzahl der HIV-Neudiagnosen.“

Besonders deutlich sank die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Schwulen: wurden 2010 noch 1.697 HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben registriert, lag die Zahl 2011 bei 1.574 (minus 7%):

„Betrachtet man die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen in den verschiedenen Übertragungskategorien, so sinkt die absolute Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr (2010) um 7 % (von 1.697 auf 1.574). …
In den meisten Bundesländern sanken die Diagnosezahlen oder blieben stabil, leichte Anstiege wurden nur in den nördlichen Bundesländern Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein sowie im Bundesland Sachsen registriert.“

Geändert wurde in dem Bericht die Darstellung zu den Überrtagungswegen: „die bisherigen Kategorien der Personen, bei denen ein heterosexuelles Infektionsrisiko angegeben wurde und die nicht aus HIV-Hochprävalenzländern stammen (HET) sowie Personen, die aus HIV-Hochprävalenzländern (HIVPrävalenz > 1 % in der allgemeinen Bevölkerung der Altersgruppe 15 – 45 Jahre) stammen, in denen die heterosexuelle Übertragung der vorherrschende Übertragungsweg ist (HPL)“ wurden zusammengefasst zu einer Gruppe HET zusammengefasst.

Der „Bericht zur Entwicklung von HIV und AIDS im Jahr 2011“ wurde vom Robert-Koch-Institut im Vorfeld der bald in Washington beginnenden Welt-Aids-Konferenz publiziert. Er ist in der aktuellen Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins veröffentlicht.

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weitere Informationen:
Robert-Koch-Institut: Bericht zur Entwicklung von HIV und AIDS im Jahr 2011. in: Epidemiologisches Bulletin 28/2012 (pdf)
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Cannes: HIV-Fragebogen zurück gezogen – Sex bei Senioren Tabu-Thema ?

Es sollte nur ein einfacher Fragebogen sein, mit dem herausgefunden werden sollte, warum in der Region Cannes der Anteil von älteren Menschen mit HIV höher ist als in anderen Regionen Frankreichs. Doch der in Seniorenwohnanlagen verteilte Fragebogen wurde nun vom UMP-Bürgermeister zurück gezogen – die Fragen wurden als ‚zu persönlich‘ empfunden.

Angaben von Sida Info Service zufolge stellen in der Region Provence – Alpes – Code d’Azur (PACA) Menschen über 60  Jahren einen deutlich höheren Anteil an allen HIV-Infizierten als der Landesdurchschnitt (7% gegenüber 4,7%).

Tetu 26.06.2012: La mairie de Cannes retire un questionnaire sur la sexualité
Pinknews 27.06.2012: Cannes: Sexuality questionnaire pulled after ‘shocking’ retirees
Yagg 28.06.2012: La mairie de Cannes ne veut plus d’une enquête sur la vie affective et sexuelle des seniors

‚Achtung – erhöhte Aids-Gefahr‘ – aber bitte keine Panik in der Provinz …

„Gesundheitsamt Region Kassel warnt vor erhöhter Aids-Gefahr“.

Das Gesundheitsamt Region Kassel warnt die Bevölkerung, die Formulierung erinnert an schwere Unwetter-Warnungen, spricht es doch von „erhöhter Aids-Gefahr“ – und ergänzt „wir brauchen nicht in Panik geraten“.

Was ist da schon wieder los in der Provinz? Erst im Januar 2011  „400% Zuwachs an Neuinfizierungen“ in Oldenburg, und nun das große Desaster in der Region Kassel?

„Erhöhte Aids-Gefahr“? Für wen? Und – an wen richtet sich diese Warnung?

Zwar konzediert das Gesundheitsamt, bei der festgestellten Zunahme handele es sich „mehrheitlich um Übertragungen durch homosexuelle Kontakte unter Männern“, wendet sich  aber an die Allgemeinbevölkerung und Medien – mit der Formulierung einer „Warnung vor erhöhter Aids-Gefahr“.

Warum diese „erhöhte Aids-Gefahr“ für die (überwiegend vermutlich auch in Kassel heterosexuell verkehrende) Bevölkerung so dermaßen erhöht ist, dass es einer „Aids-Warnung“ über die Medien bedarf? Kein Wort davon.

Was das Gesundheitsamt unternimmt, um in schwulen Szenen der Region (die es vermutlich ja viel eher angehen dürfte) die Information über HIV, Prävention und Test- und Beratungsmöglichkeiten zu verbessern? Kein Wort davon.

Dass Leben mit HIV heute anders ist als vor 20 Jahren, dass es Veränderungen gegeben hat – kein Wort davon.

Und davon, dass antiretrovirale Behandlung auch die Infektiosität drastisch reduziert, auch davon – kein Wort.

Statt dessen:

‘Achtung – erhöhte Aids-Gefahr’ – aber bitte keine Panik …

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Die Information des Gesundheitsamts Region Kassel:

„Das Gesundheitsamt Region Kassel gibt eine Warnmeldung bezüglich einer erhöhten HIV-Infektionsgefahr für Kassel und die Region heraus. Die Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel, Frau Dr. Karin Müller, begründet dies mit einem alarmierenden Anstieg der Neuinfektionen in 2012. So seien im ersten Quartal 2012 dem Robert-Koch-Institut in Berlin sechs neue Fälle aus dem Postleitzahlbereich 341 gemeldet worden, hinzukommen noch einmal sechs Fälle allein aus dem Monat April. Damit sei, so die Amtsleiterin, bereits in den ersten vier Monaten des Jahres 2012 die Gesamtzahl der Meldungen aus 2011 erreicht worden. Im Jahre 2011 habe es nämlich 12 Fälle im gesamten Jahr gegeben.
In diesem Zusammenhang weist Frau Dr. Müller auch darauf hin, dass mit Rückblick auf die Jahre 2008 bis heute die Fallzahl im Postleitzahlbereich 341 langsam aber stetig zugenommen hat. So gab es 2008 drei Fälle, 2009 sieben Fälle, 2010 acht Fälle und im Jahre 2011 zwölf Fälle. Dies, so Frau Dr. Müller kann uns nicht gleichgültig lassen.
Wie die Auswertung der anonymisierten Meldebögen im Robert-Koch-Institut in Berlin ergeben hat, handele es sich mehrheitlich um Übertragungen durch homosexuelle Kontakte unter Männern. Das entbinde jedoch niemanden von der Verantwortung im Umgang mit seinem Partner/seiner Partnerin, ganz gleich, ob es sich um männliche homosexuelle Kontakte, heterosexuelle Kontakte oder lesbische Kontakte handele. „Wir brauchen nicht in Panik zu geraten“ so Frau Dr. Müller, „aber wir haben allen Grund die Bevölkerung an ihre Verantwortung im Umgang mit ihren jeweiligen Sexualpartnern/innen zu erinnern. Das heißt in erster Linie und vor allem, dass mit Ausnahme treuer Zweierbeziehungen beim Sex immer ein Kondom benutzt werden sollte“. Sie führt die steigenden Fallzahlen in der Region unter anderem auch darauf zurück, dass die zunehmend besseren Behandlungsmöglichkeiten für HIV-Infizierte zu einem gewissen Leichtsinn verleiten. Darüber hinaus könne speziell die junge Generation die Mitte der 80er Jahre erlebte Angst vor einer damals tödlich bedrohlichen Erkrankung wohl zum Teil nicht mehr nachvollziehen und handele deshalb unvorsichtig.
„Schützen Sie sich und Ihre/n Partner/in durch verantwortungsvollen Sex und die Benutzung von Kondomen“ so der abschließende Appell der Gesundheitsamtsleiterin.“

Dänemark: Zahl der HIV-Diagnosen stabil, trotz Zunahme von Sex ohne Kondom

Die Häufigkeit von HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), ist in Dänemark seit über zehn Jahren stabil – obwohl Forscher Anzeichen sehen, dass Sex ohne Kondom-Benutzung häufiger als früher praktiziert wird. Diese paradoxe Entwicklung sei auf wirksame antiretrovirale Therapie zurück zu führen, so die Forscher.

„While unsafe sex among MSM [men who have sex with men] has increased substantially and the number of HIV-positive MSM living in Denmark has enlarged, the incidence of HIV diagnoses in this population has remained stable for more than a decade. Our findings indicate that this paradox is due to effective antiretroviral therapy and not increased awareness of safe sex.“

Ende der 1990er sank die Zahl der jährlichen HIV-Neudiagnosen bei MSM in Dänemark leicht. Bis 2005 stieg sie leicht an, und seitdem hat sich die Zahl stabilisiert. Im Durchschnitt der Jahre 1995 bis 2009 wurden jährlich 93 neue HIV-Infektionen bei MSM in Dänemark festgestellt. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der HIV-Positiven mit einer Viruslast über 400 Kopien /ml deutlich.

„The present study suggests that successful implementation of HAART [highly active antiretroviral therapy] has had a major impact on HIV incidence among MSM.“

aidsmap 22.05.2012: Antiretroviral therapy may be stabilising HIV epidemic in Danish gay men

Niederlande: Zahl der HIV-Neudiagnosen stabil

811 HIV-Infektionen wurden 2011 in den Niederlanden neu diagnostiziert. Die Zahl ist damit in der Höhe mit den Vorjahren vergleichbar.

Diese Zahlen stellte die ‚Stichting HIV Monitoring‘ (SHM) einem Bericht von poz&proud zufolge am 8. Mai 2012 vor. „Bis 2008 gab es einen leichten Anstieg der Zahl der Infektionen“, betonte eine Sprecherin der Stiftung. Inzwischen habe sich die Zahl stabilisiert.

Insgesamt leben etwa 19.500 Menschen mit HIV / Aids in den Niederlanden. In den vergangenen Jahren erkrankten jährlich zwischen 250 und 300 Menschen neu an Aids, so die Stiftung. Die Zahl der Todesfälle infolge von Aids ist 2011 gesunken.

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Nachtrag 10.5.2012:
Der Jahresbericht spricht von insgesamt 19.752 Personen mit HIV in den Niederlanden, einschlißelich Verstorbener und ‚lost to follow up‘. Etwa 16.000 Menschen leben Ende 2011 in den Niederlanden mit HIV.
[danke an Alex / Kees für die Hinweise!]

poz&proud 08.05.2012: Aantal hiv meldingen stabiliseert
HIV Monitoring (NL): Persbericht – Stichting HIV Monitoring: jaarlijkse toename nieuwe HIV-diagnoses zet niet door

Frankreich: Zahl der HIV-Neudiagnosen 2010 konstant

Seit 2008 ist die Zahl der HIV-Neu-Diagnosen in Frankreich annähernd konstant. Dies teilte die französische Geusndheitsbehörde mit. Während die Zahl der HIV-Neudiagnosen in Frankreich bei Menschen mit heterosexuellen Übertragungswegen weiterhin sinkt, steigt sie bei Schwulen an.

6.265 HIV-Infektionen wurden im Jahr 2010 in Frankreich neu diagnostiziert, gegenüber 6.341 im Jahr zuvor (minus 1,2%). Dies teilte das „Institut de veille sanitaire“ (InVS) mit. Seit 2008 ist die Zahl jährlicher HIV-Neudiagnosen in Frankreich annähernd stabil, nachdem es zwischen 2004 (7.679 HIV-Neudiagnosen) und 2007 (6.464 HIV-Neudiagnosen) einen deutlichen Rückgang gab.

Hinter der annähernd stabilen Zahl der HIV-Neudiagnosen verbirgt sich allerdings auf den ersten Blick, dass es in den unterschiedlichen Gruppen deutlich abweichende Entwicklungen gibt:

Frankreich: HIV-Neudiagnosen 2003-2010 nach Übertragungsweg (Quelle: InVS)
Frankreich: HIV-Neudiagnosen 2003-2010 nach Übertragungsweg (Quelle: InVS)

Die Zahl der HIV-Neudiagnosen, bei denen heterosexuelle Übertragungswege angegeben wurden, sinkt seit 2008 weiterhin deutlich (2010: 3.600), bei Drogengebraucher/innen ist sie weitgehend stabil (2010: 70). Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), stieg die Zahl der HIV-Neudiagnosen hingegen sowohl von 2008 auf 2009, als auch von 2009 auf 2010 an. 2010 wurde bei ca. 2.500 Schwulen und Männern, die Sex mit Männern haben, neu eine HIV-Infektion diagnostiziert. Der Anteil dieser Gruppe an den gesamten HIV-Neudiagnosen beläuft sich auf 40%, MSM stellen seit 2003 in Frankreich die einzige Gruppe dar, in der die Zahl der HIV-Neudiagnosen ansteigt. Zudem beträfen, so das InVS, 83% aller Syphilis-Diagnosen und fast alle rektalen LGV-Diagnosen (Lymphogranuloma venereum) diese Gruppe.

18 Prozent der HIV-Neudiagnosen (2010: ca. 1.100) erfolgen in Frankreich bei Menschen in einem Lebensalter von über 50 Jahren. Seit 2003 steigt ihr Anteil an. Oft wird bei ihnen eine HIV-Infektion in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert.

Insgesamt wurden 2009 (!) in Frankreich 18 neue HIV-Infektionen pro 100.000 Einwohner festgestellt. In den überseeischen Departements (DOM, départements d’Outre-Mer) liegt dieser Wert mit 44 pro 100.000 deutlich über dem Durchschnitt (besonders hoch in Guayana sowie auf Guadeloupe), ebenso in der Region Ile de France (entspricht ungefähr dem Ballungsraum Paris) mit 39 pro 100.000 Einwohnern.

Ungefähr 5 Millionen HIV-Tests wurden 2010 in Frankreich durchgeführt (ca. 77 pro 1.000 Einwohner). Die Zahl jährlicher HIV-Tests in Frankreich ist seit 2006 annähernd stabil; im Herbst 2010 wurde eine Ausweitung der HIV-Test Bestandteil der nationalen Aids-Strategie, dies dürfte sich ab 2011 in den Zahlen widerspiegeln.

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weitere Informationen:
Institut de veille sanitaire (InVS) 29.11.2011: Dossier de presse : données épidémiologiques sur l’infection à VIH et les IST. 1er décembre 2011 (pdf)
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HIV / Aids in den Bundesländern 2011

Die Zahl der Neu-Infektionen mit HIV sinkt in Deutschland; 2.700 Menschen infizierten sich im Jahr 2011 neu mit HIV. Diese Daten stellte das RKI bereits vor einigen Tagen vor. Neben diesem Jahresbericht zur Situation der HIV-Epidemie in Deutschland hat das Robert-Koch-Institut RKI inzwischen auch Teil-Berichte zur Situation in den einzelnen Bundesländern vorgelegt („Epidemiologische Kurzinformationen“). Einige Ausschnitte:

In Berlin leben Ende 2011 dem RKI zufolge etwa 14.800 Menschen mit HIV, davon etwa 11.600 aus der Gruppe der Schwulen und der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Ungefähr 420 Menschen infizierten sich 2011 in Berlin neu mit HIV (etwa 15% aller HIV-Neuinfektionen 2011 deutschlandweit), davon ca. 365 MSM. Bei ca. 130 Menschen in Berlin erfolgt die HIV-Diagnose 2011 erst bei fortgeschrittenem Immundefekt.

In Nordrhein-Westfalen leben Ende 2011 etwa 17.500 Menschen mit einer HIV-Infektion, darunter ca. 10.700 Schwule und MSM. Ungefähr 650 Menschen infizieren sich 2011 in Nordrhein-Westfalen neu mit HIV, unter ihnen ca. 470 MSM. Etwa 160 Menschen sterben mit HIV-Infektion sterben 2011 in NRW (insgesamt seit Beginn der Epidemie eta 5.900).

In Sachsen infizieren sich 2011 etwa 90 Menschen neu mit HIV, unter ihnen 65 MSM. Insgesamt leben Ende 2011 ca. 1.250 Menschen mit einer HIV-Infektion in Sachsen. Die Zahl der Todesfälle bei HIV-Infizierten schätzt das RKI für 201 in Sachsen auf 10 (gesamt seit Beginn der Epidemie etwa 140.

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weitere Informationen:
Epidemiologische Kurzinformation des Robert Koch-Instituts zu den HIV/AIDS-Eckdaten (Stand: Ende 2011):
– Baden-Würtemberg
– Bayern
– Berlin
– Brandenburg
– Bremen
– Hamburg
– Hessen
– Mecklenburg-Vorpommern
– Niedersachsen
– Nordrhein-Westfalen
– Rheinland-Pfalz
– Saarland
– Sachsen
– Sachsen-Anhalt
– Schleswig-Holstein
– Thüringen

– HIV/AIDS in Deutschland
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Bugchasing: Pozzen im ZDF

Eine neue Reportage-Sendung des ZDF-Ablegers ‚ZDF neo‘ beschäftigt sich am 12. Februar 2011 mit ‚bugchaising‘ oder ‚pozzen‘ – mit Menschen, die sich bewusst mit HIV infizieren.

ZDF neo ist ein seit November 2009 sendender digitaler Ableger des ZDF, mit dem das ZDF experimentiert, wie es wieder attraktiver für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer werden könnte – mit teils beachtlichen, interessanten Ergebnissen.

Im Februar startet ZDF neo eine neue Reportage-Reihe, ‚Wild Germany‘. Realisiert wird diese für das ZDF vom internationalen Magazin und Medien-Unternehmen ‚Vice‘. Die erste Sendung am 12. Februar 2011 (22:15, ZDF neo) beschäftigt sich mit „bugchasing“.

Als ‚bugchasing‘ wird im englischen Sprachgebrauch häufig bezeichnet, was im Deutschen gern ‚pozzen‘ genannt wird: sich bewusst und absichtlich mit HIV infizieren. ‚Bugchasing‘ ist wenig wissenschaftlich untersucht. Eine deskriptive US-Studie an 1.228 ‚bugchasing‘-Internetprofilen auf US-Internetseiten im Jahr 2006 identifizierte 7,5% der Profil-Besitzer als HIV-negativ und tatsächlich überzeugte ‚bugchaser‘ und 0,4% (5 von 1.228) als HIV-positiv und überzeugte ‚bugchaser‘. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Resüme

„These data suggest bug chasing and gift giving do exist; however a sizable portion of both bug chasers and gift givers were not intent on spreading HIV.“

Wie häufig dieses Phänomen in der Realität in Deutschland tatsächlich auftritt, ist nicht bekannt – oft gewinnt man den Eindruck, die mediale Aufmerksamkeit für ‚pozzen‘ oder ‚bugchaser‘ ist weitaus höher als die Realität.

ZDF neo schreibt selbst als Ankündigungs-Text zur Sendung zu ‚bugchaising‘:

„AIDS ist eine der gefährlichsten Krankheiten der Welt. In den 80ern und 90ern ist eine ganze Generation von homosexuellen Männern jämmerlich daran gestorben. Nur durch groß angelegte Aufklärungskampagnen konnte die Verbreitung verlangsamt werden. Später tauchten Gerüchte über so genannte „Bugchaser“ in den Medien auf, Männer, die sich willentlich mit dem HI-Virus infizieren lassen. Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen.

Als ZDFneo-Reporter begibt er sich in die Schwulenszene. Dort trifft er Claude. Er ist aidskrank, was ihn nicht davon abbringt, verhütungsfreie Sexpartys in seiner Wohnung zu veranstalten. Regelmäßig melden sich HIV-negative Männer bei ihm an, die sich von ihm anstecken lassen möchten. In Leipzig trifft Manuel Tobias und René, beide HIV positiv, die ihm die Leipziger Szene zeigen. Sie erzählen, dass sie schon andere Männer mit deren Einverständnis angesteckt haben. Zuletzt schaut Manuel sich das an, wovon er bisher nur gehört hat: die Darkrooms der Stadt, der ideale Spielplatz für Bugchaser.“

‚Vice‘-Deutschland- Herausgeber Benjamin Ruth kündigt die Reportage-Reihe „Wild Germany“ an als „eine Reise an die obszönsten Orte des Landes“ …

Der Reporter des Beitrags, ‚Manuel Möglich‘, wird als Autor oder Mitarbeiter u.a. genannt bei dem ‚Magazin für Pop-Kultur‘ Spex (2006/07), dem WDR-Radio – Ableger 1Live (2007) und der WDR-Sendung ‚Funkhaus Europa‘ (2010), war Autor in der ‚Berliner Zeitung‘ (2008) oder der ‚Zeit‚ (2010). Beiträge, die ihn als sachkundig zu HIV / Aids ausweisen, sind auf den ersten Blick nicht zu finden.

Autor des Beitrags ist Tom Littlewood, Chefredakteur der Reportage-Reihe ‚Wild Germany‘ bei ‚Vice‘.

Produziert wird die Reportage-Reihe von ‚Vice‘ (Vice: etwa: Laster, Fehler). Das 1994 in Kanada gegründete ‚Szene-Magazin‘ (früher ‚Voice of Montreal‘) hat sich längst zu einem global agierenden Medien-Unternehmen gewandelt – Magazin, Internet-TV (vbs.tv), TV-Beiträge für andere Sender. Das Print-Magazin erscheint in 26 Ländern in einer Auflage von insgesamt 1,2 Millionen Exemplaren. Die SZ schreibt über das Magazin „Jeder findet etwas, das ihn abstößt, fast jeder etwas, das ihn fasziniert. Ein Gesamtkonzept gibt es nicht.“
Die deutsche Redaktion des Magazins (2005 gegründet) sitzt in Berlin, Herausgeber in Deutschland ist Benjamin Ruth.

Zuständig für ‚Wild Germany‘ beim ZDF: Andrea Windisch, stellvertretende Redaktionsleiterin bei ZDF Neo.

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weitere Informationen:
ZDF neo 12.02.2011 22:15 Uhr: „Wild Germany – Bugchasing“
Manuel Möglich auf 1Live
SZ 28.09.2010: Erfolgsmodel: „Vice“-Magazin – Obszön geschlitzte Früchte
Christian Grov, Jeffrey T. Parsons: Bug Chasing and Gift Giving: The Potential for HIV Transmission Among Barebackers on the Internet. in: AIDS education and prevention, Dezember 2006 (abstract)
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Virus-Mythen 11: „Ein 400%iger Zuwachs an Neuinfizierungen“ – über den Umgang mit Zahlen

Mit der Verwendung von Prozent-Werten ohne Nennung absoluter Zahlen, sowie der zielgerichteten Auswahl eines Betrachtungszeitraums lässt sich vortrefflich Politik machen – wie beispielhaft ein aktueller Fall zeigt.

„400 Prozent Zuwachs der HIV-Neuinfizierungen“ konstatiert ein Aids-Hilfe-Mitarbeiter in der Provinz. „Immer mehr Neuinfizierungen“, titelt entsprechend die Lokal-Presse. Was ist los in der niedersächsischen Provinz?

„Allein in Oldenburg haben wir einen 400 prozentigen Zuwachs an Neuinfizierungen registrieren müssen“,

sagt ein Mitarbeiter der Oldenburgischen Aids-Hilfe einem Bericht in der Lokalpresse zufolge (ohne den Zeitraum anzugeben, für den dieser Anstieg erfolgt sein soll). Ein Mitarbeiter, der „seit fünf Jahren für die Oldenburgische Aidshilfe an Schulen unterwegs [ist], um Schüler über AIDS und das HI-Virus aufzuklären.“

Ein 400-prozentiger Zuwachs der HIV-Neudiagnosen? Der Leser merkt auf, staunt und erschrickt – welch seltsame, unerhörte Zustände herrschen da im niedersächsischen Oldenburg? 400 Prozent? Ist Oldenburg ein verkannter, bisher zu wenig beachteter Brennpunkt der HIV-Epidemie in Deutschland?

HIV-Neudiagnosen werden in Deutschland anonym dem Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet. Dort sind sie online abfragbar, über das Tool ‚SurvStat‘ (Surveillance Statistik). Eine Abfrage, gezielt für HIV-Neudiagnosen und den Stadtkreis Oldenburg ergibt folgendes Bild:

HIV-Neudiagnosen SKOldenburg (Quelle: RKI)
HIV-Neudiagnosen SK Oldenburg (Quelle: RKI)

Gemeldete HIV-Neu-Diagnosen nach Jahr , Deutschland, Bundesländer: Niedersachsen; Regierungsbezirke: Weser-Ems; Kreise: SK Oldenburg; Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI; Datenstand: 01.01.2011

Aber – meinte der Mitarbeiter der Aidshilfe vielleicht einen größeren Bereich als den Stadtkreis Oldenburg? Das RKI gibt für den Regierungsbezirk Weser-Ems (in dem Oldenburg liegt) neben den Stadtkreisen Oldenburg und Osnabrück noch den „restlichen Regierungsbezirk Weser-Ems“:

HIV-Neudiagnosen restl. RB Weser-Ems (Quelle: RKI)
HIV-Neudiagnosen restl. RB Weser-Ems (Quelle: RKI)

Gemeldete HIV-Neu-Diagnosen nach Jahr , Deutschland, Bundesländer: Niedersachsen; Regierungsbezirke: Weser-Ems; Kreise: Restlicher RB Weser-Ems; Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI; Datenstand: 01.01.2011

Die Statistiken des RKI ergeben folgendes Bild:
– Im Stadtkreis Oldenburg wurden 2009 6, 2010 7 HIV-Infektionen neu diagnostiziert. Eine Neudiagnose mehr im Jahr 2010 als im Vorjahr – ein Anstieg um 16%.
– Im Bereich „restlicher Regierungsbezirk Weser-Ems“ wurden 2009 28, und 2010 24 HIV-Infektionen  neu diagnostiziert. Ein Rückgang um15% oder 4 Fälle.
– Ein 400-prozentiger Zuwachs ist nirgends zu vermelden. Selbst nicht bei Vergleichen über Mehrjahres-Zeiträume.

Aufschluss, ob ggf. frühere Zeiträume gemeint sind, könnten vielleicht auch Zahlen des niedersächsischen Gesundheitsministeriums geben. Doch vermeldet dieses für den Postleitzahlbereich 26 Oldenburg – Wilhelmshaven – Emden – Aurich (nicht deckungsgleich mit Stadtkreis Oldenburg) bis 2006 keine drastischen Schwankungen. Und die Stadt Oldenburg teilt in einer Pressemitteilung mit:

„Gegenüber dem Vorjahr [2006 zu 2005, d.Verf.] lag die Zahl um vier Prozent höher. Auch in unserem Postleitzahlbezirk lässt sich dieser Trend beobachten, wenn auch in geringerem Maße.“

Der Anfang 2011 von der Oldenburger Aidshilfe konstatierte „400prozentige Zuwachs der HIV-Neuinfizierungen“ bleibt somit letztlich rätselhaft.

Klar wird allerdings: selbst falls zwischen 2009 und 2010 ein 400% – Anstieg der HIV-Neudiagnosen in Oldenburg stattgefunden haben sollte, dürfte sich dieser auf Basis sehr niedriger absoluter Zahlen ereignet haben. Das RKI meldet für den gesamten (!) Regierungsbezirk Weser-Ems (Stadtkreis Oldenburg, Stadtkreis Osnabrück, sowie restlicher Regierungsbezirk Weser-Ems) insgesamt 39 HIV-Neudiagnosen im Jahr 2009, und 43 im Jahr 2010. Ein Anstieg um 4 Fälle – oder 10%.

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Ein Mitarbeiter einer Aidshilfe macht im Jahr 2011 Aufklärung an Schulen. Und kommentiert die Aussage, in Deutschland herrsche „ein hohes Maß an Aufklärung“ mit „weit gefehlt“. Um dann einen „400prozentigen“ Zuwachs der HIV-Neuinfektionen für sein Gebiet zu konstatieren.

Nun mag man ja Gründe suchen, um die eigene Arbeit mit Bedeutung, mit Wichtigkeit aufzuladen. Auch, um die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler zu gewinnen. Aber – gewinnt man Aufmerksamkeit mit derartigen Aussagen? Mit einem derartigen Umgang mit der Realität? Und – sollte man sich als zuständiger Mitarbeiter auch fragen, welche Wirkungen derartige Aussagen von Horror-Zahlen vielleicht in der Öffentlichkeit haben?

Sollte man als zuständiger Journalist respektive Redakteur vielleicht gerade bei derartig drastischen Aussagen auch einen prüfenden Blick auf die Fakten werfen? Vielleicht zumindest mit einigen ergänzenden nüchternen Zahlen Aufschluss geben? Dabei HIV-Neudiagnosen und HIV-Neuinfektionen unterscheiden? Und beachten: allein relative Zahlen, Prozentwerte sagen oft wenig ohne den Blick auf die Absolut-Werte …

Oder – waren beide, Aidshilfe-Mitarbeiter sowie Journalist einfach nachlässig? Oder haben beide vielleicht gar ein gemeinsames Interesse? Das an Skandalisierung, Übertreibung, gesteigerter Aufmerksamkeit? Rechtfertigt der Zweck das Mittel?

Mit Zahlen kann man Politik machen. Fragt sich nur welche. Und es stellt sich die Frage, ab wann ein intentionaler Umgang mit Zahlen fragwürdig ist.

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weitere Informationen:
NWZ online 08.01.2011: „Immer mehr Neuinfizierungen“ – Prävention Ralf Monsees informiert Schüler über Immunschwächekrankheit HIV
Datenabfragen RKI ClinSurv am 09.01.2011
Niedersächsisches Landesgesundheitsamt 07.09.2007: HIV-Infektionen in Niedersachsen – Aktuelle Entwicklungen (pdf)
Stadt Oldenburg Pressemitteilung 28.11.2007: Steigende Anzahl von Neu-Infektionen Besorgnis erregend – Gesundheitsamt und AIDS-Hilfe legen aktuellen AIDS-Bericht vor
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Kurz notiert … Januar 2011

29. Januar 2011: ‚Ärzte ohne Grenzen‚ kritisiert die Vereinbarung zwischen der Johnson & Johnson-Tochter Tibotec und drei Generika-Herstellern über ein neues HIV-Medikament des Konzerns (Rilpivirine)  für unzureichend. Viele HIV-Positive blieben von der Regelung ausgeschlossen.

28. Januar 2011: In den USA ist Tesamorelin (Handelsname Egrifta®) nach der US-Zulassung inzwischen verfügbar – die Jahres-Kosten (wholesale acquisition cost, etwa Großhandelseinkaufspreis) sollen bei 23.900 US-$ liegen.

27. Januar 2011: Die US-Medikamentenbehörde FDA hat eine Zulassungsantrag des Pharmaunternehmens Gilead für eine Dreier-Kombipille aus Tenofovir und Emtricitabin (bisher schon vermarktet unter dem Hhandelsnamen Truvada®) sowie dem experimentelle NNRTI Rilpivirin vorläufig nicht angenommen. Das Unternehmen kündigte an, kurzfristig weitere Daten zur Verfügung zu stellen.

24. Januar 2011: Die Medikamenten-.Behörde der EU hat Darunavir (Handelsname Prezista®) für die einmal tägliche Anwendung (mit Ritonavir als Booster) bei Therapie-erfahrenen Erwachsenen ohne Hinweise auf potentielle Resistenzen gegen die Substanz zugelassen.

23. Januar 2011: Die US-Regierung ist beunruhigt, dass die Pharma-Industrie zu langsam und zu wenige neue Substanzen entwickelt – und reagiert, indem sie ein eigenes Bundes-Forschungszentrum ins Leben ruft.

22. Januar 2011: US-Forscher haben erstmals die Struktur der Protein-Hülle von HIV entschlüsselt. Sie hoffen, dass sich daraus neue Ansätze für Medikamente gegen HIV entwickeln lassen.

In Tschetschenien müssen zukünftige Eheleute seit Mitte Januar 2011 einen HIV-Test machen, nur HIV-Negative werden vermählt. Dies erklärte der Großmufti des islamischen Landes. Zwar ist Heirat auch in Tschetschenien gesetzlich geregelt, Anordnungen des Muftis werden aber von vielen Bürgern befolgt.

20. Januar 2011: Bei HIV-Positiven ist möglicherweise das Risiko für Schlaganfälle erhöht, berichten US-Forscher.

Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln: Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat sich eine neue Verfahrensordnung gegeben.

19. Januar 2011: Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen Hartz-IV-Empfängern die Beiträge zur privaten Krankenversicherung voll bezahlen, berichtet die DAH über ein Urteil des Bundesozialgerichts.

Ein 41jähriger heterosexueller Mann wurde im US-Bundesstaat Virginia zu 50 Jahren Haft verurteilt. Der HIV-positive Mann hatte Sex mit einem 14-jährigen Mädchen, ohne sie über seine HIV-Infektion zu informieren. Das Mädchen ist HIV-infiziert.

Einem HIV-positiven Sergeant der US-Air-Force drohen bis zu 53 Jahre Haft. Er soll mehrfach Sex ohne Verwendung von Kondomen Sex gehabt haben, ohne seinen HIV-Status offen zu legen – entgegen einer schriftlichen Anordnung seines Kommandeurs, Sexpartnerinnen über seinen HIV-Status zu informieren.
Aktualisierung 22.01.2011: Der Sergeant wurde inzwischen zu acht Jahren Haft verurteilt.

14. Januar 2011:Im Verfahren gegen einen 65-jährigen HIV-positiven Mann aus Celle, dem Missbrauch in 403 Fällen in Thailand vorgeworfen wird, fordert die Staatsanwaltschaft Lüneburg 9 Jahre Haft. Das Urteil soll am 21. Februar 2011 verkündet werden.

Bei Farbigen, Hispanics und amerikanischen Indianern sind unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung die HIV-Neuinfektionsraten höher als bei Weissen; bei Farbigen und Hispanics verschlechtert die Situation sich weiter. Dies betont der erste Bericht zu ethnischen Unterschieden der Gesundheitssituation in den USA, den die CDC jemals erstellt haben.

13. Januar 2011: Das Pharmaunternehmen Gilead warnt in einem ‚Rote Hand Brief‘ (pdf), dass die nicht sachgemäße Anwendung von Cidofovir (Handelsname Vistide®) außerhalb der Zulassung zu schweren Nebenwirkungen führen kann. Die Substanz ist nur zugelassen zur Behandlung der CMV-Retinitis bei Erwachsenen mit Aids.

12. Januar 2011: State Representative Larry Brown, Republikaner und Mitglied der General Assembly des US-Bundesstaats North Carolina, redet Klartext: Erwachsene mit HIV sollten ihre Therapien nicht vom Staat bezahlt bekommen, wenn sie „es durch ihren Lebensstil verursacht haben“ sowie für Menschen, die „in perversen Lebensstilen leben“. Er meine damit u.a. Erwachsene, die sich durch Sex oder Drogen mit HIV infizieren.

11. Januar 2011: Zwei Proteasehemmer gegen das Hepatitis C Virus befinden sich in beschleunigten Zulassungsverfahren: Boceprevir in den USA und Telaprevir in Europa.

In den USA wurden die Richtlinien für HIV-Therapie aktualisiert. U.a. sind Kontrollen der CD4-Werte in vielen Fällen seltener als bisher erforderlich, zudem wurde virologisches Versagen der Therapie neu definiert.

07. Januar 2010: Die Empfehlung, dass HIV-Positive eine Grippeschutz-Impfung machen sollten, ist gerechtfertigt, folgert ein US-Forscher aufgrund aktueller Daten dreier Studien.

„Immun gegen AIDS?“ – Werbung für Gentest führt in die Irre“, warnt die DAH.

Atorvastatin und Rosuvastatin sind besser geeignet als Pravastatin, um bei HIV-Positiven erhöhte Blutfettwerte zu senken, stellen US-Forscher in einer Studie an 700 HIV-Positiven fest. Alle drei Substanzen der Gruppe der Statine hatten in der Studie vergleichbare Raten an Nebenwirkungen.

05. Januar 2011: Das Patentamt im indischen Mumbai hat einen Patentantrag des Pharmakonzerns Abbott auf die Kombination von Ritonavir und Lopinavir (vermarktet unter dem Handelsnamen Kaletra®) für Indien abgelehnt. Damit ist die Herstellung generischer Versionen in Indien möglich.

Der Baseballspieler Roberto Alomar wird in die „Hall of Fame“ des US-Baseball aufgenommen. Alomar sieht sich mit einer Anzeige seiner Ehefrau konfrontiert, er habe mit ihr ungeschützten Sex gehabt, obwohl er von seinem positiven HIV-Status wisse.

Plastiktüten seien kein brauchbarer Ersatz für Kondome, warnt das Gesundheitsministerium in Thailand die Teenager des Landes.

04. Januar 2011: Erstmals seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Todesfälle mit Bezug zu HIV und Aids pro Jahr in New York im Jahr 2010 unter 1.000 gefallen (auf 933).

Mangel an Vitamin D kann für HIV-Positive das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, berichten Forscher.

01. Januar 2011: Annie Lennox wird für ihren Einsatz gegen Armut und Aids in Afrika von der britischen Queen als ‚Offizierin‘ in den Orden des britischen Empire aufgenommen.

Zahl der AIDS-Toten in Deutschland leicht rückläufig

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember mitteilt, starben in Deutschland im Jahr 2009 insgesamt 431 Personen an der durch HIV (human immunodeficiency virus) verursachten Erkrankung AIDS. Im Vergleich zum Vorjahr (443 Personen) war die Zahl der AIDS-Toten damit leicht rückläufig.

Aufgrund neuester Wirkstoffe und Kombinationstherapien konnte die Lebenserwartung der HIV-Infizierten weiter erhöht werden. Das Sterbealter lag im Jahr 2009 bei 49,4 Jahren, wobei Frauen im Schnitt 44,5 Jahre und Männer 50,7 Jahre alt wurden. Im Jahr 1999 lag das Sterbealter noch bei 43,5 Jahren.

Von den insgesamt 431 an AIDS verstorbenen Personen waren die meisten (87%) im Alter zwischen 25 und 65 Jahren, wobei die Gruppe der 40- bis unter 45-Jährigen hiervon den größten Anteil ausmachte (21% aller AIDS-Toten). 78% der Verstorbenen waren männlich.

Im Jahr 2009 wurden bundesweit 1 429 an AIDS erkrankte Patientinnen und Patienten im Krankenhaus behandelt und entlassen. 88% dieser Patientinnen und Patienten waren zwischen 25 und 65 Jahre alt. Auch hier war die Altersgruppe der 40- bis 45-Jährigen am stärksten vertreten (18%).

Weltweit schätzt UNAIDS, das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS, die Zahl der 2009 an den Folgen von AIDS Verstorbenen auf etwa 1,8 Millionen Erwachsene und Kinder. Mit dem Virus infiziert waren schätzungsweise 33,3 Millionen Menschen bei 2,6 Millionen Neuinfektionen im Jahr 2009.

Am schwersten von der Epidemie betroffen ist nach wie vor Afrika. 1,3 Millionen oder 72% der weltweit geschätzten Todesfälle gab es im Jahr 2009 allein in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. 22,5 Millionen oder 68% aller weltweit HIV (human immunodeficiency virus)-infizierten Erwachsenen und Kinder lebten dort. Die Neuinfektionen machten 1,8 Millionen oder 69% der weltweit geschätzten Fälle aus. UNAIDS zufolge trugen in dieser Region rund 5% der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren das Virus in sich.

In West- und Mitteleuropa (Europa ohne Russland, Ukraine und Weißrussland) stellte sich die Lage im internationalen Vergleich weniger schwerwiegend dar. Im Jahr 2009 starben hier laut UNAIDS 8 500 Menschen an der Immunschwächekrankheit. Die Zahl der Neuinfektionen wurde auf 31 000 Fälle geschätzt. Die Gesamtzahl der HIV (human immunodeficiency virus)-infizierten Erwachsenen und Kinder lag im Jahr 2009 bei rund 820 000. Weitere internationale Daten finden Sie kostenfrei auf der Website des Statistischen Bundesamtes unter der Rubrik Internationale Daten.

(Pressemitteilung Statistisches Bundesamt)